Schubert, Kurt

Zum Gedenken an Kurt Schubert (1923 - 2007)

Zum Gedenken an Kurt Schubert (1923 - 2007)

Markus Himmelbauer

Kurt Schubert, Gründer des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, sein langjähriger Präsident und Ehrenpräsident, ist am 4. Februar im 84. Lebensjahr verstorben. Mit tiefer Trauer nehmen wir Abschied von einer großen Persönlichkeit und wir erinnern uns in großer Dankbarkeit an sein Richtung weisendes Wirken im Geist der christlich-jüdischen Annäherung. Mit der Trauer über den Tod von Prof. Schubert ist die lebendige Erinnerung an sein Erbe verbunden, dem wir auch in Zukunft verpflichtet sind.

Unbeirrbarer Brückenbauer

"Der Brückenschlag vom Christentum zum Judentum war sein Lebenswerk", erinnert Pastor Prof. Helmut Nausner, der aktuelle Präsident des Koordinierungsausschusses an das Wirken des Verstorbenen: "Nach der Schoa hat er erkannt, dass eine Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses das Gebot der Stunde ist. Mit tiefer Sachkenntnis und mit organisatorischem Geschick hat er sich diesem Ziel gewidmet."
Universitäre Forschungs- und Lehrtätigkeit, Mitarbeit in Gremien, aktives Wirken in der Erwachsenenbildung, Publikationen nicht nur für einen Kreis wissenschaftlicher Insider und die Schaffung bleibender Institutionen, um diese Bildungsarbet voran zu treiben, waren die unterschiedlichen Ebenen, auf denen er seine Ideen voran trug. Als Gründer und langjähriger Präsident des "Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit" setzte er sich für eine objektive Darstellung des Judentums in den katholischen Religionsbüchern ein.Dass Schubert den Koordinierungsausschuss von Anfang an auf eine ökumenische Basis stellte, ist für Prof. Martin Jäggle, katholischer Vizepräsident des Koordinierungsausschusses, ein Zeichen von großer Weitsicht. "In der Absage an jede Judenmission zeigt sich die Konsequenz, aus tiefster Glaubenseinsicht anzuerkennen, dass Gott den Bund mit seinem Volk nie gekündigt hat", würdigt der Wiener Religionspädagoge die theologischen Markierungen, die Kurt Schubert gesetzt hat: "Dass der Einsatz für den Dialog mit dem Judentum und für christlich-jüdische Zusammenarbeit Konsequenz christlichen Glaubens ist, der sich seiner Ursprünge wieder bewusst wird, und diese Begegnung Konsequenzen für den christlichen Glauben hat, dem sind wir weiter verpflichtet."
Schubert fungierte weiters auch viele Jahre als Präsident des Österreichischen Katholischen Bibelwerkes und gründete in Eisenstadt das erste österreichische jüdische Museum. Bei der Wiener Diözesansynode war Schubert der Motor für einen programmatischen Text zur Notwendigkeit katholisch-jüdischer Erneuerung in der Kirche.

Leidenschaftlicher Pädagoge

Wer ihn reden hörte, wurde von seiner packenden und bis ins Detail kompetenten Art, Theologie und Geschichte zu vermitteln, mitgerissen. Das Feuer seiner Leidenschaft für das Judentum brannte in ihm und er verstand es, mit dieser Begeisterung andere anzustecken.
Prof. Gerhard Langer, als Judaist an der Universität Salzburg Schüler Schuberts und einer seiner Nachfolger als Präsident des Kordinierungsausschusses, stellt fest: "Schubert war überzeugt, dass breit angelegte Bildungsarbeit ein Mittel gegen den Antisemitismus ist. Er glaube an die Lernfähigleit des Menschen. Das Lernen über das Judentum verstand er als notwendige Umkehr aus der jahrhundertelang kirchlichen Judenfeindschaft." Es sei Schubert stets gelungen, das Judentum in seiner Eigenständigkeit wahrzunehmen und es nicht für des Christentum zu verinnahmen. "Jeglicher Gedanke, das Judentum wäre ein "besseres" oder "ursprünglicheres" Christentum, lag ihm fern."

