Die Geschichte Israels wird in acht Epochen gegliedert, sie setzt bei der Vorgeschichte und Entstehung Israels ein und endet mit dem Bar-Kochba-Aufstand. Insgesamt 30 Karten und zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen sind direkt im Text eingebettet, um das Gelesene zu veranschaulichen, ohne dass man immer wieder zu einem Tafelteil blättern muss. Separat eingebettete Infokästen (Ächtungstexte, Amarna-Korrespondenz, Merenptah-Stele, Schwarzer Obelisk), Exkurse zu verschiedenen Themen (u. a. Chronologiedebatte, Khirbet Qeiyafa als Teil des Königreiches David, Scheschonq-Ortsnamenliste, Schiloachtunnel und -inschrift, fragliche Kultreform Hiskijas, Qumran, Jüdische Gruppen in hell.-röm. Zeit, Zeloten und Sikarier), Quellentexte (z. T. in Auszügen: Tel-Dan-Stele, Mescha-Stele, Kurkh-Stele, Kyros-Zylinder), Vertiefungen zu Einzelthemen (Nordreich-Israeliten und die Provinz Samerina nach 722/20) sowie Tabellen (Stammbäume der Omriden, Hasmonäer und Herodianer; wichtige historische Ereignisse mit Jahreszahlen) ergänzen und erläutern in ansprechender Weise den Haupttext. Am Ende eines jeden Kapitels wollen Übungsfragen die Aneignung des Gelesenen erleichtern. Ein Überblick zu thematisch relevanter Literatur in Auswahl schließt das Kap. mit dem Hinweis auf weiterführende Literatur am Ende des Buches (316–319) ab. Die Literatur ist nicht allumfassend, aber auf dem aktuellen Stand.
Das Buch besticht durch den klaren und transparenten Aufbau seines Inhaltes. Auf 45 S. wird zunächst eine ausführliche Einleitung vorangestellt, die die methodische Vorgehensweise erläutert sowie Hinweise zur Benutzung des Lehrbuchs gibt. Der Anspruch des Buches ist, die biblische Darstellung der Geschichte Israels nicht einfach nachzuerzählen, sondern im Kontext außerbiblischer Quellentexte und archäologischer Befunde historisch-kritisch zu rekonstruieren. Neben der Bezugsgröße „Israel“ wird außerdem der Wert der biblischen und außerbiblischen Quellen diskutiert. Die biblischen Schriften des AT werden als Texte einer Glaubensgemeinschaft vorgestellt, die die erfahrene Geschichte vor dem Hintergrund der Gottesbeziehung theologisch zu deuten versuchen. Die historische Verlässlichkeit eines biblischen Textes ist deshalb jeweils kritisch zu überprüfen. Da Israel in die Geschichte des Alten Orients eingebunden war, wird auch den außerbiblischen Quellen hohe Relevanz zuerkannt. Der Wert der Primärquellen sowie ihre kritische Beurteilung (häufig Propagandaliteratur) und die Archäologie als unabhängige Disziplin werden diskutiert. Weiterhin werden die geopolitische und geographische Lage Israels als Teil der Levante und deren Wirkung auf den Verlauf der Geschichte mit reichem Kartenmaterial dargestellt.
Im Hauptteil wird jedem der acht Epochenkap. (A: Vorgeschichte und Entstehung Israels; B: Frühe Königszeit; C: Mittlere Königszeit bis zur assyrischen Krise; D: Die Assyrische Krise; E: Die babylonische Krise und das Exil; F: Israel unter persischer Herrschaft und die nachexilische Zeit; G: Judäa unter hellenistischer Herrschaft; H: Judäa im römischen Zeitalter bis zum Bar-Kochba-Aufstand) zunächst ein Überblick über die Epoche vorangestellt. Für die ersten Epochen der Geschichte Israels (A und B), wo die biblische Darstellung historisch kaum zu verifizieren ist bzw. außerbiblische Befunde abweichende Ergebnisse bringen, werden die biblische Quellenlage und die außerbiblische Quellenlage getrennt behandelt. Priorität erhält dabei die biblische Darstellung, die zunächst nacherzählt wird, erst in einem zweiten Schritt wird das darin gezeichnete Bild der Geschichte Israels im Kontext der Entstehung der relevanten biblischen Texte und ihrer historischen Einordnung kritisch hinterfragt.
