Der Preis für die Beendigung des Krieges

Jerusalem 13. Jan, 09 — Hamas hat das Problem einer doppelten Führung. Im Gaza-Streifen operiert Ismail Hanija und seine Gruppe, während Khaled Maschal mit seinen Leuten von Damaskus aus die Hamas anführt. Beide wiederholen ihr erklärtes Ziel: die totale Zerstörung Israels. Aber nach allem was man hört, gibt es zwischen beiden tiefsitzende Differenzen.

Der Preis für die Beendigung des Krieges

Im Gaza-Streifen erfährt die Hamas den Angriff israelischer Militäraktionen, die die Zahl ihrer Kämpfer verringert und einen Großteil ihrer Einsatzmittel in Schutt und Asche legt. Die Führung in Damaskus befindet sich in sicherem Abstand von den Kämpfen, spielt aber eine wichtige Rolle durch ihre Zusammenarbeit mit Syrien und vor allem mit Iran, indem sie das nötige Kleingeld für die Hamas-Aktivitäten auf beiden Seiten der Grenze des Gaza-Streifens besorgt.

Bei der Beurteilung der Kämpfe aus sicherem Abstand kann Maschal & Co es sich leisten, militant und kompromisslos zu sein. Eine Haltung, die für viele Diasporas kennzeichnend ist.

Der gemeinsame Nenner beider Führungen äußert sich in ihrer Rhetorik. So versicherte Hanija seine Leute gestern in einer Aufnahme, vermutlich aus einem sicheren Bunker in Gaza, die vom Hamas-Fernsehen gesendet wurde, dass "unser Sieg über die Zionisten greifbar nah ist." Die Führung in Damaskus, die sich in Freiheit und Komfort bewegen kann, habe "bestätigt", dass "der Sieg greifbarer als je zuvor" sei. Man mag es denen, die in die Kämpfe verwickelt sind, nachsehen, wenn sie diese Einschätzung nicht teilen können, aber sie mögen sich dennoch durch diese und ihre religiöse Leidenschaft trösten lassen.

Wenn es aber um die Frage der Waffenruhe geht, sind sich die beiden Zweige der Hamas durchaus nicht einig. Es scheint, dass die Bewohner des Gazastreifens ungeachtet der Rhetorik ihrer Führer dazu bereit sind. Die Leute in Damaskus sind es dagegen nicht, vielleicht vor allem, weil es der Iran nicht will — und der Iran hat nun einmal das Sagen. Es gibt auch den Verdacht, dass eine Führung, die selbst weit entfernt ist, weniger teilnimmt an den Leiden der Menschen vor Ort.

Ägyptens natürliche Sympathie für die Sache der Palästinenser mischt sich mit seiner offensichtlichen Ungeduld mit der Hamas, und das sowohl in Gaza selbst als auch um den Verhandlungstisch. Ich habe ernsthafte Analysen gesehen, die darauf hindeuten, dass Ägypten erleichtert wäre, wenn die Hamas vernichtet würde, nicht etwa weil es Israel unterstützt, sondern weil es sein eigenes Regime und das anderer arabischer Länder, mit denen es zusammenarbeiten will, vor der Bedrohung des Fundamentalismus der Hamas schützen will.

Um seiner eigenen Interessen willen hat Ägypten die Rolle des Friedensstifters übernommen, und nach Einschätzung des ständigen Besucherstroms zu Präsident Mubarak in Kairo, haben seine Bemühungen die Unterstützung und die Zusammenarbeit vieler Länder. Seine Bemühungen scheinen weitaus realistischer, als die Resolution des Sicherheitsrats, die sich wieder einmal als so machtlos wie eh und je erweist.

Ob es Israel gefällt oder nicht, es wird einen ägyptischen Vorschlag zur Waffenruhe akzeptieren, auch wenn er nicht das Ende der Hamas, sondern nur das Ende der Raketenangriffe und die Beseitigung der Tunnel bedeutet, die bisher ihr wichtigster Versorgungsweg waren. Die gegenwärtige Intensivierung des israelischen Kampfs scheint paradoxerweise darauf aus zu sein, die Waffenruhe eher früher als später herbeizuführen. Ob diese Strategie funktionieren wird, ist schwer einzuschätzen.

Es ist jedoch eindeutig, dass nicht nur Terroristen, sondern viele unschuldige Palästinenser getötet und verstümmelt worden sind, und dass, zusätzlich zu diesen Opfern, fast eine Million Israelis in Angst davor leben, die nächste Hamas-Rakete könnte sie treffen. Von diesem rein menschlichen — nicht nur humanitären — Gesichtspunkt aus gesehen, sollten die Kämpfe so früh wie möglich beendet werden, damit alle Beteiligten aufatmen können — nicht etwa feiern! Der Preis für die Beendigung eines Krieges ist nicht kleiner als der, ihn zu führen, noch scheint seine Beendigung weniger Vorbereitung zu erfordern.

Editorische Anmerkungen

Rabbi Dow Marmur, Toronto, Kanada, lebt für die Hälfte des Jahres, in Jerusalem und die andere Hälfte in Toronto, Kanada. Er schreibt von Jerusalem aus. Aus dem Englischen von Fritz Voll.