Überzeugter Zionist

Aus der Erfahrung des Nationalsozialismus erlebte er die Gründung des Staates Israel und erlebte dies als Zeichen der Hoffnung für das Judentum. Jeder Judaist, jeder Christ müsse Zionist sein, so war Schubert überzeugt. Theologisch und in der gesellschaftlichen Realität könne das Judentum nur in Erez Israel zu seiner Bestimmung gelangen - als Judentum in seiner Eigenart. Jegliche Bestrebungen, die jüdische Menschen zum Christentum bekehren wollten, lehnte er strikt ab. "Wo kämen Juden denn durch das Christentum hin?", fragte er: "Doch nur zum Gott Israels, dem Schöpfer der Welt und Vater Abrahams. Dorthn, wo sie jetzt schon sind." Christlicher Glaube war für Schubert nur mit dem Blick auf das Volk Israel denkbar: "Der Jude Jesus hat uns Heidenchristen den Zugang zu den Verheißungen Gottes an sein Volk eröffnet."

Couragierter Katholik

Kurt Schubert wurde am 4. März 1923 in Wien geboren. Noch vor der Matura im Theresianum erlebte er den NS-Einmarsch 1938. Die unmittelbar danach ausbrechende Judenverfolgung bewog ihn, sich wissenschaftlich mit dem Judentum auseinander zu setzen, was ihm unter Freunden den Spitznamen "Moses" einbrachte. Schon als Jugendlicher ein engagierter Katholik, begann er mitten im Krieg als Zeichen des geistigen Protests gegen das NS-Regime am Institut für altorientalische Philologie der Wiener Universität mit dem Hebräisch-Studium. Währendder nationalsozialistischen Okkupation Österreichs gehörte er sowohl der österreichischen Widerstandsbewegung als auch der "illegalen" Katholischen Hochschuljugend an, die von Karl Strobl geleitet und sehr stark von Otto Mauer inspiriert wurde.
Als Student rettete er die Bibliothek des Wiener Rabbinerseminars vor der Vernichtung und sorgte nach 1945 für den Transfer der kostbaren Buchbestände nach Israel. Zum Dank lud ihn die Hebräische Universität von Jerusalem zum ersten Unabhängigkeitstag 1949 nach Israel ein. Im April 1945 erwirkte der damals 22-jährige Schubert von den Funktionären der sowjetischen Besatzungsmacht die Erlaubnis, den Universitätsbetrieb wieder aufzunehmen. Schon am 2. Mai 1945 - noch vor dem offiziellen Kriegsende - hielt er als junge "wissenschaftliche Hilfskraft" vor rund 50 Studenten seine erste Universitätsvorlesung "Hebräisch für Anfänger".

Mit vielen Ehren bedacht wurde Schubert zuletzt im Vorjahr im Rahmen der Jahrestagung 2006 des Internationalen Rats der Christen und Juden ICCJ für sein Lebenswerk mit dem ICCJ International Sir Sigmund Sternberg-Award ausgezeichnet. Der vom Londoner Mäzen Sir Sigmund Sternberg gestiftete Preis würdigt das Engagement von Personen und Organisationen im Dienst interreligiöser Verständigung. Prof. Schubert betonte in seiner Dankrede, dass man nur dann wahrhaft gegen den Antisemitismus auftreten und den christlich-jüdischen Dialog fördern könne, wenn man das Judentum auch von innen her kennen gelernt habe. Diesem Ziel habe er sein Leben gewidmet. Dabei habe er nie damit Probleme gehabt, seine tiefe Verwurzelung in der katholischen Kirche und seine Liebe zum Judentum miteinander zu verbinden, betonte Schubert. Seine "selbstverständliche katholische Christlichkeit" und seine Liebe zum Judentum seien "wie zwei Zahnräder, die einander bewegen", nie habe es dabei Spannungen gegeben.

Tief Glaubender

Im Vorfeld dieser Ehrung war Schuberts Gesundheitszustand bereits Besorgnis erregend und es war nicht klar, ob er den Anlass noch erleben werde. Mit ungewöhnlicher Offenheit sagte mir Kurt Schubert damals: "Ob ich bei jener Feier bei Ihnen sein kann, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass ich - ob hier auf der Erde oder anderswo - in Gottes Hand sein werde." Diese vorbildliche Haltung des Glaubens und der Zuversicht möge auch uns heute Trost sein.

(kathpress, 04.02.2007)