Mitschuld der Kirche an der Schoa

Erklärung der italienischen Bischofskonferenz erfolgte in Form eines Briefes, den sie den Vertretern der jüdischen Gemeinde in Italien, darunter auch dem römischen Oberrabbiner Elio Toaff, übergab. Der Brief trägt das Datum des 16. März 1998. An diesem Tag erschien auch das Vatikan-Dokument "Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah".

Erklärung der italienischen Bischöfe

zur Mitschuld der Kirche an der Shoah

Rom, 3.4.98

Die katholische Kirche in Italien hat gegenüber Vertretern der jüdischen Gemeinden erstmals ein Schuldbekenntnis zu ihrer Rolle bei der Shoah abgelegt. Wie die Vorsitzende der Vereinigung der jüdischen Gemeinden Italiens, Tullia Zevi, "Kathpress" gegenüber am Samstag erklärte, geschah dies in Form eines Briefes, der unter anderem vom Leiter des Sekretariats der Bischofskonferenz, Erzbischof Giuseppe Chiaretti, und dem für Ökumene und interreligiösen Dialog zuständigen Bischof Alberto Ablondi unterzeichnet wurde.

In dem Brief sprechen die Bischöfe vom Antisemitismus als einer "dunklen Seite in der jüngeren Geschichte unseres Landes".

Zur Rolle der Kirche stellen sie fest: "Die kirchliche Gemeinschaft hat es nicht verstanden, die Energien zu mobilisieren, die ausreichend gewesen wären, das Euch widerfahrende Unrecht zu denunzieren und mit der notwendigen Kraft zu bekämpfen." Dazu beigetragen habe "auch eine seit langem gepflegte unkritische Übernahme einer irrigen und ungerechten Auslegung der Heiligen Schrift".

Weiter heißt es in dem Dokument, die Bischöfe erinnerten mit tiefer und bewußter "Reue" -- im italienischen Wortlaut wird das hebräische Wort "Teshuva" gebraucht -- an diese Ereignisse. Gleichzeitig betonten die Bischöfe in dem Schreiben, daß auch in Italien zahlreiche Priester und Ordensleute versucht hatten, mit tätiger christlicher Nächstenliebe das auszugleichen, was an prophetischem Mut gefehlt habe, doch habe dies nicht ausgereicht, um der Katastrophe Einhalt zu gebieten.

An einer anderen Stelle des Textes heißt es, die Kirche habe nicht die Absicht, sich der Verpflichtung zu entziehen, die oft schmerzliche Wahrheit der Fakten und der Verantwortung anzuerkennen. Es sei Aufgabe der Historiker, die Wahrheit über die Geschehnisse zu rekonstruieren.

Zevi wertete das Schreiben als ein "bewegendes und mutiges Dokument" und nannte es "einen der besten Texte zu diesem Thema". Der Brief trägt das Datum des 16. März. An diesem Tag erschien auch das Vatikan-Dokument "Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah". Der in italienischer Sprache verfaßte Text wurde den jüdischen Vertretern, unter ihnen auch der römische Oberrabbiner Elio Toaff, bereits am Mittwoch dieser Woche in Rom von einer Delegation der Bischofskonferenz überreicht.