Einführungen in den evangelischen Glauben - Und die Einsichten des christlich-jüdischen Gesprächs

Das christlich-jüdische Gespräch hat bedeutende Ergebnisse erzielt. Es ist bisher jedoch trotz großer Bemühungen nur unzureichend gelungen, diese auch auf die Ebene der Gemeinden zu tragen. Hierin liegt eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft.

Einführungen in den evangelischen Glauben - Und die Einsichten des christlich-jüdischen Gesprächs

Das christlich-jüdische Gespräch hat bedeutende Ergebnisse erzielt. Es ist bisher jedoch trotz großer Bemühungen nur unzureichend gelungen, diese auch auf die Ebene der Gemeinden zu tragen. Hierin liegt eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft. – so die Studie der EKD Christen und Juden III aus dem Jahr 2000.,[1] Ein Prüfstein, um festzustellen, ob die Einsichten aus dem christlich-jüdischen Gespräch in der Breite rezipiert werden, ist die Analyse von Einführungen ins Christentum. Greifen sie das Thema auf und wenn ja, auf welche Weise?

Vor dem Hintergrund neu erwachenden Interesses am Thema Religion und zugleich dem immer weiter fortschreitender Verlust elementaren Wissens über das Christentum erscheint in Deutschland bereits seit einer Reihe von Jahren eine Fülle von Publikationen, deren Anspruch es ist, elementar und zugleich umfassend über das Christentum zu informieren.

Der Systematische Theologe Martin Honecker erstellte einen Überblick aktueller Werke.[2] Er unterteilt die Publikationen in folgende Kategorien:

1. Kritik am Christentum,

2. Evangelische und Katholische Katechismen,

3. Ökumenische Katechismen,

4. Bücher, die die Differenz von Protestantismus und Katholizismus behandeln,

5. Auslegungen des Glaubensbekenntnisses,

6. Einführungen in den christlichen Glauben,

7. Kurzinformationen über den christlichen Glauben,

8. Religionskundliche Einführungen.

Ich ergänze diese Liste um

9. Einführungen in die systematische Theologie für Studierende der Theologie und Religionspädagogik.

Honecker formuliert die Kriterien, denen eine Einführung genügen sollte: Notwendig sind daher Einführungen, im Sinne einer Introductio, oder die Eröffnung von Zugängen, damit man sich mit dem Christentum vertraut machen kann… Es geht um Grundinformationen und Grundwissen. Einführungen sollen das Christentum oder den christlichen Glauben zunächst einmal bekannt machen und Verständnis wecken, aber nicht einfach Werbung oder Propaganda enthalten.[3]

Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen, ob und auf welche Weise die Themen „Judentum“ und das „christlich-jüdische Verhältnis“ vorkommen. Exemplarisch und kursorisch werde ich eingehen auf:

1. Evangelische Katechismen;

2. Einführungen in den evangelischen Glauben;

3. Kurzinformationen

4. Systematische Einführungen für Studierende der Theologie und Religionspädagogik.

KATECHISMEN

Der Evangelische Erwachsenenkatechismus

Der Evangelische Erwachsenenkatechismus wurde erstmalig von der VELKD 1975 herausgegeben. Er ist kein Katechismus im klassischen Sinn. Weder folgt er dem Frage – Antwort Schema, noch ist er kurz. Er umfasst 1.356 Seiten und ist somit eher ein Nachschlagewerk bzw. ein Lexikon. Die sechste Auflage, die im Jahr 2.000 erschien, wurde gründlich überarbeitet und im Umfang reduziert, so dass sie „nur“ noch 866 Seiten umfasst.[4] Alles in allem: eine umfassende Darstellung. Die Gliederung ist thematisch und besteht aus sechs großen Kapiteln: „Gott“, „der Mensch“, „Jesus Christus“, „Leben in der Welt“: die Ethik“ „Leben in der Kirche: Heiliger Geist“ und „Ziel aller Wege: ewiges Leben“. Die Kapitel sind dann in weitere Abschnitte mit je eigenen Unterkapiteln gegliedert. „Dem EKK geht es um eine argumentative Vermittlung des Glaubens, er ist didaktisch und informierend gestaltet.“[5] Das Werk versteht sich als ein „Kursbuch zum Glauben“. Sein Anspruch ist es zu informieren, neue wissenschaftliche Einsichten und Hintergründe zur Bibel und zur Theologiegeschichte zu bieten, sowie Erfahrungen zu deuten. 110 Fachleute haben an seiner Entstehung mitgearbeitet. Der EKK hat einen hohen Verbreitungsgrad: mehr als 250.000 Exemplare sind bisher gedruckt. Ob er gelesen wird und wie er genutzt wird, ist eine andere Frage.

Unter der Überschrift „Der Gott der Juden und der Christen“ widmet der EEK dem Judentum und dem Verhältnis vom Christentum zum Judentum13 Seiten. Im ersten Teil geht es um die Grunderfahrung Israels unter der Überschrift „Befreit, erwählt, verpflichtet“, dann um „das erwählte Volk und die übrigen Völker“. Es schließen sich die Abschnitte „Leben vor Gott: die Tora“ und „Israels Gottesverständnis“ an. Den Abschluss bildet ein kurzer Abschnitt zu „Jesus der Jude.“ Unter der Überschrift „Hintergründe“ geht der Katechismus der Frage „Das Volk Israel im Neuen Testament“ nach. Ein Abschnitt zu „Altes Testament – Neues Testament“ und ihrer Verhältnisbestimmung schließt sich an. Auf knappem Raum folgen die Themen „Land Israel – Zionismus“ und „Antijudaismus – Antisemitismus“. Im abschließenden Abschnitt wird gefordert: „Es ist heute unsere Aufgabe, Vorurteile abzubauen und Verständnis füreinander zu stärken. Nur so können wir die Verwirrungen der Vergangenheit überwinden. Aus unserem Glauben an Jesus Christus ergeben sich bedeutsame Unterschiede zum jüdischen Glauben. Dennoch dürfen die wichtigsten Gemeinsamkeiten nicht übersehen werden…“[6]

