Kostbarer Boden – liebliches Land

Da die Landverheißung ein zentraler Gesichtspunkt der Abrahamsverheißung ist, wundert es nicht, dass „Land“ in seinen vielfältigen Bezügen und seiner unterschiedlichsten Bedeutungsvielfalt auch Gegenstand theologischer Reflexionen sein kann.

Dieser Fragestellung widmet sich Peter Riede in diesem Band, der z.T. auf Vorträge vor unterschiedlichen Foren und aus verschiedenen Anlässen zurückgeht. Bereits die einzelnen Kapitelüberschriften wie z.B. Ackerland, Grünland, Weinland usw. machen neugierig auf damit verbundene theologische Aspekte. Dabei wird schon in der Einleitung darauf verwiesen: „Der Boden, insbesondere der Ackerboden ist ein kostbares Gut.“

Der erste Beitrag, „Fürchte dich nicht, Ackerland, juble und sei fröhlich“, soll dabei einen grundlegenden Überblick über die Thematik geben.“ Der Gegenwartsbezug wird dabei durch erschreckende Statistiken zum gegenwärtigen Landschaftsverbrauch hergestellt und diesem das Verhältnis der Menschen in alttestamentlicher Zeit zu ihrem Land gegenüberstellt; aber auch im fortlaufenden Text werden immer wieder Bezüge zu gegenwärtigen Problemen herausgearbeitet.

Dabei sind viele wichtige Details um der Lesbarkeit des Gesamttextes willen in den Fußnoten enthalten, deren Kenntnisnahme sich dringend empfiehlt. Aber auch der Text selbst enthält viele Hinweise auf Details, die man i.a. nicht beachtet. Riede macht dabei auf so viele Einzelheiten aufmerksam, dass man nur sagen kann: „Nimm und lies!“, und zwar immer wieder.

Besonders hervorzuheben ist auch, dass der Verfasser häufig die Denkrichtung biblischer Texte hervorhebt. Wenn aber in einem Zitat festgestellt wird, der Zusammenhalt einer Familie werde in Frage gestellt, wenn der Zusammenhalt mit „ihrem Boden“ gelöst werde, erhebt sich zwangsläufig die Frage, ob es nicht in der Zeit des Nomadendaseins noch andere Kräfte des Zusammenhalts gegeben haben muss. Ebenso wird man durch die Verwandtschaft der Begriffe „Mensch“ und „Ackerboden“ zu der Frage angeregt, ob mit der Verfluchung des Ackerbodens in Gen 3 auch eine Verfluchung des Menschen einher geht. So regen auch andere Ausführungen Peter Riedes zu weiteren Überlegungen an, die er andeutet.

Hierher gehört auch die Vorstellung, dass der Ackerboden „schreit“, „weint“ und „trauert“ – selbstverständlich bildhafte Ausdrücke, hinter denen aber reale Vorstellungen stehen, auf die Riede verweist, ehe er daraus Folgerungen für unseren verantwortlichen Umgang damit zieht.

Dem „Grünland“ ist ein weiteres Kapitel gewidmet, obwohl es dafür keinen biblischen Fachausdruck gibt. Hier bezieht sich Riede auf Texte, die sich am Grün der Pflanzen erfreuen. Das einleitende Zitat vom Gustav Dalman entspricht dabei voll den Gegebenheiten, ist eher sogar noch untertrieben, weil man die unerwartete Blütenpracht im Frühjahr gar nicht mit Worten schildern kann. Nach dem Phänomen des Grünens in den Schöpfungstexten geht Riede auf das Grünland als Weideland ein, ohne zu übersehen: „Die Erde ist und bleibt vor allem nicht immer grün.“ In diesem Zusammenhang kommt er sowohl auf Dürren als auch auf Heuschrecken und Pflanzenkrankheiten zu sprechen, Sachverhalte, die man oft überliest, weil sie so „natürlich“ sind. Aber nur, indem er sie samt den damit verbundenen Mühen ausdrücklich ins Bewusstsein hebt, kann er auch deren Bildhaftigkeit für „Leben und Vitalität und für Vergehen und Untergang“ herausstellen.

