Die Gewalt muss sofort enden! Friede für Israel und Palästina!

Erklärung der deutschen Bischöfe zum Gazakrieg, 25. September 2025.

Die aktuelle Lage im Heiligen Land erschüttert Menschen auf der ganzen Welt, auch uns, die katholischen Bischöfe in Deutschland. Wir wissen: Wenn Terror und Krieg dem friedlichen Ausgleich zwischen den Völkern keinen Raum mehr geben, wenn Menschen elementare Rechte verweigert werden, dann ist das Wort der Kirche gefordert. Es gehört dabei zu unserer besonderen Verantwortung als Deutsche, der Solidarität mit dem jüdischen Volk, auch mit dem Staat Israel, eine herausgehobene Bedeutung beizumessen. Dies führt zu einer eigenen Perspektive. Sie macht jedoch keine Abstriche an den universellen Prinzipien, die die Völkergemeinschaft leiten sollen und die auch in der katholischen Friedensethik dargelegt und begründet werden. Wir rufen die Verantwortlichen in unserem Land und in der internationalen Gemeinschaft auf, alles zu tun, um das Blutvergießen zu beenden und die Grundlagen für ein friedliches Miteinander im Heiligen Land zu schaffen.

In wenigen Tagen jährt sich zum zweiten Mal der verheerende Terrorangriff der Hamas auf Israel. Dieses Datum ruft sowohl dort als auch weltweit die Erinnerung an die Brutalität wach, mit der die Terroristen am Morgen des 7. Oktober 2023 über 1.200 Menschen ermordeten, mehr als 1.000 verletzten und rund 240 Geiseln in den Gazastreifen entführten. Der Angriff war nicht nur ein Akt des Terrors, sondern auch ein Anschlag auf das Leben und die Würde des jüdischen Volkes und das Existenzrecht des Staates Israel. Die Hamas, die sich der Auslöschung Israels und der Tötung jüdischen Lebens verschrieben hat, setzte an diesem Tag ihre menschenverachtende Ideologie in beispielloser Weise in die Tat um. Für die Menschen in Israel und alle Jüdinnen und Juden markiert der 7. Oktober 2023 die schlimmste Katastrophe in der jüngeren Geschichte.

Seitdem versucht die israelische Regierung, die Terrororganisation Hamas mit militärischen Mitteln zu vernichten. Das Recht Israels auf Selbstverteidigung steht außer Frage. Aber es ist nicht schrankenlos, sondern unterliegt den limitierenden Vorgaben des Völkerrechts. Die fatalen Folgen des nunmehr zwei Jahre andauernden Krieges sind schon seit Längerem unübersehbar. Die Strategie der israelischen Regierung, ausschließlich auf militärische Maßnahmen zu setzen, hat im Gazastreifen katastrophale Folgen: Über 60.000 Menschen sind ums Leben gekommen, mehr als 150.000 wurden verletzt, ganze Gebiete des Küstenstreifens liegen in Trümmern. Die apokalyptischen Bilder aus dem Gazastreifen sind erschütternd und dokumentieren das Leid einer Zivilbevölkerung, die inmitten massiver Zerstörung ums Überleben ringt. Schlimmer noch: Die Blockade humanitärer Hilfe verschärft die Not zusätzlich. Laut internationalen Hilfsorganisationen sind mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen von akutem Hunger bedroht. Schließlich droht die gegenwärtige israelische Bodenoffensive in der Stadt Gaza mit der Vertreibung von rund einer Million Menschen in den Süden des Gazastreifens in einer weiteren humanitären Katastrophe zu enden. Davon betroffen sind auch die verbliebenen Christen auf dem Gelände der katholischen Pfarrei Heilige Familie und der orthodoxen Gemeinde St. Porphyrius, deren Zukunft ungewiss ist.

Klar ist, dass der Gaza-Krieg durch den Terroranschlag der Hamas ausgelöst wurde. Der Terrorkrieg wird auch weiterhin fortgeführt, wie etwa der jüngste Raketenangriff auf Jerusalem zeigt. Und der unerträgliche Umgang mit den Geiseln ebenso wie der Missbrauch palästinensischer Zivilisten als menschliche Schutzschilde in Kriegshandlungen sollten jedem vor Augen führen, welcher Art das Regime der Hamas ist. Klar ist aber auch, dass die palästinensische Zivilbevölkerung nicht für die Verbrechen der Hamas-Führung verantwortlich gemacht werden darf. Auch in Israel selbst bestehen erhebliche Zweifel am Vorgehen der eigenen Regierung. Das Bangen um die Geiseln, die sich weiterhin in der Gewalt der Hamas befinden, nimmt mit jedem Tag zu.

Erheblich vertieft wird der Konflikt durch die Verquickung von politischen Interessen und fundamentalistisch-religiösen Überzeugungen. So verknüpfen die Hamas und andere Terrororganisationen den palästinensischen Befreiungskampf mit einer dezidiert islamistischen Agenda und betrachten die Zerstörung des jüdischen Staates als religiös legitimiert. In Israel liegen die Dinge anders, aber auch dort wächst der Einfluss religiös-politischer Ideologien. So verfolgen jüdische Fundamentalisten und Politiker des rechtsextremen Flügels der israelischen Regierung – mit Rückgriff auf ihr Verständnis der biblischen Landverheißung – die Idee eines „Großisraels“ und sprechen daher einem souveränen palästinensischen Staat das Existenzrecht ab. Religiöse Ideologien im Bereich der Politik und jeder gewaltsame Versuch ihrer Umsetzung sind entschieden zurückzuweisen. Politik besteht in wesentlichen Teilen aus dem Aushandeln unterschiedlicher Interessen. Auch der nahöstliche Konflikt um Territorium, Sicherheit und Souveränität kann durch Verhandlungen gelöst werden. Dies wird jedoch nahezu unmöglich, wenn politische Interessen religiös aufgeladen und damit zu etwas Unverhandelbarem gemacht werden.

