Stellungnahme: Israel - Palästina - Frieden im Nahen Osten

Uns berühren die erschreckenden Nachrichten und Bilder der scheinbar ausweglosen Gewaltspirale im Israel-Palästina-Konflikt, mit denen wir fast täglich konfrontiert werden.

Stellungnahme der Evangelischen Kirche von Westfalen

Israel – Palästina – Frieden im Nahen Osten

Inhaltsverzeichnis

  1. Warum wir etwas sagen
    1. Ausgangspunkt
    2. Hintergrund der Stellungnahme
    3. Adressaten
  2. Was wir wahrnehmen
    1. Zwei Völker – ein Land
      1. Trotz des gescheiterten Friedensprozesses – Zukunft gibt es nur gemeinsam
      2. Das Land als Heimat zweier Völker
      3. Wofür wollen wir uns einsetzen?
      1. Jerusalem – die heilige Stadt für drei Weltreligionen
      2. Jeruschalajim – Jerusalem in der jüdischen Tradition
      3. Jerusalem in der christlichen Tradition
      4. Al Kuds - Jerusalem in der islamischen Tradition
      5. Konflikte und Verhandlungen um Jerusalem
      6. Hoffnungen und Visionen für eine Stadt
  3. Was wir in der Evangelischen Kirche von Westfalen tun können
    1. Informationsarbeit leisten
    2. Kommunikationsebenen herstellen
    3. Gruppen und Projekte unterstützen
      1. Projekte, die von der Evangelischen Kirche von Westfalen gefördert werden
      2. Projekte in kirchlicher Trägerschaft
      3. Projekte und Gruppen zur Information und Weiterarbeit in Deutschland
      4. Israelische und palästinensische Projekte und Gruppen zur Information und Weiterarbeit

1. Warum wir etwas sagen

1.1 Ausgangspunkt

Uns berühren die erschreckenden Nachrichten und Bilder der scheinbar ausweglosen Gewaltspirale im Israel-Palästina-Konflikt, mit denen wir fast täglich konfrontiert werden. Entsetzen, Trauer und Unsicherheit, wie wir angesichts der gegenwärtigen Situation in Israel und Palästina angemessen reagieren können, bestimmen unsere Gefühle.

Die Eskalation von Hass und Gewalt hat in den letzten beiden Jahren neue Dimensionen bekommen.1 „Heute sind wir am Tiefpunkt unserer Hoffnung. Es geht um Leben und Tod.“, hören wir von unseren jüdischen und christlichen Gesprächspartnern vor Ort, die sich seit vielen Jahren auf beiden Seiten unermüdlich als Brückenbauer für Versöhnung und Frieden in Israel und Palästina einsetzen. Die Handlungsmöglichkeiten der im Gespräch zwischen Juden, Christen und Muslimen und im israelisch-palästinensischen Verständigungsprozess engagierten Minderheiten werden immer mehr eingeschränkt. Und doch wollen sie nicht resignieren. Sie signalisieren, dass sie gerade jetzt Unterstützung von außen brauchen in ihrem Bemühen, Hilflosigkeit zu überwinden und Hoffnung zu stärken. Diejenigen, die sich seit Jahrzehnten beharrlich für einen gerechten Frieden und die interreligiöse Verständigung einsetzen, brauchen gerade in den vor uns liegenden Jahren einen langen Atem. Dabei möchten wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ihren Beitrag zum Frieden unterstützen.

Der erste Schritt dazu besteht darin, die Situation differenziert wahrzunehmen. Darum beschreibt diese Ausarbeitung ohne zu urteilen. Gerade so eröffnet sie Perspektiven für solidarisches Handeln. In diesem Sinne ist die folgende Stellungnahme zu verstehen.

1.2 Hintergrund der Stellungnahme

Inwiefern sind wir von diesem Konflikt betroffen?

Wir sind als Deutsche betroffen, weil unsere Geschichte fortwirkt, gerade im Blick auf unsere Beziehung zu den Israelis und zu den Palästinensern. Die Vernichtung des europäischen Judentums nimmt uns in besondere Verantwortung gegenüber den Juden und dem Staat Israel. Die Palästinenser erleben sich im Zusammenhang mit der Entstehung dieses Staates ihrerseits auch in eine Leidensgeschichte gestürzt.

Wir stehen in der Verantwortung als Kirche, die ihr besonderes Verhältnis zu Israel zum Ausdruck bringt.2

Wir sind herausgefordert als Kirche, die im Rahmen der weltweiten ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt danach fragt, wie sie in ihren Lebensbezügen selbst in Gewalt verstrickt ist. Als Kirche, die fragt, wie sie Schritte zur Gewaltüberwindung, zur Förderung von Frieden, besonders auch zur Respektierung der Menschenrechte, tun und wie sie mit anderen auf diesem Weg zusammenarbeiten kann. In diesem Zusammenhang ist uns gerade nach dem 11. September 2001 die Notwendigkeit des Dialogs zwischen den Religionen bewusst.

Wir sind angefragt als Kirche, die viele Beziehungen hat nach Israel und Palästina – vor allem auch zu christlichen Gemeinden, Beziehungen zu Menschen in unterschiedlichen Kontexten, mit denen sie zusammen auf diesem Weg der Gewaltlosigkeit ist. Christinnen und Christen in unserer Kirche sind in verschiedenen Zusammenhängen berührt:

  • in den Gemeinden, die seit vielen Jahren in ihren Gottesdiensten Fürbitte halten für Israel und Palästina;
  • in der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen, insbesondere auf dem Hintergrund ihrer Hauptvorlage von 1999Gott hat sein Volk nicht verstoßen und ihrer Synodalentschließung zum Thema Christen und Juden im Jahr 2000;
  • in der Kirchenleitung, die in Vorbereitung der Landessynode 2000 Israel und Palästina besucht hat;
  • in den Kirchenkreisen und Gemeinden, Institutionen und Gruppen unserer Kirche, die seit vielen Jahren intensive Beziehungen zu Partnern in Israel und Palästina haben und deren Arbeit unterstützen. Beispielhaft für diese z.T. historisch verwurzelten, z.T. in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Beziehungen seien genannt:3
    • christliche Gemeinden und Kirchen in Israel und Palästina;
    • christliche Schulen, Bildungs- und Begegnungszentren der Ev. Luth. Kirche in Palästina, wie Talitha Kumi in Beit Jala und das Dar al-Kalima Internationale Begegnungszentrum in Bethlehem;
    • Versöhnungsprojekte wie die Abrahamsherberge in Beit Jala und die Friedensarbeit von Neve Shalom/Wahat al-Salam in Israel und Palästina;
    • Initiativen interreligiöser Verständigungsarbeit wie das Israel Interfaith Committee in Jerusalem (IICJ);
    • Nes Ammim in Israel;
    • Christliche Diakonische Einrichtungen wie das Auguste Victoria Hospital in Jerusalem
    • Aktion Sühnezeichen Friedensdienste;
  • in den Gremien unserer Landeskirche, die aus ihrer jeweiligen Perspektive mit dem Thema befasst sind:
    • im Ständigen Ausschuss der Landessynode Weltmission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung;
    • im Ausschuss Christen und Juden der Kirchenleitung;
    • im Ausschuss Frieden und Friedensdienste der Kirchenleitung;
  • in den eigenständigen Gruppierungen, in denen Mitglieder unserer Landeskirche engagiert mitarbeiten, wie
    • in den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Westfalen;
    • im Palästina Kontaktnetz – Evangelische Arbeitsgemeinschaft Westfalen;
    • bei der Initiative Frauen für den Frieden in der Evangelischen Kirche von Westfalen;
    • in der Solidarischen Kirche.

Auf diesem Hintergrund bewegen unterschiedliche Sorgen gerade jene in unserer Kirche, die mit Partnern auf beiden Seiten des Nahost-Konfliktes seit langem freundschaftlich verbunden sind und ihre Fragen hören:

  • Diejenigen, die durch ökumenische Partnerschaften mit den palästinensischen Christinnen und Christen verbunden sind, fordern, nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit der schuldbeladenen Geschichte der Kirche gegenüber den Juden müsse die Kirche sich jetzt auch klar der akuten Not des palästinensischen Volkes zuwenden. Sie fürchten, dass aufgrund unserer besonderen geschichtlichen Verantwortung gegenüber den Juden die Palästinenser nicht genügend als bedrängte Opfer eines Konfliktes wahrgenommen werden, in dem sie zugleich Israel als unterdrückende Macht ansehen. Die christlichen Gemeinden in Palästina selbst sprechen deutlich ihre Erwartung an uns aus: „Nehmt unsere Not wahr und klärt euer Verhältnis zu uns in dieser besonderen Situation!“
  • Gleichzeitig befürchten diejenigen, die seit langem an einer Erneuerung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden arbeiten und mit den jüdischen Gemeinden in Deutschland im Gespräch sind, dass sich hinter massiver Kritik an der israelischen Regierung antisemitische Ressentiments verstecken könnten. Sie drängen deshalb darauf, gerade angesichts der oft antiisraelischen Stimmung in der Öffentlichkeit eine grundsätzlich solidarische Haltung gegenüber Israel einzunehmen. Dass im Zuge des ungelösten Nahostkonflikts die in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden zu Adressaten von Anfeindungen werden und Einrichtungen der jüdischen Gemeinden in Deutschland zunehmend gewaltsamen Angriffen ausgesetzt sind, bleibt zutiefst beunruhigend.
  • Diejenigen schließlich, die Freunde auf beiden Seiten des Konfliktes haben, in Israel und Palästina, sehen sich in einer Zerreißprobe, weil sie sich beiden Seiten solidarisch verbunden fühlen und sich nicht auf eine Seite stellen können und wollen. Gleichzeitig möchten sie ihre Freiheit bewahren, Kritik an beiden Seiten aussprechen zu können, ja sie sehen gerade das auch als Akt der Solidarität. Auch sie hören – von beiden Seiten – dass Hilfe von außen nötig ist, um aus der Gewaltspirale herauszukommen, die Verstrickung in die Gewalt zu überwinden und dem Frieden noch eine Chance zu geben. Sie fordern dazu auf, alle vorhandenen Friedenskräfte intensiv zu unterstützen.

Im Bewusstsein dieser unterschiedlich akzentuierten Sorgen und Fragen hat die Kirchenleitung eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Stellungnahme beauftragt.

Diese Arbeitsgruppe hat die vorliegende Ausarbeitung bewusst im Hören auf Stimmen unserer jüdischen und christlichen Gesprächspartner auf beiden Seiten des Konfliktes erarbeitet. Dazu diente insbesondere eine mehrtägige Klausurtagung des Arbeitskreises. Die vorliegende Stellungnahme ist in dieser Weise nur möglich geworden aufgrund der fachlichen Beiträge und des beispielhaften persönlichen Engagements des israelischen Rabbiners Ehud Bandel (Jerusalem) und des palästinensischen Pfarrers Dr. Mitri Raheb (Bethlehem) sowie der langjährig vor Ort in Israel und Palästina engagierten Dr. Michael Krupp und Astrid Fiehland van der Vegt im Rahmen dieser Klausurtagung. Für unsere Ausarbeitung waren diese Gespräche sehr wichtig.

1.3 Adressaten

Diese Ausarbeitung richtet sich zuerst an die Kirchengemeinden der Evangelischen Kirche von Westfalen. Sie möchte zur verantwortlichen Orientierung der Gemeindeglieder und zur Glaubwürdigkeit des gesamtkirchlichen Zeugnisses in dieser wichtigen Frage beitragen. Insofern sucht die Evangelische Kirche von Westfalen im Hören auf ihre Partner in Israel und Palästina und im Gespräch mit ihnen zur Klärung der eigenen Position beizutragen.

Indem die Stellungnahme auf Anfragen insbesondere christlicher Gemeinden in Palästina antwortet, möchte sie deutlich machen, dass und wie die besondere Verbundenheit unserer Kirche mit Israel und unsere Verbundenheit mit unseren christlichen Geschwistern in Palästina zusammengehören. Zugleich hofft die Evangelische Kirche von Westfalen durch diese Stellungnahme und die damit einhergehenden praktischen Zeichen der Solidarität die Friedens- und Verständigungsbemühungen unserer Partner in Israel und Palästina unter den gegenwärtig so schwierigen Bedingungen zu stärken.

Schließlich ist uns bewusst, dass diese Stellungnahme auch von der allgemeinen Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Insofern ist sie ein Beitrag der Evangelischen Kirche von Westfalen im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in Deutschland.

2. Was wir wahrnehmen

2.1 Zwei Völker – ein Land4

Die Hoffnungen auf Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, die vor gut zehn Jahren weitgehender als je gewachsen waren, haben sich nicht erfüllt. Vor allem seit dem Scheitern der Verhandlungen in Camp David im August 2000 und dem Ausbruch der zweiten Intifada am 29. September 2000 bestimmen Gewalt und Gegengewalt das Leben beider Völker. Inzwischen ist ein Zustand erreicht, in dem sich eine Gewaltspirale ohne Ende dreht und beide Bevölkerungen in Angst und Schrecken leben.

Die Anschläge des 11. September 2001 in den USA haben sich auf die Situation im Nahen Osten verheerend ausgewirkt. Die Einbettung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern in die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens ist dadurch noch einmal mehr deutlich geworden. In dieser Hinsicht kennzeichnen mehrfache Asymmetrien die Lage: „ein militärisch und ökonomisch starkes Israel gegenüber einem schwachen Palästina, ein schwaches Israel gegenüber ökonomisch starken islamischen Staaten sowie starke fanatische Gruppen gegen ihre jeweiligen Gesellschaften, eine Demokratie unter autoritär verfassten Staaten“.5 Viele – Palästinenser und auch Israelis – halten eine Lösung des Konflikt aus eigener Kraft nicht mehr für möglich. Angesichts der gegenwärtigen internationalen Lage ist aber offen, wie ein abgestimmter internationaler Druck auf die Konfliktparteien zustande kommen kann. Offen ist auch, inwieweit sich ein solcher Druck – z.B. durch die UNO, die USA, die Europäische Union und Russland – am Völkerrecht, an den Menschenrechten und an demokratischer Entwicklung orientiert.

