Jüdische und Katholische Einstellungen zu den unheilbar Erkrankten am Ende Ihres Lebens: Verbotenes, Erlaubtes und Verpflichtendes

17. Treffen der Bilateralen Kommission der Delegation des Oberrabbinats von Israel und der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum des Heiligen Stuhls.

Jerusalem, 2.- 4. Mai 2023; Iyar 11-13, 5783

Gemeinsame Erklärung

1.      Beim Eröffnungsempfang hat Oberrabbiner Arussi die Delegationen willkommen geheißen und bemerkt, dass das Treffen der bilateralen Kommission aufgrund der Covid Pandemie die letzten fünf Jahre nicht hatte stattfinden können. Insofern drückte er seine besondere Freude über das Treffen aus. Die Delegationen wünschten Rabbiner Arussi eine rasche Genesung bezüglich seiner gesundheitlichen Probleme und eine wiederhergestellte Gesundheit. Herr Yehudah Cohen, der kürzlich ernannte Generaldirektor des Oberrabbinats Israels, fügte einen Willkommensgruß hinzu, und drückte seine Bewunderung für die Arbeit der bilateralen Kommission und deren Bedeutung für die ganze Gesellschaft aus.

2.      Die Beratungen begannen am nächsten Morgen, indem man an das 6. Treffen der bilateralen Kommission anknüpfte, das sich mit dem menschlichen Leben und der Technologie beschäftigte, und zwar im Licht der weitgehenden Fortschritte in den medizinischen Wissenschaften.

3.      Der katholische Vortrag betonte die leitenden Prinzipien bezüglich der Behandlung von unheilbar Erkrankten am Ende ihres Lebens, indem auf Papst Franziskus Bezug genommen wurde, der Vorsicht anmahnte in Bezug auf den „sozio-kulturellen Kontext …der allmählich das Verständnis dessen zum Verschwinden bringt, was das menschliche Leben wertvoll macht“.

4.      Daher wurde die Würde jedes menschlichen Wesens behauptet, die sich für Juden und Katholiken aus der religiös verankerten Bestätigung der Heiligkeit des menschlichen Lebens ergibt, und zwar in Übereinstimmung mit der Erklärung der bilateralen Kommission, die in Rom im Februar 2006 – Shevat 5766 herausgegeben wurde: „Wir bestätigen die Prinzipien unserer jeweiligen Traditionen, dass Gott der Schöpfer und Herr allen Lebens ist und das menschliche Leben genau deswegen heilig ist, wie es die Bibel lehrt, weil die menschliche Person nach dem Bild Gottes geschaffen ist (vgl. Gen 1,26-27). Weil das Leben als ein göttliches Geschenk respektiert und bewahrt werden muss, lehnen wir folgerichtig die Idee ab, dass das Leben dem Menschen gehört, und zugleich das Recht jeder menschlichen Gruppierung, über seinen Wert und seine Länge zu entscheiden. Daher lehnen wir das Konzept einer aktiven Euthanasie ab (das so genannte „mercy-killing“) und den assistierten Suizid, und zwar als eine illegitime menschliche Anmaßung einer ausschließlichen göttlichen Autorität, um über den Zeitpunkt des Todes einer Person zu bestimmen“. Weiterhin „betonen wir in dieser Hinsicht wiederholt die Lehren unseres Erbes, dass alles menschliche Wissen und alle Fähigkeiten dazu dienen müssen, das menschliche Leben und die Würde zu fördern, und zwar in Harmonie mit den moralischen Werten, die aus den vorher genannten Prinzipien folgen. Demzufolge gibt es Grenzen der Anwendung von Wissenschaft und Technologie in Anerkennung der Tatsache, dass nicht alles, was technisch möglich, auch ethisch vertretbar ist.“

5.      Speziell wurde die Bedeutung einer einfühlsamen palliativen Fürsorge betont, sowie die maximale Anstrengung, Schmerzen und Leiden zu lindern. Des Weiteren wurde auf die historische gemeinsame Erklärung der drei abrahamitischen Religionen hingewiesen, die aktive Euthanasie und medizinisch assistierten Suizid ablehnt, sowie palliative Fürsorge fordert, die im Vatikan am 28. Oktober 2019 – 29 Tishrei 5780 herausgegeben wurde.

6.      Sowohl für Juden als auch Christen bedeutet die Sorge um die unheilbar Erkrankten am Ende ihres Lebens mit Glaube, Respekt und Liebe die Lampe des Glaubens und der Hoffnung anzuzünden, und zwar in einer Zeit, die von Dunkelheit, dem Gefühl der Einsamkeit und des Verlassen-Seins sowohl des Patienten als auch seiner Angehörigen umhüllt ist.

7.      Die zweite Sitzung wurde der besonderen Untersuchung von Richtlinien bezüglich der unheilbar Erkrankten am Ende ihres Lebens gewidmet wie sie in Israel in Harmonie mit der jüdischen Tradition und ihren allgemeinen Auswirkungen legalisiert worden sind. Es wurden Unterscheidungen hervorgehoben zwischen Aktionen, die den Tod beschleunigen und Aktionen der Unterlassung, ausgenommen der Erfüllung grundlegender menschlicher Bedürfnisse; also aktive Euthanasie und medizinisch assistierter Suizid sowie das Beenden von andauernder medizinischer Behandlung (z. B. Sauerstoffzufuhr oder Herzschrittmacher) und das Beenden einer lebensverlängernden medizinischen Behandlung ausgenommen grundlegender menschlicher Bedürfnisse (z.B. Dialyse, Chemotherapie).

8.      Die Delegationen anerkennen, dass die ethische und religiöse Komplexität in Situationen am Ende des Lebens für jede Situation entsprechend der besonderen Umstände und Bedürfnisse eine andere Anwendung erfordert.

9.      Die Delegationen wurden vom Generaldirektor des „Shaarei Zedek Medical Center“ willkommen geheißen, wo sie sich über die Behandlung von unheilbar Erkrankten am Ende ihres Lebens in Übereinstimmung mit den vorher erwähnten Prinzipien ein Bild machen konnten.

10.  Die Mitglieder der Delegation dankten Gott dem Schöpfer indem sie seinen Segen für alle Kranken erflehten, und für alle, die für die Heilungsprozesse und die Erhaltung des Lebens Sorge tragen.

Jerusalem
4. Mai 2023 – Iyar 13, 5783

Rabbi Rasson Arusi (Vorsitzender der jüdischen Delegation)
Rabbi Eliezer Simha Weisz 
Rabbi Prof. Avraham Steinberg
Rabbi David Rosen
Rabbi Gidon Shlush
Mr. Yehudah Cohen
Mr. Oded Wiener
Kurt Cardinal Koch (Vorsitzender der katholischen Delegation)
Archbishop Pierbattista Pizzaballa O.F.M.
Archbishop Adolfo Tito Yllana
Archbishop Bruno Forte
Bishop Giacinto-Boulos Marcuzzo
Msgr. Pier Francesco Fumagalli
Fr. Norbert J. Hofmann S.D.B.