Eminenz, lieber Kardinal Fitzgerald,
liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Gäste aus ganz Europa,
ich freue mich sehr, dass das Treffen der CCEE-Sektion für Interreligiösen Dialog unter der Leitung von Bischof Brendan Leahy in diesem Jahr in meiner Diözese stattfindet. Es ist mir eine Freude und Ehre, Sie heute hier begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen in Augsburg!
Mit ihrer über 2000-jährigen Geschichte ist die Römerstadt Augsburg eine der ältesten Städte Deutschlands. Seit der Spätantike findet sich hier eine fortwährende christliche Präsenz. Dies spiegelt sich auch in unserer Bistumspatronin wider, der frühchristlichen Märtyrerin Afra, die hier im Jahr 304 den Tod fand. Ein weiterer Patron, der hl. Ulrich, erlangte weit über die Diözesangrenzen hinaus große Bekanntheit: Als Bischof von Augsburg verteidigte er die Stadt mutig gegen ernste militärische Bedrohungen und war als herausragender Kirchenmann des 10. Jahrhunderts in ganz Europa bestens vernetzt. Die Basilika, in der wir am Freitag die Heilige Messe feiern werden, trägt die Namen beider Bistumspatrone: St. Ulrich und Afra.
Neben seiner reichen katholischen Tradition ist Augsburg auch eine Stadt der Reformation: Bis heute hat die Confessio Augustana für die lutherischen Kirchen in aller Welt eine hohe Bedeutung. Und es war der Augsburger Religionsfrieden von 1555, der erstmals darauf abzielte, ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen zu ermöglichen. Dieses Jahr jährt sich dieser historische Friedensvertrag zum 470. Mal. Schon seit 375 Jahren wird in Augsburg alljährlich das Hohe Friedensfest gefeiert – ein eigener Feiertag, der speziell dem Frieden zwischen den Konfessionen und Religionen gewidmet ist. Was als protestantisches Ereignis begann, entwickelte sich nach und nach zu einem ökumenischen Fest – und wird heute auch interreligiös gefeiert.
In dieser Friedensstadt wissen wir, dass der Frieden ein kostbares und zerbrechliches Gut ist, das niemals als selbstverständlich gelten darf. Frieden zwischen Nationen, Kirchen und Religionen ist letztendlich immer ein Geschenk Gottes. Aber es ist ein Geschenk, das unserer aktiven Mitwirkung und sorgfältigen Mitarbeit bedarf. Viel hängt davon ab, ob wir wirklich imstande sind, die Anderen nicht als Gegner und Feinde zu betrachten, sondern als Kinder Gottes, ausgestattet mit derselben Würde, unsere Schwestern und Brüder. Ein solcher Weg zum Frieden ist der Weg der menschlichen Geschwisterlichkeit, der bereits von den Vätern des Zweiten Vatikanischen Konzils vorgezeichnet wurde, den Papst Franziskus in den letzten Jahren mit großer Reichweite beschritten hat und den Papst Leo XIV. nun entschlossen weitergeht.
„Wir können aber Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern.“ (NA 5) – Dieser Satz aus der Schlusspassage von Nostra aetate bringt jene Haltung der Wertschätzung zum Ausdruck, mit der die Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf Menschen anderer Religionsgemeinschaften zugeht, gegründet in der Überzeugung von der gleichen Würde aller Menschen. Die Erklärung Nostra aetate wird zu Recht als unsere katholische „Magna Carta“ des interreligiösen Dialogs angesehen. Wir sind heute in der glücklichen Lage, Kardinal Fitzgerald unter uns begrüßen zu dürfen, der wie kaum ein anderer mit den Hintergründen und Wirkungen dieses Dokuments vertraut ist. Gleich wird er in seinem Vortrag etwas näher auf die Thematik der christlich-muslimischen Beziehungen eingehen. Ohne hier vorgreifen zu wollen, möchte ich vorab nur einige wenige Bemerkungen machen.
Als Vorsitzender der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz lade ich regelmäßig unterschiedliche muslimische Gruppen zu Dialogbegegnungen ein. So finden immer wieder Treffen mit muslimischen Theologen und Intellektuellen oder auch mit den Vertretern der großen Moscheeverbände statt. Und einmal im Jahr (in zeitlicher Nähe zu Mariä Verkündigung) veranstalten wir einen großen Jahresempfang für alle Partnerinnen und Partner im christlich-islamischen Dialog. Bei den verschiedenen Dialogformaten stelle ich fest, dass selbst angesichts von Differenzen und Spannungen die Perspektive, die die katholische Kirche in Nostra aetate eingenommen hat, durchwegs auf positive Resonanzen stößt. Tatsächlich gilt sie als verlässlicher Kompass in Gewässern, durch die man nicht immer leicht navigieren kann. Woran mag das liegen?
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat.“ (NA 3) – So beginnt der Abschnitt über die katholisch-muslimischen Beziehungen in Nostra aetate. Mit diesen Worten sprach das Zweite Vatikanische Konzil nicht nur eine überaus starke Einladung zum Dialog aus, sondern schlug zugleich auch ein ganz neues Kapitel in der Geschichte der christlich-muslimischen Beziehungen auf.
Sicherlich gab es schon zuvor immer wieder Brückenbauer zwischen den beiden Religionen (man denke nur an Franz von Assisi). Doch insgesamt herrschte lange Zeit ein Paradigma der Trennung und Polemik, wenn nicht sogar der Feindseligkeit vor. Gerade weil sich die Konzilsväter dieser konfliktreichen Geschichte bewusst waren, geriet ihr Aufruf zum Dialog umso eindringlicher: „Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“ (NA 3)
Vom Aufbau von Nostra aetate 3 – der Passage, die den christlich-muslimischen Beziehungen gewidmet ist – können wir auch heute noch etwas ganz Grundlegendes für unsere Dialogarbeit lernen: An erster Stelle gilt es, den anderen mit Wertschätzung zu betrachten. In einem weiteren Schritt ist es wichtig, sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede im Blick zu haben. Denn Dialog bedeutet nicht, die eigene Religion aufzugeben, sondern kann vielmehr zu einer Vertiefung des eigenen Glaubens führen. Und schließlich ist es gerade die Erfahrung von Konflikten, die drängenden Anlass dazu gibt, hier und jetzt unsere gemeinsame Verantwortung für die Zukunft der Menschheit und der gesamten Schöpfung wachzurufen und gemeinsam aktiv zu werden. Mir scheint, dass diese drei Punkte einen Erklärungsansatz liefern können, weshalb das Konzilsdokument bei unseren muslimischen Dialogpartnern weiterhin solch große Anerkennung findet.
Eine grundlegende Haltung der Wertschätzung gegenüber dem Anderen, ein gesundes Gespür für das, was uns verbindet, ebenso wie für das, was uns unterscheidet, und eine tiefgreifende Bereitschaft, aus vergangenen Konflikten zu lernen und gerade deshalb gemeinsam für das Gemeinwohl einzutreten – vielleicht können uns diese drei Überlegungen in den kommenden Tagen begleiten, wenn wir in dieser Friedensstadt über unsere Dialogarbeit nachdenken.
Uns allen wünsche ich einen inspirierenden Austausch und ertragreiche Begegnungen – und heiße alle noch einmal herzlich willkommen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

