Holokaust-Schoa: Seine Wirkungen auf die Theologie und das christliche Leben in Argentinien und Lateinamerika

Erstes Internationales Symposium Christlicher Theologie zum Thema. Endgültige Erklärung

Holokaust-Schoa: Seine Wirkungen auf die Theologie und das christliche Leben in Argentinien und Lateinamerika

Erstes Internationales Symposium Christlicher Theologie zum Thema

Endgültige Erklärung

An die christlichen Gemeinden in Lateinamerika und der Karibik, an alle die Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung suchen.

  1. Wir sind Christen, Frauen und Männer, einberufen von der Argentinischen Jüdisch-Christlichen Verbrüderung (CAJC), der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Argentiniens (UCA) und dem Evangelischen Institut für Höhere Theologische Studien (ISEDET) bei Anwesenheit von Schwestern und Brüdern der verschiedenen jüdischen Gemeinschaften, um das Erste Internationale Symposium Christlicher Theologie zu halten. Wir sind versammelt im San-Martín-Palais des Argentinischen Auswärtigen Amtes, zur Verfügung gestellt von dessen Sekretariat für Religionsangelegenheiten als Koorganisator des Treffens. Während drei Tage haben wir über die Beziehungen zwischen Christen und Juden aufgrund des Themas Holokaust-Schoa: Seine Wirkungen auf die Theologie und das Christliche Leben in Argentinien und Lateinamerika nachgedacht. Am Ende unseres Treffens, möchten wir eine Sammlung von Betrachtungen mitteilen, die aus unserem Austausch entstanden sind.

     

  2. Wir haben die Schoa in seiner Bedeutung von Zerstörung, Verheerung und Vernichtung in Erinnerung gebracht. Wir haben uns zurückgewandt zu jenem vom jüdischen Volk erlittenen Bündel von Greueltaten im Zusammenhang des zweiten Weltkrieges, Frucht einer langen Vorbereitung und Ausbrütung, als die verderbte nazionalsozialistische Weltanschauung den verdorbenen Willen bewegte, ein ganzes Volk auszurotten. Wir haben uns dessen bewusst gemacht, bis zu welchem Grad diese nie dagewesene und ungeheuerliche Tat, die Vorausasetzungen selbst aller Mitmenschlichkeit und aller bis heute gültigen ethischen wie religiösen Entwürfe erschütter hat. Insbesondere das Christentum, als Mehrheit in den Ländern in denen dieses Masaker durchgeführt worden ist, hat sich gedrängt gesehen, seine diesbezügliche Verantwortung zu erwägen und seine eigenen Grundsätze zu überdenken, angesichts dessen, dass viele Christen Mittäter waren oder sich nicht genügend gegen die Grausamkeiten widersetzt haben.

     

  3. Wir sind der Meinung, dass bei der Suche nach einer Erklärung, weswegen die Schoa möglich werden konnte, wir ihre religiösen Ursachen prüfen müssen. Eine lange Geschichte christlichen Antijudentums und christlicher Gewalt gegen Juden hat der nazionalsozialistischen Weltanschuung den Weg geebnet. Die grundsätzliche Schwachheit und sogar das Scheitern christlicher Anschauungen schon vor der Schoa, wurden offenbar in der Erklärung der Unnützlichkeit und Unwichtigkeit des jüdischen Volkes. Dies ist der Schlüssel, um die theologischen Wurzeln zu verstehen, die hinter dem Geschehenen stehen.

     

  4. Wie damals, so auch heute, geben gewisse Arten die christliche Lehre zu verstehen und zu verkündigen einen Schutzraum für Annahme und Bestätigung antijüdischer Ueberzeugungen. Auch huete noch denken einige, dass Juden nichts Besonderes beizutragen haben, und zwar weil der Glaube der sie Ausweist, seine geschichtliche Aufgabe schon erfüllt habe. Diese Auffassung nährt den mehr oder weniger bewussten Gedanken, dass ihr Ausbleiben die Menschheit nicht berühren könnte. Der Antizionismus, insofern er die Existensberechtigung des Israelischen Staates leugnet, indem er ihn als eine Gefahr für die Menschheit betrachtet, ist eine Aeusserung, dieses zu verabscheuenden Antijudentums, der immernoch unter uns besteht.

