50 Jahre Martin Buber Bibel

Im Jahr 1925 erhielt Martin Buber einen Brief des jungen Verlegers Lambert Schneider, der ihm mitteilte, dass er das Programm seines neu gegründeten Verlags mit einer Übersetzung des „Alten Testaments“ beginnen wolle und sich nur Martin Buber für diese Arbeit vorstellen könne.

Buber jedoch machte seine Entscheidung, dieses Angebot anzunehmen, abhängig von der Mitarbeit Franz Rosenzweigs. Der bereits an Lateral Sklerose erkrankte Rosenzweig entschloss sich, trotz der Krankheit, zur Mitarbeit. So begannen vier Jahre intensivster Zusammenarbeit, in denen sie ihre Herangehensweise und ihre Übersetzungsphilosophie reflektierten und änderten, und in denen eine ganze Reihe von Schriften zu dieser Übersetzungsarbeit erschienen.

Es wurde Rosenzweigs letztes großes und vollendetes Werk. Als er am Abend des 10. Dezember 1929 starb, diktierte er noch am gleichen Abend einen Brief an Buber, der sich auf ihre gemeinsame Arbeit zur Verdeutschung der Schrift bezieht: „Und jetzt kommt sie, die Pointe aller Pointen, die der Herr mir wirklich im Schlaf verliehen hat…“.Hier  bricht das Diktat ab, und so bleiben dies die letzten Worte Rosenzweigs unvollendet und doch beziehungsreich. Sie waren in den Jahren bis zu Jeremias gekommen, hatten 10 Bücher zusammen übersetzt. Es war eine unglaubliche Leistung in Anbetracht von Rosenzweigs Erkrankung, die ihm die Schreib-, und Sprechfähigkeit und schließlich jede Bewegung nahm, sowie in der Kürze der Zeit.

Nach Rosenzweigs Tod arbeitete Buber weiter allein an der „Verdeutschung der Schrift“ und beendete das Mammutwerk 1961 in Jerusalem. Der letzte Band erschien im Jahr 1962. Zwischen 1929 und 1961 lagen die erzwungene Immigration Bubers, und die Zerstörung des deutschen Judentums, das beide Übersetzer in so überzeugender Weise vertraten.

Das 50-jährige Jubiläum des Erscheinens des letzten Bandes der Verdeutschung der Schrift  war der Anlass zu einer Tagung vom 4. bis 5. November 2012, die die Martin-Buber Gesellschaft gemeinsam mit der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg organisierte, und aus der der vorliegende Tagungsband 50 Jahre Martin-Buber Bibel, hrsg. Von Daniel Krochmalnik und Hans Joachim Werner hervorgeht.

Der Band vereint die 15 Beiträge der Tagung und verdeutlicht die vielen Aspekte, unter der wir diese Bibelübersetzung betrachten können. Er vereint gleichzeitig die crème de la crème der Buber Forschung aus Deutschland, Israel und Japan.

In seiner Einleitung erläutert Hans-Joachim Werner, Vorsitzender der Martin-Buber Gesellschaft, Anlass und Titel der Tagung Gastgeschenk und Grabmal 50 Jahre „Verdeutschung der hebräischen Bibel von Martin Buber mit Franz Rosenzweig“. Der erste Teil des Tagungstitels bezieht sich auf die Rede, die Gershom Sholem 1961 in Jerusalem hielt und die auf das Grauen, das die Welt zwischen 1929 und 1961 für immer verändert hatte, hinweist.

Da der Band keine themenbezogene Einteilung vornimmt, habe ich versucht die Beiträge thematisch zu gliedern, um so eine bessere Übersicht geben zu können.  Man könnte den Band in drei Sektionen einteilen.

Die erste Sektion umfasst die ersten sechs Beiträge, (Manfred Oeming, Karl Günther, Dafna Mach, Ephraim Meir, Christian Wiese und Andreas Losch,) die die Bibelübersetzung unter ganz unterschiedlichen Blickwinkeln in den zeitgenössischen Kontext, d.h. in die Weimarer Zeit einbetten.

Manfred Oeming, Heidelberg, behandelt die Grundprinzipien des Übersetzens, indem er Theoretiker wie Walther Boehlich zitiert und untersucht wie Buber und Rosenzweig übersetzungstechnisch vorgingen. 

Karl Günther befragt die lange jüdische Auslegungstradition bis hin zu Mendelssohn, um an der Übersetzung des Priestersegens (Numeri 6, 22-27) zu beweisen, wie tief Buber und Rosenzweig in dieser Tradition verwurzelt sind.

Daphan Mach dagegen bettet die Verdeutschung der Schrift ein in die jüdischen Bibelübersetzungen bis ins 19. Jahrhundert zurück und befragt die zeitgenössische, vor allem jüdische Rezeption der neuen Übersetzung.

Für Ephraim Meir ist die Bibelarbeit von Buber und Rosenzweig eine konkretes Beispiel ihrer Sprach- und Dialogphilosophie.

Christian Wieses äußerst lesenswerter Artikel stellt die jüdische Auseinandersetzung mit und die Herausforderung der kritischen, vor allem protestantischen, Bibelwissenschaft in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Anschließend untersucht er die Antwort, die die Buber und Rosenzweig Übersetzung der Bibel auf die protestantische Herausforderung für Juden und Christen darstellt.

Andreas Losch stellt zwei bisher unveröffentlichte Typoskripte Bubers ins Zentrum seiner Überlegungen und beweist, dass Buber sich mit der jüdischen Übersetzungstradition des Gottesnamens mehr beschäftigt hat als bisher von der Forschung angenommen.

