Heftige Kontroversen um palästinensischen Theologen

Die Verleihung des "Deutschen Medienpreises" an den palästinensischen Pfarrer Mitri Raheb sorgt für Kontroversen. Sowohl bei christlich-jüdischen Organisationen wie auch bei deutsch-israelischen Gesellschaften stößt die Ehrung auf teilweise heftige Kritik. Demgegenüber nahm Hans-Jürgen Abromeit, Bischof der Pommerschen Kirche und Vorsitzender des evangelischen Jerusalemvereins, den lutherischen Theologen aus Bethlehem in Schutz.

Raheb soll am 24. Februar  in Baden-Baden mit dem Deutschen Medienpreis für seinen Einsatz zur Verständigung von Christen, Juden und Muslimen geehrt werden. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, kritisierte hingegen in einer Presseerklärung, dass Raheb "ganz wesentlich" für das umstrittene "Kairos-Papier" von palästinensischen Christen mitverantwortlich sei, in dem unter anderem ein Boykott israelischer Waren gefordert wird.

In einem Brief an den ehemaligen Bundespräsidenten Prof. Dr. Roman Herzog hat der Deutsche Koordinierungsrat (DKR), Dachverband von über 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Deutschland, sein "großes Befremden" darüber zum Ausdruck gebracht, dass Herzog bereit sei, als Laudator für Mitri Raheb zu wirken. Als ehemaliger Schirmherr des DKR habe Herzog sich "entschieden gegen alle Formen der Judenfeindschaft, religiösen Antijudaismus, rassistischen und politischen Antisemitismus sowie Antizionismus" eingesetzt. Umso weniger könne man verstehen, dass er nun einen Theologen zu würdigen gedenke, der in seiner Theologie "jahrhundertealte judenfeindliche Stereotypen palästinensisch neu" belebe und ausdrücklich die Überzeugung vertrete, "Israel sei in den biblischen Verheißungen Gottes durch Palästina" zu ersetzen und zudem sei "Jesus Palästinenser und kein Jude". Gerade in Deutschland müsse das in fataler Weise an "Kirche und Theologie des Nationalsozialismus" erinnern, als "das Heil vom jüdischen auf das deutsche Volk übergehen" sollte und "Jesus als Arier galt". Vor diesem Hintergrund müsse Rahebs "palästinensische Befreiungstheologie ganz klar als antisemitisch" bezeichnet werden, heißt es in dem Schreiben.[1]

Die Raheb zur Last gelegten antijüdischen Aussagen stammen aus einer Rede, die Raheb auf der internationalen Konferenz „Christus am Checkpoint“[2] in Bethlehem im Jahr 2010 hielt. In der Ansprache ging es auch um die These des Palästinensers, er stamme vom biblischen König David ab, was hingegen etwa nicht für Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gelte. In einem Brief an Roman Herzog nimmt der Bischof der Pommerschen Kirche, Hans-Jürgen Abromeit, den palästinensischen Theologen in Schutz. U.a. schreibt Abromeit:

Ich möchte Sie herzlich bitten, sich von den wirklich ungerechtfertigten Diffamierungen, die Dr. Raheb zu erleiden hat, nicht beeindrucken zu lassen. Dr. Raheb ist jetzt seit 24 Jahren Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde zu Bethlehem, Direktor eines von ihm aufgebauten Bildungswerkes vor Ort und seit einiger Zeit auch Präses der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Er vertritt eine durch und durch lutherische Theologie, versteht allerdings auch zu provozieren. Die Sätze, die Ihnen geschickt wurden und aus dem Zusammenhang eines längeren Vortrages genommen sind, spielen an auf die Thesen, die der Tel-Aviver Geschichtsprofessor Dr. Shlomo Sand, Die Erfindung des Jüdischen Volkes. Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand, 2008 auf Hebräisch und 2010 auf Deutsch veröffentlicht hat. Das Buch hat eine sehr breite Aufnahme gefunden und wurde – zumal in Israel – sehr kontrovers diskutiert. (Über die Diskussion informiert sehr gut der entsprechende Wikipedia-Artikel.) Im Gegensatz zu dem Artikel der Jerusalem Post vom vergangenen Montag (Benjamin Weinthal, Former German president to honor anti-Semitic pastor) hat Dr. Raheb niemals das Recht des jüdischen Volkes bestritten, in Israel präsent zu sein, niemals hat er eine extremistische politische Agenda verfolgt, niemals hat er antisemitische Aussagen getätigt. Alles dies ist aus den Schriften von Dr. Raheb nicht zu belegen. Von Anbeginn seiner Tätigkeit an tritt er für die Wahrung der Menschenwürde jedes Menschen ein und sucht eine Lösungen des Konfliktes durch Dialog. Allerdings hält er gewaltlosen Widerstand in diesem Zusammenhang für geboten. [3]

