Empfehlungen zur Liturgie

Die LEKKJ hat sich auf ihren Jahrestagungen in den Jahren 2001 - 2003 mit neueren liturgischen Texten, besonders Gebeten, beschäftigt, die das Verhältnis Kirche und Judentum thematisieren.

Empfehlungen zur Liturgie

I.

Die LEKKJ hat sich auf ihren Jahrestagungen in den Jahren 2001 - 2003 mit neueren liturgischen Texten, besonders Gebeten, beschäftigt, die das Verhältnis Kirche und Judentum thematisieren. Dabei stellte sie Unklarheiten, Missverständnisse, alte und neue Antijudaismen fest. Das zeigt, wie notwendig es ist, dass Liturgie und liturgische Texte mit eben derselben Sorgfalt bedacht werden, wie andere Dokumente unserer Kirchen zum Judentum. Darum sollten folgende Überlegungen berücksichtigt werden:

  1. Die in unseren Kirchen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie sich auch in kirchlichen Verlautbarungen zeigen, sollten auch in Gebetstexten ihren Niederschlag finden.
  2. Es kann deshalb z. B. nicht mehr von ?Israel? oder ?den Juden? nur als einer vergangenen Größe gesprochen werden; sie sind auch eine Größe der Gegenwart.
  3. Von wem wird im Gebet gesprochen? Wen meint man, wenn die Worte ?Israel?, ?Volk Gottes?, ?dein Volk? oder ?wir? genannt werden? Begriffe müssen für die mitbetende Gemeinde eindeutig zuzuordnen sein: Was ist z. B. gemeint, wenn von ?deinem Bund? oder von dem ?Segen, den du verheißen hast? oder von ?Verheißung? die Rede ist? Auf wen beziehen sich die Begriffe?
  4. Die verwendeten Worte und Bilder sind auf ihre Wirkung zu überprüfen. So besteht oft die Gefahr, dass bei einem Gebet für Israel der Staat Israel assoziiert wird und nicht die religiöse Größe ?Judentum?, obwohl diese gemeint ist.
  5. Begriffe und Vorstellungen, die im Judentum und Christentum vorkommen, sollen darauf untersucht werden, ob mit ihnen in beiden Gemeinschaften dasselbe gemeint ist: Sind z.B. die eschatologischen Erwartungen wirklich die gleichen?
  6. Es gibt in Agenden judenfeindliche Traditionen, die den im christlich-jüdischen Gespräch gewonnenen Erkenntnissen widersprechen, die aber durch ihre liturgische Tradierung dennoch weiter überliefert werden? So gibt es in einigen neueren Agenden Inhalte, die nach Dokumenten lutherischer Kirchen längst der Vergangenheit angehören sollten. Es gibt nach wie vor in Kirchen die Möglichkeit, am 10 Sonntag nach Trinitatis den Josephus-Bericht von der Zerstörung Jerusalems zu verlesen, mit eindeutig judenfeindlicher Kommentierung. Oder es finden sich in neu überarbeiteten Agenden die Improperien, die möglicherweise als Ausdruck ökumenischer Verbundenheit mit der katholischen Tradition gesehen werden, ohne das antijüdische Potential in ihnen zu bedenken.
  7. Ein Problem agendarischer Gebete kann das grundsätzliche Verschweigen von Israel sein. Es könnte z. B. dadurch überwunden werden, dass man in der Abendmahlsliturgie die bleibende Treue Gottes zu seinem Volk Israel ausspricht.
  8. Es ist darauf zu achten, dass in einem Gottesdienst wenigstens ein Abschnitt aus der Hebräischen Bibel, unserem Alten Testament, gelesen wird.
  9. Eine Lesung aus dem Alten Testament darf liturgisch nicht gegenüber anderen Lesungen benachteiligt werden.

II.

Wir bitten die Kirchen:

  1. Bei einer Überarbeitung von Agenden und Gebeten sollen Mitglieder der jeweiligen Arbeitskreise für das christlich-jüdische Gespräch konsultiert werden.
  2. Die Verantwortlichen der Kirchen sollen die unter I. aufgeführten Gesichtspunkte in die Ausbildung und Fortbildung aufnehmen und die Ergebnisse des christlich-jüdischen Gesprächs berücksichtigen.

Graz / Österreich, den 10. Mai 2003

Diese Empfehlung wurde von den Delegierten der Jahrestagung 2003 einstimmig angenommen.