Evangelische Landeskirche in Bayern bekennt sich zu jüdischen Wurzeln

Bislang enthielt die Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern keine Aussage über das Verhältnis der Kirche zum jüdischen Volk. Vor kurzem hat nun die Landessynode auf ihrer Frühjahrstagung in Augsburg die Ergänzung des Grundartikels mit folgendem Text beschlossen:

„Mit der ganzen Kirche Jesu Christi ist die Landeskirche aus dem biblischen Gottesvolk Israel hervorgegangen und bezeugt mit der Heiligen Schrift dessen bleibende Erwählung“.

Mit dieser Ergänzung des Grundartikels sollte ausgedrückt werden, dass das Verhältnis von Christen und Juden grundlegend ist für die Gestaltung des kirchlichen Lebens, für Theologie und Unterweisung sowie für die Beziehung und die Begegnung mit Jüdinnen und Juden und ihren offiziellen Repräsentanten. Man wolle sich damit ausdrücklich von einer antijüdischen Auslegungstradition distanzieren, die lange Zeit das Denken geprägt und unheilvolle Folgen gehabt habe.

Der Synodale Fritz Schroth, der die Befragung der Gemeinden angeregt hatte, erklärte vor der Synode in Augsburg, es gehe darum, „für zukünftige Zeiten einen Speicher gegen das Vergessen anzulegen“. Anitjudaismus und Antisemitismus seien keine Fragen der Vergangenheit, „sondern sind mitten in der Gesellschaft“, sagte Schroth.

Im Zuge des Prozesses der Erneuerung des Verhältnisses von Kirche und Judentum hat die Landessynode bereits auf ihrer Frühjahrstagung 1997 in Ansbach durch ihren Beschluss „Christen und Juden. Einladung zu einem Neuanfang“ einen grundsätzlichen Anstoß gegeben, der zunächst in eine gemeinsame Erklärung der kirchenleitenden Organe auf der Herbsttagung der Landessynode 1998 mündete. Ein synodaler Antrag auf der Tagung der Landessynode 2006 warf erstmals die Frage auf, ob das Verhältnis von Christen und Juden auch durch eine Ergänzung der Verfassung der ELKB in diese Eingang finden sollte. Die Landessynode nahm diesen Antrag positiv auf und setzte einen gemischten Ausschuss ein, der sich mit der Erarbeitung eines Formulierungsvorschlags beschäftigte.

Nach längerer Beratung konnte sich ein Gremium aus Mitgliedern verschiedener Ausschüsse der Landessynode, des Landeskirchenrats und des BCJ Bayern (Begegnung von Christen und Juden; Verein zur Förderung des christlich-jüdischen Gesprächs in der ELKB) auf eine Formulierung einigen, die in der Folge auch von Landeskirchenrat, Landesbischof und Landessynodalausschuss bestätigt wurde. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Grundartikels erfolgten auch Information und Anhörung aller Kirchengemeinden, Dekanatsbezirke, Einrichtungen, Dienste und Werke sowie der theologischen Ausbildungsstätten. Die Rückmeldungen nahm der Gemischte Ausschuss entgegen und ließ sie in den abschließenden Formulierungsvorschlag einfließen, den die Synode nun auf ihrer Tagung in Augsburg mit der nötigen Zweidrittelmehrheit beschlossen hat.

Die Ergänzung des Grundartikels solle nun nicht den Schlusspunkt des Prozesses der Verhältnisbestimmung zum Judentum darstellen; darin sind sich alle Verantwortlichen einig. Die konkreten Begegnungen mit Jüdinnen und Juden seien weiterhin mit Leben zu füllen. Man könne zu gegebener Zeit auch über eine ausführlichere Verhältnisbestimmung zu den Vertretern der jüdischen Kultusgemeinden nachdenken, die an anderer Stelle Eingang in die Kirchenverfassung beziehungsweise in weitere Kirchengesetze finden könne.

Synodaler Helmut Utzschneider: „Zu hoffen ist, dass die Ergänzung der Verfassung unserer Kirche das theologische Terrain klärt und festigt, auf dem wir evangelisch-lutherischen Christen Jüdinnen und Juden begegnen – in gegenseitiger Wertschätzung, vor allem aber in Ehrfurcht vor dem einen Gott, von dessen Barmherzigkeit Juden und Christen leben.“

Weitere Informationen, Texte und Materialien zur Änderung der Kirchenverfassung finden Sie auf den Seiten des Vereins zur Förderung des christlich-jüdischen Gesprächs in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern e.V. „Begegnung von Christen und Juden“.

 

Editorische Anmerkungen

Quelle: www.bayern-evangelisch.de