Nachrufe für Martin Stöhr

Deutscher Koordinierungsrat, Zentrum Ökumene und ICCJ betrauern den Tod von Martin Stöhr.

„Seine Stimme wird fehlen!“ – Trauer um Martin Stöhr

Bad Nauheim, 5. Dezember 2019. Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) trauert um seinen früheren Präsidenten und Ehrenvorsitzenden Martin Stöhr. Der Theologe starb am Mittwoch, den 4. Dezember im Alter von 87 Jahren.

Von 1965 bis 1984 war er neben Pater Dr. Willehad Paul Eckert und Landesrabbiner Nathan Peter Levinson der evangelische Präsident des DKR und ab 2017 bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender.

Rabbiner Andreas Nachama, jüdischer Präsident des DKR, nahm das Wirken von Martin Stöhr für den DKR über lange Zeit als Motor und Schrittmacher des Christlich-Jüdischen Dialogs und großen Kämpfer gegen alten und neuen Antisemitismus wahr. Die Gestaltung der Woche der Brüderlichkeit mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille hat er wesentlich mitgeprägt.

Martin Stöhr war ein national wie international geachteter Pionier des jüdisch-christlichen Dialogs. So war er von 1990 bis 1998 auch Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ) und bis zu seinem Tod ICCJ-Ehrenpräsident.

Wie kaum ein anderer hat er sich in der Nachkriegszeit um eine neue theologische Ausrichtung des christlich-jüdischen Verhältnisses verdient gemacht. Schon während seines Studiums erkannte er, dass der jahrhundertalte kirchliche Antijudaismus und das Versagen in Kirche und Theologie insbesondere im Blick auf die Shoa aufzuarbeiten sei. Dabei ging es ihm um eine Theologie, die die jüdischen Wurzeln des Christentums anerkennt und gleichzeitig ohne christliche Überheblichkeit auskommt.

„Seine Stimme wird fehlen“, so der evangelische Präsident des DKR, Pfarrer Friedhelm Pieper. „Er war auch mein Lehrer und hat mich und viele andere in unserem Themenfeld tief geprägt. Zugleich war er immer ein wacher politischer Geist, trat in ökumenischer Weite für Gerechtigkeitsfragen ein. Er blieb bis zuletzt unabhängig und kritisch und versuchte auf seine Weise, einen biblischen Humanismus im Sinne Martin Bubers zu leben und zu gestalten.“

Der frühere jüdische Präsident des DKR, Landesrabbiner em. Henry G. Brandt fasst die Bedeutung Martin Stöhrs zusammen: „Ein Eckpfeiler unserer Arbeit ist nicht mehr. In der Geschichte unseres Koordinierungsrates wird er mit Dank und Anerkennung fortleben. Ich trauere um ein großes Vorbild. Das Gedenken an Martin Stöhr sei uns zum Segen.“

Zur Person: Martin Stöhr (Quelle: EKHN)


Martin Stöhr wurde 1932 in Singhofen (Rhein-Lahn-Kreis) als Sohn eines Pfarrerehepaars geboren. Nach dem Abitur in Bad Ems studierte er von 1951 bis 1956 evangelische Theologie und Soziologie in Mainz, Bonn und Basel. Sein Vikariat, die Ausbildung zum Pfarrer, absolvierte er in Rüsselsheim. Er war dann Pfarrer in Wiesbaden-Amöneburg. Nach seiner Ordination zum Pfarrer war er von 1961 bis 1969 Studentenseelsorger an der Technischen Universität Darmstadt. Von 1969 bis 1986 übte er das Amt des Direktors der Evangelischen Akademie von Arnoldshain aus. Von 1986 bis 1997 lehrte er als Professor für Systematische Theologie an der Universität-Gesamthochschule Siegen. Von 1968 bis 1985 war er zudem Mitglied der Kirchensynode der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau.

Daneben fungierte er von 1965 bis 1984 als Präsident des „Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“. Danach war er von 1990 bis 1998 Präsident des „International Council of Christians and Jews“. Stöhr ist ebenso ist er Mitbegründer von „Studium in Israel („Stil“). In den Jahren 1978 bis 1994 war er zunächst Vorsitzender des Arbeitskreises, später dann des Vereins von „Stil“; dann wurde er zum Ehrenvorsitzenden des Vereins berufen. Von 1967 bis 1975 und von 1976 bis 1991 war er Mitglied der Studienkommissionen „Kirche und Judentum“ 1 und 2 der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD); darüber hinaus war er jahrelang Mitglied der Evangelischen Mittelost-Kommission (EMOK) der EKD. Für seine Verdienste erhielt er neben der Martin-Niemöller-Medaille bereits 1983 die theologische Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg und 1984 die Hedwig-Burgheim-Medaille der Stadt Gießen. Stöhr lebte zuletzt in Bad Vilbel.