Die gegeben Informationen sind grundsätzlich korrekt. Dicht gedrängt werden in den ersten vier Abschnitten grundlegende Informationen über Israel gegeben; jedoch - fast nur über das biblische Israel. Es fehlt eine Fortschreibung der nachbiblischen Geschichte des jüdischen Volkes bis in die Gegenwart. Es ist klar, dass dies nicht umfassend, sondern allenfalls schlaglichtartig zu leisten ist, aber es ist unverzichtbar, um deutlich zu machen, dass die (Heils)-Geschichte Israels nicht in der Antike mit der Ankunft Jesu Christi endete, wie es die Substitutionstheologie lehrte.

Kritik ist weniger zu äußern in Bezug auf die Informationen, die gegeben werden, sondern vielmehr in Bezug auf die Informationen, die fehlen. So wird z.B. nicht die intensive theologische Arbeit der vergangenen 50 Jahre, die u. a. ihren Niederschlag in den drei Studien der EKD fand, erwähnt. Es fehlen eine kritische Auseinandersetzung mit christlichem Antijudaismus und eine theologische Verhältnisbestimmung vom Christentum zum Judentum.

Kleiner Evangelischer Erwachsenenkatechismus

Da der Evangelische Erwachsenenkatechismus mit seinen mehr als 800 Seiten für viele zu umfassend ist, hat das Lutherische Kirchenamt der VELKD eine komprimierte Ausgabe herausgegeben. Diese 2004 erschienene Ausgabe umfasst immerhin auch noch 300 Seiten. Zahlreiche Kapitel sind aus dem Evangelischen Erwachsenenkatechismus übernommen, an manchen Stellen wurden sie überarbeitet, um den Zusammenhang zu erhalten. Mit der Kürzung wurden nicht nur oft dicht gedrängten Informationen reduziert, sondern die Darstellung wurde im Hinblick auf Verständlichkeit und Komplexität des Inhalts elementarisiert. Der Duktus und die Gliederung der Kapitel wurden im Wesentlichen beibehalten. Erfreulicherweise ist festzustellen, dass das Kapitel „Der Gott der Juden und der Christen“ nicht der Kürzung zum Opfer fiel. Innerhalb dieses Kapitels wurde der Abschnitt „Altes Testament – Neues Testament“ gestrichen. In Bezug auf Ausführungen zum Judentum und zum christlich-jüdischen Verhältnis gilt, was ich oben im Hinblick auf den EEK festgestellt habe.

Evangelischer Gemeindekatechismus

Der Evangelische Gemeindekatechismus erschien im Auftrag der Katechismuskommission der VELKD erstmals 1979. Die fünfte Auflage von 1994 wurde überarbeitet und ergänzt. Sie wurde 2002 unverändert nachgedruckt.[7] Auch dieses Werk hatte eine immense Auflage: Weit mehr als 100.000 Exemplare wurden gedruckt.

Das Werk ist in sieben Teile gegliedert: „Mensch“, „Gott“, „Sünde“, „Jesus Christus“, „Leben“, „Heiliger Geist“ und „Ziel“ sind die Globalthemen. Die Verknüpfung mit beständigen Verweisen auf Luthers Kleinen Katechismus war den Herausgebern ein besonderes Anliegen.[8] Drüber hinaus zielt dieses Werk auf die Verwendung in Gemeindegruppen, und es wurde dazu Material publiziert.

Kapitel zum „Judentum“ oder „Israel“ gibt es nicht. Die Stichworte erscheinen weder im Inhaltsverzeichnis noch im Register. Die Themen „Israel“ und „Juden“ tauchen zwar auf, jedoch nicht an exponierter Stelle. Israel wird nur als das biblische Israel gesehen und durch eine christliche Perspektive impliziter Superiorität gesehen.

Unter der Überschrift „Was erzählt die Bibel vom Handeln Gottes?“ wird auf die Erwählung Israels eingegangen. Nach einer kurzen Erläuterung zur Erwählung Israels, wird der Niedergang und Verlust der Eigenstaatlichkeit unter der Überschrift „Vor Gott ist ein Volk zerbrochen“ beschrieben. Als Perspektiven, die über das Exil und den Verlust des Tempels hinausführen, werden Aspekte benannt, die eine besondere Relevanz für die traditionelle christliche Deutung dieses Geschehens haben. So wird Jer. 31.31-34 mit der Verheißung eines neuen Bundes zitiert. Jüdische Deutungen dieser Ereignisse und Strategien im Hinblick auf den Verlust des Staates und vor allem des Tempels werden nicht benannt. Stattdessen erfahren die Leserinnen und Leser: „In das jüdische Schicksal ist Jesus eingetreten.“[9] Der Blick auf das Judentum erfolgt nicht unter einer historischen, sondern einer theologischen Perspektive, die Superiorität gegenüber dem Judentum für sich beansprucht.

In den Ausführungen zu Jesus Christus wird der Lehrsatz „wahrer Mensch und wahrer Gott“ erläutert. In diesem Zusammenhang wird das Mensch-Sein Jesu konstatiert, auf Jesu Jude-Sein wird nicht eingegangen.

