„Den jüdisch-katholischen Dialog in Pfarrgemeinden und Synagogen verankern“

4. November 2019 - Erstmals haben die Deutsche Bischofskonferenz und die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschlands eine gemeinsame Fachtagung zu aktuellen Fragen des theologischen Dialogs zwischen Kirche und Judentum durchgeführt, die heute (4. November 2019) in Berlin zu Ende gegangen ist. Das Symposium stand unter dem Leitwort „Zwischen Jerusalem und Rom“. Seit mehreren Jahren gibt es regelmäßige Gespräche zwischen Rabbinern und der katholischen Kirche.

Mit der Erklärung „Zwischen Jerusalem und Rom. Gedanken zu 50 Jahre Nostra aetate“ (2017) haben die führenden Vereinigungen orthodoxer Rabbiner in Europa und Nord-Amerika und das Israelische Oberrabbinat erstmals ihr Verhältnis zum Christentum und zur katholischen Kirche bestimmt. Ende 2015 hatte die Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum in ihrer Erklärung „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt (Röm 11,29). Reflexionen zu theologischen Fragestellungen in den katholisch-jüdischen Beziehungen aus Anlass des 50jährigen Jubiläums von Nostra aetate (Nr. 4)“ die Kernaussagen der Konzilserklärung Nostra aetate bekräftigt und weiterführende Überlegungen zum christlich-jüdischen Verhältnis vorgelegt. Damit ist mit den Worten von Papst Franziskus „ein fruchtbarer Moment im Dialog“ erreicht.

Mit der Fachtagung analysierten die katholischen Vertreter unter Leitung des Vorsitzenden der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Bischof Dr. Ulrich Neymeyr (Erfurt), zusammen mit Rabbinern aus dem gesamten Bundesgebiet unter Vorsitz von Rabbiner Avichai Apel (Frankfurt am Main), die Hintergründe und Kernaussagen der Erklärungen.

Die Fachtagung sei ein wichtiger Beitrag zum jüdisch-katholischen Dialog, erklärte Bischof Neymeyr. „Es ist ein fruchtbarer Austausch über das Verständnis der Religion des anderen – und das kurz nach dem versuchten Überfall auf die Synagoge in Halle. Dieser war die Spitze eines Eisbergs, nicht nur des Judenhasses im Internet, sondern auch eines weit verbreiteten Antisemitismus in unserer Gesellschaft“, sagte Bischof Neymeyr. „Es ist bitternötig, die christlichen Wurzeln des Antijudaismus zu bekämpfen.“ Alle Katholiken müssten wissen, dass ihre Kirche die Juden als das Volk Gottes sehe, das mit Gott in einem ungekündigten Bund lebe. „Papst Johannes Paul II. hat die Juden bewusst als ‚unsere älteren Brüder‘ angesprochen.“

Rabbiner Apel betonte, dass gerade in schwierigen Zeiten, in denen das gegenseitige Vertrauen auf eine harte Probe gestellt wird, das Bemühen um den Dialog und das gegenseitige Verständnis verstärkt werden muss. „Das Zusammenkommen von Bischöfen und Rabbinern  soll das friedliche Miteinander im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder in Vereinen fördern.“

Prof. Dr. Barbara Schmitz (Universität Würzburg, Lehrstuhl für Altes Testament) betonte, dass der Anschlag von Halle in erschreckender Weise vor Augen geführt habe, „wie fragil und zerbrechlich die politischen und zivilgesellschaftlichen Anstrengungen in unserem Land, im Land der Täter und im Land der Shoah, sind. Es reicht aber nicht hier nur auf politisches und zivilgesellschaftliches Engagement zu verweisen, sondern es muss für uns als Kirche auch um die theologische Aufarbeitung struktureller und auch institutionell gebundener antijüdischer Stereotypen und ihrer Wirkmacht in der kirchlichen Gegenwart von heute gehen.“

P. Dr. Christian Rutishauser SJ (Zürich, Provinzial der Schweizer Jesuiten) würdigte das Dokument der Päpstlichen Kommission für die Beziehungen zum Judentum als ersten Text seit dem Konzil, das sich ganz systematisch theologischen Fragen widmet. „Hier werden 50 Jahre von vertieftem Dialog deutlich, von verlässlichen Partnern und Freunden, die auch Irritationen im Dialog fruchtbar machen können.“ Die zentrale Frage sei, wie die Glaubensüberzeugung vom „ungekündigten Bund“ Gottes mit Israel mit dem Glauben an Jesus als Mittler des Heils für alle Menschen zusammengehen könne. „Es geht nicht um eine Judenmission durch Christen. Natürlich müssen Christen überall ihren Glauben bezeugen. Wir brauchen einen Dialog, aber keine Mission“, so P. Rutishauser.

Übereinstimmende Auffassung der Teilnehmer der Fachtagung war, dass die beiden Erklärungen einer weiteren vertieften Debatte, auch im Vatikan, bedürfen. Dazu gehören die Frage nach dem Missionsbegriff und die Überlegung, wie ein weiterer Dialog aussehen kann. Insbesondere mahnten die Teilnehmer eine konstruktive und intensive Erinnerungskultur und eine Verwurzelung des jüdisch-katholischen Dialogs in Pfarrgemeinden, Bildungseinrichtungen und der theologischen Ausbildung für angehende Priester und Rabbiner an.

Bereits gestern Abend hatte es im Rahmen der Fachtagung eine öffentliche Podiumsveranstaltung gegeben, in der aktuelle Fragen des wachsenden Antisemitismus in Deutschland und Europa beleuchtet wurden.

Editorische Anmerkungen

Quelle: Deutsche Bischofskonferenz.