Über das Weinland hätte sich im Blick auf die Bibel ein ganzes Buch schreiben lassen; so „verwundert es nicht, dass der Weinstock mit zu den am meisten in der Bibel genannten Kulturpflanzen gehört.“ Sehr ausführlich geht Riede auf in der Bibel erwähnte Einzelheiten der Anlage, Ernte und Verarbeitung ein. Anbaugebiete hätte man dagegen noch deutlicher bezeichnen können, da vermutlich nicht allen unmittelbar bewusst ist, dass mit der „Landschaft Judas“ vor allem der Süden gemeint ist; dort findet man auch heute noch die antike Form der Kelter. Auf Nabots Weinberg wird in diesem Zusammenhang nicht eingegangen, obwohl er als Beleg dafür dienen könnte, dass auch an den Hängen der Jesreelebene Weinbau betrieben wurde. Dieses Kapitel zeichnet sich durch eine Reihe von Abbildungen aus, die allen, die solche Objekte nicht aus eigener Anschauung von Israelbesuchen kennen, ein gewisses Vorstellungsvermögen vermitteln. Dass der Weinstock auch als Bild für Israel gelten kann, ist ein wichtiger Hinweis, der ebenfalls oft übersehen wird. Ob man allerdings generell davon ausgehen kann, dass der Weinbau „große Bedeutung für die Menschen im alten Israel hatte“, ist vielleicht auf das Königreich Juda einzuschränken.

Ein besonderes Kapitel ist dem Gartenland gewidmet. Hier geht es u.a. um „Bekanntes und weniger Bekanntes aus dem biblischen Gemüsegarten“. Riede beschreibt in diesem Zusammenhang auch verschiedene Formen der Bewässerung in Ägypten und in Israel und geht dabei auch auf die Verwendung einzelner Pflanzen und Früchte in Normal- und Notzeiten ein, u.a. auch sehr ausführlich auf das Linsengericht bei Jakob und Esau – botanische Einzelheiten, über die man normalerweise hinwegliest; auch die Formulierung „Tod im Topf“ wird in diesem Zusammenhang erläutert.

Eine völlig andere Perspektive wird mit dem Begriff „Heimatland“ gewählt. Hier geht es um geschichtliche, kulturelle und emotionale Gesichtspunkte. Da es sich bei diesem Buch um überarbeitete Vorträge handelt, die aus unterschiedlichen Anlässen vor verschiedenen Foren gehalten wurden, vermisst man gerade hier einen Hinweis auf Entstehungsort und -zeit dieses ursprünglichen Vortrags, obwohl der Autor sehr schnell auf Unterschiede zwischen „Stadt und Land in biblischer Zeit“ zu sprechen kommt. Aus einem Register am Ende des Buches lässt sich erschließen, dass es wohl ein agrarisch orientierter Hörerkreis war. Dabei spielt u.a. eine Rolle, dass Land durchs Los zugeteilter „Erbbesitz“ war, die Stadt dagegen mehr Schutz bot. Allerdings wäre hier ein stärkeres Eingehen auf die geschichtliche und damit auch soziologische Entwicklung dieser Vorstellungen wünschenswert gewesen, gerade wenn es etwa um „Land Grapping“ in biblischer Zeit geht. Jedenfalls können die angeführten biblischen Belege für die verschiedenen Gesichtspunkte zu einer vertieften Betrachtungsweise der entsprechenden Texte und ihrer realpolitischen Voraussetzungen führen.

Bevor der Verfasser die Ergebnisse in einem Ausblick zusammenfasst, weckt die Überschrift des letzten Kapitels, „Gott als Land“, besondere Aufmerksamkeit. Hier geht es um übertragene Bedeutungen des Begriffs „Land“. Dies gilt, wenn in Mal 3,12 das Volk als „Land des Wohlgefallens“ bezeichnet wird oder Ps 16 bekennt, „JHWH ist der Teil meines (Land-)anteils …“. Dass Landvermessung in der Antike wie in diesem Psalm mit „Messschnüren“ erfolgte, wird sogar an einer Abbildung aus einem ägyptischen Grab veranschaulicht. Dass sich diese Metaphorik durch mehrere Psalmen zieht, wirft auch einen besonderen Blick auf den Verstehenshorizont dieser Psalmen.

Positiv ist schließlich noch anzumerken, dass Peter Riede den Gottesnamen JHWH nicht vokalisiert und „Zebaoth“ unübersetzt lässt, statt ihn mit „Heerscharen“ wiederzugeben. Wenn man schon eine Übertragung ins Deutsche wagen wollte, sollte man sich an Martin Buber orientieren, der diesen Begriff regelmäßig als der „Umscharte“ wiedergab.

Sehr hilfreich für den Umgang mit dieser Veröffentlichung als Arbeitsbuch, sind auch ein Stellen- und ein Stichwortregister am Ende des Buches.

Alles in allem eine lesenswerte Veröffentlichung, die helfen kann, manchen biblischen Text besser in seine damalige Wirklichkeit einzuordnen und damit sachgerecht zu verstehen.

Peter Riede,
Kostbarer Boden – liebliches Land.
Beiträge zu einer alttestamentlichen Agrotheologie
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Forschung zur Bibel, Bd.140
Echter Verlag, Würzburg 2020
128 S., kart.; 29.-- €

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