Der Krieg zwischen Israel und der Hamas
Die Wirklichkeit ist, dass im Gazastreifen hunderte von Menschen umgekommen sind, vor allem Hamas-Kämpfer, darunter aber auch Zivilisten, Kinder und Frauen, die am Konflikt nicht beteiligt sind. Das liegt vor allem daran, dass die Hamas die Zivilbevölkerung als lebendigen Schutzschild benutzt. Alle militärischen Einrichtungen der Hamas sind in den ersten Stunden nach dem Angriff, der am Schabbat vor einer Woche begann, zerstört worden. Die politische Führung ist untergetaucht. In Gaza herrscht Chaos.
Auf der anderen Seite ist das zivile Leben in Israel in einem Umkreis von 40 km um den Gazastreifen zum Erliegen gekommen. Fast eine Million Menschen gehen nicht zur Arbeit, die Schulen sind geschlossen. Die Menschen sitzen die meiste Zeit in den Bunkern. Und das ist gut so, sonst gäbe es sehr viel mehr Menschenleben in Israel zu beklagen. Dutzende von Raketen schlagen in den israelischen Siedlungen und Städten Tag und Nacht ein, von Aschdod bis Beer Schewa. Und wer weiß, wohin die Raketen in Zukunft noch fliegen werden.
Im Sommer 2006 hatte Israel nach schweren innerisraelischen Debatten und Kämpfen den Gazastreifen komplett geräumt, kein Siedler und kein israelischer Soldat war auf dem Boden des Gazastreifens verblieben. Gaza war befreit. Es gab keine Besatzung mehr. Also warum der immer stärker werdende Raketenhagel auf israelische Städte und Dörfer seit diesem Zeitpunkt?
[Noch etwas war geschehen. Vor über einem Jahr hatte es in den palästinensischen Gebieten auf Druck Amerikas allgemeine Wahlen gegeben, die die Hamasbewegung gewonnen hatte. Unterlegen war die Partei Arafats, die gemäßigte Fatachbewegung. Korruptionen im großen Stil hatte die Fatach zu Fall gebracht und der Hamas den Sieg beschert. Dann aber geschah etwas, was den Bruderkrieg zwischen Hamas und Fatach auslöste. Hamas machte einen Putsch im Gazastreifen gegen die offiziellen Organe der palästinensischen Autonomie und verhaftete die meisten Fatachanhänger. Der Nachfolger Arafats, Abu Masen, der in der Westbank regiert, setzte darauf eine neue Regierung ein, so dass es jetzt zwei palästinensische Autoritäten gibt, die Fatach in der Westbank und die Hamas in Gaza.]
Wer ist die Hamas und was will sie? Die Hamas ist eine fundamentalistische islamische Bewegung, die den Gottesstaat nach iranischem Muster im Nahen Osten einführen will. Sie weigert sich Israel anzuerkennen und fordert von seinen arabischen Brüdern um Israel herum die Vernichtung des jüdischen Staates im islamisch-arabischen Raum.
Darum die Raketen, die seit drei Jahren verstärkt auf Israel herunterrasseln. Es wird gesagt, damit kann Israel nicht vernichtet werden, jedoch der Alltag der anliegenden Bewohner wird immer unerträglicher. Die ständige Angst, von einer Rakete erschlagen zu werden, macht das Leben zur Hölle. Kein Staat kann es sich leisten, einen Teil seiner Bürger dieser ständigen Gefahr auszusetzen. Die israelische Regierung steht seit langem unter dem Druck größerer Teile der Bevölkerung, besonders der Anrainer des Gazastreifens, etwas gegen diesen Raketenhagel zu unternehmen. Es gab einen Waffenstillstand von einem halben Jahr, der niemals ganz ohne Raketen war, aber mit weniger Raketen. Es gab auch israelische Aktionen in dieser Zeit zur Liquidierung militärischer Anführer, die den Raketenbeschuss durchführen. Dann aber kündigte die Hamas auch diese "Waffenruhe" auf und der Raketenbeschuss erreichte vor dem israelischen Angriff die Anzahl von 80 am Tag.
Israel hat es abgelehnt, Waffenstillstandsangebote vom Ausland zu akzeptieren, solange es keine Sicherheit gibt, dass vom Gazastreifen keine zukünftige Bedrohung mehr ausgeht. Die Regierung war sich in diesen Dingen nicht immer einig, aber die Befürworter einer weiteren Kriegsführung konnten sich erst einmal durchsetzen.
Die israelische Bevölkerung ist in dieser Angelegenheit gespalten. Eine stabile Mehrheit ist für die Weiterführung des Krieges, bis die Kriegsziele erreicht sind: kein Raketenbeschuss mehr aus Gaza. Andere Israelis und vor allem die arabische Bevälkerung in Israel sind seit Ausbruch des Krieges auf den Beinen und demonstrieren gegen die Gewaltentfaltung der israelischen Armee. Die intelektuelle Linke mit den Schriftstellern Amos Oz, David Grossman und A.B. Jehoschua hat zwar betont, dass der Krieg an sich gerechtfertigt ist, dass es nun aber genug sein müsste.
Die Frage ist, ob ein Waffengang in dem Hexenkessel Gaza, einem Landstrich von 40 km Länge und 8 km Breite und ein einhalb Millionen Menschen, einer der dichtbevölkertsten Flecken der Erde, eine Änderung herbeiführen kann. Eine erneute Besetzung des Gazastreifens will auch Israel nicht. Zum Schluss wird es doch darauf hinauslaufen, auf dem diplomatischen Weg eine Lösung zu finden. Aber ist das möglich mit Fanatikern und Fundamentalisten dieser Art?
Wenn es einen wirtschaftlichen Aufschwung gäbe mit Hilfe der westlichen Welt und der gemäßigten arabischen Nachbarn, vielleicht wäre es dann möglich, zu einem anderen Regime zu kommen, das den geplagten Menschen des Gazastreifens Arbeit und Brot gibt. Und dann könnte man auch an einen Frieden denken. Das ist jedenfalls der Traum vieler Israelis.
Jerusalem, 01. Januar 2009