Nachruf für Rabbiner Prof. Dr. Nathan Peter Levinson s.A.

Am Donnerstag, dem 27. Oktober 2016, verstarb in Berlin im 94. Lebensjahr Rabbiner Prof. Dr. Nathan Peter Levinson. Rabbiner Levinson s.A. war eine herausragende Persönlichkeit der jüdischen Gemeinschaft seit der Schoa, nicht allein in Deutschland und viele Jahrzehnte im christlich-jüdischen Dialog.

Geboren 1921 in Berlin-Prenzlauer Berg, war Nathan Peter Levinson s.A. (sein Geburtsname war Peter Lewinski) einer der jüdischen Schüler am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster. Sein Abitur legte er dann 1940 im einzig aufrechterhaltenen Jüdischen Gymnasium in Berlin ab. Kurze Zeit studierte er in seiner Heimatstadt an der von Leo Baeck geleiteten Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums (im heutigen Gebäude des Zentralrats der Juden in Deutschland), bevor er 1941 über Polen, Russland, Korea und Japan in die USA emigrierte.

Von 1950 bis 1953 war er als Landesrabbiner in Berlin tätig, später als Militärrabbiner der amerikanischen Luftwaffe und Landesrabbiner in Hamburg und Schleswig-Holstein. Er war Initiator der Gründung der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Ab 1965 fast 20 Jahre lang jüdischer Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) - zusammen mit dem katholischen Pater Willehad Paul Eckert und dem evangelischen Pfarrer Martin Stöhr - wurde Rabbiner Levinson s.A. 1976 zum Präsidenten des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ) gewählt. Während seiner Präsidentschaft wurde der ICCJ von London nach Heppenheim, in das ehemalige Haus Martin Bubers, verlegt.

Nathan Peter Levinson s.A.  erhielt für sein Lebenswerk zahlreiche Auszeichnungen, darunter im Juni 1999 das Bundesverdienstkreuz für seine herausragenden Bemühungen um den christlich-jüdischen Dialog. Er war in diesem Dialog ein kompromissloser Streiter für das Judentum sowie gegen jeglichen Antijudaismus, Antisemitismus und Neonazismus.

Zu den Gründen für sein Engagement im Gespräch der Christen und Juden sagte er in seinen Memoiren „Ein Ort ist, mit wem du bist“:

„Ich entschloss mich dann vor allem aus folgenden Gründen, mich am christlich-jüdischen Dialog intensiv zu beteiligen: Nach dem Holocaust versuchten viele Nichtjuden, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Es gab in Deutschland nur wenige Juden, die hier Rede und Antwort stehen konnten. Hatte ich das Recht, sie zurückzuweisen, anstatt aufklärend an einer Bewusstmachung der schrecklichen Vergangenheit teilzunehmen und auch Information zu geben, wo diese nicht vorhanden oder durch jahrelange Propaganda böswillig verzerrt worden war? Dass Unverständnis, Klischeedenken, Gedankenlosigkeit in den Beziehungen zwischen Juden und Christen weiterhin bestehen, ist eine bedauerliche Tatsache. Aber eine 2000jährige Geschichte des Misstrauens, der Rivalität und der Verachtung kann nicht über Nacht korrigiert werden. Sehr viel Geduld und Beharrungsvermögen sind notwendig, um trotz aller Rückschläge und Enttäuschungen nicht aufzugeben. Dabei hilft es, dass dennoch in den letzten Jahren in Lehre, Katechese, in den Synoden mehr Fortschritte erzielt wurden als Jahrhunderte vorher. Außerdem meine ich, dass wir unsere Freunde, die jahrzehntelang für ein neues Verhältnis zwischen Juden und Christen gekämpft haben, nicht enttäuschen dürfen, indem wir resignieren.


Schließlich sind wir von unserem Auftrag her angehalten, den anderen nicht im Irrtum zu belassen. Wir sind füreinander verantwortlich und der Prophet Ezechiel brachte uns bei, dass der, der warnen kann und es nicht tut, große Schuld auf sich lädt. Nur darf dies lediglich aus Sorge um den Nächsten und nicht mit erhobenem Zeigefinger geschehen.

Letztlich sind wir Juden die ewigen Optimisten. Wir geben nicht auf. Wenn wir den messianischen Traum nicht gehabt hätten, wären wir kaum bis heute am Leben geblieben. Wir meinen, dass wir durch unseren Einsatz mithelfen, die Welt doch noch in eine menschenwürdigere umzuwandeln.“

Wir werden Nathan Peter Levinson s.A. vermissen und sein Vermächtnis stets in Ehren halten.

Wir trauern mit seiner Familie.

Vorstand und Geschäftsführung

der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin


Jael Botsch-Fitterling (Jüdische Vorsitzende) - Sara Nachama (Stellv. Jüdische Vorsitzende)

Bernd Streich (Katholischer Vorsitzender) - Michael Brinkhoff (Stellv. Katholischer Vorsitzender)

Ulrich Schürmann (Evangelischer Vorsitzender) - Reinhard Naumann (Stellv. Evangelischer Vorsitzender)

Norbert Kopp (Schatzmeister)


Ulrich Werner Grimm (Geschäftsführer)