Israel für den Terror der Hamas verantwortlich zu machen, ist zynisch. Gleichzeitig darf nicht ausgeblendet werden, dass militärische Eskalationen ihrerseits neue Gewaltspiralen und ideologische Radikalisierung befördern und deshalb auch die Sicherheit Israels nachhaltig gefährden. Auch die militärischen Interventionen der israelischen Regierung in Staaten der Region, wie jüngst in Katar, tragen dazu bei, dass Israel sich zunehmend selbst isoliert. Besonders fatal ist, dass die israelische Regierung sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland Fakten schafft, die einem gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern auf längere Sicht im Wege stehen. Dazu gehört auch die von den israelischen Behörden oft tolerierte Gewalt radikaler Siedler gegen palästinensische Dörfer in der Westbank, die wir nachdrücklich verurteilen.

Bei aller notwendigen Kritik an der Politik Israels muss aber auch dies deutlich gesagt werden: Zwischen berechtigter Kritik am Handeln der israelischen Regierung einerseits und der Feindseligkeit gegenüber Menschen jüdischen Glaubens andererseits liegt ein tiefgreifender Unterschied. Mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat weltweit ein israelbezogener Antisemitismus erheblich zugenommen: Jüdinnen und Juden werden dabei pauschal für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich gemacht. Aus Sicht der Kirche steht fest: Antisemitismus und Judenhass sind in jeglicher Form und in jedem Kontext strikt zu verurteilen. Dass auch in Deutschland die Feindschaft gegen Juden wächst und oft dreist zutage tritt, ist eine Schande für unser Land. Kirchen und Christen dürfen sich niemals damit abfinden.

Wenn es eine Lehre aus dem unermesslichen Leid der vergangenen Jahre gibt, dann die, dass Waffengewalt ohne die Bereitschaft zu echter Konfliktlösung immer wieder zu neuer Gegengewalt, aber niemals zu Versöhnung und Frieden führt. Beide Völker – Israelis und Palästinenser – haben sich im Laufe des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus gegenseitig tiefe Verletzungen zugefügt und müssen zu der Erkenntnis kommen: Leid lässt sich nicht gegen Leid aufwiegen. Die unzähligen Opfer haben nicht den erhofften Frieden gebracht, sondern stattdessen bei den Überlebenden Trauer, Verzweiflung und Hass hinterlassen. Das macht den Weg zu Vergebung und Versöhnung schwer. Und doch eröffnet nur ein solcher Weg die Perspektive auf den Frieden, den alle Menschen in der Region verdienen.

Gemeinsam mit Papst Leo XIV. rufen wir zu einem sofortigen Ende der Gewalt im Heiligen Land auf. Wir fordern die umgehende Freilassung der israelischen Geiseln, die sich noch immer in der Gewalt der Hamas befinden. Zugleich fordern wir den ungehinderten Zugang zu wirksamer humanitärer Hilfe im Gazastreifen. Jede Verzögerung kostet Menschenleben. Kein politisches Kalkül und kein militärisches Interesse dürfen schwerer wiegen als das Recht auf Nahrung, Wasser, medizinische Versorgung und Sicherheit.

Mit Nachdruck bekräftigen wir die Notwendigkeit einer politischen Lösung, die die elementaren Rechte und Interessen von Israelis und Palästinensern gleichermaßen achtet. Der Krieg kann niemals an die Stelle einer politischen Aushandlung treten. Dauerhafter Friede kann vielmehr nur dort entstehen, wo beide Völker Sicherheit, Würde und eine Zukunftsperspektive finden. Deshalb appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, auch an die deutsche Bundesregierung, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Initiativen zu stärken, die die Grundlagen einer gerechten Koexistenz schaffen: zwei Staaten, die friedlich Seite an Seite leben.

Hoffnung auf Frieden in Israel und Palästina mutet derzeit fast illusionär an. Aber weder die Feinde von heute noch die Weltgemeinschaft sollten sie sich rauben lassen. Haben nicht gerade wir Deutsche die Erfahrung gemacht, nach einer furchtbaren Zeit von Krieg und Verbrechen zu Freunden unserer Nachbarn werden zu dürfen? Und ist es nicht auch ein Hoffnungszeichen, dass sich die Kirchen in Gaza mit ihren Hilfsorganisationen, unterstützt durch internationale Partner, auch weiterhin um die Opfer kümmern und gemeinsame Gruppen von Israelis und Palästinensern nicht davon ablassen, sich für Aussöhnung zu engagieren? Gott und seine Fürsorge für alle Menschen und Völker sind – auch im Angesicht der schlimmsten Katastrophen – der tiefste Grund unserer Hoffnung.

Fulda, den 25. September 2025

Editorische Anmerkungen

Quelle: Deutsche Bischofskonferenz.