     

  5. In Argentinien und in Lateinamerika im Allgemeinen, auch nach der Schoa, überlebten integristische christliche Gruppen, die dafür hielten, dass ihr Glaube ihrem Antijudentum Fundamente liefert. Argentinien ist eines der Nationen mit grösster jüdischer Bevölkerung. Die Juden haben das Leben des Landes mit vielfältigen und wertvollsten Beiträgen bereichert. Trotzdem war es und ist es Schauplatz von Verfolgungen und Verachtungen gegen jüdische Personen und Institutionen, auch seitens überzeugter Christen.

     

  6. Darum sind wir davon überzeugt, dass die Theologen die Gesamtheit der eigenen Ueberlieferungen im Lichte der Schoa kritisch zu überprüfen haben. Die Theologie muss sich fragen lassen, inwiefern die theologischen Wurzeln dieses Faktums noch heute gegenwärtig sind, und alle Mühe darauf verwenden sie auszumerzen, damit keiner sein Antijudentum auf angebliche christliche Lehren begründen kann und jeder Christ der antijüdische Behauptungen hört, darauf energisch widersprechen kann. Andernfalls, werden die Theologen Zuhälter jener die den Nazionalsozialismus geduldet haben, oder derer die weiterhin dafürhalten, dass christlicher Glaube und Antijudentum vereinbar sind.

     

  7. Es tut Not festzuhalten, dass nach Jesus das jüdische Volk in seiner geschichtlichen und religiösen konkreten Wirklichkeit, in der Gegenwart und zu allen Zeiten, eine unersätzliche Aufgabe hat, und dass die Christen immerwährend vom jüdischen Beitrag zehren werden.

     

  8. Wenn wir auch gewichtige Fortschritte in der Reflexion sowie im Gespräch zwischen den religiösen Leitern und in den spezialisierten Kreisen erkennnen, muss die Ausbildung, die theologiestudenten, Prediger und Katecheten erhalten, überprüft werden, damit endgültig aus der akademischen wie aus der volkstümlichen Sprache Begriffe ausgeschieden werden, die antijüdische Ueberzeugungen oder Abwertungen des jüdischen Beitrages zum Ausdruck bringen.

     

  9. Das Gespräch zwischen Christen und Juden erlaubt uns besser anzuerkennnen, dass der Schöpfer uns Gnade anbietet und uns fordert gemeinschaftlich zusammenzuarbeiten, um den Kräften des Bösen, die die Würde des Menschen angreifen, entgegenzuwirken. Die Christen, mehr den je, versuchen die Gegenwart Jesu in den Armen und Leidenden zu erkennen, und verstehen, dass er sich im Kreuz mit ihnen gleichgesetzt hat. Dennoch glauben wir, dass das Alte Testament, lebendiges und gegenwärtiges Wort unseres Gottes, genügend Begründungen für das soziale Bemühen von Juden und Christen liefert. Die Juden in Argentinien treten besonders hervor durch eine Verkündigung, in der sie die sozialen und zivilen Folgen ihres Glaubens herrlich herausstreichen, welches mit den neuen Akzenten der christlichen Theologie übereinstimmt. Eingedenk der vielfältigen Wiederholung von Uebergriffen auf die Menschrenrechte in unserem Heimatland wie in ganz Lateinamerika, glauben wir, dass der gleiche Gott --er sei gelobt!-- uns zu einem ständigen Nachdenken und Zusammenarbeiten beruft im Zusammenhang des Aufbruches einer neuen Welt der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens, den der Messias bringen wird, dessen Kommen bzw. Wiederkommen wir erwarten.

     

Buenos Aires, 17/05/2006

 

 
Uebersetzung aus dem Spanischen
Federico H. Schäfer

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