Treffen in der römischen Synagoge zu 50 Jahre Nostra aetate

Pressemeldung / 09.09.2015 / Der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff (Aachen), hat heute in Rom das Konzilsdokument „Nostra aetate“ als „Dokument der Umkehr“ gewürdigt.

Bei einer Begegnung mit dem Oberrabbiner von Rom, Riccardo de Segni, sagte Bischof Mussinghoff in der Großen Synagoge: „Nostra aetate ist ein Dokument, in dem die Kirche sich von einer Kultur der Vorurteile, der Missachtung und der Gleichgültigkeit gegenüber den Juden abwendet und die theologischen Grundlagen für ein Verhältnis der Wertschätzung, des Dialogs und der Freundschaft legt. Ich benutze bewusst den biblischen Begriff der Umkehr, um die theologische Dimension dieses Wandels in den Beziehungen zum Judentum deutlich zu machen.“ Vor 50 Jahren wurde das Dokument über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom (1962-1965) verabschiedet.

Die römische Synagoge bezeichnete Bischof Mussinghoff, der mit den Mitgliedern und Beratern der Unterkommission in Rom zu Gast ist, als einen symbolischen Ort im katholisch-jüdischen Verhältnis: „Ich denke an den Morgen des 17. März 1962, als Papst Johannes XIII. seinen Wagen anhielt, um die Besucher des Schabbat-Gottesdienstes zu segnen, an den Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1986 und von Papst Benedikt  XVI. im Jahr 2010“, so Bischof Mussinghoff. Während des Konzils hätten in den Räumen der Synagoge viele Begegnungen und Gespräche mit jüdischen Vertretern stattgefunden, ohne die die Erklärung nicht zustande gekommen wäre. Mit seinem Besuch in der Synagoge wolle er die Vorreiter für den jüdisch-christlichen Dialog, aber auch die weniger bekannten Jüdinnen und Juden würdigen, die sich schon wenige Jahre nach der Shoah für den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Christen eingesetzt hätten.

„Umkehr ist ein Grundwort des christlichen Menschenbildes und auch des jüdischen Menschenbildes. Die Gebete an den Hohen Feiertagen, insbesondere an Yom Kippur, zeigen das ja deutlich. Umkehr bedeutet, dass wir nicht Sklaven der Vergangenheit sind, dass wir die Fähigkeit haben, uns kritisch auch gegenüber unseren Taten und unseren Traditionen zu verhalten und zu prüfen, ob sie Gottes Wort und Willen entsprechen“, so Bischof Mussinghoff. „Wenn wir die Bibel aufmerksam lesen und die Mahnung des Apostels Paulus im Brief an die Römer ernst nehmen, dann können wir eine Verachtung des Judentums nur als unchristlich bezeichnen. Man kann nicht den Gott Israels verehren und das Volk Israel verachten. Kein Christ kann daher Antisemit sein, wie Papst Franziskus wiederholt betont.“ Umkehr habe auch eine kirchliche Dimension. Nicht nur der Einzelne oder einzelne Gruppen bedürfen der Umkehr, auch die Kirche sei zur Umkehr aufgerufen, was sich in der Vergebungsbitte von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 in besonderer Weise gezeigt habe.

Bischof Mussinghoff betonte, dass angesichts der Shoah die Kirche in Deutschland eine besondere Verantwortung für das Verhältnis zum Judentum und zum jüdischen Volk habe: „Ich bin dankbar, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Kultur des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden auf unterschiedlichen Ebenen entwickelt hat. Wir stehen heute in einem engen Austausch mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, der die Gemeinden repräsentiert, und führen regelmäßige und vertrauensvolle Gespräche mit den beiden Rabbinerkonferenzen in Deutschland. Dabei werden auch strittige Themen und kontroverse Ansichten keineswegs ausgeklammert.“

Der Besuch der römischen Synagoge beendet eine Reihe von Aktivitäten, mit denen die Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum den 50. Jahrestag von „Nostra aetate“ begeht. Dazu gehörte neben einer Diskussionsveranstaltung mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, erstmals eine gemeinsame Reise von Bischöfen und Rabbinern nach Israel. Auf dem Programm der fünftägigen Studienreise vom 14. bis 18. Juni 2015 standen der Besuch von christlichen und jüdischen Einrichtungen sowie Gespräche, die es Rabbinern und Bischöfen ermöglichten, die unterschiedlichen Sichtweisen des Heiligen Landes besser zu verstehen.