Die Darstellung von Jesu Wirken folgt dem alten Muster der Gegenübersetzung von Jesus und den Rabbinen seiner Zeit: Jesus tritt wie ein jüdischer Schriftgelehrter auf: Er lehrt in der Synagoge und diskutiert mit seinen Gegnern… So wird er mit Recht vom Volk als Autorität in der Schriftauslegung anerkannt… Doch unterscheidet sich Jesus von den Rabbinern durch die Unmittelbarkeit seiner Gleichnisse und die Freiheit in der Auslegung der Gesetze.[10] Es folgt eine antijüdische Vorstellung von jüdischer Observanz, die nur die formale Beachtung des Gebotes, nicht aber den inneren Sinn des Gebotes, nämlich den Willen Gottes zu tun, benennt.[11]Die neue Auslegung des Willens Gottes durch Jesus wird am greifbarsten in der Bergpredigt und im Doppelgebot der Liebe… Jesus zeigte damit, dass Gott nicht Gesetzeserfüllung, sondern Liebe erwartet…[12]

Die Ausführungen zur Kirche als „Volk Gottes“ zeigen klassisches Substitutionsdenken: Wenn sich die Kirche als Volk Gottes versteht, bekennt sie sich zum Weg Gottes mit Israel, der bis zu Christus führt.[13] Ein solcher Satz kann und darf in einem Werk, welches im Auftrag einer lutherischen Kirche herausgegeben wird, im 21. Jahrhundert nicht erscheinen!

Kirche und Volk Israel werden einander gegenübergestellt: „Während im Alten Bund Gottes Volk nur aus Israel bestand, ist das neue Volk Gottes, die Kirche, eine Gemeinschaft aus Menschen aller Völker und Rassen.“[14] Was mit dem Volk Israel nach Jesu Ankunft geschah, wird nicht explizit erwähnt. Implizit lässt sich jedoch nur schließen, dass die Erwählung Israels auf die Kirche übergegangen sei.

Im Gemeindekatechismus finden sich Vorstellungen, die auch in akademischen Lehrbüchern evangelischer Theologie bis in die 70er und vermutlich 80er Jahre vorkamen. Es ist an der Zeit, sie auch aus dem Gemeindekatechismus zu entfernen.

Bewusstsein für Antijudaismus haben die Autoren dieses Werks nicht gehabt. Auch kommt die Bedeutung des christlich-jüdischen Verhältnisses an keiner Stelle zur Sprache. Auch würde einem lutherischen Katechismus eine Auseinandersetzung mit Luthers wüsten Ausfällen gegen das Judentum gut anstehen.

Genug der Beispiele, die in der antijüdischen Tradition der lutherischen Nachkriegstheologie stehen. Das Buch erschien erstmals Ende der 70er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt war nur die erste der drei EKD-Denkschriften erschienen. Insofern mag es verständlich sein, dass die dort gewonnen Einsichten, vor allem aber die der nachfolgenden Denkschriften hier noch keinen Eingang gefunden haben. Jedoch: bei der Überarbeitung von 1994 hätten diese Aspekte verändert werden müssen, ein unveränderter Nachdruck im Jahr 2002 hätte nicht erfolgen dürfen.

Evangelischer Taschenkatechismus

Der Evangelische Taschenkatechismus erschien im Jahr 2000 mit einem Geleitwort des damaligen Präses der Rheinischen Kirche und Ratsvorsitzenden der EKD, Manfred Kock, jedoch nicht im kirchlichen Auftrag. Herausgeber des Werkes sind Winrich Clasen, Michael Meyer-Blanck und Günter Ruddat.

Die acht Kapitel des ETK gehen von der Kirchengemeinde aus und vertiefen deren Wahrnehmung durch die Glaubenslehre und durch die Bibel… Es folgt ein Blick nach innen auf Gottesdienst und Kirchenjahr und ein Blick über Kirchenmauern hinweg auf andere Religionen, Alltag und Gesellschaft, so die Selbstbeschreibung. Das Buch richtet sich an Christen und Nichtchristen. Ziel ist Kompetenz in Glaubensfragen zu vermitteln. Es soll eine „Verbindung von Theologie von Gemeindegliedern und der Erkenntnisse theologischer Wissenschaft“ hergestellt werden.[15]

Die Kapitel des Buches: Gemeinde, Glauben, Bibel, Gottesdienst, Kirchenjahr, Religionen, Alltag und Gesellschaft setzen sich aus einzelnen Stichworten, wie z.B. „Altes Testament“, „Die Zehn Gebote“, „Psalmen“ etc. zusammen. Die Stichworte wurden jeweils von einem Autor bzw. einer Autorin verfasst und sind namentlich gekennzeichnet. Sie bilden je einen abgeschlossenen, gut verständlichen Text. Die gegebenen Informationen sind fundiert und elementar. Die einzelnen Stichworte können jeweils für sich gelesen werden und bauen nicht aufeinander auf. Dies ist zum einen ein Vorteil, zugleich jedoch ein Nachteil, da es keine inhaltliche Verzahnung der einzelnen Themen gibt. Diese Vorgehensweise erzeugt letztlich eine Art Lexikon, nicht jedoch ein Werk, in welchem Themen durch Verknüpfung entfaltet und vertieft werden.

