Mädchen werden mit 12 Jahren religionspflichtig, lesen aber nicht aus der Tora wie die dreizehnjährigen Jungen, die Bar Mitzwa. Wenn ein Mädchen ihre Bat Mitzwa in der Synagoge feiern wollte (wie meine jüngste Tochter), musste sie sich einer Reform-Synagoge anschließen. Seit langen fordern Frauenbewegungen, unter anderem auch orthodoxe, Mädchen das Toralesen in der Synagoge zu gestatten, und sei es in einem reinen Frauengottesdienst.
Es gibt dreihundert Torarollen an der Mauer, aber alle befinden sich in der Männerabteilung und der Rabbiner der Mauer, Rabinowitz, verbietet das Mitbringen eigener Torarollen. Der Rabbiner hat auch alle Bitten der Frauen abgelehnt, eine Torarolle in den Bereich der Frauen zu bringen und die Frauen daraus lesen zu lassen. Das Religionsgestz verbietet so etwas nicht, es wird aber argumentiert, es sei gegen den Brauch.
Die Frauen hatten mehrfach versucht, eine Torarolle einzuschleusen, waren aber immer wieder daran gehindert worden. So hatten die Frauen ihr Gebet an der Mauer beendet und waren dann in den Bereich an der Mauer unter dem Robinsonbogen umgezogen und hatten da aus einer Torarolle gelesen.
Diesesmal waren die Frauen mit Geschick vorgegangen und hatten so das Rabbinat täuschen können. Sie führten eine normale Toraolle mit sich, die natürlich beschlagnahmt wurde, aber in einer Tasche für einen Gebetsschal (einem Talit) hatten sie unbemerkt eine Minirolle eingeschleust und daraus gelesen. Die Polizei hatte das wohl bemerkt, war aber nicht eingeschritten.
Die Minirolle hat eine eigene Geschichte. Die Frauen hatten sich die Rolle von einem Londoner Sammler für diesen besonderen Zweck ausgeliehen. Die Rolle war 1880 aus Littauen nach Südafrika geschmuggelt worden und fand später ihren Weg nach England. Man nimmt an, dass sie angefertigt wurde, um das Verbot, Tora zu lesen, im zaristischen Russland, zu dem Litauen damals gehörte, zu umgehen. Von daher gesehen, hat die Rolle wieder diesen Zweck erfüllt.
Eine persönliche Anmerkung
Meine erste Tochter feierte ihre Bat Mitzwa zu Hause, bestärkt durch meine Frau, eine orientalische Jüdin aus Algerien, die der Meinung war, dass Frauen ihrem Herr Gott danken sollten, dass sie nicht ständig in die Synagoge zum Gottesdienst gehen müssten wie die Männer, deren Sache das sei. So gibt es in den acht orientalischen Synagogen in dem Dorf Ein Karem, (eine aschkenasische gibt es nicht) in dem wir wohnen, keine besonderen Frauenabteilungen, oder diese Abteilungen, wenn es sie doch gibt, sind an den Alltagen und Schabbaten leer und füllen sich nur an den hohen Festtagen. Wenn es keine besonderen Abteilungen gibt, sind die Frauen mit in der Synagoge zusammen mit den Männern.
Meine jüngste Tochter war aber auf einer fortschrittlichen Schule, wo die Mädchen sehr für die Emanzipation der Frauen eingenommen waren. Die Zwölfjährigen wollten also aus der Tora lesen, so auch meine Tochter, also war ich ein Jahr Mitglied der Har El Synagoge, die damals von Schalom Ben Chorins Sohn geleitet wurde und dort feierte sie ihre Bat Mitzwa. Mein orthodoxer Freund, Rabbiner und Professor Zeev Falk, hatte davon gehört, dass meine Tochter in der Synagoge ihre Bat Mitzwa feiern würde und bat um Erlaubnis, dabei sein zu dürfen. Er war ganz begeistert. Wie schön hat Deine Tochter gelesen, sagte er mir. Nun ja, sagte ich, es liegt an Euch, so etwas auch in Eurer Synagoge zuzulassen. Es ist übrigens interessant, dass die meisten Mitschülerinnen meiner Tochter später orthodox wurden und orthodoxe Männer geheiratet haben.
Ich war damals Mitglied dreier religiöser Gemeinden, der evangelischen in der Altstadt, der Jemenitengemeinde Etz ha-Haim in Ein Karem und der Har El Gemeinde in Jerusalem.