In einer solchen Situation, die auf allen Ebenen politisch verfahren scheint, fällt es schwer, sich Orientierung zu verschaffen, die zugleich von der Hoffnung getragen ist, Wege aus der Gewalt und der Krise zu finden. „Nehmt wahr, urteilt nicht!“, haben uns unsere Gesprächspartner gesagt. Dies bedeutet, dass wir auch in uns selbst einen Konflikt aushalten müssen, in dem die „positiven“ und „negativen“ Rollen nicht eindeutig zu besetzen sind. Weder hat es Sinn, die Palästinenser als die einzigen Opfer von Gewalt und Unterdrückung wahrzunehmen, noch ist es redlich, sie alle in die Nähe von Terroristen zu bringen. Es führt auch nicht weiter, allein die Israelis als Täter wahrzunehmen oder sie zu den einzigen Garanten einer westlich orientierten Zukunftsentwicklung zu machen. Mit einseitigen Schuldzuweisungen ist in der jetzigen Situation nichts zu gewinnen. Sie werden der komplexen historischen, politischen und gesellschaftlichen Realität der israelischen und palästinensischen Gesellschaften nicht gerecht. Wahrzunehmen, ohne selbst zum Ausbau von Feindbildern oder zu schematischem Schwarz-Weiß-Denken beizutragen, ist schwer, aber vielleicht doch die notwendige Voraussetzung, umdie Hoffnung auf Frieden nicht zur Illusion werden zu lassen.

2.1.1 Trotz des gescheiterten Friedensprozesses – Zukunft gibt es nur gemeinsam

Im Folgenden soll versucht werden, die Entwicklung des Friedensprozesses seit Beginn der 90er Jahre knapp zu skizzieren, denn im Prozess seines Scheiterns haben sich zugleich die Elemente herauskristallisiert, die eine künftige Friedensordnung kennzeichnen könnten. Dabei kann die Frage, warum sich Regelungen, die „auf der Hand“ liegen, nicht realisieren ließen, kaum beantwortet, vielleicht aber in ihrer Tragweite tiefer erfasst werden.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende der bipolaren Weltordnung in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts haben sich weltweit Chancen für Neuorientierungen und politische Neuansätze geboten. Zwar wurden vielerorts – nicht zuletzt in Europa – relativ schnell die damit verbundenen Probleme alter ungelöster Konflikte klar, aber die Hoffnungen, diese Konflikte friedlich und gerecht lösen zu können, waren groß. Acht Monate nach dem Krieg gegen den Irak, der 1990 Kuwait besetzt hatte, begann im Oktober 1991 die Konferenz in Madrid. Erstmalig saß Israel zusammen mit seinen arabischen Nachbarstaaten und Vertretern aus den seit dem Sechstagekrieg von 1967 besetzten Gebieten am Verhandlungstisch. Die Madrider Konferenz war auch eine Folge der ersten Intifada, die den palästinensischen Widerstand im Land allen vor Augen führte. Auch die Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) außerhalb des Landes wurde dazu gedrängt, sich deutlicher als bisher für eine Zwei-Staaten-Lösung auszusprechen. Erstmals geschah dies im November 1988 in Algier durch die Ausrufung eines palästinensischen Staates, die sich ausdrücklich auf die UN-Teilungsresolution 181 von 1947 bezog.

Im August 1993 kam die für alle – auch für die an den Nahostverhandlungen in Madrid beteiligten Staaten – überraschende Nachricht eines kurz bevorstehenden Abschlusses geheimer, durch Norwegen vermittelter Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der PLO in Oslo. Ein Durchbruch war erzielt, der – bei aller Ernüchterung heute – doch neu und unerwartet war: Am 13. September 1993 wurde die in Oslo ausgehandelte „Grundsatzerklärung über die Übergangsregelungen zu einer Autonomie“ von Yitzhak Rabin und Yassir Arafat in Washington unterzeichnet. Mit ihr erkannten sich Israel und die PLO gegenseitig an. Die PLO akzeptierte, über 1988 hinausgehend, das Recht des Staates Israel auf Frieden und Sicherheit und verpflichtete sich zur Streichung der Artikel in der Palästinensischen Nationalcharta, in denen das Existenzrecht Israels bestritten wird. Dieser erste Vertrag zwischen Israel und der PLO ging – allerdings indirekt – von der Gründung eines palästinensischen Staates aus. Vorgesehen war eine fünfjährige Übergangsperiode, die den sukzessiven Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und die Errichtung einer Palästinensischen Nationalen Autonomiebehörde (PNA) vorsah. 1994 begann der Rückzug aus Teilen des besetzten Gazastreifens und aus Jericho. Der PLO-Vorsitzende Arafat kehrte zurück. Im Januar 1996 wurde er zum Präsidenten gewählt. Seine Partei erhielt die Mehrheit im palästinensischen Autonomierat. Die Regelung der entscheidenden Fragen, die sich mit zwei unabhängigen Staaten in einem Land ergeben, sollte in sog. „Endstatusverhandlungen“ erzielt werden: Wozu gehört Jerusalem? Was geschieht mit den israelischen Siedlungen? Welche Regelung kann es für die palästinensische Flüchtlingsfrage geben?

Zwar gab es in den 90er Jahren erkennbare Strukturen der Annäherung, aber von Beginn an war der Friedensprozess davon überschattet, dass er in seinen Folgen von der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung völlig unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wurde. Für die Palästinenser gab es kaum Verbesserungen, sondern der Alltag und die wirtschaftliche Situation verschlechterten sich. Neue Grenzen und Kontrollen machten es schwieriger von einem Ort zum anderen zu kommen. Landenteignungen dienten dem Ausbau von Siedlungen und sie verbindenden Umgehungsstraßen. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Arafats und extremistischen Islamisten wie Hamas und Dschihad Islami spitzten sich zu. Die israelische Seite blieb trotz aller Zustimmung zum Friedensprozess skeptisch, weil es kein Ende der Terrorattentate gab und die erhoffte Sicherheit nicht erreicht wurde. Tiefe Spaltungen in der israelischen Bevölkerung lagen für alle offen, als Ministerpräsident Yitzhak Rabin im November 1995 von einem nationalreligiösen jüdischen Extremisten ermordet wurde.

Inzwischen hat sich die Situation über alle skeptischen Befürchtungen hinaus verschlechtert. Die palästinensische Autonomiebehörde ist fast zerschlagen. Viele Palästinenser leben unter existenzbedrohenden Bedingungen durch ständige Abriegelungen, militärische Wiederbesetzungen und auch durch mangelnde Versorgung. In Israel ist das gesellschaftliche Klima von Angst bestimmt. Selbstmordattentate zerstören jede Normalität des Alltagslebens. Auf beiden Seiten wird die Zivilbevölkerung Opfer von militärischen Aktionen oder Terrorangriffen. Das gegenseitige Misstrauen ist in einer Weise angewachsen, die weit überwunden schien: Viele Israelis sind heute davon überzeugt, dass die Palästinenser einen eigenen Staat nur wollen, um den Staat Israel vernichten zu können. Viele Palästinenser bezweifeln, dass der Friedensprozess ein anderes Ziel hatte, als die israelische Herrschaft über die palästinensischen Gebiete auszubauen. Beide Gesellschaften erleben diesen Konflikt inzwischen erneut als Infragestellung ihrer Existenz.

Eine Aufnahme des Friedensprozesses der 90er Jahre scheint es nicht mehr geben zu können. Dennoch hat selbst dieser gescheiterte Friedensprozess gezeigt, wo Anknüpfungspunkte liegen: in der gegenseitigen Anerkennung des Lebensrechts der Konfliktpartner, die am Beginn des Prozesses stand, sowie in Regelungen, die die Existenz eines israelischen Staates sichern und den Aufbau eines palästinensischen Staates ermöglichen, denn erst damit kann die politische und völkerrechtliche Gleichheit beider Konfliktpartner hergestellt werden. Wie eine akzeptable Regelung aussehen könnte, wurde noch in der Folge der gescheiterten Verhandlungen in Camp David im August 2000, die bis zum Januar 2001 in Taba fortgeführt wurden, deutlich: Die Grenzziehung zwischen beiden Staaten würde sich in etwa an 1967 orientieren, was auch den Verzicht Israels auf mindestens den größten Teil der Siedlungen bedeutete. Es wäre eine Vereinbarung über das palästinensische Flüchtlingsproblem nötig, die mindestens ein symbolisches Rückkehrrecht beinhaltet, verbunden mit praktischen Regelungen angesichts der Tatsache, dass es eine Rückkehr der 1948 geflohenen bzw. vertriebenen Flüchtlinge nicht geben kann. Für Jerusalem wäre eine Lösung zu finden, die eine Hauptstadt zweier Staaten etabliert. All diese Themen gehören zu den neuralgischen Punkten und wurden in beiden Gesellschaften lange tabuisiert. Doch auch sie könnten pragmatisch verhandelt werden, wenn es nicht – wie es allerdings gegenwärtig der Fall zu sein scheint – „um’s Ganze“ geht.

Obwohl die jeweiligen politischen Realitäten und die gegenwärtigen Ängste dagegen zu sprechen scheinen, gibt es auf beiden Seiten eine große Bereitschaft zu Zugeständnissen und Kompromissen, verbunden mit der Einsicht, dass beide Seiten das Ziel, im eigenen Staat in Würde und Sicherheit leben zu können, nicht durch Gewalt erreichen können. In beiden Gesellschaften gibt es jenseits von Parteien und Staat Organisationen und Gruppen, die sich gewaltfrei um Lösungen bemühen und solidarisch diejenigen unterstützen, die in Unterdrückung oder Angst leben. Insofern bleibt die Hoffnung, dass das Scheitern dieses Friedensprozesses nicht jegliche Fähigkeit genommen hat, aus eigener Kraft einen Weg aus der Gewaltspirale zu finden.

2.1.2 Das Land als Heimat zweier Völker

In dieser Stellungnahme gehen wir davon aus, dass mit dem – wenngleich gescheiterten – Friedensprozess der 90er Jahre Eckpunkte gesetzt wurden, hinter die nicht zurückgegangen werden kann. Insofern kann es nicht (mehr) darum gehen, im Konflikt zweier Völker um dasselbe Land die Legitimität beider Ansprüche zu befragen – obwohl wir wissen, dass es auch politische Richtungen gibt, die das Existenzrecht Israels bezweifeln oder den Aufbau eines palästinensischen Staates ablehnen. Für beide gibt es ein Lebensrecht in gesicherten Grenzen, das nicht nur völkerrechtlich anerkannt ist, sondern auch von beiden Konfliktpartnern anerkannt wurde. Deshalb wird hier auf eine Darstellung des Konflikts um das Land in seiner historischen Entwicklung sowie der mit diesem Konflikt verbundenen Bewegungen – sei es also der zionistischen Bewegung oder der palästinensischen Befreiungsbewegung – verzichtet.6

Dennoch ist uns bewusst, dass jede politische Konfliktregelung mit Kompromissen verbunden ist, die mit dem Verständnis der je eigenen nationalen Identität nur schwer zusammenzubringen sind oder ihm direkt widersprechen. Für beide Völker ist dieses eine Land Heimat. Beide sind mit ihrer kollektiven Erinnerung in diesem Land verwurzelt. Für beide geht es nie nur um ein Fleckchen Boden, sondern um Land mit Bedeutung. Dies zeigt sich gerade auch in den zentralen Problemen, die in dem vergangenen Friedensprozess nicht angegangen oder gar gelöst wurden – in der Frage nach der Zukunft der israelischen Siedlungen und der palästinensischen Flüchtlinge. Die sich gegenseitig ausschließenden Elemente nationaler Identität kommen in zwei Worten zum Ausdruck, die beide als „Katastrophe“ übersetzt werden können: Schoah und Nakba. Im kollektiven Gedächtnis beider Völker spielen diese traumatischen Erfahrungen des jeweils anderen Volkes keine oder nur eine verkürzte und verzerrte Rolle. Dass die Schoah, die millionenfache Vernichtung europäischer Jüdinnen und Juden durch Deutsche, zum Kern jüdischer Identität gehört und ihre Folgen bis heute in einer tief sitzenden Angst vor Wiederholung zeigt, wird in seiner die gegenwärtige Realität bestimmenden Tragweite im palästinensischen Kollektivgedächtnis nicht wahrgenommen. Umgekehrt berücksichtigt das jüdische Kollektivgedächtnis nicht, was für das palästinensische zum Kern gehört – die Katastrophe, Nakba, der aus Furcht geflohenen und der mit Gewalt vertriebenen Palästinenser im Jahr 1948 und die ihr entspringende Angst vor einer Wiederholung. Zwar gibt es auf beiden Seiten pragmatische Vorschläge zur Regelung der Flüchtlingsfrage: für die Rückkehr einer begrenzten Zahl einerseits, die Akzeptanz andererseits, dass nicht alle zurückkehren können. Aber bisher ist in beiden Bevölkerungen der mühsame Versuch nicht gelungen, die einander widersprechenden Kernelemente der Identität miteinander zu vermitteln – Verantwortung für das Flüchtlingsproblem zu übernehmen, ohne dies als Delegitimierung der eigenen Existenz verstehen zu müssen; den Traum von der Heimat beizubehalten, ohne ihn als durchführbares Recht auf Rückkehr einzufordern. Hier stellt sich eine Aufgabe, die vielleicht auch von außen unterstützt werden kann, die Vergangenheit, auch gemeinsam, aufzuarbeiten, um die Probleme der Gegenwart auf Zukunft hin lösen zu können.

Die Frage nach dem Land kann, wie auch das Beispiel des Flüchtlingsproblems zeigt, nicht allein in politisch-pragmatischer Weise als „Konflikt um Territorium“ gesehen werden. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Konflikt in einer neuen verhängnisvollen Weise religiös-symbolisch aufgeladen. Seit dem 11. September 2001 sind uns die Gefahren einer Konfrontation der Kulturen und Religionen deutlich vor Augen. Religion gehört zur Identität eines Volkes; sie steht für seine Eigenheiten und seinen Zusammenhalt, seine Geschichte und sein kollektives Gedächtnis. Keine Religion ist vor der Gefahr sicher, fundamentalistisch missbraucht oder politisch instrumentalisiert zu werden. In dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern tragen alle drei monotheistischen Religionen eine große Verantwortung, sich nicht in den Dienst der Abgrenzung oder gar der Verneinung der Lebensmöglichkeiten der jeweils Anderen zu stellen. Interreligiöse Dialoge sowie Dialoge in den einzelnen Religionen selbst, die sich der Gefahr des Fundamentalismus und der Radikalisierung stellen, sind nötiger denn je. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich – neben der Frage nach der Bedeutung Jerusalems – auch die Frage nach der religiösen Bedeutung des Landes zu stellen.