„Judentum“ erscheint als ein Stichwort im Kapitel Bibel: thematisch steht es zwischen den „Psalmen“ und dem „Neuen Testament.“ „Judentum“ wurde nicht im Kapitel Religionen, wo es um Buddhismus, Hinduismus, Islam und Esoterik geht, untergebracht. Das Stichwort „Judentum“ hat Frank Crüsemann, ein emeritierter Professor für Altes Testament, verfasst. Auf 3,5 Seiten gelingt es ihm, Einsichten, die Theologen im christlich-jüdischen Dialog der vergangenen Jahrzehnte gewonnen haben, elementar darzustellen. An den Anfang stellt Crüsemann das Wort Jesu im Johannesevangelium: „Das Heil kommt von den Juden.“ (4,2). Im Folgenden beschreibt er das entstehende Christentum als eine jüdische Bewegung, die sich zu einer antijüdischen entwickelte. Es folgen ein kurzer historischer Abriss der jüdischen Geschichte und zentraler Aspekte des Judentums, wie Talmud, Halacha, jüdische Feste und Land Israel. Im letzten Abschnitt geht Crüsemann auf die Erneuerung der christlichen Wahrnehmung des Judentums in den vergangenen Jahrzehnte ein: Wenn Christen verstanden haben, dass das Heil nicht nur einmal von den Juden gekommen ist, sondern dass der Satz Jesu (Johannes 4,22) immer gilt, ist das ein Anlass zur Freude.[16]

Im Vergleich zum Evangelischen Gemeindekatechismus, wo dieses Thema fehlt und der von antijüdischen Aussagen durchzogen ist und auch im Vergleich zum EEK, ist diese Darstellung wegweisend, da sie versucht, nicht allein Sachinformationen über das Judentum zu vermitteln, sondern zugleich Aspekte einer Theologie der Wertschätzung benennt. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu fragen, ob die biblische Aussage „Das Heil kommt von den Juden“ als theologische Überschrift trägt. Die Gefahr dieser biblischen Aussage besteht darin, dass sie missverstanden wird.

Evangelische Glaubensfibel

Die 2006 erschienene Evangelische Glaubensfibel ist die jüngere und dünnere Schwester des Evangelischen Taschenkatechismus. Sie ähnelt ihm auch in der graphischen Aufmachung, unterscheidet sich jedoch in der Anordnung der Kapitel: Bibel, Glaube, Gemeinde, Gottesdienst, Kirchenjahr und Alltag. Hinzugefügt wurde eingangs ein Text zur Frage: Was ist evangelisch? Das Vorwort stammt vom Ratsvorsitzenden der EKD Wolfgang Huber. Viele der Stichworte wurden aus dem Evangelischen Taschenkatechismus übernommen, so auch das von Crüsemann bearbeitete zum „Judentum“. Es ist jedoch nicht dem Kapitel „Bibel“, sondern dem Kapitel „Glaube“ zugeordnet. Dies ist eine Verbesserung, da die Einordnung im Kapitel „Bibel“ eine historische Verknüpfung nahe legt und dazu führen kann, die Themen „Judentum“ und „christlich-jüdisches Verhältnis“ als ein Thema der Vergangenheit zu betrachten.

ALLGEMEINE EINFÜHRUNGEN IN DEN EVANGELISCHEN GLAUBEN

Evangelischer Glaube

Das von Thomas Gerlach verfasste Buch Evangelischer Glaube – Basisinformationen und neue Zugänge erschien 2002 in der Reihe der Bensheimer Hefte und wurde im Auftrag des Evangelischen Bundes herausgegeben.[17] Mit seinen 288 Seiten ist dieses Werk nicht gerade kurz zu nennen, aber auch nicht so umfassend wie der EEK. Die Überschriften der Kapitel folgen der Grundaussage des Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube …. an Gott … den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde … und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn… Ich glaube an den Heiligen Geist…die heilige christliche Kirche …die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Einzelne Stichworte: wie z.B. „Glaube“, „Bekehrung“, „Offenbarung“, „Heilige Schrift“, „Bekenntnis“ sollen das Glaubensbekenntnis und damit den evangelischen Glauben erschließen helfen.

Das Buch ist nicht lexikonartig, reflektierend, sondern erzählend, den Leser direkt ansprechend: „Wissen Sie eigentlich, wo sich ihre Bibel im Moment befindet? Steht sie im Regal? Liegt sie in einer Schublade? Ist sie vielleicht bei den anderen Büchern unterm Stapel? Oder ist sie gar in den Keller geraten?“[18]

Das Stichwort „Judentum“ erscheint nicht im Register, auch „Israel“ ist nicht zu finden. Diese Abwesenheit gilt nicht nur für das Register, sondern für das ganze Buch. Es herrscht eine vollständige „Israelvergessenheit.“ Auch im Abschnitt zu Jesus Christus wird zwar Jesu Mensch-Sein thematisiert, aber dass dieser Mensch ein jüdischer Mensch war, bleibt unerwähnt.

Drastische antijüdische Aussagen, so wie sie sich z.B. im Evangelischen Gemeindekatechismus finden, kommen nicht vor. Dieses Werk, welches im Auftrag einer evangelischen Institution erschien, ist durchaus charakteristisch für viele solcher Einführungen: es gibt keinen Bezug weder auf das biblische Israel noch auf das geschichtliche oder gegenwärtige Judentum.

