Leben und Arbeit in biblischer Zeit

Das Buch ist eine wertvolle Ergänzung zu dem 1997 erschienenen Sach- und Arbeitsbuch des gleichen Verfassers „Die Welt des Alten und Neuen Testaments“ und macht dieses nicht überflüssig, sondern erarbeitet die gleichen Sachverhalte aus kulturhistorischer Sicht.

Zunächst wird das biblische Land anhand von Karten und repräsentativen archäologischen Denkmälern – wie z.B. dem Aquädukt von Cäsarea – als „Lebensraum“ vorgestellt; denn im Unterschied zu Mitteleuropa spielen sowohl die klimatischen Bedingungen wie die Landschaftsformen eine sehr viel entscheidendere  Rolle als Voraussetzung für die Lebensgestaltung und als Zankapfel für unterschiedlichste Völker. Aber auch angesichts heutiger Diskussionen über den Klimawandel ist interessant zu erfahren, dass im 13. vorchristlichen Jh. eine Trockenperiode herrschte, der zufolge der Wasserspiegel des Toten Meeres etwa auf den derzeitigen Stand sank. Biblische Erinnerungen an Hungersnöte passen in dieses Umfeld ebenso wie die Zuwanderung verschiedener Völker ab dem 12. Jh. infolge einer „Normalisierung“ des Klimas. Antike Handelsstraßen werden ebenso in Karten eingezeichnet wie Regenzonen. Damit wird deutlich, warum alte biblische Orte ausgerechnet an diesen Stellen gegründet wurden und zur Blüte gelangten. Die gegenseitige Abhängigkeit von politischen Verhältnissen und technischer Entwicklung erhellt den Hintergrund mancher biblischer Er¬zählung. Dies alles wird durch zahlreiche Abbildungen auch antiker Bodenfunde unterstrichen. Das Ostjordangebiet als einst biblisches Land und das phönizische Gebiet im Norden Israels werden ebenfalls einbezogen. Interessant sind auch Längs- und Querschnitte durch das Land, die die unterschiedlichen Bodenformen und Höhenlagen deutlich machen. Man kann gar nicht alles Interessante aufzählen – bis hin zu Entwicklungsstufen des Alphabets.

Gespannt ist man auf das Kapitel „Entwicklung des modernen Menschen“; denn das würde man in diesem Buch nicht erwarten. Aber Zwickel stellt dar, wieso gerade der Vordere Orient nach der letzten großen Eiszeit für die Entwicklung des modernen Menschen besonders geeignet war, und welche Bodenfunde dies bestätigen. Eine Karte mit den Ortslagen dieser Zeit macht die alten Getreideanbaugebiete plausibel. Siegel, Getreidespeicher und Gebrauchsgegenstände aus der Stein- und frühen Bronzezeit verschaffen einen Eindruck von der erstaunli¬chen Kunstfertigkeit. Aber auch die grundlegenden Veränderungen uralter Strukturen durch die industrielle Revolution des 19. Jh. kommt in den Blick.

Der Stadt in biblischer Zeit ist ein weiteres Kapitel gewidmet, in dem man erfährt, dass das biblische Wort `ir unterschiedlichste Siedlungsformen „vom Wachturm bis zur befestigten Stadt“ bezeichnen kann. Dass es in biblischer Zeit „Großstädte“ gab, d.h. Städte mit einer Fläche von mehr als 10 ha, wird an Dan, Hazor, Samaria und Dor gezeigt. Fotografien und schematische Zeichnungen zeigen Hausformen, Toranlagen und städtische Grundrisse jener Epoche sowie das allmähliche Entstehen eines Siedlungshügels, eines Tell.

Der Geser-Kalender in althebräischer Schrift steht mit dem Getreidespeicher von Megiddo am Anfang des Kapitels über das Leben der Bauern im Jahreskreislauf. Antike Abbildungen von landwirtschaftlichen Arbeiten zeigen die Verlässlichkeit solcher Rekonstruktionen. Archäologische Fundstücke machen außerdem die oft kultische Bedeutung dieser Arbeit deutlich. Selbstverständlich wird auch das Leben der Kleinviehnomaden und Kamelbeduinen veranschaulicht.

Eine Übersicht über die ägyptischen Dynastien würde man im Kapitel „Hand-werk“ nicht erwarten, auch wenn man bedenkt, dass Kanaan lange Zeit eine ägyptische Provinz war. Aber hier werden auch Gegenstände des Jerusalemer Tempels besprochen. Auch im Kapitel über den Handel werden nicht nur Handelswege und Waren dargestellt, sondern auch die Nachbildung des hohepriesterlichen Brustschilds; denn ohne Edelsteine aus dem Ausland wäre dieser nicht herzustellen gewesen. Einige Tabellen über antike Gewichte und und Preise, sind sicher für das Verständnis vieler Bibelstellen hilfreich. Auch die Entwicklung von Stadttoren hat mit dem Handel zu tun.

Dem Kapitel über die Entwicklung vom Sippenverband zum Königtum für die neben effektiver Kriegführung auch Verwaltungsgesichtspunkte maßgebend waren, schließt sich logisch ein Kapitel über das Militärwesen an, das von der vor¬israelitischen, ägyptischen bis zur späten Königszeit reicht. Dabei wird der Altar von Arad vorgestellt, der wohl zu einer Festung zur Absicherung der Südgrenze gehörte, und die berühmte Meschastele des moabitischen Königs zur Zeit König Jorams. Außerdem geht es um die Waffentechnik. „Das Leben im Alltag“ wird durch Kleidung und Haartracht, Spiele, aber auch durch ein Biergefäß dokumentiert. Das Schofarblasen bei einer modernen Bar Mizwa-Feier leitet bereits zum Kapitel „Religion“ über. Hier wird zunächst die religiöse Umwelt Israels anhand von Götterbildnissen und Kultgegenständen gezeigt, ehe der Glaube Israels bis hin zum heutigen Judentum sehr knapp dargestellt wird. Naturgemäß sind dafür Bilddokumente aus biblischer Zeit rar. Auch für das Kapitel „Leben und Tod“ muss Zwickel meist auf die religiöse Umwelt Israels zurückgreifen; aber Gräber, wie sie zur Zeit Jesu üblich waren, und ein schön gestaltetes Ossuar machen einige der jüdischen Praktiken anschaulich.

Ein ausführliches Stichwort- und Bibelstellenregister machen das Buch zu einem wertvollen Arbeitsmittel. Das Buch sollte daher in keiner Schulbibliothek fehlen und wird außerdem Lehrkräften wichtige Dienste leisten. Es eignet sich aber auch als preiswertes Geschenk für Jung und Alt.

Wolfgang Zwickel

Leben und Arbeit in biblischer Zeit. Eine Kulturgeschichte.

248 S., geb., zahlreiche, auch mehrfarbige Abbildungen

Calwer Verlag/ Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2013

Euro 29,95

 

zurück