Kraus, Hans-Joachim

Hans-Joachim Kraus (1918-2000)

Hans-Joachim Kraus, der am 14. November 2000 verstorben ist, war einer der Begründer der Arbeitsgruppe Christen and Juden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 1961, die für viele Jahre eine große Bedeutung im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte. Geboren am 17. Dezember 1918, gehörte Kraus damals zur jungen Generation, denn der Beginn der Wende im Verhältnis zu den Juden wurde vor allem durch Helmut Gollwitzer, Günter Harder and Karl Freudenberg eingeleitet. Kraus besaß eine ungemein freie, seelisch unbelastete Haltung zu Juden and Judentum, so daß ihm jeder Gedanke an eine Judenmission absolut fern lag. Der Ausgangspunkt seiner Arbeit lag in der Exegese des Alten Testaments, dessen Lehrstuhl er in Hamburg innehatte, bis er auf den Lehrstuhl für reformierte Dogmatik nach Göttingen wechselte. Hier soll nicht von seinen wissenschaftlichen Leistungen die Rede sein, sondern von seinem Verhältnis zu den Juden, denen er in Freundschaft entgegentrat. Besonders mit Rabbiner Robert Raphael Gels (1906-1972) war er in tiefer Freundschaft verbunden. Durch ihn erkannte Kraus, warum das Lernen vom Judentum für christliche Theologie unverzichtbar ist. So konnte es auch nicht ausbleiben, daß er mit seinem Referat auf der Barmer Synode im Jahre 1979 über „Jüdisches and christliches Verständnis der Hebräischen Bibel“ den Rheinischen Synodalbeschluß von 1980 vorzubereiten half. Durch zahlreiche Aufsätze hat er seine Haltung zum Judentum zum Ausdruck gebracht. In seinem Buch Rückkehr zu Israel, Beiträge zum christlich-jüdischen Dialog, Neukirchener Verlag 1991, legte Kraus in neunzehn Arbeiten das Ergebnis seiner Erfahrungen mit jüdischen Menschen nieder. Das Buch sollte auch heute noch grundlegend sein für diese Thematik. Wir denken an Hans-Joachim Kraus als einen Pionier auf dem Weg zu einer Begegnung mit Juden and als einen besonders liebenswerten Menschen, der es verstanden hat, seine eigene christliche Identität unverkürzt durchzuhalten, ohne das Judentum zu mißachten. Im Gegenteil, das Judentum ermöglichte Kraus, ein wahrer Christ zu sein. Wir denken an ihn in Trauer, aber auch mit großer Dankbarkeit für das, was er geleistet hat and was er uns als Mensch war.

Ernst Ludwig Ehrlich