EINFÜHRUNGEN FÜR STUDIERENDE IN DIE SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Einführung in die Glaubenslehre

Die Einführung in die Glaubenslehre – Ein religionspädagogisches Arbeitsbuch, richtet sich an Religionspädagoginnen und Religionspädagogen. Ihnen soll es einen Zugang zur Glaubenslehre ermöglichen. Erklärtes Ziel der Autoren ist, „die „klassischen“ Vorgaben der Glaubenslehre sowie die herausragenden Vertreter dieser Disziplin möglichst umfassend zu berücksichtigen.“[19] Zugleich ist ihnen wichtig, Religionspädagogik nicht auf eine Anwendungswissenschaft zu reduzieren. Daher haben sie die klassische Abfolge von biblisch-theologischen, systematisch-theologischen und didaktischen Aspekten hinter sich gelassen. Die Religionspädagogik ist ein ständiger Bezugspunkt und die dialogische Verzahnung der Aspekte das Ziel.[20]

Im Vergleich zu anderen Einführungen fällt der Umfang der drei einleitenden Kapitel auf, in denen es um das Verhältnis von Religionspädagogik und Theologie, den gesellschaftlichen Kontext der Glaubenslehre, sowie um ihre Grund- und Anfangsfragen geht.

Auffällig in der Struktur des Buches ist ein wiederkehrender Bezug auf Belletristik, vor allem auf Lyrik. Die Literatur dient dabei nicht als Beispiel der christlichen Glaubenssätze, sondern soll „die gewohnte theologische Tradition unterbrechen und dadurch den Zugang für „Laien“ erleichtern.“[21]

Ein weiteres Charakteristikum dieses Buches ist sein Anliegen, verschiedene theologische Positionen durchaus in ihrer Spannung untereinander darzustellen, so dass „an ihnen … der Umgang mit Pluralität“ geübt werden kann.[22] Pluralität bezieht sich hier auf innerchristliche Perspektiven: das christlich-jüdische Verhältnis und der interreligiöse Dialog kommen nicht zur Sprache.

Klassische theologische Themen werden im vierten und fünften Kapitel entfaltet. Dort geht es um „die Wirklichkeit Gottes und des Menschen“, im Besonderen um die Themen Schöpfung, Sünde und Fall, Kreuz, Rechtfertigung und das Reich Gottes. Im sechsten Kapitel kommen Sakramente und christliche Feste zu Sprache, Themen, die lebensgeschichtliche und erfahrungsbezogene Ansatzpunkte haben.

Das Thema Judentum kommt an keiner Stelle des Inhaltsverzeichnisses explizit vor. Es findet kurz Erwähnung im Rahmen der Darstellung verschiedener Trends in der Jesus-Rezeption des 20. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang wird kurz jüdische Jesusforschung erwähnt, wie auch der Widerspruch gegen das Herauslösen Jesu aus dem jüdischen Kontext des 1. Jahrhunderts.[23]

So anregend und die Lektüre dieses Werkes ist, so bedauerlich ist doch die völlige Leerstelle zum Thema „Judentum“ und dem christlich-jüdischen Verhältnis.

Grundkurs Dogmatik

Der von der Leipziger Professorin für systematische Theologie Gunda Schneider-Flume verfasste Grundkurs Dogmatik – Nachdenken über Gottes Geschichte ist sehr viel stärker als die Einführung in die Glaubenslehre an traditionellen Themen der Systematik orientiert.[24] Zielgruppe dieses Werkes sind Studierende der Theologie. Der Autorin ist ein biblischer Bezugs- und Ausgangspunkt wichtig. So beginnt jedes Kapitel mit einem biblischen Zitat bzw. einer biblischen Geschichte und einer Meditation.

„Theologie denkt der Geschichte Gottes nach“ – so Schneider-Flumes Grundsatz.[25] „Gegenstand der wissenschaftlichen Theologie ist die erzählte und zu erzählende Geschichte Gottes… In den [biblischen] Geschichten ereignet sich Gott Erfahrung erneuernd… Deshalb muss Theologie immer wieder zu den Geschichten zurückgehen. Insofern ist sie [Theologie] Schriftauslegung, biblische Theologie. Dabei werden nicht aus den Geschichten Begriffe abstrahiert, vielmehr folgt biblische Theologie der Bewegung und der Erfahrung der Geschichten und legt sie … aus.“[26]

Das aus 17 Paragraphen bestehende Werk ist in ein einführende Kapitel und die Themen „Gott“, „Jesus Christus“, „Heiliger Geist“, „Kirche“ und „Eschatologie“ aufgeteilt. Ein eigener Abschnitt ist der Bibel gewidmet. Hier hätte die Chance bestanden, Bezug auf das Judentum zu nehmen. Die Chance wird jedoch verpasst; es finden sich nur wenige Sätze hierzu. Gegen die Versuche, einen christlichen Kanon ohne das AT begründen zu wollen, führt Schneider-Flume an, dass in ihm „Juden und Christen das Wort Gottes als die befreiende Geschichte Gottes mit den Menschen erfahren“ haben.[27] Weiter verweist sie darauf, dass Luthers Kriterium der Auslegung des AT das Evangelium Jesu Christi sei. „Damit zeigt sich freilich auch hart und deutlich die doppelte Auslegung, der doppelte Ausgang des Alten Testaments, das vom jüdischen Glauben anders gelesen wird als vom christlichen.“[28] Hierauf beschränken sich Schneider-Flumes Aussagen zum christlichen Verhältnis zum Judentum. Dies ist bedauerlich, denn gerade der biblisch geprägte Ansatz von Schneider-Flume legt eine intensive Reflexion des christlich-jüdischen Verhältnisses nahe.

Diesseits und Jenseits der Worte

Der Grundkurs christliche Theologie – Diesseits und Jenseits der Worte wurde von Dietrich Ritschl, einem reformiertem Systematiker, unter Mitarbeit von Martin Heiler, einem lutherischen Pfarrer, verfasst.[29] Ihr Ausgangspunkt ist das „semiotische System“, das sich aus der Bibel entwickelt und in den altkirchlichen Lehren niedergeschlagen hat. Ritschls Theologie ist stark von der angelsächsischen Sprachphilosophie geprägt.