In einem weiteren Schritt werden die außerbiblischen Quellen hinzugezogen und abschließend ein mögliches historisches Szenario der Epoche rekonstruiert. Es wird außerdem der aus den Befunden resultierenden Frage nachgegangen, ob es die Erzeltern, Mose, Saul, David und Salomo überhaupt als historische Persönlichkeiten gegeben hat. Dasselbe wird auch für den Exodus und die Landnahme thematisiert. Bei den späteren Epochen sieht die Verfasserin „größere Übereinstimmungen zwischen biblischem und außerbiblischem Befund“ (43), so dass die außerbiblischen Befunde meist sofort ergänzend zum biblischen Befund hinzugezogen werden und daraus das mögliche historische Szenario konstruiert wird. Allerdings versäumt es die Verfasserin, zu definieren, was unter der „größeren Übereinstimmung“ zu verstehen ist. Die neueren Forschungen zur Geschichte Israels arbeiten zunehmend die Nicht-Übereinstimmungen der biblischen Darstellung mit den außerbiblischen Befunden heraus (z. B. Ausbau des Heiligtums in Tel Dan erst unter Jerobeam II.; Fraglichkeit der Reformen unter Hiskija und Joschija). Die außerbiblischen Befunde der Perserzeit stehen ebenfalls in Kontrast zur biblischen Darstellung der Restaurationszeit. Obwohl die Verfasserin die biblische Darstellung in den Büchern Esra und Nehemia kritisch reflektiert, übernimmt sie dennoch weitgehend das dort konstruierte Geschichtsbild. Damit steht sie in der Tradition vieler anderer Darstellungen der Geschichte Israels, die das Problem bis jetzt nicht befriedigend lösen können, inwieweit exegetische Analysen den Mangel außerbiblischer Befunde ersetzen können bzw. wann und ob überhaupt sie den Vorzug vor den außerbiblischen Befunden bekommen sollen. Abgesehen von der Einräumung der Priorität für den biblischen Text gibt sich die Verfasserin in der Wiedergabe der verschiedenen wissenschaftlichen Sichtweisen selbst neutral, umreißt kontroverse Diskussionslagen bisweilen aber recht knapp, ohne die verschiedenen Forschungspositionen weiter auszuführen. Eigene, neue Thesen, die zum Fortschritt des wissenschaftlichen Diskurses beitragen könnten, werden nicht präsentiert.
Das Buch möchte dennoch „zu einer Auseinandersetzung mit dem präsentierten Stoff anregen“ (11). Ob dies durch die Kürze der Problemdarstellungen, fehlender argumentativer Stellungnahmen sowie die Übungsaufgaben am Ende des Kaps.s, die lediglich das Vorausgegangene inhaltlich abfragen, erreicht wird, sei dahingestellt. Eine ausführlichere Bibliographie zu einzelnen Fragestellungen wäre vielleicht ein größerer Anreiz für eine weitergehende wissenschaftliche Auseinandersetzung gewesen. Alles in allem ist es der Verfasserin aber gelungen, gut strukturiert auf nur 328 S. einen historisch-kritischen Überblick der Geschichte Israels von der Vorgeschichte bis zum Bar-Kochba-Aufstand als einen ersten Einstieg für Studierende und sonstige Interessierte zu geben.
Melanie Peetz:
Das biblische Israel. Geschichte – Archäologie – Geographie.
2. überarbeitete Auflage. – Freiburg: Herder 2021.
328 S., geb. € 29,00