Erklärung zum vatikanischen Shoah-Dokument

25.3.1998; Die Frage des Judentums in der Slowakei ist eine delikate Frage, und wer immer sie zu berühren wagt, berührt eine schmerzende Wunde.

Slowakische Katholische Bischofskonferenz

Erklärung zum vatikanischen Dokument über die Schoa

(Auszug)

Die Frage des Judentums in der Slowakei ist eine delikate Frage, und wer immer sie zu berühren wagt, berührt eine schmerzende Wunde. Die Geschichte der Slowakei ist Beweis dafür. Vor dem 2. Weltkrieg lebten in der Slowakei Tausende von Juden. Es sind Straßen nach ihnen benannt und sogar ganze Viertel. Nahezu in allen Städten stehen noch Synagogen, einige von ihnen gehörten zu den größten Gotteshäusern der Städte. Das alles zeugt von einem entwickelten religiösen und gesellschaftlichen Leben. Viele Gebäude blieben, die Menschen sind jedoch verschwunden. Diese Situation zeigt, daß hier etwas geschah, was tief in das Leben der Slowakei und ihrer jüdischen Mitbürger eingegriffen hat. Wenigstens seit dem 2. Weltkrieg ist das Verhältnis der Slowaken zu den Juden gespannt und gestört. Wir können nicht leugnen, daß in unserer Mitte Deportationen von jüdischen Mitbürgern geschahen, und daß einige Mitglieder der slowakischen Nation an ihnen teilnahmen und viele schweigend zusahen.

Die Vertreter der katholischen Kirche der Slowakei haben in der Vergangenheit einige Male ihr tiefes Bedauern über diese tragische Tatsache ausgedrückt. Kardinal Jan Ch. Korec hat im Oktober 1987 als Bischof „ohne Staatsbewilligung“ die Erklärung zur Judendeportation unterschrieben, in der er und weitere Repräsentanten des slowakischen Volkes das jüdische Volk um Vergebung gebeten haben. Im Jahre 1990 hat die Bischofskonferenz der CSFR zweimal den Wunsch geäußert, alle Reste von Antisemitismus zu überwinden und das auf dem Weg der Wahrheit, der Reue und der Buße.

Heute, wenn die Slowakei erste Erfahrungen als selbständiger Staat und selbständige katholische Kirchenprovinz sammelt, ist es begreiflich, daß sie ein Interesse an festen Fundamenten zeigt. Zu diesen gehört auch eine unvoreingenommene Untersuchung der Geschichte der Juden in der Slowakei. Bevor diese Untersuchung beendet sein wird, können die Christen in der Slowakei, gerade in dem Bewußtsein einer nationalen und staatlichen Solidarität, den ersten Schritt tun und eine Bitte um Verzeihung für die auf ihrem Gebiet begangenen Ungerechtigkeiten aussprechen. In dem Bewußtsein, daß es ohne jüdische Tradition nicht möglich ist, die ursprüngliche Tiefe des Christentums zu begreifen, wird so ein Schritt zugleich auch ein Anschluß an das Programm einer Erneuerung des Lebens der Kirche vor der Jahrtausendwende sein. Einer der wichtigen Aspekte dieser Erneuerung ist auch eine neue Beziehung zur jüdischen Nation, die mit einer Bitte um Verzeihung beginnt.

In dieser Zeit der Bekehrung, inspiriert durch den Papst, bitten wir, die slowakischen katholischen Bischöfe, unsere jüdischen Brüder und Schwestern um Verzeihung und rufen alle katholischen Gläubigen, sowie alle Christen und Menschen guten Willens auf, sich uns anzuschließen und alle Vorurteile zu überwinden. Wir glauben, daß der Akt einer Entschuldigung vor dem jüdischen Volk im Sinn der „moralischen und religiösen Erinnerung“ verstanden wird als Akt der Buße und als Akt der Liebe zu dem Gekreuzigten, der unser Friede ist.

Tyrnau, am 25.03.98

Editorische Anmerkungen

Das vatikanische Schoah Dokument