Passelecq, Georges

Georges Passelecq

Ein Jahr nach seinem Hinscheiden (Maredsous, 27.02.99.) koennen alle diejenigen, die bei den jüdisch-christlichen Beziehungen eine Rolle spielen, diesen Verlust noch immer nicht ermessen. Es erschienen mehrere biografische Artikel und viele Freunde waren bei seiner Bestattung anwesend. Und doch treffen wir noch solche, die sein Hingehen nicht erfahren haben. Deshalb schien es uns angebracht, sein Andenken im Netz zu erwähnen.

Seit den dreißiger Jahren eiferte er ununterbrochen und überall für die Verbesserung dieser Beziehungen: im Untergrund und in den Lagern, bei der Förderung der Bibelübersetzung damit die Christen diese besser verstuenden und bei der ehrlichen Betrachtung der Vergangenheit. Er nahm an zahlreichen Komitees, Kommissionen, Auseinandersetzungen und Treffen Teil. Gelehrter im Dienste der Tat, empfand er die Dringlichkeit der Aufgabe. Er sprach wenig aber deutlich und sein Ziel hieß Zweckmäßigkeit.

Hiernach einige Zitate aus den Reden die bei der Bestattung gehalten wurden.

Marc-Henri Belleflamme und David Hirschberg, Brüssel.

[Pater Georges] trafen während fast vier Jahren und an nahezu zwanzig Orten Missgeschick und Gefangenschaft. Schlussendlich wurde er am 29. April 1945 durch die Amerikaner in Dachau befreit. Einen Monat nach seiner ersten Verhaftung im März 1941 wurde er entlassen. Im Oktober desselben Jahres wurde er jedoch wieder verhaftet und, dieses Mal, deportiert. Nach seiner Befreiung bekam er von amtswegen mehrere Informationsaufträge nach Deutschland.

In die Abtei zurückgekehrt, (....) machte er sich an die Bibelübersetzung. Er wollte der schreienden Unwissenheit auf diesem Gebiet, die er um sich herum bei den Katholiken festgestellt hatte, ein Ende machen. Das Neue Testament erschien 1949; die erste Auflage der vollständigen Bibelübersetzung trägt das Datum 01.02.1950. Bis auf dieses oder jenes Buch war er der alleinige Übersetzer. (....) Um dem französischsprachigen Publikum anderswo erschienene Bücher zugänglich zu machen, übersetzte er. Dank ihm konnten wir (Französischsprachigen) Abraham Joshua Heschels schönes Werk "Passion for Truth", unter dem Titel "Le tourment de la vérité", lesen.

Ich bliebe doch sehr unvollständig falls ich nicht erwähnte, was ihm über alles lieb war: die Begegnung mit unseren jüdischen Brüdern, die Anerkennung Israels, das stete Zwiegespräch mit denjenigen die als erste die Offenbarung bekamen.

Schon vor dem Krieg bemühte sein Vater sich um die Aufnahme dem Hitlerregime entflohener Flüchtlinge. Von Maredsous aus, wo er sich befand, gelangte Vater Georges in Verbindung mit jüdischen Kreisen. Diese Verbindungen pflegte er – offensichtlich unauffällig, jedoch nicht mit weniger Erfolg. Dieses war die Zeit des Säens. 1969 gründeten die belgischen Bischöfe eine Nationale Katholische Kommission für die Beziehungen zwischen Juden und Christen. Vater Georges wurde Sekretär dieser Kommission und wie in den Lichtkegel eines Scheinwerfers gerissen gelangte etwas aus dem Dämmerlicht an den hellen Tag.

(... .)

Die Freundschaften die Vater Georges sich dort erwarb sind genügender Beweis für die Qualität seines Wirkens. Und sicherlich hat das Israelitische Konsistorium Belgiens ihn nicht ohne Grund mit seiner Medaille geehrt. Darf ich es erzählen? Von all den Auszeichnungen die Vater Georges von verschiedenen Seiten seiner Verdienste wegen zuteil wurden, war diese die Einzige auf die er stolz war.