Werden in Teil II und III des Werkes die Grundeinsichten christlicher Theologie vorgestellt, so geht es in Teil IV um die Relevanz dieser Einsichten. Der Bezug auf das Judentum wird dabei durchgehend mitbedacht. In den Ausführungen zur Sprache und zur Sprachwelt der Bibel und der Kirche, ist das Judentum immer wieder gegenwärtig. Und so zeigt auch seine graphische Darstellung der „Kirchen der Ökumene“ den Ast „Judentum“, der sich aus der Bibel heraus entwickelte.[30]

Diese graphische Darstellung kann als historische Beschreibung verstanden werden; sie kann aber auch als eine theologische Bestimmung aufgefasst werden. Damit wird das Judentum – wie auch die anderen Kirchen – als ein legitimer Erbe der Bibel anerkannt. Problematisch ist jedoch Ritschls Benennung der Darstellung als „Die Kirchen der Ökumene.“ Denn damit wird das Judentum als eine Kirche in die Ökumene eingegliedert. Dies widerspricht jüdischem Selbstverständnis und ist eine Form christlicher Vereinnahmung des Judentums.

Unter der Überschrift „Die großen Themen der Theologie in offenen Systemen der Neuzeit“ behandelt Ritschl grundlegende theologische Fragen. Eine von ihnen lautet: „Warum braucht christliche Theologie eine „Israel-Theologie? Es geht dabei nicht um die Frage, ob es eine solche Theologie braucht, sondern darum, wie sie zu begründen ist. Ritschls Ausgangspunkt ist die Kritik der antijüdischen christlichen Tradition: „An keiner einzigen Stelle der Glaubenssprache … hat ein kardinaler theologischer Fehler derart furchtbare Konsequenzen in der sichtbaren Wirklichkeit gebracht wie in der Missdeutung der „Erwählung“ …. der kardinale theologische Fehler geschah bei den frühen Christen – die ihrerseits fast ausnahmslos zum Volk Israel gehörten - , indem sie die Erwählung auf die Kirche bezogen und Israel absprachen. Sie nannten sich jetzt „Volk Gottes“ oder „neues Israel.“[31]

Zur Kritik an dieser Fehldeutung greift Ritschl Paulus` Aussagen zur bleibenden Erwählung im Römerbrief auf. Er unterstreicht, die Aussagen von Röm 9,4-5, die Nichtaufhebung des Bundes und die Zuversicht, dass ganz Israel gerettet werde.

Als Einsichten des christlich-jüdischen Dialogs formuliert Ritschl folgende Thesen:

1. Christen haben ein größeres Interesse an diesem Dialog;

2. die in ihm behandelten Fragen betreffen vor allem das christliche Selbstverständnis;

3. die bestehende Asymmetrie dieses Gesprächs ist nicht vergleichbar mit der innerökumenischen. Zugleich gehört

4. dieses Gespräch nicht in die Kategorie des „Dialogs der Religionen.“[32]

Fazit: Auf nur wenigen Seiten gelingt es Ritschl, die grundlegende Bedeutung des christlich-jüdischen Gesprächs für die systematische Theologie der Gegenwart zu erläutern. Er zeigt damit, wie dieses komplexe Thema im Rahmen einer Einführung vorgestellt werden kann.

ZUSAMMENFASSENDE BEOBACHTUNGEN

1. Antijüdische Aussagen, wie sie im Gemeindekatechismus, sind in der der Gegenwart eine Ausnahme. Hier zeigt sich, dass das christlich-jüdische Gespräch der vergangenen Jahrzehnte Früchte getragen hat.

2. In zahlreichen Werken einführenden Charakters kommen die Stichworte „Judentum“ – bzw. der theologische Begriff „Israel“ – wie auch das christliche Verhältnis zum ihm nicht vor. Dieses Thema scheinen vielen Autoren als ein eigen- und wohl auch als ein randständiges Thema wahrzunehmen.

3. In manchen Werken, so z.B. im Evangelischen Erwachsenenkatechismus kommt das Judentum überwiegend als das biblische Israel in den Blick, es fehlt eine Fortschreibung des christlich-jüdischen Verhältnisses bis in die Gegenwart. Darüber hinaus fehlt eine theologische Reflexion des christlichen Antijudaismus Bezug, wie auch die Entfaltung einer „Theologie der Wertschätzung des Judentums.“

4. Positiv hervorzuheben ist, dass eine Minderheit von Autoren explizit auf das Thema der theologischen Verhältnisbestimmung zum Judentum eingeht, so z.B. Dietrich Ritschl und Frank Crüsemann.

5. Im Grundkurs Christliche Theologie von Dietrich Ritschl ist das Judentum und das christliche Verhältnis zu ihm ein Thema, welches durchgängig reflektiert wird. Im „Baum der Weltkirche“ (auf das Problem dieser Bezeichnung wurde bereits oben eingegangen) erscheinen Judentum und Christentum als Bäume, die aus dem Grund Bibel erwachsen. Diese Visualisierung der Verhältnisbestimmung ist ein wichtiger Beitrag zur Vermittlung grundlegender Einsichten des christlich-jüdischen Verhältnisses.

Der Religionspädagoge Bernd Schröder kommt in einem bisher unveröffentlichten Manuskript zu weiteren Schlussfolgerungen:

6. „Selbst wo das Judentum adäquat thematisiert wird, sind gelungene „katechismusartige Kurzfassungen“ dessen, was die Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden für unseren Glauben bedeutet, Mangelware.“ Und:

7. „Bei der Erschließung des Themas … klaffen sachlich-theologische und (religions-) pädagogische Perspektiven noch weit auseinander.“

WAS IST NOTWENDIG?

