Die Würde des Menschen. Kinder in jüdischer und katholischer Tradition

16. Treffen der Bilateralen Kommission der Delegation des Oberrabbinats von Israel und der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum des Heiligen Stuhls

1.Kardinal Peter Turkson begrüsste als Vorsitzender der katholischen Delegation die jüdischen Partner in Rom und erbat den göttlichen Segen für die Diskussionen. Rabbiner Rasson Arusi antwortete, und brachte die Freude und Zufriedenheit der jüdischen Delegation zum Ausdruck, zum gemeinsamen heiligen Werk zusammengekommen zu sein. Er zitierte im Gebet Psalm 90.17: „Güte und Schönheit des Herrn, unseres Gottes, sei über uns! Lass gedeihen das Werk unserer Hände“.

2. Die Bilaterale Kommission war anlässlich des Weltkindertages der Vereinten Nationen zusammengekommen und widmete dementsprechend die Diskussionen dem Thema der Menschenwürde mit besonderer Berücksichtigung des Kindes.

3. Die Kommission erwähnte den bedeutsamen Fortschritt in der modernen Gesellschaft in Bezug auf das Thema der Menschenrechte, wie sie in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Besonderen in der Kinderrechtskonvention von 1989 hervorgehoben sind. Diese Prinzipien der Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens und der Unveräußerlichkeit der Menschenwürde finden ihren vollen Ausdruck in der Beziehung zwischen dem Individuum und dem Göttlichen, und dem Individuum und seinem Nächsten, und zwar mit der Verantwortung, diese Beziehungen in der ganzen Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Wir haben eine spezielle Verpflichtung gegenüber den verletzlicheren Mitgliedern unserer Gemeinschaften, und im Besonderen gegenüber Kindern, den Garanten der Nachwelt, die noch nicht fähig sind, ihr volles Potential zu verwirklichen und sich selbst zu schützen.

4. Die Wichtigkeit zum Identifizieren dieser ethische Grundhaltung für eine derartige Beteuerung wurde ausgiebig diskutiert, dabei aber herausgestellt, dass diese Ideale schon mit transzendenter Wertigkeit in unserem gemeinsamen biblischen Erbe verwurzelt sind, welches erklärt, dass der Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen ist (vgl. Gen 1,26-27; 5,1-2).

5. Der Respekt für die persönliche Würde von Kindern muss dergestalt sein, dass er den breitesten Raum für Stimuli und Instrumente anbietet, um ihre reflexiven und operativen Fähigkeiten zu entwickeln. Es ist nicht nur notwendig, dass Kinder sich selbst als das Objekt einer geeigneten und liebenden Aufmerksamkeit wahrnehmen, sondern auch derartig dynamisch einbezogen werden, dass ihre kognitiven und praktischen Fähigkeiten stimuliert werden. Damit sich diese Entwicklung im Zusammenklang mit den bereits erwähnten Werten vollzieht, ist es notwendig, authentische und stabile liebende Beziehungen aufzubauen, für adäquate Ernährung zu sorgen, für Gesundheitsfürsorge und Schutz, genauso wie für eine notwendige religiöse Erziehung, Einschulung, informales Lernen und Kreativität.

6. Die Gesellschaft im Ganzen, im Besonderen aber Eltern, Lehrer und religiöse Führer, haben eine spezielle Verantwortung bezüglich des moralischen und spirituellen Wachstums des Kindes. In ihren Diskussionen über die Rechte der Kinder auf Autonomie und Freiheit, haben die Mitglieder der Bilateralen Kommission die Spannung zwischen dem Garantieren maximaler Wahlfreiheit und dem Zusichern von Schutz und disziplinierter Führung hervorgehoben. Das alles verlangt, dass wir von jeder Instrumentalisation einer anderen Person Abstand nehmen, dessen Würde immer als ein Ziel in sich selbst gesehen werden sollte.

7. Die Mitglieder der Bilateralen Kommission wurden von Papst Franziskus in einer speziellen Audienz empfangen, bei der er sein eigenes Engagement für deren Arbeit und die Fortschritte in den katholisch-jüdischen Beziehungen bekräftigte. Er sagte: „Wir sind Brüder und Kinder des Einen Gottes, wir müssen Hand in Hand für den Frieden zusammenarbeiten“. Bei diesem Treffen freute sich der Papst über eine ihm gegebene Information bezüglich eines Entwurfs für ein interreligiöses Positionspapier zum Thema „Ende des Lebens“, das sich insbesondere auf die Gefahr der Legalisierung der Euthanasie und des vom Arzt begleiteten Suizids bezieht, statt für palliative Fürsorge und maximalen Respekt vor dem von Gott geschenkten Leben zu sorgen.

8. In den abschließenden Diskussionen dankten die Mitglieder der Bilateralen Kommission dem Allmächtigen für seinen Segen für das Leben und ihre Arbeit, für seine Geschenke und letztlich dafür, selbst Kinder zu sein, was folgendermaßen in Psalm 127,3 erwähnt wird: „Siehe, ein Erbteil vom Herrn sind Söhne. Ein Lohn ist die Frucht des Leibes.“ Um ihre gesunde spirituelle Entwicklung zu gewährleisten, ist es besonders wichtig, sie mit dem biblischen Erbe vertraut zu machen, das Juden und Katholiken gemeinsam ist.

9. Des Weiteren drängt die Kommission darauf, dass diese Texte der Heiligen Schrift in ihren entsprechenden Gemeinschaften studiert werden sollten. Zusätzlich sollte der Inhalt von Nostra aetate (N. 4) und die darauf folgenden Dokumente zu den jüdisch-christlichen Beziehungen weit bekannt gemacht und in beiden Gemeinschaften verbreitet werden, so dass Anstöße für die im Gang befindliche gesegnete Versöhnung und Zusammenarbeit zwischen Juden und Katholiken gegeben werden, und zwar zur Weiterbildung ihrer Gläubigen und der Gesellschaft als ganzer.

Rom, den 20. November 2018 – 12. Kislev 5779

Rabbiner Rasson Arusi
(Vorsitzender der jüdischen Delegation)
Kardinal Peter Turkson
(Vorsitzender der katholischen Delegation)
Rabbiner David RosenErzbischof Pierbattista Pizzaballa O.F.M.
Rabbiner Pr Daniel SperberErzbischof Bruno Forte
Rabbiner Pr Avraham SteinbergBischof Giacinto-Boulos Marcuzzo
Herr Oded WienerMons. Pier Francesco Fumagalli
 P. Norbert J. Hofmann S.D.B.