„Europa ohne die Juden, das ist nicht mehr unser Europa“

Die aktuelle Lage in Bezug auf den Antisemitismus und Perspektiven für die Zukunft der jüdischen Gemeinschaften in Europa waren die Themen einer Konferenz, die vom Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz sowie dem ersten Vizepräsidenten Antonio Tajani am Dienstagnachmittag im Europäischen Parlament in Brüssel ausgerichtet wurde.

„Wenn wir beobachten, dass jeder fünfte Jude in Europa verbale oder körperliche Gewalt erfahren hat, dass diese Aggressionen stetig ansteigen, und wenn wir sehen, dass die jüdische Bevölkerung Europas von fast vier Millionen 1945 auf unter eine Million gefallen ist, dann ist es höchste Zeit, nicht nur politisch klar Stellung zu beziehen, sondern unverzüglich wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Europa muss seinen jüdischen Bürgern eine bessere Heimat bieten“, sagte der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz.

„Manche verstehen noch immer nicht, dass nicht unser Blut oder unsere Religion uns zu Europäern machen, sondern dass wir geeint hinter unseren grundlegendsten Werten der Toleranz, des Respekts und der Freiheit stehen“, fügte er hinzu.

Der für den interreligiösen Dialog verantwortliche Vizepräsident Antonio Tajani (EVP, IT) sagte zur Eröffnung der Veranstaltung: „Laut der Jewish Agency sind 2015 ungefähr 10.000 Juden nach Israel gezogen, 8.000 allein aus Frankreich. Die Zahlen haben sich im Vergleich zu 2014 verdoppelt. Das ist leider dem andauernden Klima des Hasses gegen die Juden geschuldet. Im Jahr 1991 lebten 2 Millionen Juden in Europa, 2010 waren es nur noch 1,4 Millionen. Aber Europa ohne die Juden, das ist nicht mehr unser Europa.“

„Deshalb muss Europa, müssen seine Institutionen, seine Mitgliedstaaten und seine Bürger den Antisemitismus bekämpfen. Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen, und müssen zuversichtlich in die Zukunft blicken“, fügte er hinzu.

Unter den geladenen Gästen befanden sich Lord Jonathan Sacks, ehemaliger Oberrabbiner der United Hebrew Congregations of the Commonwealth, der das Impulsreferat zum Thema “The Mutating Virus: Understanding Anti-Semitism” gehalten hat, sowie Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz, der Oberrabbiner von Brüssel Albert Guigui und der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy.

Die Abgeordneten Fulvio Martusciello (EVP, IT), Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu Israel, Cecilia Wikström (ALDE, SE), Vizevorsitzende der Arbeitsgruppe Antisemitismus und Juan Fernando Lopez Aguilar (S&D, ES), Vorsitzender dieser Arbeitsgruppe, haben die Panel-Diskussionen moderiert, die sich jeweils mit der aktuellen Lage in Bezug auf Antisemitismus in Europa, mit nationalen Mustern und Erfahrungen sowie mit Perspektiven für die Zukunft befasst haben.

Das Video der gesamten Debatte steht hier zur Verfügung. Das Programm können Sie auf Englisch und Französisch herunterladen.

Editorische Anmerkungen

Die Veranstaltung wurde auf Grundlage des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) organisiert, insbesondere in Bezug auf Artikel 17, nach dem die Union einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog zwischen den EU-Institutionen und Kirchen, religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften sowie weltanschaulichen Gemeinschaften pflegen soll. Dies ist die zweite Veranstaltung dieser Art im Jahr 2016. Die erste wurde im April abgehalten und legte den Schwerpunkt auf das Thema „Europäische Muslime stellen sich der Radikalisierung und den Herausforderungen der Entradikalisierung“. Andere Veranstaltungen fanden 2015 statt, und zwar zu den Themen „Die Rolle von Bildung bei der Bekämpfung von Radikalisierung und Fundamentalismus“ und die Verfolgung von Christen auf der Welt.

Quelle: Europäisches Parlament.