ÜBERLEGUNGEN ZU DEN CHRISTLICH-JÜDISCHEN ESSENTIALS

Die Essentials des christlich-jüdischen Verhältnisses stehen im Spannungsfeld von drei großen Themenfeldern: dem Erinnern der Vergangenheit, Begegnungen mit dem Judentum der Gegenwart, sowie einer christlich-theologischen Verhältnisbestimmung. Diese Themenfelder bezeichnen zugleich Zugänge, aus denen sich die Motivation einer christlich-jüdischen Begegnung ergeben.

Diese Themenfelder sind grundlegend. In einem einführenden Werk in das Christentum sollten alle drei Felder thematisiert werden. So sinnvoll es ist, je nach Situation unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen, so sollte doch keines außen vor gelassen werden. Zudem beeinflussen sie sich wechselseitig.

Die graphische Darstellung beschreibt eine christliche Perspektive, für die eine theologische Verhältnisbestimmung zum Judentum von grundlegender Bedeutung ist. Und zwar aus zwei Gründen: zum einen ist die lange Geschichte der „Lehre der Verachtung“ noch immer nicht gänzlich aufgearbeitet und wirkt hier und da fort. Zum anderen gilt die Aussage des Neutestamentlers Peter von der Osten-Sackens: „Dem christlich-jüdischen Dialog kann man sich als Christ relativ leicht entziehen, dem christlich-jüdischen Verhältnis nicht … es ist einfach mit dem Christ-Sein gegeben.“ Es ist dann gegeben, wenn es um ein biblisch fundiertes Christentum geht. Die Lektüre der Bibel führt notwendig zu der Frage, in welchem Verhältnis Christen zu Israel - dem jüdischen Volk und Erbe der Verheißungen Gottes und der Bundesschlüsse - stehen. Es ist notwendig, das Verhältnis zu Israel, das auch das Judentum der Gegenwart umschließt, in einen systematisch-theologischen Rahmen zu integrieren.

Hier ist die graphische Darstellung Dietrich Ritschls hilfreich. Sie lässt sich weiterdenken als den „Baum des biblischen Erbes“. Er macht deutlich, dass aus der Wurzel der Bibel, sowohl Judentum, wie auch das Christentum in seinen vielfältigen Strömungen hervorgegangen sind. Beschreibt der Baum zum einen die historische Entwicklung, so kann er zugleich systematisch-theologisch gedeutet werden. Nämlich als Baum der Gemeinschaften, der Kirchen und des Judentum, die vom Gott der Bibel Zeugnis geben.

Besteht für Christen eine grundlegende theologische Notwendigkeit das Verhältnis zum Judentum zu reflektieren, so ist diese für Juden nicht gleichermaßen gegeben. Dies hat eine Reihe von Gründen. Jüdische Identität in der Moderne und der Postmoderne kann sich auf höchst unterschiedliche Weise definieren. Der religiöse Aspekt jüdischer Identität ist dabei nur mehr ein Aspekt und nicht immer der zentrale – auch wenn dies von Rabbinerinnen und Rabbinern stets eingefordert wird. Darüber hinaus spielt in der jüdischen Tradition die systematische Reflexion grundlegender Fragen keine so zentrale Rolle wie sie dies im Protestantismus und Katholizismus tut. „Jüdische Theologie“ ist zudem erst ein recht neuer Zweig jüdischer Kultur: das erste Werk, welches das Wort „Theologie“ im Titel trug, erschien im 19. Jahrhundert. Bei der Reflexion des christlich-jüdischen Verhältnisses ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass dieses Verhältnis kein symmetrisches ist.

Im Lauf der vergangenen Jahrzehnte hat sich in Deutschland vor allem durch die Studien Christen und Juden I-III der EKD ein Konsens grundlegender theologischer Einsichten gebildet. Die Einsichten lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • das Eingeständnis von Schuld an der Schoa
  • die Verurteilung von Antisemitismus und Antijudaismus
  • die Betonung der bleibenden Erwählung Israels und die Ablehnung der Substitutionstheologie
  • die Absage an eine Missionierung von Juden
  • die Anerkennung des Rechts des Staates Israel „in gerechten und sicheren Grenzen zu existieren“
  • die Einsicht in die unlösbare Verbindung des christlichen Glaubens mit dem Judentum

Hinter jedem dieser einzelnen Punkte verbirgt sich eine ausführliche theologische Diskussion. Die Gefahr einer stichwortartigen Aufzählung besteht darin, dass die oft mühsam – und in einem mehrere Jahrzehnte dauernden Prozess – gewonnenen Einsichten zu dogmatischen Richtigkeiten erstarren.

Es ist zu beachten, dass dieser Konsens von denjenigen Christinnen und Christen geteilt wird, die sich aktiv am christlich-jüdischen Gespräch beteiligen, nicht jedoch unbedingt von der Mehrheit der Kirchenmitglieder, ja nicht einmal aller Kirchenleitungen.

Unumstritten sind die Verurteilung von Antisemitismus und die Ablehnung von Antijudaismus, sowie ein Eingeständnis von Schuld an der Schoa. Konsens gibt es auch durchgängig in Bezug auf die „bleibende Erwählung“.

