„Die Programmatik des Konzils neu zur Geltung bringen“

24.09.2015 / Pressemeldung /

Zum Abschluss der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz hat heute in Fulda eine Festakademie „50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil“ stattgefunden.

Vor rund 500 Gästen würdigte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, das Konzil als visionär: „Es ist heute so aktuell wie damals und somit ein zentraler Impuls für das Wirken der Kirche auch im 21. Jahrhundert. Der geistliche und geistige Reichtum des Konzils ist noch gar nicht voll ausgeschöpft; die Kirche tut gut daran, aus diesem Quell weiter zu schöpfen.“

Kardinal Marx betonte in seiner Ansprache, dass es der Kirche darum gehen müsse, die Programmatik des Zweiten Vatikanischen Konzils neu zur Geltung zu bringen. Nur wenn man die Anliegen des Konzils wieder konkret erlebbar mache, bestehe die Chance, dieses Ereignis auch jüngeren Generationen nahe zu bringen. „Deshalb haben wir Bischöfe einen mehrjährigen, thematisch strukturierten Gesprächsprozess auf allen Ebenen durchgeführt. Er hat Bezug genommen auf das Konzil. Es ging dabei um das Zeugnis der Kirche in der Welt und um ihre Sendung zu den Menschen“, so Kardinal Marx. Mit Blick auf den vor zwei Wochen in Würzburg abgeschlossenen Gesprächsprozess betonte er: „Es hat sich in diesem Gesprächsprozess eine ganz neue Qualität des konstruktiven, Mut machenden und solidarischen Miteinanders herausgebildet. Das ist für mich ein Modell der Kirche, wie sie das Konzil gewollt hat. Will die Kirche auch in Zukunft kraftvoll sein, so wird ihr dies nur als mitfühlende und als pro-aktive, das heißt für die Menschen aktive Gefährtin gelingen, die um deren Lebenswirklichkeit, Hoffnungen, Sorgen und Nöte weiß und sie mit ihnen teilt“, sagte Kardinal Marx.

Während der Festakademie hielt Kardinal Karl Lehmann (Mainz) einen Vortrag zum Thema „Das Konzil und seine Wirkungsgeschichte“. Darin entfaltete er das Konzil als Prozess, insbesondere weil Papst Johannes XXIII. kein fertiges Konzilskonzept hatte. „Es scheint mir von großer Bedeutung zu sein, dass man den vielfältigen Prozesscharakter des Konzils selbst im Auge behält. Dies ist nicht einfach. Man muss nämlich im selben Augenblick in die Vergangenheit und die Zukunft blicken … Ein Konzil vereinbart Texte, aber dabei bleibt es nicht. Ein Konzil schreibt Geschichte. Überall wird das gegenwärtige und künftige Leben der Kirche auf vielen Ebenen mitbetroffen“, sagte Kardinal Lehmann, der in seinem Vortrag für einen differenzierten Blick auf die Konzilstexte und ihre Entstehungs- und Wirkungsgeschichte warb. „Gerade weil das Konzil in der Art des lehramtlichen Sprechens einen neuen Stil wählte und sich nicht mit der Verurteilung abweichender Lehren begnügen wollte, muss die vielschichtige, spannungsreichere und offenere Struktur der Aussagen stärker beachtet werden“, so Kardinal Lehmann.

„Zweifellos gibt es im konziliaren Geschehen auch das Wehen des Gottesgeistes. Dieser kann gewiss nicht gegenständlich ausgemacht werden. Er ist und bleibt unverfügbar. Aber zweifellos bezeugt er im konziliaren Geschehen auch seine innovatorische Kraft. Gewiss kann nicht jede ‚Neuerung‘ unmittelbar auf ein pneumatisches Wirken zurückgeführt werden. Aber manche Durchbrüche haben doch wohl etwas mit dieser erneuernden Dynamik des Gottesgeistes zu tun“, so Kardinal Lehmann.

Er forderte dazu auf, sich durch die Besinnung auf das Konzil an ein geistiges und geistliches Erbe erinnern zu lassen, „das wir der Vergesslichkeit unserer schnelllebigen Gesellschaft entreißen und in Dankbarkeit neu annehmen wollen. Solche Erinnerung führt uns durch Verkrustungen aller Art wieder zurück zu den unverbrauchten Quellen christlichen Lebens, vor allem zum Wort Gottes. So kann die Erinnerung neue schöpferische Kräfte entbinden, die faszinierender und wagemutiger sind als die neuesten Moden des Zeitgeistes, die morgen schon wieder von gestern sind. In diesem Sinne ist das Gedächtnis des Konzils ein herausforderndes Abenteuer, das die Wachheit und Bereitschaft, die Umkehrfähigkeit und die Sensibilität unseres Glaubens auf die Probe stellt. Gerade darum tut lebendige Erinnerung not. Es ist gewiss auch die Chance für eine reinigende Gewissenserforschung“, so Kardinal Lehmann.

Während der Festakademie diskutierten auf einem Podium „Aggiornamento heute. Über die Rolle der Kirche in der modernen Gesellschaft“ die Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann MdL, der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Schaumburg-Lippe, Dr. Karl-Hinrich Manzke, die ehrenamtliche Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Katharina Norpoth und der Religionssoziologe und Philosoph Dr. Jean-Louis Schlegel.

Editorische Anmerkungen

Quelle:

Deutsche Bischofskonferenz.<br> Siehe auch: Vortrag von Kardinal Lehmann.