Alle drei religiösen Traditionen berufen sich auf Abraham. Im 1. Buch Mose wird von der umfassenden Verheißung an Abraham erzählt. Die Verheißung des Landes gilt über Isaak dem Volk Israel. Die Verheißung des Segens wird in drei Perspektiven ausgesprochen: Sie gilt Isaak und Ismael sowie ihren Nachkommen und über diese hinaus dann auch den Völkern. Bereits dieses gemeinsame Erbe von Juden, Christen und Muslimen kann dazu anleiten, vom Anderen her zu denken und das Leben auf den Anderen hin zu gestalten, um gerade darin die je eigene, verschiedene Tradition zum Leuchten zu bringen. Als Christinnen und Christen teilen wir mit Jüdinnen und Juden darüber hinaus den ersten Teil unserer Bibel. Wir können darin Handlungsanleitungen suchen, die möglichst genau in die Gegenwart zu übertragen sind – das wäre die fundamentalistische Versuchung. Oder wir können in ihr Orientierung suchen und dabei auch zur Kenntnis nehmen, dass es zu manchen Fragen zu verschiedenen Zeiten durchaus unterschiedliche, manchmal gegensätzliche Antworten gibt.

In der Bibel sind verschiedene Modelle, wie man miteinander, nebeneinander und auch gegeneinander leben kann, zu finden. Es werden Verhältnisse von Herrschaft und Knechtschaft (1. Mose 9,25-27) beschrieben oder die ständige Konfrontation zweier Gruppen bis zum Sieg der einen über die andere (Richter), ja bis zur Vernichtung anderer (5. Mose 7). In der EKD-Studie „Christen und Juden III“ heißt es in diesem Zusammenhang: „Die archäologischen Erkenntnisse über den Prozess der so genannten Landnahme ergeben ein wesentlich differenzierteres Bild, als es die biblischen Berichte nahe legen. Vermutlich haben zu jeder Zeit verschiedene Völker nebeneinander im Land gelebt. Für das Verständnis der biblischen Geschichte ist zu beachten, dass es sich immer um in einem bestimmten Kontext interpretierte Geschichte handelt“.7

Traditionen wie diesen stehen andere gegenüber, die vom Miteinander und gleichberechtigter Teilhabe erzählen: Abraham und Lot trennen sich und teilen das Land (1.Mose 13,6), um nicht gegeneinander, sondern weiter miteinander leben zu können. Selbst von David wird nicht die Geschichte einer Reichsgründung, sondern einer Konföderation von Staaten mit unterschiedlicher Struktur und unterschiedlichen Interessen berichtet. In den prophetischen Bildern der Völkerwallfahrt zum Zion (z.B. Micha 4) wird von den vielen Nationen und ihrer Teilhabe an diesem Land erzählt. Ein Grundsatz spielt eine zentrale Rolle, gerade dann, wenn es um Gerechtigkeit im Land geht: „Das Land ist mein, und ihr seid Fremdlinge und Beisassen bei mir“ (3.Mose 25,23).

In der biblischen Tradition gibt es Konzepte, die vom Zusammenleben in gegenseitiger Anerkennung geprägt sind, die für Gerechtigkeit eintreten und die – auch dies ist eine gemeinsame jüdisch-christlich-muslimische Tradition – der Rettung jedes einzelnen Menschenlebens verpflichtet sind. Diese Akzente, die das Land als Lebensgrundlage und rechtmäßige Heimat, als „Mutter“ für beide Völker, für Israelis wie Palästinenser, betonen, sind in den einzelnen Religionen zu verstärken. Dabei sollte – auch bei uns – das Gespräch und die Auseinandersetzung mit Positionen gesucht werden, die dieser Richtung widersprechen. Der interreligiöse Dialog kann darüber hinaus Zeichen der Hoffnung setzen. Er wird trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten, sich überhaupt zu treffen, von vielen gesucht und bedarf der Unterstützung, denn in ihm und durch ihn kann deutlich werden, was es heißt, miteinander zu leben und füreinander einzutreten, ohne den Anderen und damit sich selbst in seiner Existenz zu bestreiten. In diesem Sinn sind dann allerdings auch deutliche Abgrenzungen gegenüber fundamentalistischen Richtungen notwendig.

2.1.3 Wofür wollen wir uns einsetzen?

Der Konflikt im Nahen Osten sorgt in Deutschland schnell für Emotionen. Es ist auffällig, dass oft nur ein „Entweder – Oder“ möglich zu sein scheint, also eindeutige Parteinahmen, die das Recht der anderen Seite ausblenden. Ein solche Haltung vermeidet es, die auf beiden Seiten betroffenen und leidenden Menschen in den Blick zu nehmen und darin die ganze – im Grunde unaushaltbare – Tragik des Konflikts an sich heran zu lassen. Sie wird aber auch der tatsächlichen Pluralität sowohl der israelischen wie der palästinensischen Zivilgesellschaften nicht gerecht. Diese sind vielgestaltig bis hin zu abgründigen Zerrissenheiten und keineswegs automatisch oder in allen Aspekten mit den jeweiligen Regierungen gleichzusetzen.

Auf beiden Seiten und miteinander verbunden gibt es eine Fülle von Engagement – nicht nur im Zusammenhang der gegenwärtig schwachen Friedensbewegung – in Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Opfer beider Seiten einsetzen, die humanitäre und juristische Hilfe leisten, die in Erziehungs- und Bildungsprojekten versuchen, die sozialpsychologischen Folgen des Konflikts gerade auch bei Kindern und Jugendlichen zu mildern, die sich der Auseinandersetzung mit den ganz verschiedenen Lebens-, Leidens- und Alltagsgeschichten von Israelis und Palästinensern stellen. Es gibt die Gruppen, die sich der Gefahren bewusst sind, die der lange andauernde, sich ideologisch radikalisierende Konflikt für die israelische Demokratie bedeutet. Und es gibt auch in der gegenwärtigen Lage Gruppen, die sich trotz der Bedrohungen der Notwendigkeit einer inneren demokratischen Entwicklung der palästinensischen Gesellschaft stellen.

So wichtig es ist, internationale Organisationen wie die UNO oder einflussreiche Staaten wie die USA oder die Staaten der EU zu drängen, ihre Verantwortung für die Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern wahrzunehmen, so reicht es doch nicht aus, auf den Einfluss von außen zu setzen und allein daran die Hoffnung zu knüpfen, dass das Recht gewahrt, im Interesse aller Menschen gehandelt und demokratische Entwicklungen gefördert werden. Für die Kirchen, für Christinnen und Christen wie für christliche Gruppen ist und bleibt es wichtig, in erkennbarer Weise die zivilgesellschaftlichen Gruppen zu unterstützen, die zeigen, wofür wir uns selbst einsetzen wollen – für die Wahrung von Menschenrechten, für fairen Ausgleich und demokratische Teilhabe, für gemeinsame Zukunftsperspektiven.

2.2 Jerusalem – die heilige Stadt für drei Weltreligionen

Viele Völker werden hingehen und sagen:

Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen,

zum Hause des Gottes Jakobs,

dass er uns lehre seine Wege

und wir wandeln auf seinen Steigen!

Denn von Zion wird Weisung ausgehen

und des HERRN Wort von Jerusalem.

(Jesaja 2,3f)

Jerusalem – der Name dieser Stadt ist über einen langen Zeitraum der Geschichte einem Großteil der Menschheit geläufig wie kaum ein anderer. Seit Jahrhunderten verbinden sich mit ihr Geschichten und Emotionen, nicht nur für ihre heutigen Bewohner, Israelis und Palästinenser, sondern auch für Juden, Christen und Muslime in der ganzen Welt. Die Vielfalt der religiösen Gemeinschaften hat immer auch Reibungsflächen geboten und zu Auseinandersetzungen geführt. In der derzeitigen Konfliktlage sind die Religionen nicht selbst das Problem. Fraglich bleibt jedoch, ob sie zu einer Lösung beitragen können.

Für Juden ist sie die heilige Stadt, weil Gott mit ihr seinen Namen für immer verbunden hat. Untrennbar verknüpft ist mit ihr auch die jüdische Hoffnung auf das Kommen des Messias. Christen erinnert der Name der Stadt an Jesus, an glaubensentscheidende Ereignisse seines Lebens und an die Hoffnung auf seine Wiederkehr. Muslimen gilt Jerusalem nach Mekka und Medina als drittheiligste Stadt, mit der vor allem die Tradition der Himmelfahrt Mohammeds verbunden ist. Sie nennen sie Al-Quds, die Heilige. Aber ohne die jüdische Tradition hätten weder Christen noch Muslime etwas mit dieser Stadt zu tun: Jesus war Jude und konnte den Auftrag Gottes nur in diesem Land und dieser Stadt erfüllen. Ebenso brauchte Mohammed zur Legitimation seiner göttlichen Offenbarungen die Anknüpfung an die jüdische Tradition.

Archäologische Grabungen lassen auf eine Gründung der Stadt im frühen 3. Jahrtausend schließen. Erste schriftliche Erwähnung findet sie in den aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. verfassten, in Oberägypten gefundenen Amarna-Tafeln. Dort heißt die Jebusiterstadt u-ru-salim. Die Herleitung des Namens ist nicht restlos geklärt. Moderne Historiker halten die Verbindung des hebräischen yara „gegründet“ mit dem Namen einer Lokalgottheit „Salem“ für wahrscheinlich, also: „Gegründet vom Gott Salem“.

Geläufiger und programmatischer ist die aus dem Kanaanäischen auch mögliche Herleitung mit der Bedeutung „Stadt des Friedens“. Dem so gedeuteten Namen gerecht werden konnte die Stadt über längere Phasen in der Geschichte bisher nicht. Etliche Male wurde sie belagert, besetzt, erobert und zerstört und ebenso oft wieder aufgebaut. Es gibt kaum einen Stein dort, der nicht zugleich von der Schönheit und Pracht dieser Stadt wie von ihrer leidvollen Geschichte, von Versagen und Schuld, von Gewalt und Bluttat erzählen könnte. Doch die wechselvollen Ereignisse der Geschichte haben nicht die Sehnsucht auslöschen können und die Hoffnungen verstummen lassen, die sich mit dem Namen dieser Stadt verbinden.

Richtungsweisend könnte auch eine rabbinische Auslegung des Namens Jerusalem sein, die ihn von Abraham und dem kanaanäischen König Melchisedek herleitet. Nach der jüdischen Tradition ist der Tempelberg der Berg Morija, der Ort der Bindung Isaaks (1. Mose 22). Am Ende dieser Geschichte, nach der Verschonung Isaaks, nennt Abraham den Ort adonai jireh (hebräisch) – „Der Herr sieht“. In der rabbinischen Auslegung wird erzählt, dass Gott fragt, wie Abraham den Ort jireh nennen kann, da ihn Melchisedek doch schalem, „Friede“, genannt hat. Der Völkerpriester Melchisedek und Abraham, der Stammvater Israels und vieler Völker, sind beide Freunde Gottes. Deshalb schafft Gott einen neuen Namen, indem er die beiden Bezeichnungen zusammenfügt: jireh - schalem. „Er sieht – Frieden“. Wie immer man die Verknüpfung auch interpretieren mag, was Abraham und Melchisedek gelang – einen Friedensbund miteinander zu schließen und in friedlicher Koexistenz zu leben – davon ist die heutige Wirklichkeit zwischen Israelis und Palästinensern noch weit entfernt. Dabei gehört es zur geschichtlichen Realität dieser Stadt, dass zumindest seit Davids Zeiten verschiedene Völker und Kulturen in ihr beheimatet waren. David vertrieb nach der Eroberung Jerusalems nicht die kanaanäische Bevölkerung, sondern versuchte sie in sein Staatswesen zu integrieren.

Jerusalem – das ist heute eine Stadt mit etwa 600 000 Einwohnern aus zwei Völkern, die beide Anspruch auf sie als ihre Hauptstadt erheben. Die Stadt ist zu einem Fokus des israelisch-palästinensischen Konfliktes geworden. Beide Völker sehen in Jerusalem ihr nationales, kulturelles und soziales Zentrum. Die große Mehrzahl der Palästinenser sind Muslime, ein kleiner Prozentsatz sind Christen verschiedener orthodoxer Kirchen, Katholiken und wenige Protestanten. Juden kamen aus vielen Ländern der Erde mit ihren kulturellen Prägungen und unterschiedlichen Erfahrungen in dieses Land zurück, um hier unter Juden eine Heimstatt zu finden: osteuropäische Juden der ersten Einwanderungsbewegungen, Zionisten und Schoah-Überlebende, Juden aus Nordafrika und den USA, Juden aus dem nahen und mittleren Osten und in der jüngsten Zeit eine große Zahl russische Einwanderer. Die Bevölkerung Jerusalems ist also in mancherlei Hinsicht äußerst heterogen.

Die folgenden teilweise ausführlicheren Unterabschnitte gehen der Bedeutung Jerusalems in der jüdischen, christlichen und muslimischen Tradition in geschichtlicher Reihenfolge nach. Sie wollen zum tieferen Verständnis der unterschiedlichen Perspektiven beitragen und Christinnen und Christen eine differenzierte Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition ermöglichen.

2.2.1 Jeruschalajim – Jerusalem in der jüdischen Tradition

Nun aber erwählte ich Jerusalem,

dass dort mein Name sei,

und ich erwählte Dawid,

über meinem Volke Jissrael zu sein.

(2. Chronik 6,6 - Buber-Rosenzweig)

Eine rabbinische Betrachtung sagt: Es gibt zehn Maße der Schönheit in dieser Welt. Neun davon wurden Jerusalem gegeben. Die Wertschätzung und Bedeutung, die Jerusalem seit Jahrhunderten für Jüdinnen und Juden hat, klingt in diesem Wort der Lehrer Israels an. Mit dieser Stadt und ihrem Namen ist für sie nicht nur eine 3000-jährige Geschichte verbunden, sondern sie ist Teil jüdischen Glaubens und jüdischer Identität.

Vor etwa 3000 Jahren (1000 v.Chr.) eroberte David die Jebusiterstadt und machte sie zur politischen Hauptstadt seines Königreiches, des vereinigten Israel und Juda. Indem er die Bundeslade nach Jerusalem holte – Symbol für Gottes Offenbarung der Tora (Weisung, 5 Bücher Mose) an Israel auf dem Berg Sinai – wurde die Stadt auch zum religiösen Zentrum seines Reiches. Davids Nachfolger, sein Sohn Salomo, vollendete das Werk, indem er das Zelt durch ein festes Bauwerk, den Jerusalemer Tempel ersetzte. Jerusalem wurde zum Zentralheiligtum, zunächst für ganz Israel, nach der Reichsteilung für das Südreich Juda. Der Grundstein dafür war gelegt, in Jerusalem das Symbol nationaler und religiöser Identität zu sehen.