Strittig ist jedoch die Frage, was diese theologische Aussage impliziert: Bedeutet sie die Absage an eine Mission von Juden? Dies wird nicht von allen evangelischen Christinnen und Christen in Deutschland bejaht. So flammt die Diskussion um eine Mission von Juden immer wieder auf. Nicht zuletzt deshalb sah sich die Evangelische Kirche im Rheinland dazu veranlasst, 2008 eine Erklärung zu erarbeiten, in der ausführlich begründet wird, warum Christen eine Mission unter Juden unterlassen sollten.

Darüber hinaus ist noch eine zweite Frage strittig: Bedeutet die Rede von der „bleibenden Erwählung“ zugleich eine umfassende Anerkennung jüdischen Glaubens und jüdischer Praxis als einem authentischen und angemessenen Zeugnis von Gott? Vertreterinnen und Vertreter des christlich-jüdischen Dialogs bejahen dies. Für die Verbreitung dieser Einsicht ist jedoch noch einiges zu tun.

Für die Einführungen in den christlichen Glauben gilt es festzuhalten: das Verhältnis zum Judentum ist notwendig zu thematisieren. Die Themen ergeben sich aus der Geschichte, der christlichen Theologie und der Zeitgenossenschaft mit dem Judentum der Gegenwart.

Pädagogische Weiterführung

Bernd Schröder zeigt auf, dass es nicht darum gehen kann, Gemeinde- bzw. Religionspädagogik als eine Anwendungswissenschaft zu aufzufassen, die die Einsichten der Theologie elementarisiert. Er postuliert ein Bildungsverständnis, das sich an den Lernenden orientiert.

Vor diesem Hintergrund fragt Schröder:

- wie die Einsichten der christlich-jüdischen Begegnung für den Einzelnen auf seinem Lebensweg bedeutsam werden können;

- welche Haftpunkte in der Lebenswelt diese Begegnung findet;

- wie diese Begegnung auch Menschen erschlossen werden kann, die sprachlich-theologischer Bildung distanziert gegenüber stehen.

Hieraus ergeben sich folgende Forderungen:

1. „Die Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden muss in Bildungsprozessen so zur Sprache gebracht werden, dass sie in den Dienst der „Subjektwerdung“ tritt, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene gefördert werden in ihrer Glaubensentwicklung.“

2. Die Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden braucht eine Übersetzung in „gelebte“ Religion.

3. Sie ist so zu entfalten, dass hieraus Konkretionen für „das je eigene persönliche Glaubensleben und die Deutung des eigenen Lebens im Lichte des Evangelium“ gewonnen werden können, es heißt auch: „Konsequenzen für Lebensführung und Frömmigkeit entfalten.“

4. Es fehlen „katechismusartige Kurzfassungen“ des Verhältnisses zwischen Christen und Juden, also „knappe Formeln, einladende Bilder, gelungene Anschauungsbeispiele, wie denn das Verhältnis beider jenseits historischer Rekonstruktionen und theologischer Bestimmungen aussehen soll!“

5. Es ist ein Weg von der theologischen Belehrung, hin zu einer „offenen Einladung auf einen spannenden, vom Lernenden selbst zu entdeckenden Weg, die ``Eröffnung eines Erfahrungsfeldes im Glauben“ `zu gehen.

[1] EKD (Hg). Christen und Juden III. Schritte der Erneuerung im Verhältnis zum Judentum. Eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2000. 105.

[2] Martin Honecker. „Zugänge zum Christentum und Einführungen in den Glauben.“ In: Theologische Rundschau 69/ 2004.

[3] Martin Honecker. „Zugänge zum Christentum und Einführungen in den Glauben.“ In: Theologische Rundschau 69/ 2004. 4.

[4] Es folgte bereits ein unveränderter Nachdruck in der siebten Auflage. Im Augenblick wird eine vollständige Neubearbeitung geplant.

[5] Honecker, 8.

[6]Evangelischer Erwachsenenkatechismus. Kursbuch des Glaubens VELKD 1975, hg von Hartmut Jetter u. a.. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 1. Aufl. 1975; 6. völlig neu bearbeitete Aufl. 2000. EKK, 89f.

[7] Dies geschah nicht im Auftrag der Kirchenleitung, sondern auf Betreiben eines der Herausgeber des Buches.

[8]Evangelischer Gemeindekatechismus, hg. von Horst Reller im Auftrag der Katechismuskommission der VELKD. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1. Aufl. 1979. 5. überarbeitete und ergänzte Auflage 1994. Nachdruck, 2002. XIV

[9] Ibid.

[10] 92.

[11] 192.

[12] 192.

[13] 336.

[14] 336.

[15]Evangelischer Taschenkatechismus, hg. von Winrich C.W. Clasen, Michael Meyer-Blanck, Günter Ruddat. Rheinbach: CMZ, 2001. 9.

[16]Evangelische Glaubensfibel. Grundwissen der evangelischen Christen. Hrsg. Von Norbert Dennerlein und Michael Meyer-Blanck. Gütersloh: CMZ, 2006. 129.

[17]Thomas Gerlach, Evangelischer Glaube. Basisinformationen und neue Zugänge (Bensheimer Hefte 98). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, 288.

[18] Ibid. 25.

[19] Ibid. 7.

[20] Ibid. 21.

[21] 22.

[22] 22.

[23] 116.

[24] Gunda Schneider-Flume Grundkurs Dogmatik. Nachdenken über Gottes Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004.

[25] 59.

[26] Ibid.

[27] 87.

[28] Ibid.

[29] Dietrich Ritschl, Martin Hailer. Diesseits und jenseits der Worte. Grundkurs christliche Theologie. Neukirchen: Neukirchener, 2006.

[30] Ibid. 51.

[31] 289.

[32] 291.