Die zweite Sektion umfasst vier Artikel (Martin Leiner. Silvia Richter, Hanna Liss und Roland Gruschka) wobei der von Roland Gruschka etwas herausfällt, Die vier ersten behandeln die Frage der Mündlichkeit versus der Schriftlichkeit in Bezug auf die Buber-Rosenzweig Übersetzung. Leiner und Richter sind sich einig, dass die Oralität das leitende Prinzip der Bibelübertragung für beide Übersetzer war. Wobei Leiner, vier Ebenen, auf denen sich die Oralität im Text konkret niederschlägt herausarbeitet, konzentriert Richter sich durch die Befragung von Bubers und Rosenzweigs theoretischen Texten auf die tragende Rolle der Stimme in der Übersetzung und sieht die Kolometrie als eine der wesentlichen Charakteristika der Buber Rosenzweig Übersetzung.

Demgegenüber vertritt Hana Liss eine völlig andere Position und betont die Dominanz der Schriftlichkeit, der Schriftauslegung in der jüdischen Tradition und kommt zu dem Schluss, dass die Buber Rosenzweig Übersetzung aus der jüdischen Tradition heraustritt.

Der letzte Beitrag von Roland Gruschka sucht die verdeckten Spuren der taitschen Cheder Bibelübersetzungen, die durch Bubers frühen Kontakt zum Stetl Judentum, unbewusst in die Übersetzung eingeflossen sein könnten.

Die dritte und letzte Sektion umfasst fünf Artikel (Ran HaCohen, Daniel Krochmalnik,Fumio Ono, Toshihiro Horikawa und Kotaro Hiraoka) und behandelt die Wirkung der Buber Rosenzweig Bibel in den USA, Frankreich und Israel. Ran Ha Cohens Beitrag behandelt die Bedeutung, die die Buber-Rosenzweig Übersetzung für Everett Fox’ eigene Bibelübersetzungen und die in den USA entstandene, junge jüdische Erneuerungsbewegung hatte. Es war Fox, der die Buber-Rosenzweig Bibelübersetzung in den USA bekannt machte.

Daniel Krochmalnik bettet in einem hochwissenschaftlich philologischen Beitrag die Buber Rosenzweig Übersetzung ein in den Renouveau Juif und gibt einen Einblick in französische Bibelübersetzungen.

Die drei japanischen Buber Forscher gehören wohl zu der Spitze der Buberforschung in Japan und tragen hier, in Englischer Sprache, einiges zur Buberforschung bei. So beleuchtet Funio Ono die Morphologie der Stimme in Bubers Hermeneutik und bindet seine Betrachtung ein in zeitgenösisschen Diskussionen in Deutschland. Toshihiro Horikawa interessiert das Verhältnis der Mündlichkeit zur Prophetie, d.h. wie wird Gottes Wille durch die Propheten vermittelt und fokusiert seine Überlegungen auf Bubers Konzept der biblischen Sprache als ein DU. Der letzte Beitrag von Kataro Hiraoka leitet den Fokus des Lesers auf Martin Bubers Konzept von Theokratie und seine Rezeption im israelischen Kontext.

50 Jahre Martin Buber Bibel ist ein äußerst lesenswertes Buch, dass alle Buber aber auch Rosenzweig Interessierte, ebenso wie Bibelforscher, allgemein an der Schrift Interessierte begeistern dürfte. Es vereint den neuesten Stand der Forschung in Bezug auf die Verdeutschung der Schrift. Die Beiträge sind bis auf wenige Ausnahmen leicht lesbar und verdeutlichen noch einmal wie reich an Bezügen, Implikationen und Traditionen diese epochale Übersetzung ist.

Bedauerlicherweise wurde die Internationale Rosenzweig Gesellschaft nicht zu dieser Tagung eingeladen. Vielleicht hätten ihre Forscher zur Verdeutschung der Schrift noch weitere interessante Aspekte der Übersetzung beigetragen. Auch habe ich bedauert, dass die drei Beiträge aus Japan, so interessant sie auch sein mögen, uns nichts über die Rezeption der Verdeutschung der Schrift in Japan mitteilen, oder ob es überhaupt eine japanische Übersetzung gibt. Haben Buber und Rosenzweig außer in der Forschung ein Publikum in Japan? Das sind Fragen, die mich interessiert hätten.

Gershom Sholem beendete seine Rede 1961 in Jerusalem mit den Worten: "Was die Deutschen mit Ihrer Übersetzung machen werden, wer möchte sich vermessen es zu sagen." Ich frage mich oft, ob nicht die Übersetzung nur in Deutschland und hier vor allem von protestantischen Christen einen enthusiastischen Empfang erhalten hat. Spielt sie in der jüdischen Rezeption überhaupt eine Rolle? Und so scheint sie ihre anti-marcionistische Intention erfüllt zu haben.

Aber trotz aller Fragen ist es ein Buch, das einem größeren Publikum durchaus empfohlen werden kann.

Daniel Krochmalnik, Hans Joachim Werner (Hrsg.):

50 Jahre Martin Buber Bibel.

Beiträge des Internationalen Symposiums der Hochschule für Jüdische Studien und der Martin Buber Gesellschaft.

Reihe: Altes Testament und Moderne, Bd. 25,

LIT Verlag, Münster 2014,

392 S., 39.90 EUR, 39.90 CHF 

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