Obwohl Stadt und Tempel 587 v. Chr. bei der Eroberung durch den babylonischen König Nebukadnezar zerstört wurden, blieb Jerusalem bei den in Babylon Exilierten das Symbol eigener Identität. Mit der Sehnsucht nach Zion und der Trauer über Jerusalem verband sich die Hoffnung auf Rückkehr (Psalm 137). Schon bald nach der Rückkehr jüdischer Gruppen nach Jerusalem begannen sie unter Leitung des Davidnachkommen Serubbabel 520. v. Chr. mit dem Wiederaufbau des Tempels, der fünf Jahre später eingeweiht werden konnte und als „Zweiter Tempel“ in die jüdische Geschichte einging.

Etwa dreieinhalb Jahrhunderte später gehörte die Entweihung des Tempels zum Zeusheiligtum zu den wesentlichen Ursachen für den Makkabäeraufstand gegen den Seleukidenherrscher Antiochus IV. Epiphanes. Israel war nicht nur in seinem nationalen Bewusstsein getroffen und in seinen religiösen Empfindungen verletzt, sondern es war in seiner Identität und damit in seiner Existenz in Frage gestellt. Mit dem Channukafest (Lichterfest, meist im Dezember) erinnern sich Juden bis heute an den jüdischen Aufstand mit der Rückeroberung Jerusalems im Jahr 164 v. Chr. und der Neuweihe des Tempels.

In der Jüdischen Bibel (unserem Alten Testament)8 wird die Stadt etwa 700 Mal mit dem Namen Jerusalem genannt, an rund 150 weiteren Stellen ist sie mit „Zion“ bezeichnet. Der Name der Stadt kann zugleich für seine Bewohner stehen oder auch als symbolischer Ausdruck für ganz Israel. Ebenso kann er mit einer klagenden und trauernden Mutter identifiziert werden, die frohlocken und jauchzen wird, wenn ihre Kinder zu ihr zurückkehren. Neben Jerusalem und Zion gibt es noch eine ganze Anzahl weiterer Namen für die Stadt wie etwa „Stadt Gottes“, „Stadt des großen Königs“, „Berg des Herrn“, „Heilige Stadt“, die Jerusalem in eine Beziehung zum Gott Israels setzen. Den stärksten Ausdruck gewinnt dieser Bezug darin, dass nach biblischer Überzeugung Gott selbst sich Jerusalem erwählt, um für immer seinen Namen an diesen Ort zu binden und ihn dort wohnen zu lassen. (1. Chronik 23,25; 2. Chronik 6,6). Mit dem Namen Jerusalems ist gleichermaßen der des Volkes Israels wie der seines Gottes verbunden. Der Ort steht für die entscheidenden Glaubensgeschichten Israels, des Glaubens an den Gott, der in Jerusalem seinen Ort hat.

Jerusalem wurde auch zum Symbol jüdischer Hoffnung und Zukunftserwartung. Mit dem Königtum Davids verband sich die Erwartung auf das Kommen des Messias. Die Ursprünge der Messiaserwartung reichen bis in die biblische Prophetie zurück. Verbunden damit sind eine ganze Anzahl verschiedener Vorstellungen, die Israel oder auch die ganze Welt betreffen: Als Gesalbter Israels wird der Messias auf dem Thron Davids ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit errichten (Jesaja 9,1-6; 11). Verbunden mit dem Erscheinen des Messias als Erlöser Israels wurde auch die Erwartung einer Wiedererrichtung des Tempels. In der biblischen und rabbinischen Tradition sind alle wichtigen religiösen Themen des Judentums – Erwählung, Bund, Tora und Zukunftserwartung – mit Jerusalem als Symbol für das Land und das Volk Israel fest verknüpft.

Unter den wechselvollen Erfahrungen der Geschichte kristallisierten sich neue Bezugs- und Deutungsebenen für Jerusalem im Judentum heraus, aber die Beziehungen zu ihr als zentralem Ort jüdischen Glaubens und Lebens riss nicht ab. Durch die Einbuße nationaler Autonomie verlor Jerusalem über Jahrhunderte seine Bedeutung als nationale Hauptstadt und wurde zum ausschließlichen Ort der Verehrung Gottes. Unter den Erfahrungen des babylonischen Exils entwickelte sich Jerusalem zu einem spirituellen Zentrum, wurde zu einem Symbol für die Treue zur Tora und für die Hoffnung auf Rückkehr und nationalen Wiederaufbau. In der Verbindung mit den messianischen Traditionen entstand die Hoffnung vom idealen, himmlischen Jerusalem, in dem Frieden und Gerechtigkeit zur Vollendung kommen. Damit waren die Grundlagen gelegt, die auch nach der Zerstörung des Herodianischen Tempels und der Stadt im Jahr 70 n. Chr. und dem römischen Verbot des Zugangs zur Stadt für Juden (135 n.Chr.) durch die Jahrhunderte jüdischer Diaspora an Jerusalem als dem geistigen Zentrum des Judentums festhalten ließen. Bis heute gedenken Juden in aller Welt am 9. Tag des Sommermonats Aw (im Juli oder August) der Zerstörung des ersten und zweiten Tempels. In der Vergegenwärtigung des Geschehenen werden Jerusalem und der Tempel relevant für heutiges, jüdisches Bewusstsein und Leben.

In der jüdischen Frömmigkeit und Liturgie behielt die Stadt Jerusalem darüber hinaus ihren festen Platz. In der täglichen Liturgie wird um die Rückkehr nach Zion und den Wiederaufbau Jerusalems gebetet. Im dreimal täglich zu sprechenden Hauptgebet (Achtzehnbittengebet) wird Gott u.a. mit den Worten angerufen: „Kehre voll Mitleid zurück nach Jerusalem, deiner Stadt ... Errichte sie als ein ewiges Bauwerk in unseren Tagen ... Gesegnet seist du Herr, der du nach Zion zurückkehrst“. Der Toraschrein, der zugleich die Gebetsrichtung in der Synagoge angibt, ist in der Regel nach Jerusalem ausgerichtet. Wenn aus ihm am Sabbat die Torarollen zur öffentlichen Lesung ausgehoben werden, wird in einer Zusammenstellung biblischer Verse gesprochen: „Mitleidsvoller Vater, ehre Zion mit deinem Gefallen, richte die Mauern Jerusalems wieder auf ... Darum, dass von Zion wird kommen die Tora und das Wort des Herrn von Jerusalem.“ Die Sehnsucht nach Zion findet ihren Ausdruck an den höchsten Feiertagen des Judentums. Das Versöhnungsfest (Jom Kippur) und das Sedermahl des Pessachfestes enden mit dem Wunsch: „Nächstes Jahr in Jerusalem“. Unter den Segenssprüchen bei einer jüdischen Hochzeit heißt es: „Bald, Herr, unser Gott, wird in den Städten Judas und den Straßen Jerusalems gehört werden der Klang der Freude und der Klang des Jubels, die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut.“ Trauernden wird der Trost Gottes gewünscht mit denen, die um Zion trauern.

Die Hoffnung auf das himmlische Jerusalem hielt über die Jahrhunderte hinweg im Judentum die Beziehung zum realen Jerusalem wach. Anders jedoch als in der christlichen Tradition blieb im Judentum die Vergegenwärtigung der himmlischen Hoffnung verbunden mit der Perspektive und Verpflichtung, nach Jerusalem zurückzukehren und dort zu leben. Zur idealen Hoffnung auf eine Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit in den Tagen des Messias gehörte wie die andere Seite einer Münze unabdingbar der Bezug zum realen Ort dazu, an dem sich diese Hoffnung verwirklichen soll.

Die Verbindung zu Jerusalem spielt selbst im säkularen Judentum eine Rolle. Die Liebe und Sehnsucht nach Zion speist sich im Judentum nicht nur aus religiösen Beziehungen, sondern gehört – in unterschiedlicher Ausprägung und Gewichtung – zu den Grundlagen jüdischer Identität. Auch in ihrem Ursprung nichtreligiöse Strömungen des Zionismus beziehen sich in ihrem Namen programmatisch auf die Stadt Jerusalem.

In seinen Aktivitäten konzentrierte sich der Zionismus zunächst nicht auf die stark religiös geprägte Stadt, sondern auf die ländlichen Gebiete. Zuzug und die jüdischen Einwanderungen aus Ost- und Zentraleuropa im 19. Jahrhundert führten dennoch zu einer erheblichen Zunahme des jüdischen Bevölkerungsanteils in Jerusalem, von ca. 5000 jüdischen Einwohner am Anfang zu 25 000 in der Mitte des Jahrhunderts. So stellten Juden um 1850 die größte Bevölkerungsgruppe in Jerusalem. Sie lebten in beengten, ärmlichen Verhältnissen im jüdischen Altstadtquartier. Moses Montefiore gründete deshalb 1855 die erste jüdische Siedlung außerhalb der Stadtmauern und legte damit den Grundstein für die Jerusalemer Weststadt.

Biblische Tradition und rabbinische Auslegung haben neben dem Bezug Jerusalems zum Judentum stets auch die Bedeutung dieser Stadt für alle Völker der Welt gesehen. Bei den Propheten Jesaja und Micha (Jesaja 2,1-5; Micha 4,1-5; vgl. Jeremia 3,17) wird das im Bild des Völkerzugs zum Zion zum Ausdruck gebracht. Die Schönheit Jerusalems liegt in ihrer Universalität und in der Weite ihre Bezüge und Deutungen. Jerusalem wird so zu einem Ort für alle Welt, einer spirituellen Herkunft und Heimat für alle Völker (Psalm 87), ohne jedoch ihren konkreten und besonderen Bezug auf das eine Volk und den einen Gott einzubüßen oder infrage zu stellen.

2.2.2 Jerusalem in der christlichen Tradition

Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,

von Gott her aus dem Himmel herabkommen;

sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.

(Offenbarung 21,2)

Die Feste des Kirchenjahres erzählen die Geschichte Jesu und verbinden uns mit Jerusalem, der Stadt seines Wirkens und seines Sterbens. Passion und Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten – jedes Jahr neu erinnern und vergegenwärtigen wir uns das Leben und Leiden Jesu. Die Orte der Heilsgeschichte sind uns seit Kindertagen vertraut und besungen. Das Lied zum Ende des Kirchenjahres „Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott ich wär in dir“ schließt den Kreis, der mit dem fröhlichen „Tochter Zion“ der Adventszeit begonnen hat. Viele sind schon selbst auf den Spuren Jesu durch Jerusalem gezogen, sind in Faszination oder Skepsis nicht unberührt geblieben von den heiligen Stätten. Wie historisch gesichert und authentisch sie auch immer sein mögen, so vergewissern sie doch ein Stück Vertrautheit und innerer Heimat.

„Siehe, wir ziehen hinauf nach Jerusalem“ (Matthäus 20,18; Markus 10,33). Mit diesen Worten Jesu, die den letzten Satz des 2. Buches der Chronik und damit den Schluss der Hebräischen Bibel aufnehmen, beginnt die Passionsgeschichte. Jerusalem liegt oben im Gebirge, und in der Stadt selbst lassen sich oben und unten auch voneinander unterscheiden: Das obere Jerusalem war die Stätte des Tempelberges, das untere die Davidsstadt. In Judentum und Christentum wurde diese Ortsbeschreibung transzendiert in die Vorstellung eines irdischen und himmlischen Jerusalem: „Das Jerusalem droben, die Freie, das ist unsere Mutter“, schreibt Paulus in Galater 4,26 (vgl. auch Hebräer 12,22; Offenbarung 21,2). Damit kommt eine Ambivalenz in das Verhältnis zu dieser Stadt, die die christliche Tradition insgesamt bestimmt. Die Realität der Stadt konnte zugunsten ihrer Spiritualisierung im Glauben ganz zurückweichen, denn das himmlische Jerusalem stand überall und in jedem Herzen zur Verfügung. Doch blieb die Zionssehnsucht immer auch an die irdische Stadt gebunden. Diese christliche Zweideutigkeit führte bestenfalls zur Gleichgültigkeit, oft aber auch zur Preisgabe und Zerstörung der Stadt. Bis heute hat diese Spannung zwischen der konkreten Stadt christlicher Heilsgeschichte und den an sie gebundenen eschatologischen Hoffnungen auf die Wiederkunft Christi Bedeutung. Nicht zuletzt christlich-fundamentalistische Strömungen sehen im Wiederentstehen des Staates Israel eine Station zur Wiederkunft des Messias und meinen diese Wiederkunft z.B. auch durch die Unterstützung einer forcierten Siedlungspolitik befördern zu sollen.

Vielschichtig und in sich gegensätzlich stellt sich das Neue Testament im Blick auf Jerusalem dar, und diese Züge ließen und lassen sich in der Geschichte je und je unterschiedlich akzentuieren. Die Evangelien des Matthäus und Markus zeichnen ein eher negatives Bild. Im Markusevangelium ist Jerusalem die Stadt des Verderbens und des Todes, Galiläa jedoch der Ort der Offenbarung. Matthäus folgt dieser Darstellung: Jerusalem ist die Stadt, die die Propheten tötet und sich weigert den Ruf Gottes anzunehmen (Matthäus 23,37ff). Die Niederlage im jüdischen Krieg und die Zerstörung der Stadt im Jahr 70 wurden als Strafgericht Gottes verstanden – eine Interpretation, die das christlich-jüdische Verhältnis nachhaltig prägte.

Anders sieht es im Johannesevangelium aus, das z.B. die regelmäßigen Wallfahrten Jesu zum Tempel in Jerusalem als zentralen, normalen und zugleich herausgehobenen religiösen Vorgang in seinem Leben beschreibt. Selbst das Kreuz Jesu ist als Zeichen der Erhöhung und damit als Zeichen der Hoffnung gedeutet. Für das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte ist Jerusalem nicht nur der Ursprung und der Ausgangsort der Mission, sondern auch der theologische Mittelpunkt des Glaubens. Im Grunde teilt Paulus diese Haltung, wenn er sich – durchaus unter Betonung seiner Unabhängigkeit – um regelmäßige und untereinander abgestimmte Verbindungen und Entscheidungen bemüht (vgl. die Darstellungen des sog. „Apostelkonzils“ in Apostelgeschichte 15; Galater 2,1-10). Die von Paulus in allen Gemeinden gesammelte Kollekte zur Unterstützung der Armen in Jerusalem band ein Netz, das sich der konkreten Situation Jerusalems und der Jerusalemer Gemeinde nicht verschloss.

