Erzbischof Zyczynski: Antisemitismus Verstoß gegen Nächstenliebe
Warschau - Der Verkauf antisemitischer Bücher in der Umgebung von Kirchen ist nach Meinung des Lubliner Erzbischofs Jozef Zyczynski eine Geringschätzung des christlichen Gebots der Nächstenliebe. Mit dieser Stellungnahme reagierte der Erzbischof auf den vor wenigen Tagen veröffentlichten Aufruf katholischer Intellektueller an den polnischen Primas, Kardinal Jozef Glemp, einer in kirchlichen Räumen untergebrachten Buchhandlung den Mietvertrag zu kündigen, weil sie antisemitische Bücher verkauft: "Wir verstehen die Erlaubnis zur Hass-Propaganda in einem kirchlichen Gebäude nicht", schrieben u.a. der frühere Außenminister Wladyslaw Bartoszewski und Leon Kieres, Leiter des Instituts des Nationalen Gedenkens. Die Nichtaufkündigung des Mietvertrags der Buchhandlung könne vermuten lassen, dass die antisemitischen Texte von der Kirche gebilligt würden.
Nicht weit von der Synagoge
Die Buchhandlung "Antyk", die seit zwei Jahren mit ihren antisemitischen Buchangeboten Proteste auslöst, ist im Untergeschoss der Allerheiligen-Kirche in der Warschauer Innenstadt untergebracht, nur rund hundert Meter von der einzig verbliebenen Synagoge der polnischen Hauptstadt entfernt. An der Außenmauer der Kirche erinnert eine Gedenktafel an Katholiken, die während des Zweiten Weltkriegs Juden gerettet hatten - das Ghetto befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft.
Die Maturantin Zuzanna Radzik, die von jüdischen Freunden auf die Buchhandlung aufmerksam gemacht worden war, hat als erste den Kampf aufgenommen. Zunächst wollte sie nicht glauben, dass ausgerechnet im Nahbereich jener Kirche, in der die polnischen Bischöfe im Frühjahr 2001 um Vergebung für den Antisemitismus in der Kirche gebetet hatten, Zeitschriften verkauft werden, deren antisemitische Karikaturen an die Hetzpropaganda des nationalsozialistischen "Stürmer" erinnern.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingestellt
Die Krakauer katholische Wochenzeitung "Tygodnik Powszechny" machte sich das Anliegen der Schülerin zu eigen. Die Berichte im "Tygodnik" machten die Staatsanwaltschaft mobil: Aufruf zum Rassenhass und die Verunglimpfung nationaler und religiöser Minderheiten sind in Polen strafbar. Umso größer war die Enttäuschung, als die Ermittlungen in diesem Sommer eingestellt wurden, da keine "verbrecherische Absicht" zu erkennen wäre. Dabei kam der ermittelnde Staatsanwalt durchaus zu dem Schluss, dass in mehreren Büchern Juden als "von Grund auf unmoralisch" und "bedrohlich" dargestellt werden. Die Bücher seien jedoch stets im "historischen Kontext" zu sehen und nicht als Aufruf zum Rassenhass. Überdies hätten der Betreiber der Buchhandlung wie auch die jeweiligen Verlage versichert, sie wollten niemanden verunglimpfen. Für Zuzanna Radzik, aber auch für die Vertreter der jüdischen Gemeinde Warschaus, klingt eine solche Begründung wie Hohn.
Die Verbreitung solcher Veröffentlichungen lasse sich auch dann nicht rechtfertigen, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, sagte nun Erzbischof Zyczynski.