Ehrlich, Ernst Ludwig

Zum Tode von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ernst Ludwig Ehrlich

Zum Tode von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ernst Ludwig Ehrlich

Hubert Frankemölle

Ernst Ludwig Ehrlich, Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille von 1976, der von vielen Gesprächspartnern im christlich-jüdischen Dialog freundschaftlich mit „Lutz“ angeredet werden durfte, ist am 21. Oktober im Alter von 86 Jahren gestorben.

Seine Verdienste als Pionier und Motor des christlich-jüdischen Dialogs sind kaum in wenigen Worten zu würdigen, wie seine mannigfachen Ehrungen andeuten mögen. Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Sein hohes Ansehen belegen die jüdischen Auszeichnungen mit dem Leo-Baeck- und dem Israel-Jacobson-Preis, letzterer im Jahre 2007, ebenso der katholische Bischof-Hemmerle-Preis. Erworben hat er es in jahrzehntelanger Dialogarbeit auf allen Ebenen in Beharrlichkeit und Offenheit, auch beim Deutschern Evangelischen Kirchentag, in Synoden von Landeskirchen und in Kommissionen des Vatikans.

Neben diesen innerreligiösen verweisen die wissenschaftlichen Ehrungen auf die solide Grundlage, ohne die ein Dialog nicht möglich ist. Den Anderen verstehen, war sein Motto. Kein Zweifel: Nach Studien bei Leo Baeck in Berlin von 1940-1942 und einer Promotion in Basel (noch im Juni 1943 gelang ihm die Flucht in die Schweiz) entwickelte er sich zu einem ebenso hervorragenden Kenner des Judentums wie der Geschichte und Religion des Christentums. Seine hohe Fachkompetenz und sein pädagogisches Geschick waren gefragt. Eine angebotene universitäre Karriere in Berlin und Frankfurt schlug er aus, da er direkt nach dem Krieg in Oxford und London – durch Leo Baeck vermittelt - die Erneuerung des Judentums und die Zusammenarbeit von Juden und Christen als „Schlüsselerlebnis“, das seinen Lebensweg bestimmen sollte, erfuhr. Die Verbindung von Theorie und Praxis wurde prägend für seine Arbeit. Vorlesungen zur Judaistik, zur neueren Geschichte und Literatur des Judentums hielt er an den Universitäten Bern, Zürich, Basel, Berlin und Frankfurt, hier allein sieben Jahre lang. Zeichen seiner wissenschaftlichen Hochschätzung war die Honorarprofessur ab 1989 in Bern sowie die Ehrendoktorate in Basel, Luzern und der Freien Universität Berlin, seiner Heimatstadt. Die ihm zum 70. Geburtstag am 27.3.1991 gewidmete Festschrift „Israel und Kirche heute. Beiträge zum christlich-jüdischen Dialog“ belegt mit den Grußworten wie mit den Beiträgen die vielfachen Impulse, die ihm zu verdanken sind – sei es beim Zweiten Vatikanischen Konzil 1962-1965, bei der Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag“ 1961 oder bei der Gründung des Gesprächskreises „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken 1971, in dem er bis zuletzt kontinuierlich maßgeblich beteiligt war. Zahlreiche Beiträge, allein über hundert im „Freiburger Rundbrief“, in Zeitschriften und Sammelwerken belegen sein diplomatisches Geschick, aber auch seine kämpferische Natur, wenn kirchliche und gesellschaftliche Verirrungen beim Namen zu nennen waren. Er tat dies in großer Freiheit, nie verletzend, immer konstruktiv.

Weitsichtige Sensibilität für den Anderen und die Benennung von Möglichkeiten seiner Akzeptanz, ohne die Differenzen zwischen Judentum und Christentum zu nivellieren, zeichneten Ernst Ludwig Ehrlich aus. Vielleicht charakterisieren folgende Worte auch ihn selbst, die er für seinen großen Lehrer Leo Baeck fand, der ihm bei der Erneuerung des Reformjudentums in Deutschland Maßstab war: „Leo Baeck war eine Persönlichkeit mit einer ungeheuren Ausstrahlung. Ein Mann von umfassendem Wissen, von einer starken jüdischen Substanz und einem weiten Horizont. Ein Mann von ausgesuchter Höflichkeit, ein originärer Denker. ... von großer Toleranz; er war jedoch kompromisslos, wenn es um moralisch Verwerfliches ging.“

Als ein solch jüdischer Mahner und Brückenbauer zwischen Juden und Christen wird uns Ernst Ludwig Ehrlich im christlich-jüdischen Dialog fehlen, aber auch als Vorbild in Erinnerung bleiben.

Präsidium und Vorstand des Deutschen Koordinierungsrates
der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbei
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Prof. Dr. Hubert Frankemölle


Quelle: Deutscher Koordinierungsrat