Für die frühe Christenheit – und für viele Christinnen und Christen insbesondere der östlichen orthodoxen Traditionen bis heute – blieb Jerusalem, was es für das Judentum war und ist: das Zentrum der Welt. So beschrieb es Kyrill von Jerusalem um 350 in einer Taufbelehrung (13. Katechese): „Jesus breitete am Kreuz die Hände aus, damit er die Enden der bewohnten Welt umfasse; denn dieser Ort Golgatha ist die Mitte der Erde“. In Anlehnung an Paulus – „Jerusalem droben, das ist unsere Mutter“ (Galater 4,26) – wird Jerusalem zur „Mutter der Kirchen“. Johannes von Damaskus (gest. 754) besingt die Stadt in einem Osterhymnus: „Freue dich, o heilige Zion, Mutter der Kirchen, Wohnung Gottes, denn du hast als erste Vergebung erlangt in der Auferstehung“. Diese Tradition hatte sich erhalten, obwohl die Zerstörung der Stadt und des Tempels am Ende des jüdischen Krieges im Jahr 70 auch die judenchristliche Gemeinde aus Jerusalem vertrieben hatte. Der Neuaufbau unter Kaiser Hadrian 130 als Aelia Capitolina war mit einer Neubesiedlung verbunden und nach 135, nach der Niederschlagung des zweiten jüdischen Aufstands, durfte kein Jude (und kein Judenchrist) die Stadt betreten. Dies war erst ab dem 3. oder 4. Jahrhundert wieder erlaubt. Dennoch blieb eine – jetzt ausschließlich heidenchristliche – Gemeinde in Jerusalem bestehen, die allerdings darum kämpfen musste, zur Spitze in der Hierarchie des Christentums zu gehören: Nur Alexandria, Antiochia, Rom und nach 330 Konstantinopel hatten Patriarchate. Bis 451 blieb Jerusalem ein einfaches Bistum in der Metropolie von Caesarea unter dem Patriarchat von Antiochia. Heute zeigt sich dieses Patriarchat in vier christliche Konfessionen ausdifferenziert: Es gibt den griechisch-orthodoxen, den armenischen und den lateinischen Patriarchen von Jerusalem und den griechisch-katholischen Patriarchen von Antiochia, Jerusalem und Alexandria.

Zur eigentlichen Schöpferin des christlichen Jerusalem wurde Helena, die Mutter Kaiser Konstantin des Großen. Nachdem 313 – nach den Christenverfolgungen des Kaisers Diokletian – das Christentum zur „religio licita“, zur zugelassenen und erlaubten Religion, geworden war und nachdem Konstantin 324 auch wieder über die östliche Hälfte des römischen Reiches herrschte, wurde 326 der Bau der Grabeskirche beschlossen. Helena reiste in diesem Jahr als Pilgerin nach Jerusalem, um sich selbst um die Stadt des Leidens und der Auferstehung Jesu zu kümmern. Sie fand – so berichtet Ambrosius in seiner Grabrede auf den Kaiser Theodosius 395 – bei Golgatha drei Kreuze, den Kreuzestitel und zwei der Nägel des Kreuzes Christi. Über den von ihrem Sohn beschlossenen Bau der Grabeskirche hinaus sorgte sie für den Bau weiterer Kirchen in Jerusalem sowie auf dem Ölberg in Erinnerung an die Himmelfahrt, und sie veranlasste den Bau der Geburtskirche in Bethlehem. Durch ihre Pilgerreise stiegen die christlichen Wallfahrten in das „Heilige Land“ sprunghaft an. Vom 4. bis 6. Jahrhundert entfaltete sich in Jerusalem eine rege Bautätigkeit, die noch heute das Bild der Stadt prägt und die entscheidend gefördert wurde, als das Christentum 380 zur Staatskirche wurde.

Ab 614, dem Einfall der Perser mit einer Zerstörung fast aller kirchlichen Gebäude, neigte sich die byzantinische Herrschaft über Jerusalem dem Ende zu, das durch den Beginn der islamischen Herrschaft ab 638 besiegelt wurde. Den jüdischen und christlichen Bewohnern wurden weitgehende Rechte eingeräumt. Verhandlungen Karls des Großen mit dem Kalifen Harun al Raschid 799 ermöglichten zum ersten Mal eine Präsenz der westlichen römischen Kirche in Jerusalem. Erst als das byzantinische Reich wieder erstarkte, wich die Koexistenz einer verschärften Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen. Die Zerstörung der Grabeskirche 1009 löste im Westen tiefe Verbitterung aus und trug zur Durchsetzung des ersten Kreuzzugs durch Papst Urban II. erheblich bei. Im Juni 1099 gelangte der erste Kreuzzug, der drei lange Jahre zuvor eine Spur der Vernichtung durch die jüdischen Gemeinden Europas gezogen hatte, an sein Ziel: Jerusalem. Selbst christliche Chronisten berichten von der Eroberung der Stadt mit Entsetzen. Die Kreuzfahrer richteten ein Blutbad an. Die Juden wurden in der Hauptsynagoge der Stadt zusammengetrieben und in dem angezündeten Gebäude verbrannt. „Die Stadt,“ so schrieb der Erzbischof von Tyrus, „bot ein Schauspiel des Abschlachtens, eine solche Menge an Blut, das selbst die Eroberer mit Schrecken und Ekel erfüllt wurden“. Von diesem Massaker ist das Bild der Muslime und Juden vom Christentum bis heute geprägt. In den ersten Jahren nach der Eroberung war beiden Gruppen das Wohnrecht genommen, und auch das Verhältnis zu den nichtlateinischen Christen nahm an Spannungen zu, als diese zu Bürgern minderen Rechts erklärt wurden.

Die Herrschaft der Kreuzfahrer dauerte bis 1187 mit ihrer Niederlage gegen Saladin in der Schlacht von Hattin. Die lateinischen Christen mussten die Stadt verlassen, Juden durften wieder zurückkehren. Ab 1267 herrschten die Mamelucken, von 1517 bis 1917 stand Jerusalem unter osmanischer Herrschaft.

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts - mit dem Ägyptenfeldzug Napoleon Bonapartes (1799) - gerieten Palästina und Jerusalem wieder in den Blick der europäischen Mächte. Das Zeitalter des Kolonialismus begann. Frankreich und Russland strebten ihre Ausdehnung in den Orient an und nutzten dazu auch ihre Position als Beschützer der katholischen (Frankreich seit 1535) und orthodoxen Kirchen (Russland seit 1774). Preußen und England begnügten sich 1841 zunächst mit der Einrichtung eines gemeinsamen protestantischen Bistums in Jerusalem, eine Verbindung, die bis 1886 anhielt. Seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts verstärkten sich die missionarischen und diakonischen Aktivitäten. Ihre Impulse und Motive stammten vor allem aus der Frömmigkeit der Erweckungsbewegungen. 1851 reisten die ersten Kaiserswerther Diakonissen nach Jerusalem. 1860 wurde das Syrische Waisenhaus durch Johann Ludwig Schneller gegründet. 1898 kam Kaiser Wilhelm II. zur Einweihung der deutschen lutherischen Erlöserkirche nach Jerusalem. Die Zahl der arabischen Christinnen und Christen, die sich in Bethlehem, Beit Jala, Beit Sahur, Jerusalem und Hebron der deutschen Missions- und Sozialarbeit anschlossen, blieb allerdings eher klein.

Noch heute ist Jerusalem deutlich geprägt von den kirchlichen Gebäuden des 19. Jahrhunderts und den historischen Stätten des 4. und 5. Jahrhunderts. Sie sind auch Zeugen für einen christlichen Machtanspruch auf diese Stadt, der in vieler Hinsicht äußerst problematisch ist. Kolonialismus und christliche Mission gingen Hand in Hand bei dem Versuch, Politik mit dem Christentum zu machen und sich durch religiöse Bindungen in Palästina zu etablieren.

Dennoch gehört gerade die Vielfalt des Christentums zum Faszinierenden in dieser Stadt. Die Kirchenspaltungen, die bereits im 5. und 6. Jahrhundert begannen, schufen eine Vielzahl von Kirchen im östlichen Raum, die alle in Jerusalem versammelt sind und oftmals gegeneinander streiten. Aus der alten byzantinischen Reichskirche ging die griechisch-orthodoxe Kirche hervor. Daneben gibt es die sogenannten orientalischen Kirchen. Die größten sind: die Assyrische Kirche des Ostens, die Koptisch-Orthodoxe Kirche, die Syrisch-Orthodoxe Kirche und die Armenisch-Orthodoxe Kirche. Hinzu kommen alle Kirchen des westlichen Raums. Das Miteinander der Kirchen in der Ökumene ist gerade an diesem Ort von größter Bedeutung. 1974 haben sich deshalb die vier großen Kirchenfamilien – östlich-orthodox, orientalisch-orthodox, katholisch und evangelisch – im Mittelöstlichen Kirchenrat zusammengeschlossen.

Die Zahl der Christinnen und Christen war im arabisch-muslimischen Raum immer klein, doch sie gehörten als Minderheit auch immer zur islamischen Welt. Seit dem Ende des Osmanischen Reiches geht allerdings ihre Zahl, die noch im 19. Jahrhundert etwa 15% der Bevölkerung in ganz Palästina ausmachte und in Jerusalem die Mehrheit der Bevölkerung bildete, stark zurück. Heute liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei etwa 2%. Die schwierige politische Situation, verbunden mit sozialen und psychologischen Gründen, veranlasst immer mehr, aus dem Land auszuwandern. Insofern ist die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auch zur Existenzfrage für die Kirchen in dieser Region geworden. Ihre Präsenz – sei es in Jerusalem, sei es im gesamten arabischen Raum – gehört aber zu den „lebendigen Steinen“, die unseren christlichen Glauben erden.

Aus den Kontakten zu unseren Partnerkirchen wissen wir um das Engagement der Christinnen und Christen, zu einer friedlichen Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beizutragen. Wir wissen aber auch - wenn wir nur an Bethlehem oder an Beit Jala denken -, wie schwierig die Situation dort angesichts der Not, der bedrückenden Besatzung und täglicher Gewalt geworden ist. Die zunehmende religiöse Aufladung des Konflikts stellt eine zusätzliche Herausforderung dar – im Blick auf die eigene Gesellschaft, aber auch im Blick auf einen interreligiösen Dialog. Ihr Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden braucht die Unterstützung aller, denen das Wohl des „irdischen“ Jerusalem am Herzen liegt.

2.2.3 Al Kuds – Jerusalem in der islamischen Tradition

Ehre sei ihm,

der seinen Diener bei Nacht von der heiligen Moschee

zur fernen Moschee (al-Masjid al-Aqsa) getragen hat,

zu jenen Bezirken, die wir gesegnet,

um ihm unsere Zeichen zu zeigen.

(Sure 17,1.2)

Tief verwurzelt ist die Verehrung Jerusalems in der islamischen Frömmigkeit. In der poetischen Literatur, die in der Kreuzfahrerzeit zu besonderer Blüte gelangte, spielt sie eine bedeutende Rolle. Auch in arabischen Liedern der Gegenwart wird al-Quds, die Heilige, immer wieder besungen.

Nach Mekka und Medina wird Jerusalem als drittheiligste Stadt im Islam verehrt. Muslime nennen sie Bait al-Muqaddas (das heilige Haus) im Anklang an Bait al-Haram (das geweihte Haus), der Bezeichnung für Mekka. In einer anderen Variante lautet der Name der Stadt Bait al Maquis oder vereinfacht al-Quds (die heilige Stadt). Eine spätere Bezeichnung ist auch al-Quds ash-sharif (die heilige und prächtige Stadt).

Mit Namen wird Jerusalem im Koran nicht genannt. Für den gläubigen Muslim ist die Stadt fest mit dem Propheten Mohammed und der eigenen Tradition verbunden. Die Legende erzählt, dass er von seinem geflügelten Pferd von Mekka nach Jerusalem an den Ort getragen wurde, an den auch Abraham, Mose und Jesus im Gebet geführt wurden. Von dort fuhr Mohammed danach in Begleitung des Erzengels Gabriel in den Himmel auf, wo er den früheren Propheten und Gott begegnete. Sure 17,1f (s.o.) nimmt Bezug auf das nächtliche Ereignis, die Reise zur entfernten Moschee al-Aqsa, nach der die Moschee auf dem Heiligen Bezirk (al-Haram al-Sharif) benannt ist. Die erste Moschee auf dem heiligen Bezirk wurde als Zeichen islamischer Präsenz von Kalif Omar nach seinem Sieg über die Byzantiner und nach der friedlichen Übergabe Jerusalems (638 n. Chr.) errichtet.

Der Kalif Abd al-Malik aus der Dynastie der Umayyaden errichtete im Jahr 691 zum Gedenken an die Himmelfahrt Mohammeds über dem Fels seines Aufstiegs einen der prächtigsten Kuppelbauten der islamischen Welt, den Felsendom. Auch nach islamischer Tradition handelt es sich zugleich um den Felsen der Bindung Isaaks (1. Mose 22), um den Berg Morija. Der Felsendom gilt als das älteste islamische Bauwerk, das nahezu in seiner ursprünglichen Bauart erhalten ist. Wie kein anderes Bauwerk beherrscht er mit seiner goldenen Kuppel auch heute noch das Bild der Jerusalemer Altstadt.

Das Ereignis der Himmelfahrt Mohammeds ist darüber hinaus von Bedeutung. Während dieser nächtlichen Reise wurde die Anzahl der täglichen Gebete festgelegt. Daran erinnern sich die Gläubigen, wenn sie fünfmal am Tag ihr Gebet verrichten. Anfänglich war auch die Gebetsrichtung nach Jerusalem ausgerichtet. Sie wurde etwa eineinhalb Jahre später durch göttliche Weisung (Sure 2,142-145) nach Mekka geändert. Aber ein Gebet in Jerusalem gilt im Islam noch heute fünfhundertmal verdienstvoller als an irgendeinem anderen Ort.

Zu den traumatischen Ereignissen, die unter Muslimen bis heute benannt werden, gehört die Schreckensherrschaft der Kreuzfahrerzeit. Bei der Eroberung im Jahr 1099 wurden die muslimischen und jüdischen Bewohner gnadenlos abgeschlachtet. Sieht man von der Periode der Kreuzfahrer ab, so unterstand Jerusalem seit dem 7. Jahrhundert islamischer Herrschaft, wenn auch unterschiedlicher und miteinander konkurrierender Herrschaftshäuser. Die politische und religiöse Bedeutung der Stadt unterlag in dieser Zeit erheblichen Schwankungen. Zeitweise war Jerusalem ein wichtiges Zentrum der wissenschaftlichen Forschung und des Unterrichtes wie unter den Umayyaden (661-750), unter Saladin (1187 Eroberung Jerusalems von den Kreuzfahrern) und unter mamelukischer Herrschaft (ab 1267).

