Interreligiöse Begegnung in Budapest

Der österreichische Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit besucht ungarische Partnerorganisation.

Interreligiöse Begegnung in Budapest

Der österreichische Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit besucht ungarische Partnerorganisation.

Wien/ Budapest. Am 10. und 11. September besuchte der Vorstand des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit die christlich-jüdische Gesellschaft in Budapest. Beide Organisationen sind duch ihre Mitgliedschaft im Internationalen Rat der Christen und Juden ICCJ miteinander verbunden. Im Gästehaus des Ökumenischen Rates der Kirchen kam es zu einer hochrangig besetzten Begegnung mit Vertretern der ungarischen Kultusgemeinden und Kirchen, etwa mit den reformierten Bischöfen von Debrecen und Veszprem, dem lutherischen Bischof Imre Szebik und Rabbiner József Schweitzer.

Andreas Heisler, Präsident des Verbands der Kultusgemeinden Ungarns, sieht für die jüdischen Gemeinden in Ungarn eine neue Epoche anbrechen: "Wir wir wollen jede Gelegenheit nützen, aus unseren Gettomauern heraus zu kommen und dem Land deutliche Lebenszeichen der jüdischen Religion zu zeigen." Das jüdische Sommerfestival hatte heuer 100.000 Besucherinnen und Besucher angelockt. Eine im Fernsehen übertragene gemeinsame Vorlesung eines kath. Bischofs und eines Rabbiners über Ostern und Pessach brachte hohe Einschaltquoten. "Christlich-jüdische Gesellschaften haben kein politisches Ziel", sagte Heisler, "doch sollten sie die Politik darauf aufmerksam machen, dass gegen Ausgrenzung und Verächtlichmachung des Judentums noch viel zu tun ist." Kirchen könnten dabei Lernorte der Toleranz sein, schloss Heisler.

Der katholische Fundamentaltheologe Michaly Kránitz berichtete von seiner Einladung ins Budapester Rabbinerseminar. Diese offizielle Begegnung damals war bewusst als Fortsetzung des Besuchs von Papst Johannes Paul II. in der römischen Synagoge 1986 auf lokaler Ebene gesetzt. Kránitz beendete seine Betrachtung der Schritte der römisch-katholischen Kirche seit Nostra Aetate mit einer persönlichen Interpretation: "Wir lieben unsere jüdischen Geschwister sehr und wir sollten diesen Weg gemeinsam fortsetzen."

1991 wurde die christlich-jüdische Gesellschaft in Ungarn durch den katholischen Theologen, Professor für semitische und biblische Sprachen, Jószef Szécsi, gegründet. Szécsi betonte: "Es ist nicht Aufgabe des Dialogs, Probleme zu lösen, sondern eine Atmosphäre des Dialogs zu schaffen, in der über die Probleme gesprochen wird." Er vermutete, dass christlich-jüdische Zusammenkünfte immer noch zu diplomatisch abliefen. Manches käme dort nicht zur Sprache, was im eigenen Kreis gesagt würde. Die christlich-jüdische Gesellschaft ist Herausgeberin eines "Jahrbuchs für christlich-jüdische Theologie" mit Fachbeiträgen unterschiedlicher theologischer Disziplinen der verschiedenen Bekenntnisse.

Gusztáv Bölcskey, evangelisch reformierter Bischof von Debrecen, erinnerte an vier Punkte, die die Generalsynode seiner Kirche im Jahr 1990 zum christlich-jüdischen Verhältnis festhielt: Den Wunsch nach Frieden im Heiligen Land zwischen den Angehörigen der abrahamitischen Religionen, die Freude über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Ungarn und dem Staat Israel, die Verpflichtung zu geschwisterlichen Beziehungen und zur Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde in Ungarn, sowie die Verurteilung des Antisemitismus. Die Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses sei Teil des Curriculums in der Ausbildung kirchlicher Lehrerinnen, Lehrer und Amtsträger. Helmut Nausner, Präsident des Koordinierungsausschusses, hielt eine Vorlesung "Christen beten zum Gott der Juden". Der provokant formulierte Titel führte hin zu der Einsicht, dass der Gott Israels Herr der Welt ist und Juden wie Christen Zeuginnen und Zeugen seiner Gegenwart in dieser Welt seien. Die ehemalige katholische Vizepräsidentin des Koordinierungsausschusses, Eva Petrik, nannte drei Schritte auf dem Weg, traditionelle Grenzen und Vorurteile zwischen Christen und Juden zu überwinden: einander begegnen, miteinander und voneinander lernen und gemeinsames Handeln.

Beim Empfang des österreichischen Botschafters in Budapest, Günter Birnbaum, war auch der Vorsitzende der ungarischen Bischofskonferenz, der Erzbischof von Eger, gegenwärtig. Botschafter Birnbaum unterstrich, dass dem österreichischen Aussenministerium der Dialog über die Grenzen - Staatsgrenzen und religiöse Grenzen - ein wichtiges Anliegen sei. Bereits im Vorjahr hatten das österreichische Kulturinstitut in Washington und der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit am Pessachfest gemeinsam den Ehrenschutz einer Sederfeier übernommen.

Eine Einladung der jüdischen Gemeinde und eine Führung durch das jüdische Viertel durch den Beaufttragten der Kultusgemeinde für internationale Beziehungen, Ernö Lazarovits, rundete das Programm ab. Die Gesänge von Kantor Richard Ames, jüdischer Vizepräsident des Koordinierungsausschusses, und des Budapester Kantors Lázsló Fekete in der weiten Halle der Synagoge in der Dohányi utca beeindruckten dabei besonders.

Präsident Helmut Nausner zog eine positive Bilanz der Begegnung: "Der Austausch auf hohem Niveau hat viele Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte unserer beiden Organisationen zu Tage gebracht. Wenn wir die Ressourcen dafür haben und gemeinsame Projekte zustande kommen, kann dies eine Bereicherung für beide Länder darstellen. Jedenfalls wurde konkret sichtbar, wie durch solche Initiativen Grenzen in einem zusammenwachsenden Europa überwunden werden können."

Dr. Markus Himmelbauer, Geschäftsführer

Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Christlich-jüdisches Informationszentrum, Wien