Jüdisch-christliche Konferenz in Jerusalem, Bethlehem und Bet Jallah : Einmalige, besondere Tagung

Das Ergebnis der dritten Konferenz zum Thema Israel – Palästina kann nicht klarer ausfallen: „Diese Konferenz ist etwas Einmaliges und Besonderes", erklärt Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, Leiterin der Ökumene-Abteilung.

Die theologische Konferenz hat das Thema: Be Prophetic! Sei prophetisch. Die Gruppe liest gemeinsam prophetische Texte der Bibel, vor allem die Friedenswallfahrt der Völker nach Jerusalem (Jesaja 2). Sie hört auf prophetische Stimmen der Kirche, wie Martin Luther King, und sucht gemeinsam nach prophetischen Visionen für Israel und Palästina.

Nach drei intensiven Tagen fasst Oberkirchenrätin Rudolph die Rückmeldungen der Teilnehmenden so zusammen: "Auch wenn wir keine Antwort auf die Konflikte in der Region haben – in unserem kritischen Dialog übernehmen wir gemeinsam mit unseren Partnern in Israel und Palästina Verantwortung.“

Der palästinensische Bischof Dr. Muni Younan erklärt: „Jenseits von diplomatischen Richtigkeiten und einseitigen Stellungnahmen nutzen wir diese Tagung, um Vertrauen und Verständnis füreinander aufzubauen und zu festigen.“ Zu diesem Zweck trafen sich vom 27. bis 30. April 2015 in Beit Jala in der Westbank jüdische Vertreterinnen und Vertreter aus Israel, den USA und zum ersten Mal auch aus Deutschland, mit palästinensischen Christen der lutherischen, baptistischen und katholischen Kirche.

Partner im Gespräch

Neben Barbara Rudolph, Dr. Rainer Stuhlmann, Dr. Volker Haarmann und Prof. em. Dr. Berthold Klappert, die für die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) dabei sind, ist auch der Internationale Rat der Christen und Juden (ICCJ) mit mehreren Teilnehmenden vertreten. Die jüdisch-christliche Tagung wurde wieder initiiert von der EKiR, die ihre Partner seit einigen Jahren miteinander ins Gespräch bringt.

Den Auftakt bildeten die Ko-Referate des baptistischen Gelehrten Dr. Johanna Katanacho und des katholischen Theologen Dr. Father Jamal Khader. Die beiden palästinensischen Christen, der eine aus Israel, der andere aus den besetzten Gebieten, beschreiben die Situation ihrer Gemeinden und die Dringlichkeit für Veränderungen.

Nicht länger Zwei-Klassen-System

"Wir können nicht mehr länger Bürger zweiter Klasse in Israel sein", fordert Katanacho, der auch schon im Januar auf der Landessynode der EKiR gesprochen hatte. Und Father Jamal ergänzt: Wir reden zuerst über Gerechtigkeit und nicht Frieden, denn den Frieden erreichen wir nur durch Gerechtigkeit. Heftig wird über den „jüdischen Staat“ diskutiert. Ein jüdischer Staat kann nicht demokratisch sein, stellt Khader fest.

Deborah Weissman, bisherige Präsidentin des Internationalen Rates für Juden und Christen, antwortet mit ihrer Vision: Einen Staat muss es geben, in dem Juden in der Mehrheit sind und auch jüdische Feiertage den öffentlichen Alltag prägen. Aber Israel muss lernen, mit Minderheiten gerecht zu verfahren.

Stichwort BDS

Ein Stichwort fällt immer wieder: BDS, eine Kurzform für Boykott, Divestment (Stopp von Investitionen) und Sanktionen. Solidaritätsgruppen für die Palästinenser fordern seit längerem BDS, um Israel zu einer anderen Politik zu bewegen. „Boykott gegen Israel“, so stellt Barbara Rudolph aus der rheinischen Kirchenleitung fest, „ist in Deutschland ungeheuer belastet, gerade im Gespräch mit jüdischen Gesprächspartnern“.

Munib Younan, dessen Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land (ELCJHL) gemeinsam mit der Evangelischen Kirche im Rheinland die Konferenz ausrichtete, kritisiert die starre Haltung der Solidaritätsgruppen in Europa und Amerika: „Es gibt viele Wege, Gerechtigkeit für die palästinensischen Anliegen zu fordern.“

Hoffnung auf Zwei-Staaten-Lösung

Vor allem bittet er die Leitungen der Kirchen, sich laut und in der Öffentlichkeit zu positionieren für die Zwei-Staaten Lösung und für einen gerechten Frieden. Die ELCJHL ist die kleine lutherische Kirche, sie hat rund 2.500 Gemeindeglieder in sieben Gemeinden. Ihr Bischof Younan ist zugleich Präsident des Lutherischen Weltbundes.

Die Evangelische Kirche im Rheinland, die zu jüdischen und palästinensischen Gesprächspartnern ein langes und vertrauensvolles Verhältnis pflegt, wird auf Wunsch der Teilnehmenden im nächsten Jahr die 4. Konferenz ausrichten, wieder in der Westbank. „Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen“, fordern jüdische und palästinensische Vertreter gemeinsam.

Traum von einer gerechteren Welt

„Ich bete und tue alles dafür“, richtet ein palästinensischer Vertreter seine Worte an die jüdischen Gesprächspartner, „dass mein Traum von einer besseren und gerechteren Welt nicht der Albtraum für Euch wird. Bitte, betet Ihr auch für uns.“ Der tiefe Glaube der unterschiedlichen Traditionen verbindet die Gesprächsteilnehmer. „Oft bin ich erschöpft und wütend im täglichen Kampf um mehr Gerechtigkeit. Hier habe ich Nähe und Verständnis gespürt. Ich bin sehr ermutigt", sagt ein junger palästinensischer Vikar.

Aus jüdischer Sicht ergänzt Chana Zweiter, eine jüdische Teilnehmerin, die ein Netzwerk für jüdisch-palästinensische Begegnung in Israel aufgebaut hat: „Ich muss so viel investieren jeden Tag in meinem Engagement für einen gerechten Frieden in dieser Region. Von dieser Tagung nehme ich Kraft und Stärkung für meinen weiteren Weg mit.“

Editorische Anmerkungen

Quelle: Evangelische Kirche im Rheinland.