Erklärung

Gemeinsame Erklärung der Delegation des Oberrabbinats Israels für die Beziehungen zur katholischen Kirche und der Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen zum Judentum

Gemeinsame Erklärung der Delegation des Oberrabbinats Israels für die Beziehungen zur katholischen Kirche und der Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen zum Judentum

Erklärung

1.

Nach zwei Treffen in Jerusalem (Juni 2003, Tammuz 5762) und Grottaferrata/ Rom (Februar 2003, Shvat 5763) kamen die entsprechenden hochrangigen Delegationen in Jerusalem zusammen, um das folgende Thema zu diskutieren: „Die Bedeutung der zentralen Lehren in den gemeinsamen Heiligen Schriften für die heutige Gesellschaft und die Erziehung künftiger Generationen”.

2.

Die Beratungen fanden in einer Atmosphäre gegenseitiger Freundschaft und in Respekt voreinander statt. Zudem brachte man eine grosse Zufriedenheit über die solide Basis zum Ausdruck, die bereits zwischen den beiden Delegationen grundgelegt wurde, und über die Bereitschaft zu Kontinuität und effektiver Zusammenarbeit.

3.

Die Teilnehmer brachten ihre tiefe Wertschätzung bezüglich der mutigen Stellungnahmen zum Ausdruck, die vom Heiligen Stuhl ausgingen, um Gewalt gegen Unschuldige zu verurteilen und die gegenwärtig aufkommenden Manifestationen des Antisemitismus anzuprangern, wie es in den Stellungnahmen der Kardinäle in der vatikanischen Delegation der gemeinsamen Kommission zum Ausdruck gebracht wurde – von den Kardinälen Walter Kasper, Jorge Mejia und Georges Cottier. In diesem Geist schrieb Kardinal Jorge Mejia an die Oberrabbiner in Israel: „Es ist in der Tat nicht nur grausam, sondern feige und ziemlich unvereinbar mit jedem annehmbaren menschlichen Standard, Menschen an den Orten ihres Gebetes anzugreifen.” In der Tat ging von Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. zur gleichen Zeit des Treffens der gemeinsamen Kommission ein machtvoller Appell aus, „an alle Männer und Frauen guten Willens ihre Stimmen mit der meinen zu vereinen, um wiederholt zu bekräftigen, dass der heilige Name Gottes niemals benutzt werden darf, um Gewalt und Terrorismus heraufzubeschwören, um Hass und Ausgrenzung zu fördern.”

4.

Die Darlegungen konzentrierten sich auf die grundlegenden Lehren in den Heiligen Schriften, die wir gemeinsam haben, die den Glauben an den einen Schöpfer and Lenker des Universums bekennen, der alle Menschen nach seinem göttlichen Ebenbild ausgestattet mit freiem Willen geschaffen hat.

Die Menschheit ist also eine einzige Familie mit gegenseitiger moralischer Verantwortlichkeit. Wenn man sich dieser Realität bewusst ist, führt das zu einer religiösen und moralischen Verpflichtung, die als eine wahrhafte Charta für die Menschenrechte und Würde des Menschen in unserer modernen Welt dienen kann und eine aufrichtige Vision für eine gerechte Gesellschaft, universalen Frieden und Wohlstand liefert.

5.

Wir leben in einem globalen Dorf mit nie dagewesenen technologischen und wissenschaftlichen Errungenschaften. Diese konfrontieren uns mit der Herausforderung, sie zum Guten und als Segen, und nicht zum Bösen und als Fluch zu gebrauchen. In dieser Hinsicht dient das globale System der Massenkommunikation als ein entscheidendes Mittel zur Erziehung. Das impliziert, diese Möglichkeit zur globalen Erziehung in konstruktiver Weise zu nutzen, indem wir die vorher erwähnten gemeinsamen religiösen und moralischen Ziele bewahren.

6.

Es wurde hervorgehoben, dass die Antwort auf die Herausforderung, religiösen Glauben in der gegenwärtigen Gesellschaft zu fördern, von uns verlangt, lebendige Beispiele der Gerechtigkeit, der Güte, Toleranz und Demut abzugeben, indem wir uns an die Worte des Propheten Micha halten: „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.” (Mi 6,8)

7.

Religiöse Erziehung kann und muss Hoffnung und Orientierung für eine positive Lebenseinstellung in menschlicher Solidarität und Harmonie in unseren komplexen modernen Zeiten ermöglichen. Vor allem ist es der Glaube an Gott, der uns wahre Sicherheit und Freude gibt, indem wir uns an die Verse von Psalm 16 halten: „Ich habe den Herrn beständig vor Augen … darum freut sich mein Herz …” (Ps 16,8-9)

8.

Besonders führende Persönlichkeiten des religiösen Lebens und Erzieher haben die spezielle Verpflichtung, ihre Gemeinschaften so zu leiten, dass die Pfade des Friedens im Horizont stehen, für das Wohlbefinden der gesamten Gesellschaft. Wir richten diesen Appell besonders an die Familie Abrahams and rufen alle Gläubigen auf, die Waffen des Krieges und der Zerstörung beiseite zu legen – „suche Frieden und jage ihm nach” (Ps 34,15).

9.

Als führende Persönlichkeiten des religiösen Lebens teilen wir den Schmerz und die Trauer aller, die heute im Heiligen Land leiden – Individuen, Familien und Gemeinschaften. Wir bringen unsere leidenschaftliche Hoffnung und unsere Gebete für ein Ende der Plagen und des Kummers im Land zum Ausdruck, das uns allen heilig ist.

10.

Schliesslich ermutigen wir unsere eigenen Gemeinschaften, Schulen und Familien, in gegenseitigem Respekt und Verständnis zu leben, und sich selbst dem Studium und Unterricht unserer gemeinsamen Heiligen Schriften zu widmen, zur höheren Würde der Menschheit, universalem Frieden und Gerechtigkeit. Auf diese Weise werden die Worte des Propheten erfüllt: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.” (Jes 2,4)

Jerusalem,3. Dezember 2003, 8. Kislev 5764

 

Rabbi Shear Yashuv Cohen
(Vorsitzender der jüdischen Delegation)
Rabbi Rasson Arussi
Rabbi Yossef Azran
Rabbi David Brodman
Rabbi David Rosen
H. Oded Wiener
S.E. Botschafter Shmuel Hadas

 
 

Jorge Kardinal Mejia
(Vorsitzender der kathol. Delegation)
S.E. Mons Giacinto-Boulos Marcuzzo
P. Elias Chacour
Mons. Pier Francesco Fumagalli
P. Norbert Hofmann SDB
S.E. Mons. Pietro Sambi, Nuntius