Was ist ein guter Religionslehrer?

Das Buch enthält die im November 2008 gehaltenen Vorträge einer gemeinsamen, als Auftakt einer Reihe gedachten Tagung der Buber-Rosenzweig-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Was ist ein guter Religionslehrer?

[Hrsg.] Bernd Schröder/Harry Harun Behr/ Daniel Krochmalnik:

Was ist ein guter Religionslehrer? Antworten von Juden, Christen und Muslimen.<br>

246 S., Kart. Verlag Frank & Timme, Berlin 2009

Das Buch enthält die im November 2008 gehaltenen Vorträge einer gemeinsamen, als Auftakt einer Reihe gedachten Tagung der Buber-Rosenzweig-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Mit bekannter begrifflicher Brillanz charakterisiert Krochmalnik im ersten Beitrag die verschiedenen Phasen des trilateralen Gesprächs der drei monotheistischen Religionen. Sehr informativ ist auch sein Überblick über die geschichtliche Entwicklung des jüdischen Lehrerbildes aufgrund unterschiedlicher Erwartungen an diesen Personenkreis. Dies reicht von den Bildungsvoraussetzungen bis zur oft schlechten Bezahlung. Dirk Sadowski führt diese Überlegungen (vor allem am Beispiel Herz Hombergers) weiter. So war das mittelalterliche jüdische Erziehungswesen hierarchisch strukturiert und vom Gedanken des »Meister-Jünger« Verhältnisses geprägt. Man lernte vom Meister »ganz unmittelbar durch Beobachtung und Nachahmung«.

Einen besonders großen Einschnitt bedeutete dabei die Emanzipation der deutschen Juden im 19. Jh., vorbereitet durch die Ideen der jüdischen Haskala. Wie ein Reflex allgemeiner gegenwärtiger Bildungsprobleme liest sich dabei u.a. die Feststellung, die jüdische Erziehung sei »der gleichen Perspektive kameralistisch-staatswissenschaftlicher Nützlichkeitserwägungen unterworfen« worden. Alles hat seinen Preis, auch die Gleichberechtigung. Dies war u.a. auch eine Folge der in der damaligen Gesellschaft allgemein herrschenden Vorstellung von der »bürgerlichen Verbesserung« der Juden. Der allgemeinen Schulpflicht steht die traditionelle jüdische Talmudschule – unabhängig von Neigung und Begabung – bei gleichzeitig mangelnder pädagogischer Ausbildung der Talmudlehrer gegenüber. Auch die problematischen ökonomischen Aussichten der Absolventen, die zu »Müßiggang« führen, wurden von den Reformern thematisiert. Mit der Emanzipation standen bildungswilligen jungen Juden jedoch nicht mehr nur Talmudschulen offen.

Auch Bernd Schröder setzt mit seinen Überlegungen zum Wandel des Leitbildes eines Religionslehrers bei den Anfängen ein – mit der Frage, war Jesus »der ideale Lehrer?« Allerdings habe diese Frage Exegeten mehr beschäftigt als die Religionspädagogik. Dass Jesus als »Lehrer« wirkte und wahrgenommen wurde, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er kein »Kinderlehrer« war. Dies habe erst die wissenschaftlich reflektierte Religionspädagogik bewusst gemacht. Bei seinem Gang durch die Geschichte christlichen Unterweisens hebt Schröder »modern wirkende« Kriterien eines guten Katecheten bei Augustin hervor, u.a. theologisches Wissen, moralische Integrität und Freude an der Lehre. Allerdings geht es auch bei diesem Katechumenenunterricht um Unterrichtung Erwachsener. Für das Mittelalter galt die »Macht der Sozialisation«. Mit der Reformation stellte sich den Konfessionen die Aufgabe, ihre jeweilige Besonderheiten lehrend weiterzugeben. Neben Lutherzitaten wäre dabei auch die Sicht Melanchthons, des »praeceptor Germaniae«, von Interesse gewesen. Für die Aufklärungszeit hebt Schröder kritische Selbstreflexion und systematische Suche nach »alltagstauglichen Maximen des Handelns« und Orientierung am Kind hervor. Eindrücklich ist dabei Salzmanns Aufruf an künftige Lehrer. Für die Moderne sieht er eine Fortführung der aufklärerischen Erkenntnisse auf die veränderten Schulverhältnisse maßgebend und zitiert aus der Schuldenkschrift der EKD von 1958 u.a. »Erziehung kann nur in Freiheit und Wahrhaftigkeit geschehen. […] Die Kirche ist zu einem freien Dienst an einer freien Schule bereit.« Schröder vermerkt aber auch, dass traditionelle Lernziele und -inhalte im Zuge der modernen Religionspädagogik zurücktraten und stellt abschließend sowohl durchgängige Charakteristika als auch Spannungen eines guten Religionslehrers dar. Den Ertrag des geschichtlichen Entwicklung sieht er in einem »Komplexitätsgewinn«. Dies ist s.E. auch im Gespräch mit Judentum und Islam über den »guten Religionslehrer« zu beachten.