Bis zum Ende hat er an diesem Kontakt mit den Juden und an der Bekämpfung jeglicher Art von Rassismus und Antisemitismus festgehalten. Erwähnen wir das Buch, das er in Zusammenarbeit mit Herrn Suchecky, der nicht erschienenen Enzyklika Pius XI. gewidmet hat. Auf seinem Tisch in unserem Scriptorium hinterließ er die Unterlagen für ein neues Werk. Dieses sollte dem, was Jules Isaac "die Theologie der Verachtung" genannt hatte, als er Johannes XXIII darum bat, deren Verleumdungen zu korrigieren, gewidmet sein. (...)

Pater Nicolas DAYEZ, Abt von Maredsous

Die Jüdische Gemeinschaft Belgiens, die ich heute hier vertrete, beweint das Hingehen eines Gerechten unter den Völkern. Jahrzehntelang war er die Triebfeder bei der Annäherung zwischen den christlichen und den jüdischen Welten. Andere schilderten hier sein Leben das wirklich das zwanzigste Jahrhundert umspannte. (...)

Wir wissen auch, dass er, wie viele Katholiken Belgiens, im Rahmen des Widerstandes, am Rettungswerk jüdischer Kinder mitwirkte. Wie viele Juden geriet er in das Inferno der Nazi-Konzentrationslager. Zu seinem und unserem Glück überlebte er, und mehr denn je setzte er sich danach im Kampf um die Menschenrechte, gegen jeglichen Rassismus und jegliche Diskriminierung ein. Sobald die belgischen Bischöfe den Katholischen Ausschuss für die christlich-jüdischen Beziehungen zu Stande gebracht hatten, wurde Georges Passelecq dessen Sekretär. Als Vize-Präsident war er bis in die letzten Wochen äußerst tätig und wirksam, Krankheit und Behinderung zum Trotz. Was sollen wir nicht erwähnen? Sein Eintreten gegen die Errichtung eines Karmeliterklosters in Auschwitz, wie er gegen das Erscheinen einer Bibelübersetzung reagierte, weil diese, entgegen der Enzyklika des Papstes Johannes XXIII mit antijüdischen Verleumdungen gespickt war, seine Unruhe in Anbetracht einer sich steigernden Reihe von Selig- und Heiligsprechungen, die den so unentbehrlichen christlich-jüdischen Dialog trüben könnten. Georges Passelecq hat nicht nur als Wortführer für die Kirche bei den Juden, sondern auch in seiner Rolle als Vermittler zwischen dem jüdischen Konsistorium und der Kirche, eine unermesslich wichtige Rolle gespielt.

Georges Passelecq hat uns den Beweis geliefert, dass man seinen Glauben in aller Aufrichtigkeit erleben kann ohne den seines Nächsten zu verachten. Er stand nicht nur den Juden nahe, sondern auch andern, Gläubigen und Nichtgläubigen. Speerspitze im Zwiegespräch seit Vatikan II lässt sein Hingehen eine große Lücke. Tolerant war er gewiss, aber mit äußerster persönlich-moralischer Strenge.

Vater Passelecq verstand und liebte nicht nur die Juden, sondern auch das Judentum. Und zwar des Judentums laut welchem Gott will, dass der Mensch auf Erden wie im Himmel glücklich sei, der die Welt nicht zum Tränental erschuf, sondern sie, in Seiner großen Güte, schön und erfreulich gestaltete. (....)

Georges Passelecq, wir vergessen Dich nicht. Generationen dieses zwanzigsten Jahrhunderts hast Du mit Deiner Persönlichkeit geprägt.

Juden und Christen, zusammen werden wir uns unaufhörlich bei diesem Zwiegespräch, welches im kommenden Jahrtausend zur Förderung von Frieden und Sicherheit weitergehen muss, auf Dich berufen.

Professor Georges Schnek,
Vorsitzender des Zentralen Jüdischen Konsistoriums Belgiens