In den 400 Jahren osmanisch-türkischer Herrschaft (1517-1917) erlebte Jerusalem eine Blütezeit nur in der ersten Phase unter Suleiman dem Prächtigen (1538-1540). Er ließ die Stadt neu befestigen und die Stadtmauern wiederaufbauen, die noch heute die Altstadt von Jerusalem umgeben. Danach konzentrierten sich die türkischen Herrscher politisch mehr auf den Balkan. Das hatte Auswirkungen auf die ganze Region: Reiseberichte aus dem 18. Jahrhundert enthalten des öfteren Hinweise auf den Niedergang Jerusalems und des ganzen Landes. Die Stadt wurde nahezu bedeutungslos, obwohl sie am Anfang des 19. Jahrhunderts etwa 10 000 Einwohner hatte. Veränderungen brachte die zehnjährige ägyptische Herrschaft von Mohammed Ali (1831-1840) über Jerusalem. Die Stadt öffnete sich für Besucher. Jerusalem rückte in das Interesse der europäischen Großmächte. Auch nach Wiederherstellung der türkischen Herrschaft vergrößerten Frankreich, Russland, England und Preußen beständig ihren Einfluss, indem sie sich vertraglich zu Schutzherren verschiedener Bevölkerungsgruppen in Palästina machten. Nach dem Einmarsch britischer Truppen im Dezember 1917 unterstand Palästina britischer Verwaltung. Von 1920 bis 1948 war Jerusalem Sitz der britischen Mandatsregierung in Palästina.

Mit der Teilung Jerusalems (Waffenstillstandsabkommen zwischen Jordanien und Israel von 1949) entwickelte das jordanische Königshaus besondere Beziehungen zu den heiligen muslimischen Stätten in Jerusalem. Innerhalb der islamischen Welt sieht es sich bis heute in besonderer Verantwortung für deren Erhaltung, Pflege und Verwaltung.

Ein politisches Zentrum war Jerusalem in den Jahrhunderten islamischer Herrschaft nicht. Bedeutung hat Jerusalems im Islam als Stätte für Pilgerfahrten, des Gebetes und des Studiums. Gleichwohl ist Jerusalem zu einem Politikum geworden; Religion und Politik sind eng aufeinander bezogen. Es ist deshalb nicht nur eine religiöse Frage, ob der Haram (Tempelbezirk) mit der al-Aqsa-Moschee auch politisch muslimisch-arabischer Hoheit unterstellt ist. Glaubensüberzeugungen und machtpolitische Aspekte greifen ineinander. Für das Gelingen eines Friedensvertrages wird mitentscheidend sein, ob eine Lösung gefunden werden kann, die die palästinensischen, arabischen und muslimischen Interessen an der Kontrolle über den arabischen Teil Jerusalems einschließlich der religiösen Stätten des Islams angemessen berücksichtigen.

2.2.4 Konflikte und Verhandlungen um Jerusalem

Schreie laut zum Herrn,

klage, du Tochter Zion,

lass Tag und Nacht Tränen herabfließen wie einen Bach;

höre nicht auf damit, und dein Augapfel lasse nicht ab!

(Klagelieder 2,18)

Am 15. Mai 1948 verließen nach 31 Jahren Herrschaft die Briten Palästina. Von jüdischer Seite wurde der Staat Israel ausgerufen. Wenige Stunden später zogen Armeeeinheiten aus sechs arabischen Nachbarstaaten gegen den neugegründeten Staat. Den Vereinten Nationen war es nicht gelungen, zu vertraglichen Lösungen zwischen der palästinensischen und jüdischen Bevölkerung im Land und mit den arabischen Staaten zu kommen. Der UN - Teilungsplan von 1947 sah drei jüdische und drei arabische Siedlungsgebiete und Jerusalem als internationale, entmilitarisierte Zone vor. Für die jüdische Seite bedeutete er so etwas wie die erste internationale Anerkennung eines zukünftigen souveränen jüdischen Staates. Sie akzeptierte den Plan unter Vorbehalten – insbesondere im Blick auf die Größe der internationalen Zone Jerusalems. Sie sollte von Bethlehem im Süden bis Shu’fat im Norden, von Ein Kerem im Westen bis Abu Dis im Osten reichen, die jüdische West- und die arabische Oststadt einschließen. Israel hingegen wollte die internationale Zone auf die Altstadt Jerusalems begrenzt wissen. Von arabischer Seite wurde der Teilungsplan abgelehnt.

Der Krieg endete mit dem Waffenstillstandsabkommen vom 3.6.1949. Jerusalem wurde geteilt. Die Weststadt Jerusalems ging an Israel und wurde im Dezember 1949 zur Hauptstadt Israels erklärt. Die Altstadt und Ostjerusalem kamen unter jordanische Herrschaft und wurden am 24.5.1950 annektiert. Trotz anderer Vereinbarungen blieb Juden der Zugang zur Westmauer des Tempels versperrt, und das jüdische Viertel der Altstadt wurde nahezu vollständig zerstört. Was nach dem Krieg von 1967 auf jüdischer Seite als Wiedervereinigung der geteilten Stadt und Befreiung gefeiert wurde, empfand die arabische Seite als Eroberung und Beweis für die zionistischen Expansionsbestrebungen. Die nun von den Israelis gegebene Zusage auf ungehinderten Zugang zu den heiligen Stätten für alle Religionen ist zwar prinzipiell gewahrt, aber unter den aus Sicherheitsaspekten verhängten Zugangsbeschränkungen für Jerusalem für die auf der Westbank lebenden Palästinenser faktisch kaum praktizierbar.

Zu den Grundstrukturen des arabisch-israelischen Konfliktes gehören die gegenseitige Infragestellung der nationalen Identität der jeweils anderen Seite und daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Die arabische Seite reduzierte das Judentum auf eine Religion. Sie bestritt Juden deshalb eine besondere Beziehung zu diesem Land und verwies sie auf ihre Herkunftsländer. Für Juden waren die Palästinenser Araber, denen viele arabische Länder offen stehen. Sie sahen deshalb keine Notwendigkeit für einen eigenen palästinensischen Staat bzw. sahen in der Teilung des britischen Mandatsgebietes von 1922 mit der Abtrennung von Transjordanien (seit 1946 Königreich Jordanien) die Schaffung eines palästinensischen Staates vollzogen.

In der Resolution 242 von 1967 forderte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Rückzug der israelischen Truppen aus den besetzten Gebieten auf noch zu vereinbarende Grenzen. Sie wird als Basis für Friedensverhandlungen zwischen Israel und seinen Nachbarn verstanden, auch in den israelisch-palästinensischen Verhandlungen, enthält aber keine ausdrückliche Stellung für einen zukünftigen Status von Jerusalem. In den Verhandlungen von Camp David (1978 – Friedensverhandlungen mit Ägypten), auf der Madrider Konferenz (1991) und den Verträgen von Oslo (1993) wurde diese Fragen unter anderem wegen der gegensätzlichen Auffassungen ausgeklammert und zukünftigen Verhandlungen vorbehalten.

In der israelischen Gesellschaft war der Gedanke an eine wie auch immer geartete Teilung lange tabu. Der israelische Ministerpräsident Menachem Begin erklärte im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen mit Ägypten, dass „Jerusalem eine Stadt ist, unteilbar, die Hauptstadt des Staates Israel“. Der ägyptische Staatpräsident Anwar Sadat stellte dem gegenüber fest, dass „das arabische Jerusalem ein integraler Bestandteil des Westjordanlandes ist“. Allerdings verband er damit Gedanken an eine ungeteilte, von beiden Völkern gemeinsam verwaltete Stadt. Dieses Modell spielt in den Überlegungen zum zukünftigen Status Jerusalems bis heute eine Rolle.

Im von der Knesset verabschiedeten Grundgesetz von 1980 wurde der Status Jerusalems als unteilbare und ewige Hauptstadt Israels festgeschrieben. An den bestehenden Verhältnissen änderte das nichts, löste aber Unverständnis in der internationalen Gemeinschaft aus und führte zu einer Rüge des Sicherheitsrates wegen Verstoßes gegen internationales Recht. Der Vorschlag des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak im Sommer 2000 in Camp David bedeutete die Aufgabe des alleinigen Anspruchs auf Jerusalem. Von israelischer Seite wurde das als äußerstes Zugeständnis gesehen. Die palästinensische Seite akzeptierte den Vorschlag nicht, weil die vorgesehene Annexion der israelischen Siedlungen um Jerusalem kaum Spielraum für eine palästinensische Stadtentwicklung gelassen hätte. Obwohl Kompromisse mit einer akzeptablen Lösung für beide Seiten denkbar gewesen wären, scheiterten letztlich die Verhandlungen an der Jerusalemfrage.

Vorschläge zur Lösung wurden in der Folge von mehreren Seiten zu verschiedenen Zeiten gemacht. Von Israelis und Palästinensern weitgehend akzeptiert waren in Taba (Januar 2001) Vorstellungen einer offenen Stadt mit geteilter Souveränität, die Hauptstadt zweier Staaten ist. Mit Einschränkung fand auf beiden Seiten das Prinzip Zustimmung, dass Gebiete mit palästinensischer Bevölkerung der palästinensischen Hoheit, Gebiete mit jüdischer Bevölkerung jüdischer Souveränität unterstellt werden sollten. Auch im Blick auf die Altstadt und die Heiligen Stätten war in unterschiedlichen Modellen eine solche Lösung für denkbar erachtet worden. Zumindest gab es Verständnis auf der jeweils anderen Seite, dass die Westmauer und der Tempelberg (Haram al-Sharif) besondere Regelungen erfordern. Unüberbrückbar schienen die Gegensätze nicht, dennoch kam es zu keinem Durchbruch der Verhandlungen. Die Ereignisse in den Monaten danach haben die Fronten verhärtet. Eine Lösung scheint in weite Ferne gerückt, obwohl beide Seiten um die unausweichliche Notwendigkeit eines Kompromisses wissen.

2.2.5 Hoffnungen und Visionen für eine Stadt

Wünscht Jerusalem Glück!

Es möge wohl gehen denen, die dich lieben;

Es möge Friede sein in deinen Mauern

und Glück in deinen Palästen.

(Psalm 122,6.7)

Bei den Fragen um Jerusalem geht es im Kern also nicht um religiöse Auseinandersetzungen, sondern um nationale Interessen von Israelis und Palästinensern. Aber die Religionen sind Teil in diesem Konflikt. Fundamental-religiöse Kräfte auf beiden Seiten erschweren die Bemühungen um einen friedlichen Interessenausgleich und könnten die bestehenden Gegensätze vertiefen.

Die Heiligkeit Jerusalems ist ihre Besonderheit und zugleich ihr Verhängnis. An den Orten, die vergangenes Geschehen vergegenwärtigen, wird die Begegnung mit dem Heiligen gesucht: am Heiligen Grab, am Fels Golgotha oder Berg Morija. Das kann zur Selbstvergewisserung dienen und Lebensperspektiven eröffnen. Die Vergangenheit kann aber unreflektiert auch zum einem bestimmenden Faktor für Gegenwart und Zukunft werden. Die Mythen Jerusalems können Kräfte und Phantasie binden und die Suche nach tragfähigen Lösungen für eine gemeinsame Zukunft von Israelis und Palästinensern, Juden, Christen und Muslimen in dieser Stadt erschweren.

Kann es dennoch einen Beitrag der Religionen zur Lösung der Probleme und Fragestellungen um Jerusalem geben? In den Zielsetzungen von Frieden, Gerechtigkeit und Erhaltung des Lebens lassen sich prinzipielle Übereinstimmungen zwischen Bibel und Koran feststellen. Gemeinsam ist Juden, Christen und Muslimen die Verehrung Jerusalems als heilige Stadt – wie unterschiedlich die Begrifflichkeit des „Heiligen“ auch gefüllt sein mag. Welche religiösen Traditionen also gibt es und welche lassen sich auf der je eigenen Seite stark machen, die hilfreich zur Überwindung des Konfliktes sind und zu einem friedlichen Zusammenleben beitragen könnten? Antworten können Juden, Christen und Muslime nur je für sich versuchen, um sie innerhalb der eigenen Religion und dann untereinander ins Gespräch zu bringen. Im Nachfolgenden beschränken wir uns deshalb auf einige biblische Ansatzpunkte.

In der biblischen Tradition überwiegt ein personales Verständnis von heilig. Heilig ist Gott und was er durch seine Gegenwart heiligt. Orte sind heilig, solange Gott seine Gegenwart damit verbindet. Heilig ist das Volk Israel, das Gott sich erwählt, nicht aufgrund eigener Qualität, sondern weil Gott es durch seine Wahl heiligt. Heilig ist deshalb auch Jerusalem, weil Gott sich diesen Ort zu seiner Stadt, zum Ort seiner Gegenwart erwählt. Herausgehoben wurde Jerusalem gegenüber anderen Orten durch die biblische Tradition, nach der Gott seinen Namen für immer mit diesem Ort verbunden hat (1. Könige 9,5; 2. Chronik 7,16). Sichtbaren Ausdruck fand das im Bau des Tempels. Einziger Ort göttlicher Präsenz aber kann er nicht für Gott sein, den selbst die Himmel nicht zu fassen vermögen, wie im gleichen Zusammenhang herausgestellt wird. (1. Könige 8,27; 2. Chronik 6,18; Jesaja 66,1). Gott bindet sich an Jerusalem, aber die Erfahrung der Nähe und Zuwendung Gottes ist nicht an Jerusalem gebunden.

Dem Bau des Tempels vorgeordnet ist auch die Zusage des bleibenden Hauses Davids (2. Samuel 7,12-16), die zur Grundlage der messianischen Verheißungen wurde. Gottes Verhältnis zu Jerusalem entspricht seinem Verhältnis zu den Bewohnern der Stadt und ganz Israel. Damit verbunden kommen in der schon erwähnten Völkerwallfahrt zum Zion auch die Völker in den Blick. Die Verheißung richtet sich an die Völker, aber sie bleibt doch bezogen auf Israel als Gottesvolk, auf Jerusalem als der Gottesstadt und den Zion als den Berg Gottes. Das Universale, die Völker der Welt, und das Besondere, Israel, kommen gemeinsam in den Blick. Die Völker sind eingeschlossen in die Verheißungen Israels und haben in ihr ihren eigenen Ort: In Abraham „sollen gesegnet werden (bzw. sollen sich segnen) alle Geschlechter auf Erden“ (1. Mose 12,39). „Von Zion wird Weisung ausgehen und des Herren Wort von Jerusalem“ (Jesaja 2,3) für die Menschen aus allen Völkern. Das Licht, das über Zion aufgeht, wird auch die Völker erleuchten (Jesaja 51,3f; 60,1ff). Im Hören auf das, was Israel gesagt und verheißen ist, lernen die Völker, den Wegen des Gottes Israels zu folgen, die zu Leben, Frieden und Gerechtigkeit führen werden.