Hierauf hat nun der Jerusalemer Neutestamentler Malcolm Lowe, der als einer der ersten auf die umstrittenen Passagen in Rahebs Rede auf der „Christus am Checkpoint“ Konferenz hingewiesen hat[4], seinerseits mit einem Brief an Herzog reagiert, dessen Kernpassagen nachfolgend wiedergegeben werden:

Bischof Abromeit hat dabei leider nicht überlegt, was Ethnologie sei und was Theologie sei. Der „entsprechende Wikipedia-Artikel“ enthält Argumente verschiedener Art. Nirgends aber findet man dort so etwas wie die Behauptung Rahebs (mehrmals in seiner Rede), der heutige Staat Israel entspreche daher „dem Rom der Bibel“. Denn dies ist eine rein theologische Aussage, die keineswegs allein aus der Theorie Sands zu folgern ist, sondern von Raheb selber aufgestellt wurde.


Eine Menge Kritiker fanden die Thesen Sands ziemlich irrig. Nehmen wir doch an, Sand habe mit seiner Meinung völlig recht. Wenn Raheb sich aber auf Thesen über die DNA-Abstammung der heutigen Juden und Palästinenser eine Theologie aufbaut, dann überschreitet er eine verbotene Schwelle.


Das kann jeder gut geschulte deutsche Laie verstehen; dafür muss man kein Bischof sein. Denn wir wissen, wie im Dritten Reich evangelische Pfarrer aus der Kirche entfernt wurden, weil sie angeblich falscher - nämlich jüdischer - Abstammung waren.


Geben wir auch zu, was kaum nachzuweisen wäre, Raheb meine in derselben Rede mit Recht, die Vorahnen der heutigen Palästinenser hätten die Bibel geschrieben. Es ist trotzdem eine zu verwerfende theologische Feststellung, wenn er in jener Rede auch behauptet, gerade daher verstehen allein die palästinensischen Christen aus biblischer Sicht heutige Umstände, andere Menschen aber nicht.


Die Bibel verbietet eine solche Theologie. Man lese nur das Buch Rut. Als fremde Frau im Ausland sprach Rut: „Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott“ (1.16). Genau das hätten die Vorfahren Netanjahus in Europa gesagt, wenn sie wirklich – wie Raheb in jener Rede meinte – zum Judentum konvertierte Europäer waren. Die Lutherübersetzung von 1984 setzt als Überschrift zum Buch Rut: „Eine Ausländerin findet Heimat in Israel“. D.h. die Theologie überwindet die Ethnologie.


So wurde Rut zur Urgroßmutter des Königs David (Rut 4.21). Raheb wahnt in der Rede, mit David DNA-verwandt zu sein. Daher entspricht auch Raheb – der eigenen Theologie zufolge – „dem Rom der Bibel“. Wie David und Jesus auch. Das Mattäusevangelium betont bekanntlich die fremden Frauen im Stammbaum Jesu: Rahab und Rut (1.5).


Wir wollen einen Bischof nicht weiter daran erinnern, was er schon beim Theologiestudium hätte lernen sollen. Rahebs Theologie ist ein Unding, eine grobe Häresie, vor der ein Bischof die Gläubigen warnen muss.

Die Treue zum alten Freund, sei er Raheb oder ein anderer, kann man schätzen. Die Angst um eine eigene Veranstaltung zu Ehren Rahebs in Berlin kann man verstehen. Aber die Erinnerung an die christliche Lehre sollte die erste Stelle einnehmen.