Wort zur Judenfrage

April 1950; Das „Wort zur Judenfrage" (häufig auch als „Wort zur Schuld an Israel" zitiert) geht also darin über das Stuttgarter Schuldbekenntnis, (E.III.1) hinaus, dass es ausdrücklich bekennt, dass die Kirche mitschuldig geworden ist „an dem Frevel, der durch Menschen unseres Volkes an den Juden begangen worden ist".

Wort zur Judenfrage

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Berlin-Weißensee vom 23. bis 27. April 1950 stand unter dem Thema „Was kann die Kirche für den Frieden tun?" in der Aussprache setzte sich ganz überraschend und gänzlich unprogrammgemäß die Überzeugung durch, die Synode müsse vor einem Wort zum Frieden ein Wort zur Judenfrage sagen. Nur dann sei sie berechtigt, auch zum Frieden zu reden. So wurde ... über Nacht das Wort erarbeitet, von dem gesagt werden muß, daß es mindestens schon seit 1945 seitens der Evangelischen Kirche Deutschlands hätte gesprochen werden müssen" (Johannes Beckmann in der Einleitung im Kirchlichen Jahrbuch 1950, 5). Das „Wort zur Judenfrage" (häufig auch als „Wort zur Schuld an Israel" zitiert) geht also darin über das Stuttgarter Schuldbekenntnis, (E.III.1) hinaus, dass es ausdrücklich bekennt, dass die Kirche mitschuldig geworden ist „an dem Frevel, der durch Menschen unseres Volkes an den Juden begangen worden ist". Im Gegensatz zum Wort des Bruderrats der EKD (E. III.7) betont es außerdem, „daß Gottes Verheißung über dem von ihm erwählten Volk Israel auch nach der Kreuzigung Jesu Christi in Kraft geblieben ist". Damit zeigt sich ein erster Ansatz eines neuen theologischen Nachdenkens über das Verhältnis der Kirche zum Judentum.

 

Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme. Röm. 11,32

Wir glauben an den Herrn und Heiland, der als Mensch aus dem Volk Israel stammt.

Wir bekennen uns zu der Kirche, die aus Judenchristen und Heidenchristen zu einem Leib zusammengefügt ist und deren Friede Jesus Christus ist.

Wir glauben, daß Gottes Verheißung über dem von ihm erwählten Volk Israel auch nach der Kreuzigung Jesu Christi in Kraft geblieben ist.

Wir sprechen es aus, daß wir durch Unterlassen und Schweigen vor dem Gott der Barmherzigkeit mitschuldig geworden sind an dem Frevel, der durch Menschen unseres Volkes an den Juden begangen worden ist.

Wir warnen alle Christen, das, was über uns Deutsche als Gericht Gottes gekommen ist, aufrechnen zu wollen gegen das, was wir an den Juden getan haben; denn im Gericht sucht Gottes Gnade den Bußfertigen.

Wir bitten alle Christen, sich von jedem Antisemitismus loszusagen und ihm, wo er sich neu regt, mit Ernst zu widerstehen und den Juden und Judenchristen in brüderlichem Geist zu begegnen.

Wir bitten die christlichen Gemeinden, jüdische Friedhöfe innerhalb ihres Bereiches, sofern sie unbetreut sind, in ihren Schutz zu nehmen.

Wir bitten den Gott der Barmherzigkeit, daß er den Tag der Vollendung heraufführe, an dem wir mit dem geretteten Israel den Sieg Jesu Christi rühmen werden. E.III.12

Editorische Anmerkungen

Wortlaut in: Kirchliches Jahrbuch für die Evangelische Kirche in Deutschland 1950, Gütersloh 1951, 5f.