Im lukanischen Geschichtswerk (Lukasevangelium, Apostelgeschichte) ist Jerusalem der Ort, von dem aus nach der Ausschüttung des Heiligen Geistes über die Jünger Jesu, die frohe Botschaft der Zuwendung Gottes in Jesus Christus an alle Welt ausgeht. Zuspruch und Weisung Gottes setzen die Völker also in eine besondere Beziehung zu Jerusalem. Die Stadt ist Ausgangs- und Kristallisationspunkt des Wortes, das alle Welt angeht.

Mehrfach begegnet in der biblischen Tradition der Gedanke, dass Jerusalem ein Ort ist, an dem man zusammenkommt, um Gottes Gegenwart zu erfahren. Er wird nicht nur im Bezug auf das jüdische Volk (Psalm 122,3 u.a.) ausgesagt, sondern auch im Blick auf die Völker (Jeremia 3,17 u.a.). Jerusalems universale Bedeutung für alle Völker kann derart betont werden, dass es als Ort der Herkunft und Abstammung aller Völker gedacht wird, wenn es etwa in Psalm 87 als Mutter aller Völker gepriesen wird. Solche Vorstellungen sehen Jerusalem als eine offene Stadt, zu der alle, Israel und die Völker, in Beziehung stehen. Jerusalem ist danach auch ein Ort für alle Welt, ein Ort der Kommunikation, der Hoffnung auf Frieden und endzeitliche Vollendung (Jesaja 2; Micha 4; Hesekiel 40-48). In der Offenbarung des Johannes wird Jerusalem in symbolischer Weise zum Äquivalent für die Hoffung auf Erlösung und Vollendung. Im Jerusalem, das aus dem Himmel herab kommt, finden in Gottes Nähe alle Menschen Raum, die zu ihm gehören (Offenbarung 21).

Könnte im Rückgriff auf solche Vorstellungen und im Stärken dieser Traditionen Jerusalem der Ort werden, an dem heute der Dialog zwischen den Religionen exemplarisch geführt und vertieft werden kann? Könnte Jerusalem so ein Ort gegenseitigen Lernens und Begreifens werden, was diese Stadt den jeweils anderen in ihrem Glauben und Leben bedeutet – Juden, Christen und Muslimen? Lassen sich biblische Hoffnungen und Verheißungen für Jerusalem der realpolitischen Situation gegenüberstellen? Kann es ein Beitrag der Religionen sein, gegen die erfahrene Wirklichkeit Zukunftsbilder Jerusalems stark zu machen: die Utopie eines künftigen Jerusalems mit Frieden und Gerechtigkeit – nicht als Vertröstung, sondern als ermutigenden Protest: „Dass das, was ist, nicht alles ist“?

Das sind unsere Hoffnungen. Sie wollen Anstoß sein, mit anderen ins Gespräch zu kommen über ihre Hoffnungen und Wünsche für Jerusalem. Vielleicht kann sich aus solchen Begegnungen im Gespräch erweisen, dass die Hoffnung auf Frieden für Jerusalem, nicht nur ein frommer Wunsch bleiben muss. Eine rabbinische Weisheit lehrt: „Der dunkelste Moment des Tages ist zugleich der Anbruch des neuen Morgens.“ Bis dahin sollten auch Christen nicht nachlassen, für Jerusalem und Frieden „in seinen Mauern“ zu beten: Wünscht Jerusalem Glück!

3. Was wir in der Evangelischen Kirche von Westfalen tun können

Unsere Hoffnung, dass es Wege im israelisch-palästinensischen Konflikt gibt, die aus der Konfrontation und Gewaltspirale herausführen, nimmt uns selbst in die Pflicht, uns dafür auch mit Nachdruck einzusetzen.

Wir können den Konflikt nicht lösen. Aber wir können uns bemühen, zu verstehen und um Verständnis zu werben. Wir können uns in die Menschen auf beiden Seiten hineinversetzen und mit ihren Augen sehen lernen. Wer das tut, kann nicht mehr einseitig Partei ergreifen, kann nicht mehr einfach verurteilen.

Wir können die unterschiedlichen positiven Ansätze, die es gibt, aufnehmen und unterstützen:

· Es gibt Menschen auf beiden Seiten, die die Hoffnung nicht aufgeben, die sich darum bemühen, die Einsicht zu vermitteln, dass der Konflikt nicht mit Gewalt gelöst werden kann, sondern dass es nötig ist, Schritte zu gehen hin zu einem Frieden in gegenseitiger Akzeptanz und Gerechtigkeit.

  • Es gibt zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich einsetzen für die Wahrung der Menschenrechte, für gemeinsame Zukunftsperspektiven.
  • Es gibt Modelle, die konzeptionell und methodisch versuchen, die berechtigten Ängste zu bearbeiten und notwendige Forderungen der beiden Seiten aufzunehmen.
  • Es gibt Möglichkeiten in den Religionsgemeinschaften, die verbindenden Traditionen ihrer jeweiligen Schriften herauszuarbeiten: sich für die Erhaltung des Lebens zu engagieren und die Gewaltelemente der eigenen Tradition aufzuspüren und zu bearbeiten.
  • Es gibt trotz aller Schwierigkeiten Versuche, über die Grenzen der Völker und Religionen hinweg einen Dialog zu führen.

    Im folgenden werden unterschiedliche Dimensionen praktischen Handelns angesprochen, die für Einzelne wie für Gruppen in unserer Kirche eine vertiefende Weiterarbeit ermöglichen können:

3.1 Informationsarbeit leisten
  • Diese Stellungnahme als Anregung nehmen, sich mit diesem so schwierigen Konflikt auseinander zu setzen, um Ansatzpunkte für Lösungen und neue Hoffnung zu finden sowie die Informationsbasis zu verbreitern.
  • Persönliche Erfahrungsberichte von Personen, von Kontakten und Begegnungen sammeln und verbreiten.
  • Friedensstimmen öffentlich machen, um damit israelische und palästinensische Friedensgruppen auf ihrem Weg zu bestärken.
3.2 Kommunikationsebenen herstellen
  • Ökumenische Beziehungen nutzen zur Information, für Austausch und Besuche.
  • Kontakte herstellen durch Reise- und Besuchsprogramme von westfälischen Gemeinden in Israel und besonders in Palästina.
  • Gruppen einladen (z.B. Schülerinnen und Schüler, berufsspezifische Gruppen, Frauen).
  • Gemeinsame Akademieprogramme und -austausche durchführen (z.B. zwischen Dar al-Ka­lima in Bethlehem und der Evangelischen Akademie Iserlohn).
  • Kontakte zwischen Israelis und Palästinensern ermöglichen durch Einladungen nach Deutschland oder an einen anderen Ort außerhalb des Konfliktgebiets.
  • Gemeinsame längerfristige Programme zu einem Thema im Rahmen der Dekade zur Überwindung von Gewalt durchführen.
3.3 Gruppen und Projekte unterstützen

„Die Handlungsmöglichkeiten der Minderheiten, die im Gespräch mit Christen, Juden und Muslimen engagiert sind, werden immer mehr eingeschränkt. Und doch wollen sie nicht resignieren. Sie signalisieren, dass sie gerade jetzt Unterstützung von außen brauchen in ihrem Bemühen, Hilflosigkeit zu überwinden und Hoffnung zu stärken. Die wenigen, die sich seit Jahrzehnten beharrlich für die interreligiöse Verständigung und einen gerechten Frieden einsetzen, brauchen jetzt und in Zukunft einen langen Atem. Wir möchten mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ihren Beitrag zum Frieden unterstützen. Unsere Kirche hat im zurückliegenden Jahr bei Projekten unserer Partner in Israel und Palästina dazu praktische Zeichen unserer doppelten Solidarität gesetzt.“

(Präses Manfred Sorg in seinem mündlichen Bericht vor der Landessynode 2002)

In der folgenden Auflistung sind Projekte und Gruppen aufgeführt, (1.) die wir als Evangelische Kirche von Westfalen weiter fördern wollen, (2.) die in kirchlicher Trägerschaft eine kontinuierliche Unterstützung erfahren und (3.) über die in Deutschland und im Nahen Osten die vertiefende Information und Weiterarbeit möglich ist:

3.3.1 Projekte, die von der Evangelische Kirche von Westfalen gefördert werden

Schulen und Versöhnungsprojekte: Talitha Kumi, Beit Sahur, Ramallah und Beit Jala (kümmert sich vor allem auch um traumatisierte Kinder) sowie die „Schneller-Schulen“ in West-Jerusalem (Jerusalemverein) und die „Abrahamsherberge“ (Beit Jala).

Kontakte:

Ev. Lutherische Kirche in Jordanien und Palästina (ELCJ), Muristan Road, Jerusalem 91140, c/o Berliner Missionswerk, Missionshaus im Evangelischen Zentrum, Georgenkirchstraße 70, 10249 Berlin, Te: 030/2 43 44-123, Fax: 030/2 43 44-124, email: bmw(at)berliner-missionswerk.dewww.berliner-missionswerk.de


Jerusalemverein im Berliner Missionswerk, Adresse siehe oben


Erlöserkirche, Probst Martin Reyer, P.O.B. 14076, Jerusalem 91140, Tel: 00972-2-6276111, Fax: 00972-2-6273148, email: probstei(at)hotmail.com

Dar al-Kalima (Bethlehem): In der Bethlehem-Akademie geht es um ganzheitliche Ausbildung, um interkulturelle und interreligiöse Begegnungen sowie um kulturelle Aktivitäten. Neben der Akademiearbeit ist eine „Modell-Schule“ das zweite Hauptprojekt (dazu gehören Schulräume, ein Gesundheits- und ein Berufsbildungszentrum). Dar al-Kalima ist eine Einrichtung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bethlehem. Es ist verbunden mit dem der Kirche angeschlossenen „Internationalen Begegnungszentrum“.

Kontakt:

Pfr. Mitri Raheb, P.O.B. 162, Bethlehem, Tel: 00972-2-2770047, Fax: 00972-2-22770048, www.annadwa.org

Nes Ammim: Die christliche Siedlung Nes Ammim (Zeichen für die Völker) wurde 1963 nahe den Städten Akko und Naharija mit dem Ziel gegründet, durch Leben und Arbeiten in Israel zu einem besseren Verständnis zwischen Juden und Christen beizutragen. Im Studienprogramm, das auch Besuchergruppen offen steht, werden u.a. auch Kontakte zu jüdischen und arabischen Gruppen unterhalten. Die angediv nte politische Situation zwingt nach neuen Konzepten zu suchen, um die Arbeit langfristig zu sichern. Mitgetragen wird die Arbeit durch die nationalen Nes Ammim-Vereine in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz.

Kontakt:

Nes Ammim Deutschland e.V., Bergesweg 16, 40489 Düsseldorf, Tel: 0211/ 40597-50, Fax: 40597-53, Email: info(at)nesammim.dewww.nesammim.org

Neve Shalom/Wahat al-Salam ist eine 1972 gegründete Dorfkooperative zwischen Tel Aviv und Jerusalem gelegen, in der jüdische und palästinensische Israelis miteinander leben und gemeinsam die Verantwortung für das Dorf tragen, in dem fast 50 Familien leben. Sie wollen zeigen, dass ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Palästinensern in einer auf Toleranz, gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit beruhenden Gemeinschaft möglich ist. Zu den besonderen Projekten gehört die Friedensschule, mit der die Ideale des Dorfes nach außen getragen werden sollen (insbesondere die israelische und palästinensische Gesellschaft) und die heute weltweit als führend in der Friedenspädagogik und im Konfliktmanagement gilt.

Kontakt:

Verein der Freunde von Neve Shalom/Wahat al-Salam e.V., Sonnenrain 30, 53757 St. Augustin, Tel: 02241/331153,  Fax: 02241/396549, Email: friedensoase(at)gmx.de

Israel Interfaith Association (IIA): Sie wurde in den 50er Jahren in Jerusalem gegründet. Die Haupttätigkeit der IIA sind Veranstaltungen von Vorträgen, aber auch Exkursionen, Wochenend-Seminaren und Workshops. All dies dient dazu, ein besseres Verständnis für den „Anderen“ zu vermitteln und den Boden für ein friedliches Nebeneinander der Religionsgemeinschaften und der Bürger der Region vorzubereiten. Dem Kontakt mit einem Freundeskreis in Deutschland und den deutschsprachigen Ländern dient die in Deutsch erscheinende Vierteljahresschrift „Religionen in Israel“ (RiI).

Kontakt:

IIA, Dr. Michael Krupp, P.O.B. 7739, Jerusalem 91077, Tel: 00972-2-203251, Fax: 00972-2-251478, Email: oskrupp(at)roth.hul.huji.ac.il www.uni-leipzig.de/~judaica/i-faith/seite1

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF): Die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen ist für ASF Motiv und Verpflichtung für konkretes Handeln in der Gegenwart. Seit der Gründung im Jahr 1958 haben mehrere zehntausend Menschen durch ihre Friedensdienste mit ASF kleinere und größere Zeichen gesetzt; geschichtsbewusstes Arbeiten mit den Überlebenden des Holocaust und ihren Nachkommen, gegen Rassismus und Ausgrenzung und für Frieden und Toleranz, gegen das Vergessen und für eine menschliche Zukunft. In Israel ist ASF seit 1961 tätig. Aktuell wird das alte „Haus Pax“ (neuer Name: Beit Ben Yehuda – Haus Pax) in Jerusalem zu einem internationalen Begegnungszentrum umgebaut, in dem Menschen aus verschiedenen ASF-Projektländern sowie unterschiedlichen kulturellen, ethnischen und religiösen Kontexten miteinander ins Gespräch kommen sollen.

Kontakt:

ASF-Länderbüro Israel, Rehov Ein Gedi 28, Jerusalem Talpioth 93383, Tel: 00972-2-67 32 587, Fax: 00972-2-6717540, oder: ASF Auguststr. 80, 10117 Berlin, Tel: 030/28395-183, Fax: 28395-135, www.asf-ev.de

3.3.2 Projekte in kirchlicher Trägerschaft

Ökumenische Kontakte: Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel (EAPPI) des ÖRK, Ökumenischer Friedensdienst in Israel und Palästina (ÖFPI).

