Was haben die kirchen über sich gelernt?

Theologisches Studienprojekt des Ökumenischen Rats der Kirchen und des Internationalen Rats der Christen und Juden zu den Lehren aus 40 Jahren kirchlicher Erklärungen zum christlich-jüdischen Verhältnis

Was haben die kirchen über sich gelernt?

Genf-Heppenheim – März 2005. “Das Unmögliche wurde erreicht. Das viel Schwerere ist noch vor uns”, so charakterisiert Hans Ucko, lutherischer Pfarrer und Verantwortlicher für den christlich-jüdischen Dialog im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK/ WCC) in Genf das Studienprojekt, das gemeinsam mit dem Internationalen Rat der Christen und Juden durchgeführt wird: Was haben die Kirchen aus 40 Jahren Erklärungen zum christlichen-jüdischen Verhältnis seit Nostra Aetate über sich selbst gelernt? Er stellt fest, dass die Diskussionen des christlich-jüdischen Dialogs heute vielfach noch dieselben seien als vor 20 Jahren. “Der Dialog geschieht in seiner eigenen Welt, er ist nicht in den Kern des Selbstverständnisses der Kirchen vorgedrungen.“ Kirchliche Dokumente zeugten heute nach außen eine große Sensibilität für das Judentum, interne kirchliche Erklärungen blieben davon jedoch völlig unberührt. “Wenn wir heute den ungekündigten Bund mit Israel bekennen, was bedeutet das als Christen für unseren Glauben?“, fragt Ucko.

Der Ökumenische Rat der Kirchen hat in den vergangenen Jahren bei zwei Konsultationen in Afrika und Asien die Relevanz des christlich-jüdischen Erneuerungsprozesses der Kirchen im dortigen theologischen Kontext diskutiert (s. u. Buchtipp).

Den Stand der Diskussion abstecken

John Pawlikowski, katholischer Theologieprofessor aus Chicago und Präsident der Internationalen Rats der Christen und Juden ICCJ sieht dieses Studienprojekt als zutiefst christliches Anliegen: “Wir Kirchen müssen ein Interesse daran haben zu klären, was diese epochalen Erklärungen zum christlich-jüdischen Verhältnis für uns bedeuten. Versteht sich die Kirche immer noch im Sinn von Überbietung und Vollendung des Judentums?“ Dabei gelte es, stets zu beachten, nicht auf die Vergangenheit zu sehen, wenn die Kirche über das Judentum spreche, sondern dies in Beziehung mit jüdischen Menschen heute zu tun. Natürlich könnte auch die jüdische Seite für sich suchen, was die christlich-jüdische Begegnung für die bedeute, doch sei dies nicht Aufgabe dieser Gruppe, die Reflexion dort anzuregen, so Pawlikowski.

Im Dezember 2004 traf eine internationale Gruppe von Theologinnen und Theologen einander erstmals in London, um den Rahmen des Vorhabens abzustecken. Dabei wurden vier Bereiche festgelegt, zu denen programmatisch der Stand der Diskussion gesammelt werden soll:

  • Ekklesiologie – das Selbstverständnis der Kirche(n)
  • Hermeneutik – das Verständnis der Heiligen Schrift
  • Nation und Land
  • Anthropolgie – das Verständnis des Menschen.

Rabbiner Andrew Goldstein (London) und Markus Himmelbauer (Wien) koordinieren auf Seiten des ICCJ dieses Vorhaben. Es ist auf drei bis vier Jahre angelegt. In einer Veröffentlichung am Ende der Konsultationen soll zusammengestellt sein, welche Bereiche in kirchlichen Erklärungen angesprochen wurden und welche Fragestellungen bislang unbehandelt geblieben sind.

Buchtipp

Die Ergebnisse der Tagungen des ÖRK/ WCC sind publiziert in:

    • Hans Ucko (Hg.), People of God and Peoples of God – A Christian-Jewish Encounter in Asia, WCC, Geneva 1995
    • Jean Halpérin, Hans Ucko (Hg.), Worlds of Memory and Wisdom – Encounters of Jews and African Christians, WCC, Geneva 2005