P. Schnabel: Nahost ohne Christentum würde Großes verlieren

24 April 2023 - Es sind schon 13 Jahre her, dass es die Nahost-Synode gab. Seither sei einiges anders geworden in der gesamten Region, erinnert P. Nikodemus Schnabel, Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem, gegenüber Radio Vatikan. Wie kompliziert die Lage im ganzen Nahen Osten derzeit sei, erläutert er im Gespräch zum Abschluss der Vatikan-Konferenz über christliche Zukunft in Nahost in Zypern.

Mit einem eindringlichen Appell für Frieden und mehr Religionsfreiheit hatte vor 13 Jahren Papst Benedikt XVI. die Nahost-Synode im Vatikan beendet. Es kamen schwierige Zeiten auf die Gläubigen im Nahen Osten. Wie P. Schnabel im Gespräch mit uns sagt, kam nach dem postsynodalen Schreiben Ecclesia in medio oriente der sogenannte Arabische Frühling: „Und die Arabellion begann in Tunesien und dann Schritt für Schritt geriet die gesamte Region im Aufruhr“, erinnert P. Schnabel.

Es habe eine große Emigrationswelle gegeben, „gerade, wenn ich an den Irak oder Syrien denke, aber auch den Libanon“, führt der Benediktiner weiter aus. „Mittlerweile sagen viele Menschen, es gibt genauso viele Christen aus dem Nahen Osten in der Diaspora, außerhalb des Nahen Ostens, wie jene, die noch im Nahen Osten verbliebenen sind.“

Ein Papst, der den Nahen Osten liebt

„Und ich denke, was jetzt aber auch spannend mit Papst Franziskus ist: Wir haben jetzt einen Papst, der wirklich diese Region liebt, der häufig in diese Region reist.“ P. Schnabel erinnert an die Besuche in Bahrain, zuvor auch in die Vereinigten Arabischen Emirate oder den Irak:

„Das heißt, diese Region ist einerseits eine Region, die durchaus unter Druck steht, wenn wir auf die Christen schauen, aber auch viele Hoffnungszeichen. Ein ganz großes Hoffnungszeichen ist sicher auch die Enzyklika Fratelli tutti und das Dokument zur Geschwisterlichkeit aller Menschen von Abu Dhabi, wo ja gerade eine ganz neue Ära im Dialog mit dem Islam angestoßen wurde. Und ich glaube, das sind auch genau die spannenden Fragen, eigentlich fast schon ein Scheideweg.“

Da gehe es um die Frage, ob Christen dieser Region einzig „in diese Opferrolle“ festbleiben würden und „immer nur unsere Schwierigkeiten“ betonen würden und so auch an „einer Art Hilflosigkeit und Resignation“ festhalten würden. Dazu P. Schnabel:

„Wir sagen Nein, wir gehören zu dieser Region. Und genauso wie eine arabische Welt ohne Islam etwas Großes verlieren würde, so würde die arabische Welt ohne Christentum ebenfalls etwas sehr Großes verlieren. Ich glaube, es geht darum, auch gerade als katholische Kirche, sich zu fragen, in welche Zukunft wir gehen wollen. Es geht auch darum, wie wir den Glauben auch vielleicht neu buchstabieren können, gerade für die Jugend. Das ist ein großes Thema auch hier.“

Die Herausforderungen

Auch der Dialog mit dem Judentum und dem Islam seien ein Fundament des interreligiösen Dialogs. Und der Umgang mit der Politik und der Frage von Religion und Politik, „sozusagen die beiden Straßengräben, die sich da auftun“, müssten geklärt werden:

„Das heißt, einerseits kann es keine Staatsreligion für die Christen geben, aber auch sicher keine radikale Laicité, sondern im Sinne vielleicht des deutschen Modells einer positiven Neutralität. Und ich denke, das ist das, was unglaublich spannend ist und was hier auch jetzt diskutiert wurde und was ich persönlich ganz spannend finde, was man sieht, ist eine katholische Kirche dieser Region, die eben nicht nur römisch-katholisch ist, sondern wir haben hier sieben Riten bzw. Kirchen vertreten, das heißt, die römisch-katholische Kirche macht nur 1/7 aus.“

P. Schnabel zählt auf:  neben dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem gibt es auch den armenischen Patriarchen, den koptischen Patriarchen, den syrisch-katholischen Patriarchen, den maronitischen Patriarchen, den chaldäischen Patriarchen  und den melkitischen Patriarchen:

„Diese Vielfalt der Liturgien, der Riten wird auf dieser Konferenz auch gelebt. Ich spüre hier ganz viel Hoffnung. Und das glaube ich ein ganz entscheidender Punkt, in die Zukunft zu gehen. Nicht blauäugig, aber mit Hoffnung. Hoffnung, die aus dem Glauben heraus kommt und ein tiefes Fundament hat.“

Rund 300 Vertreterinnen und Vertreter der katholischen Kirchen im Nahen Osten sind vergangene Woche von Donnerstag bis Sonntag in Zypern zusammengekommen, um aktuelle Herausforderungen und Zukunftsperspektiven für die Kirchen im Nahen Osten zu beraten.

Editorische Anmerkungen

Quelle: Vatican News.