Harry Harun Behr stellt in einem weiteren Beitrag »Ursprung und Wandel des Lehrerbildes im Islam« dar. Er reflektiert diese Frage auf dem Hintergrund unserer gegenwärtigen schulpolitischen Situation. Erlittene Kränkungen sind dabei unverkennbar. Vom Arabischen her definiert er einen Lehrer als »mudarris«, einen, der »zerlegt« und »darlegt«. Danach geht er auf eine Reihe von Begriffen ein, die im Islam für Bildung kennzeichnend sind. Koran-Zitate werden jeweils auch in arabischen Schriftzeichen wiedergegeben. Dies entspricht weniger der Erwartung, die Leser dieses Buches seien in der Lage, diese zu lesen und zu verstehen, sondern der Stellung des Koran in seiner arabischen Fassung. Über die koranische »Prophetologie« kommt er zu den Anforderungen an einen Religionslehrer, z.B. »zwischenmenschliche Kommunikation«, »Betrachtung der Welt im Lichte des Glaubens« u.v.a.m. Erstaunt liest man, dass im Islam das Wort für Erziehung »nicht mehr meint als die materielle Versorgung«; es entspricht also unserer »Aufzucht«. Nicht jeder käme auf die Idee aus dem Koranvers (4:1), aus dem ersten Menschenpaar seien viele Männer und Frauen hervorgegangen, zu schließen, »wie wichtig die Beziehung zwischen dem Ich und dem Du für den Unterricht und die Erziehung ist«. Hier werden moderne philosophische Einflüsse deutlich. Überhaupt zeigen sich diese bei seinem Koranverständnis. Man könnte sagen, er versucht moderne pädagogische Einsichten aus dem Koran zu begründen. Dass Muhammad als »Überfigur« eine Rolle auch in der Pädagogik gilt, ist nicht verwunderlich. Behr gesteht dabei: »Ob Muhammad wirklich so war, ist hier nicht Gegenstand der Diskussion.« In Schaubildern wird die Entwicklung der Grundlagen des Islam dargestellt. Er folgert von heutigen muslimischen Lehrkräften, »solche ideengeschichtlichen Zusammenhänge und theologischen Wechselwirkungsprozesse transparent zu machen«. Ob dies den Erwartungen der muslimischen Gemeinden entspricht, ist eine andere Frage.

Im Schlussteil stellt Betina Wehner dar, wie in der jüdischen Religionslehrerausbildung in Heidelberg »Offenheit für den interreligiösen Dialog« vorbereitet wird. Klaus Kiesow reflektiert das Problem einer Lehrerausbildung zum »Trialog« (einer offensichtlich nicht mehr ausrottbaren semantischen Missbildung). Er geht auf Edna Brockes Kritik an der Behandlung des Judentums im traditionellen Religionsunterricht ein und fragt, wie man Religionslehrer in ihrer Ausbildung für eine andere Art des Umgangs kompetent machen kann. Dabei tritt er für eine »trialogische Perspektive des geschwisterlichen Miteinanders« ein, fragt aber, wo künftige Lehrkräfte diese speziellen Kenntnisse erwerben und einüben können. Bernd Schröder skizziert die unterschiedlichen Voraussetzungen in einzelnen Bundesländern und Schularten; die zurückhaltenden Vorgaben spiegeln s.E. »das realistischerweise Erreichbare«. Für wünschenswert hält er entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen. Amin Rochdi stellt die muslimische Religionslehrerausbildung dar, unter der Kompetenz, den »Islam reflektieren« die Fähigkeit, »Grundzüge nicht-islamischer Theologien und Weltanschauungen kennen« zu lernen. Dies ist als erster Schritt zu begrüßen, sicher nicht ausreichend. Abschließend formuliert Annette Scheunpflug generelle »Qualitätsstandards für Religionslehrkräfte«. Sie zitiert ausführlich H. von Hentigs »Sokratischen Eid für Lehrkräfte«, hält ihn allerdings für eine Überforderung. Nach Vorstellung weiterer Konzepte entscheidet sie sich für das Modell von Baumert/Kunter, das in einem Schaubild veranschaulicht wird. Dies entfaltet sie auf die Religionslehrerausbildung. Warum sie die Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit der Tradition dem pädagogischen Wissen zuordnet und nicht der Fachdidaktik, ist nicht ganz einsichtig.

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