Ihr Dissertationsprojekt reichte sie 2021 an der Universität Salzburg unter dem Titel
Dynamisierung kirchlicher Tradition jenseits von Bruch und Kontinuität. Eine fundamentaltheologische Theorie der Rezeption und Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils im Kontext der Israeltheologie und des jüdisch-christlichen Dialogs
ein.
Elisabeth Höftberger, Katholische Theologin und zurzeit Postdoktorandin im Projekt der European Graduate School (Salzburg/Erfurt/Leuven) Theology in Religious, Cultural, and Political Processes of Transformation an der Universität Salzburg, erhielt für ihre herausragende Dissertationsschrift und ihre Leistungen die Promotio sub auspiciis Praesidentis rei publicae. Dies stellt die höchstmögliche Auszeichnung in Österreich für akademische Leistungen im Rahmen der Promotion dar.
Ziel der Arbeit, so Höftberger, ist die Entwicklung einer fundamentaltheologischen Theorie der Rezeption und Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils. (S. 34) Hierbei ist, so die These Höftbergers, die Erklärung Nostra aetate »ein Schlüsseltext für eine Theorie der Hermeneutik und Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils, wird doch hier die dem Konzil eigene Dynamik zwischen Kontinuität und Wandlung besonders deutlich« (S. 17). Die Autorin entwickelt insbesondere im letzten Teil ihrer Arbeit eine »dialogsensible Traditionshermeneutik und Rezeptionstheorie, die dem jüdisch- christlichen Dialog einen theologisch konstruktiven Ort in der eigenen Theoriebildung zuweist« (S. 285). Die Dissertationsschrift ist in drei Teilen zu je vier Kapiteln aufgebaut.
Im ersten Teil werden die Grundlagen einer theologischen Traditionshermeneutik und -theorie dargelegt. Der zweite Teil widmet sich dem konkreten Zusammenhang von Tradition und Rezeption anhand von verschiedenen traditionshermeneutischen Problemfeldern. Im letzten und dritten Teil der Arbeit werden die Perspektiven dialogsensibler Traditionshermeneutik und Rezeptionstheorie untersucht und entwickelt. Höftberger entfaltet ihre Arbeit entlang dreier roter Fäden, die die gesamte Arbeit durchziehen. Diese sind erstens die Traditionshermeneutik, der jüdisch-christliche Dialog und Israeltheologie sowie drittens die Rezeptionstheorie und wissenschaftstheoretische Reflexion (S. 343-344).
In ihrer Arbeit bringt die Autorin verschiedenste theoretische und methodische Perspektiven ein, um der Frage nach Tradition und ihrer Interpretation näher zu kommen. Hierbei macht sie kulturwissenschaftliche Forschungen, philosophische Überlegungen, postkoloniale Theorien wie auch Theorien der Kognitionswissenschaften (zum Beispiel die kognitive Metapherntheorie) für ihre Untersuchungen fruchtbar.
Anhand von Beispielen und Veranschaulichungen, auch aus der Musik (S. 115), gelingt es Höftberger, ihre Gedankengänge und Analysen plastisch zu machen. In ihrer Arbeit rekurriert sie dabei immer wieder auf die Weihnachtsansprache von Benedikt XVI. vom Dezember 2005. Verschiedene Analysekategorien werden dezidiert in den Blick genommen wie beispielsweise die der Metapher. So bestimmt Höftberger diese Kategorie anhand der kognitiven Metapherntheorie (S. 144-147) näher und arbeitet ihre Bedeutung in der Auseinandersetzung mit Traditionshermeneutiken heraus. Konkret analysiert Höftberger so die Notwendigkeit einer metaphorologischen Analyse, da die metaphorische Sprache vielfach Verwendung in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils gefunden hat und traditionshermeneutischen Metaphern durchaus unterschiedliche Verständnisse zugrunde liegen (S. 295-303).
Die Aufnahme der in Majuskeln hervorgehobenen Aspekte in der Gliederung der Arbeit wie Zeit, Tradition, Raum, Macht, Metaphern etc., die in der Arbeit als Analysekategorien thematisiert werden, kann jedoch etwas verwirrend wirken, zumal ihre Angaben und Umsetzungen innerhalb der Arbeit differieren (zum Beispiel S. 174 ff.).
Höftberger systematisiert und reflektiert ihre vorgenommenen Analysen im letzten Teil ihrer Arbeit und charakterisiert ihr Verständnis einer dialogsensiblen Traditionshermeneutik und Rezeptionstheorie, wobei die genannten Kriterien sich im Feld theologisch-inhaltlicher wie auch wissenschaftstheoretisch-methodischer Kriterien verorten. Eine Abbildung illustriert die Koordinaten »zur Haltung einer dialogsensiblen Theorie der Hermeneutik und der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils« (S. 311) wie zum Beispiel die »Anerkennung des Judentums als bleibender Bezugspunkt für kirchliche Tradition«, die »Performativität des Dialogs« und die »selbstkritische wissenschaftstheoretische Reflexion « (S. 311). Zugleich skizziert die Autorin die mögliche Bedeutung ihres Ansatzes auch für andere theologische Disziplinen wie die Bibelwissenschaften (S. 316- 318) und Forschungsfelder wie die Vulnerabilitätsforschung (S. 315- 316).
Im letzten Kapitel ihres Werkes diskutiert Höftberger die Bedeutung des Konzeptes für die Fundamentaltheologie, wobei sie unter anderem theologische Erkenntnisräume wie den jüdisch-christlichen Dialog und die theologische Bedeutung des Anderen für den eigenen Glauben differenziert in den Blick nimmt. Dies bedeutet, »dass jüdische Perspektiven in der Deutung von Tradition und in der Reflexion des Glaubens eine viel stärkere Präsenz erhalten müssen, als dies bisher der Fall ist.« (S. 329)
Höftbergers Werk bringt unterschiedlichste Ansätze und Einsichten aus verschiedenen Disziplinen zur Geltung und lässt Zusammenhänge auf der Grundlage dieser Analysen neu verstehen. Sie selbst stellt heraus, dass es sich um »eine Sammlung und Synthese von Impulsen aus verschiedensten theologischen Richtungen, methodologischen Herangehensweisen und kritischen Anfragen« (S. 305) handelt. Hierbei liegt die Besonderheit ihrer Arbeit jedoch gerade in diesem Ansatz, verschiedene Impulse auch unterschiedlichster Fachrichtungen ins Gespräch zu bringen und damit bisher Bekanntes kritisch zu betrachten und anzufragen. Dadurch ermöglicht Elisabeth Höftberger, bisherige Vorstellungen neu zu strukturieren, Unbewusstem bewusst zu werden, Bilder aufzubrechen und den Weg für alternative Denkwege zu schaffen. Höftbergers Arbeit stellt selbst ein wichtiges Element im andauernden Prozess der Rezeption und Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils dar - wobei zu hoffen ist, dass ihre Arbeit nicht nur in der systematischen Theologie, sondern weit darüber hinaus eine breite Rezeption erfährt und Neues in Bewegung setzt.
Höftberger, Elisabeth:
Religiöse Tradition in Bewegung.
Zur Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen
Konzils im jüdisch-christlichen Dialog.
Bielefeld 2023, transcript Verlag, 390 Seiten
Euro 52,-
HINWEIS: Das Buch steht auf der Verlagsseite als Open Access Publikation kostenlos zum Download zur Verfügung, hier:
https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6637-3/religioese-tradition-in-bewegung/?number=978-3-8394-6637-7