Das Präsidium des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit

V.i.S.d.P. Pfarrerin Ilona Klemens, Generalsekretärin


 

Die ökumenische Bewegung trauert um Martin Stöhr

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW trauern um Martin Stöhr. Über viele Jahre hat er die ökumenische Bewegung begleitet und sich in die ökumenische Tagespolitik mit seiner Stimme eingebracht! Weltweit war er geachtet als Fachmann für den jüdisch-christlichen Dialog. Von 1965 bis 1984 war er Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit; dann von 1990 bis 1998 Präsident des „International Council of Christians and Jews“ (ICCJ). Auf seine Initiative hin entstand das Programm „Studium in Israel“ das jungen Theologinnen und Theologen das Studium des jüdischen Glaubens in Jerusalem ermöglicht. Bis zu seinem Tod war er Ehrenpräsident des ICCJ. Für seine sechs Jahrzehnte lange Arbeit im jüdisch-christlichen Dialog wurde er 2016 auch mit der Martin-Niemöller-Medaille geehrt, der höchsten Auszeichnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

Schon früh setzte sich Martin Stöhr ein für eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, für Versöhnung mit den Nachbarn Deutschlands, für die Erneuerung der christlich-jüdischen Beziehungen und für eine Kirche, die sich mit den gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart auseinandersetzt. 1961 nahm Martin Stöhr an der Ersten Allchristlichen Friedensversammlung in Prag teil. Er arbeitete in der Christlichen Friedenskonferenz mit, die osteuropäische und westeuropäische Christen über die Trennung in Ostblock und Westblock hinweg verband. Er wollte sich mit einem Denken in getrennten Blöcken nicht abfinden und suchte unablässig nach Wegen zur Überwindung der Teilung Europas.

Gemeinsam mit seiner Frau Marie Luise engagierte sich Martin Stöhr im Kampf gegen Apartheid und stritt gegen alle Versuche, Apartheid theologisch zu rechtfertigen. Unter seiner Mitwirkung hat der Ökumenische Rat der Kirchen im August 1970 in der Evangelischen Akademie Arnoldshain das „Programm zur Bekämpfung des Rassismus“ auf den Weg gebracht.

Er gestaltete sein Engagement in ökumenischer Weite und bezog immer Erfahrungen aus anderen Ländern und Kontinenten mit ein. Er verkörperte in seinem Handeln und Denken wie kaum jemand anderes den ökumenischen konziliaren Prozess „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“.

Detlev Knoche, Leiter des Zentrums Oekumene der EKHN und EKKW

 


Der ICCJ trauert um seinen Ehrenpräsidenten Professor Dr. Martin Stöhr

Am 4. Dezember 2019 verstarb im Alter von 87 Jahren unser früherer Präsident und langjähriger Ehrenpräsident des ICCJ, Martin Stöhr.

Er war weltweit immer wieder als engagierter Vorkämpfer im christlich-jüdischen Dialog tätig und verstand, dass in Bezug auf das Judentum eine grundlegende Neuorientierung der Christen notwendig war.

Insbesondere mit den antijüdischen Schriften Martin Luthers hatte er sich beherzt auseinander gesetzt. Er setzte sich für die Entwicklung einer Theologie ein, die die jüdischen Wurzeln des Christentums erkennt und christliche Arroganz beseitigt.

Martin Stöhr engagierte sich zeitlebens für eine neue Beziehung zum Judentum und der ungebrochenen Auserwähltheit des Jüdischen Volkes, womit er Antijudaismus bekämpfte.

Von 1990 bis 1998 war Martin Stöhr Präsident des ICCJ und seitdem einer der Ehrenpräsidenten unserer Organisation.

Klugerweise verstand er, dass akademisches Engagement auch mit Geld unterstützt werden muss, und dieser Einsicht folgend gelang es ihm, die Internationale Martin-Buber-Stiftung zu gründen und zu fördern.

Der ICCJ – sein Vorstand, die Mitgliedsorganisationen weltweit, das Mitarbeiterteam im Martin-Buber-Haus, Heppenheim, sowie der Verein der Freunde und Förderer des Martin-Buber-Hauses - werden Prof. Stöhr stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Editorische Anmerkungen

Quelle: DKR; Zentrum Ökumene; ICCJ.