Kontakte:

EAPPI, c/o Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK), P.O.B. 2100, CH-1211 Genf, Tel: 0041-22-7916111, Fax: 0041-22-7910361, Email: eappi(at)wcc-coe.orgwww.wcc-coe.org

ÖFPI, c/o Evangelischer Entwicklungsdienst (EED), Ulrich-von-Hassell-Str. 76, 53123 Bonn, Tel: 0228/8101-2513, Fax: 0228/8101-160, Email: juergen.deile(at)eed.dewww.eed.de

Alexandria-Erklärung der leitenden Geistlichen des Heiligen Landes gegen Gewalt und gegenseitige Diskriminierung vom 21.01.2002: Beteiligt sind Juden, Christen und Muslime. Eine ständige gemeinsame Arbeitsgruppe wurde installiert, die an der Umsetzung der Erklärung arbeitet.

Kontakte:

Permanent Joint Committee, Canon Andrew White, International Centre for Reconciliation (ICR), Coventry Cathedral, 7 Priory Row, Coventry CV 1 5ES, C.B., Tel: 0044 (0) 24-7655-2654, Fax: 0044 (0) 24-7626-7004, Email: reconciliation(at)globalnet.co.uk

3.3.3 Projekte und Gruppen zur Information und Weiterarbeit in Deutschland

Deutsch-Israelischer Arbeitskreis für Frieden im Nahen Osten (DIAK): Der 1977 gegründete Verein setzt sich für eine gesicherte Existenz des Staates Israel ein. Eine der Voraussetzungen dafür ist die Entschärfung des Konfliktes mit den Palästinensern. Gesucht wird dabei der Kontakt vor allem zu solchen Personen und Gruppen, die aktiv für eine friedliche Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts eintreten.

Kontakt:

Pfr. Tobias Kriener, Irmgardstr. 6, 40235 Düsseldorf, Tel. u. Fax: 0211-67 99 755, Email: info(at)diak.orgwww.diak.org

Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) ist eine überparteiliche Organisation. Die Mitglieder der DIG gehören verschiedenen Religionen an und vertreten unterschiedliche Auffassungen. Ziel der Organisation ist es, die kulturellen und politischen Beziehungen zwischen Menschen aus Israel zu vertiefen, um das Verständnis zwischen ihnen zu fördern.

Kontakt:

Martin-Buber-Straße 12, 14163 Berlin, Tel: 030/80907028, Fax: 030/80907031, Email: digberlin(at)onlinehome.de

Deutsch-Palästinensische Gesellschaft:ein Zusammenschluss von Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen, die in Deutschland und auch in Palästina selbst dafür eintreten, dass das palästinensische Volk in freier Selbstbestimmung seine Gesellschafts- und Staatsform wählen kann.

Kontakt:

Karl Marx-Straße 15, 12 043 Berlin, Tel. 030 - 688 092 36, Fax 030 - 688 092 37, Email: depege(at)snafu.dewww.dpg-netz.de

Frauen für den Frieden in der Evangelischen Kirche von Westfalen: Israel-Palästina-

Arbeitsgruppe.

Kontakt:

c/o Ingeborg Vollgold-Melchior, Große-Heim-Str. 130, 44339 Dortmund, Tel: 0231/12 88 98, Fax: 0231/1899562.

Friedensprojekt des Willy-Brandt-Zentrums in Jerusalem:Das Projekt unterstützt den Aufbau von Kommunikations- und Begegnungsstrukturen, die den Austausch und die gegenseitige Wahrnehmung von deutschen, israelischen und palästinensischen jungen Erwachsenen befördern und verstetigen sollen.

Kontakt:

Dr. Matthias Ries, P.O.B. 1315, Jerusalem 91001, Email: info(at)wbz-net.org, www.wbz-net.org (unterstützt vom Friedensforum Münster, Augustastr. 36, 48153 Münster, Tel: 0251/9876457, www.friedensladen.de)

Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit setzen sich ein für die Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden bei gegenseitiger Achtung aller Unterschiede (Bielefeld, Dortmund, Gelsenkirchen, Hagen, Minden, Münster, Paderborn, Recklinghausen, Siegen, Westmünsterland).

Kontakt:

Deutscher Koordinierungsrat (DKR), Postfach 1445, 61214 Bad Hauheim, Tel. 06032-91 11 0, Fax 06032-91 11 25, email: info(at)deutscher-koordinierungsrat.dewww.deutscher-koordinierungsrat.de

International Council of Christians and Jews (ICCJ):Internationaler Dachverband von zur Zeit 38 nationalen Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

Kontakt:

Martin Buber Haus, 64646 Heppenheim, Tel: 06252/93120, Email: iccj_buberhouse(at)t-online.dewww.iccj.org

Jewish Christian Relations (ICCJ) will dazu beitragen, Einsichten und Anliegen aus dem christlich-jüdischen Gespräch weiter zu geben und zur Diskussion zu stellen.

Kontakt:

www.jcrelations.net

Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden (KLAK):der Zusammenschluss von Arbeitskreisen in den Landeskirchen im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland. Grundlage der Arbeit sind die EKD-Studien "Christen und Juden" I, II und III (Schritte der Erneuerung im Verhältnis zum Judentum, 2000).

Kontakt:

www.klak-christen-und-juden.de

Kontaktnetz Palästina. Evangelische Arbeitsgemeinschaft Westfalen in Zusammenarbeit mit dem Jerusalemverein (Berlin).

Kontakt:

Pfr. i.E. Jens Nieper, Schüttenwall 7, 45721 Haltern, Tel: 02364/965181, Fax: 02364/4364, Email: nieperjens(at)hotmail.com

Studium in Israelbietet jeweils 15-20 deutschsprachigen Theologiestudentinnen und -studenten verschiedener Konfessionen die Chance, ein Jahr an der "Hebräischen Universität Jerusalem" zu studieren. Dabei studieren Christinnen und Christen gemeinsam mit Israelis und jungen Juden aus der ganzen Welt.

Kontakt:

Pfarrerin Katja Kriener, Studienstelle Christen und Juden, Hans-Böckler-Str. 7, 40476 Düsseldorf, Tel. 0211/4562387, Fax. 0211/4562434, Email: studienstelle(at)cityweb.de, www.uni-leipzig.de/~judaica/studisr/

Jüdische Gemeinden in Deutschland: Informationen zum Judentum oder zum Problem des Antisemitismus in Deutschland sind auf der Internetseite des Zentralrates der Juden in Deutschland www.zentralratdjuden.de oder über die Seitewww.juden.de zu finden.

3.3.4 Israelische und palästinensische Projekte und Gruppen zur Information und Weiterarbeit

Alternative Information Center (AIC): Alternatives Informationszentrum, Jerusalem/Bethlehem, www.alternativenews.org


Arab Association for Human Rights: Der arabische Verein für Menschenrechte thematisiert die Rechte israelischer Araber und Araberinnen (Nazareth), www.arabhra.org


Bat Shalom: Feministisches Zentrum für Frieden und soziale Gerechtigkeit (Jerusalem),  www.batshalom.org


B’tselem:Israelisch-palästinensische Menschenrechtsorganisation (Jerusalem),  www.btselem.org


Coalition of Women for a Just Peace:Bewegung der Frauen für einen gerechten Frieden (Jerusalem),


Courage to Refuse:Kampagne zur Kriegsdienstverweigerung, www.seruv.org.il

Givat Haviva: Bildungs- und Begegnungsstätte in Israel, die sich für jüdisch-arabische Verständigung einsetzt, kulturellen und religiösen Pluralismus sowie Erziehung zu Demokratie und Toleranz fördert. Givat Haviva Deutschland e.V. ist die deutsche Unterstützerorganisation:

www.givat-haviva.net


Gush Shalom:Friedensblock, Gründer: Uri Avnery (Tel Aviv), www.gush-shalom.org

The Interreligious Coordinating Council in Israel (ICCI): Dachorganisation für interreligiöse Arbeit, in der mehr als 70 jüdische, christliche und muslimische Organisationen (darunter Nes Ammim oder die Israel Interfaith Association) mitarbeiten:

www.icci.co.il

House of Hope ist ein kleines Zentrum in der arabischen Stadt Shefar´am im Norden Israels, das zur israelisch-palästinensischen Verständigung beitragen möchte,

www.hohpeacecenter.org


Israel-Palestine Center for Research and Information (IPCRI):Israelisch-palästinensisches Informationszentrum (Jerusalem), www.ipcri.org


Israeli Coalition Against House Demolition:Koalition gegen Hauszerstörungen (Jerusalem), www.icahd.org


LAW:Palästinensische Gesellschaft zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt (Jerusalem), www.lawsociety.org


New Profile:Feministische Friedensplattform, die sich für die Rechte der Kriegsdienstverweigerer einsetzt (Tel Aviv), www.newprofile.org

Palestinian Center for Peace and Democracy (PCPD):Palästinensisches Zentrum für Frieden und Demokratie (Shu’fat, Jerusalem), 

www.arts.mcgill.ca/MEPP/ngoproject/pcpd.html


Peace Now: Größte israelische Friedensorganisation (Tel Aviv), www.peacenow.org


Rabbis for Human Rights:Rabbis für Menschenrechte (Jerusalem), www.rhr.israel.net


Ta’ayush:Jüdisch-arabische Partnerschaft (Tel Aviv), www.taayush.tripod.com


The Palestinian Human Rights Monitoring Group:Palästinensische Menschenrechtsgruppe (Ost-Jerusalem), www.phrmg.org


Wi’am:Zentrum für zivile Konfliktbearbeitung (Bethlehem), www.planet.edu/~alaslah/


Women in Black:Frauen in Schwarz (Jerusalem), www.geocities.com


Yesh Gvul (Es gibt eine Grenze):Organisation selektiver Kriegsdienstverweigerer (Jerusalem), www.yesh-gvul.org

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit!

 


Mitglieder des Arbeitskreises „Israel und Palästina“


für den Ausschuss „Weltmission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung“:


Berthold, Christoph – Superintendent

Köllner, Hartmut – Pfarrer

Kronshage, Christa


Vorsitzende


Dr. Möller, Ulrich – Oberkirchenrat, Ökumenedezernent

Nollmann, Holger (bis 01.09.2002)

Neuser, Bernd (ab 01.01.2003) – Pfarrer


für den Ausschuss „Frieden und Friedensdienste“:


Guckes, Ute – Pädagogin

Trittmann, Uwe – Studienleiter


für den Ausschuss „Juden und Christen“:


von Bremen, Katharina – Pfarrerin, Studienleiterin

Halama, Udo – Pfarrer


Anmerkungen
  1. Die vorliegende Stellungnahme wurde im Zeitraum von Juni 2001 bis März/April 2003 erarbeitet.
  2. Die Landessynode 1999 hat beschlossen (Beschluss Nr. 129):
    „Um die einzigartige Beziehung der Christen zu den Juden als verbindlich für die Kirche festzuhalten, bedarf es einer entsprechenden Aussage in der Kirchenordnung.
    Die Landessynode beauftragt die Kirchenleitung, ein Verfahren zur Ergänzung der Kirchenordnung vorzubereiten. In die Grundartikel, ersatzweise in die einleitenden Bestimmungen, soll ein Abschnitt eingefügt werden, in dem die Treue Gottes zu seinem Volk Israel und die bleibende Verbundenheit der Kirche mit Israel zum Ausdruck gebracht wird.“ Das Verfahren ist bereits eingeleitet worden.
  3. Die hier genannten Einrichtungen werden im 3. Teil näher erläutert.
  4. Der Titel orientiert sich an Martin Buber (1878 – 1965), der sich von Beginn an – bereits auf dem 12. Zionistenkongress 1921 in Karlsbad und weiterhin nach seiner noch 1938 möglichen Emigration aus Deutschland nach Jerusalem – für eine friedliche Koexistenz beider Völker im Land eingesetzt hat und auch nach der Gründung des Staates Israel zu Versöhnung und Zusammenarbeit aufrief (vgl. Martin Buber, Ein Land und zwei Völker. Zur jüdisch-arabischen Frage, Frankfurt/Main 1993).
  5. Martin Stöhr, Einführung zum Themenheft „Der mühsame Weg zum Frieden in Nahost“, Junge Kirche, Nr. 7/8, 2000, S.379.
  6. Vgl. Martin Stöhr, in: a.a.O., S.378: „Das Völkerrecht muss wieder zu seinem Recht kommen. Es existiert und es ist auszubauen als die entscheidende Alternative zur Gewalt. Das gilt, auch wenn auf unserem Globus viele Mächte wenig von ihm halten. Der Beschluss des Völkerbundes von 1922, der die Balfour Deklaration bestätigte, legte eine, wenn auch fragile Grundlage. Dort erhielt das jüdische Volk ein Heimatland zugesprochen, wo immer Juden gelebt hatten. Zugleich wurden die Rechte der dort lebenden Araber ausdrücklich abgesichert. Nach der Schoa hatte 1947 die UNO einen Teilungsbeschluss gefasst, der der jüdischen und der arabischen Bevölkerung je ein Land beziehungsweise einen Staat zusprach. Damit war jedem der beiden Völker ein Recht gegeben, das in der langen Unrechts- und Kriegsgeschichte nicht vergessen werden darf. In Erinnerung zu rufen sind auch jene UNO-Beschlüsse, die immer das Lebensrecht beider in gesicherten Grenzen fordern, in der Resolution 194/III die Rückkehr oder die Entschädigung der Flüchtlinge und in der Resolution 242 die Räumung (in der englischen Übersetzung) „besetzter Gebiete“ (in der französischen Übersetzung „der besetzten Gebiete“) verlangen.“
  7. Christen und Juden III. Schritte der Erneuerung im Verhältnis zum Judentum. Eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2000, S.84. Vgl. insgesamt in diesem Zusammenhang den Abschnitt „Israel – Land und Staat“, S.81-88, in dem auch eine Verhältnisbestimmung von Erwählung, Bund und Land vorgenommen wird.
  8. Wie in der Hauptvorlage „Gott hat sein Volk nicht verstoßen“ von 1999 empfohlen, benutzen wir im Blick auf das Alte Testament verschiedene Begriffe wie „Jüdische Bibel“, „Hebräische Bibel“ oder auch „Erstes Testament“, „um es lebendig im Bewußtsein zu halten, daß der erste Teil der christlichen Bibel zuvor dem Judentum gehörte und es auch weiterhin tut, und weil es keinen Begriff gibt, der ihn allein hinreichend bezeichnen könnte“ (vgl. Hauptvorlage 1999, S. 43).