Begegnung von Kardinälen und orthodoxen Rabbinern in New York

Als "eindrucksvolle Erfahrung" bezeichnete der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn die Begegnung von jüdischen orthodoxen Rabbinern und Kardinälen, an der er in der ersten Wochenhälfte in New York teilgenommen hatte.

Begegnung von Kardinälen und orthodoxen Rabbinern in New York

New York - Als "eindrucksvolle Erfahrung" bezeichnete der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn die Begegnung von jüdischen orthodoxen Rabbinern und Kardinälen, an der er in der ersten Wochenhälfte in New York teilgenommen hatte. Die Initiative zu der Begegnung, die um das Thema "Was ist das wichtigste Gebot" kreiste, war von jüdischer Seite ausgegangen. Während der Begegnung besuchten Rabbiner und Kardinäle die Yeshiva University in Manhattan - eine der Bastionen jüdischen orthodoxen theologischen Denkens in den USA - und gedachten gemeinsam der Opfer des Terroranschlags vom 11. September 2001 am "Ground Zero". Jüdische Teilnehmer erklärten im Gespräch mit Journalisten, sie hätten die Katholiken gebeten, sich energischer gegen den "neu aufkommenden Antisemitismus in der Welt" zu äußern. Auch Katholiken könnten vom orthodoxen Judentum lernen, dass das Engagement für den Glauben den Einsatz für die Gestaltung der Gesellschaft nicht hindert, sondern fördert, sagte Kardinal Schönborn zur "New York Times". Von katholischer Seite nahmen u.a. auch Kardinal Jean-Marie Lustiger (Paris), die US-amerikanischen Kardinäle Theodore McCarrick (Washington) und Francis Eugene George (Chicago) sowie Kardinal Ivan Dias (Bombay) und Kardinal Alexandro do Nascimento (Sao Paulo de Luanda) teil. Unter den jüdischen Gesprächspartnern waren u.a. der frühere aschkenazische israelische Großrabbiner Meir Lau, der Kanzler der Yeshiva University, Rabbi Norman Lamm, der brasilianische Großrabbiner Henry I. Sobel und sein ukrainischer Amtskollege Yaakov Bleich, aber auch Israel Singer, der Vorsitzende des World Jewish Congress.

Von jüdischer Seite wurde mehrfach betont, dass Papst Johannes Paul II. entscheidend dazu beigetragen habe, Christen und Juden einander anzunähern. Dieses Werk der Versöhnung müsse weitergehen und auch die "Basis" erreichen. Das New Yorker Treffen sei ein Beitrag dazu. Die Referate der Teilnehmer - die Kardinäle Joseph Ratzinger und Georges Cottier waren mit Videobeiträgen vertreten - werden publiziert werden.

Vom Dialog zum Trialog

Großrabbiner Sobel sagte im Gespräch mit der "New York Times", er hoffe, dass die katholischen Führungspersönlichkeiten auch Vermittler im notwendigen Dialog zwischen Juden und Muslimen sein können. "Wir müssen den Dialog in einen Trialog umwandeln", sagte Sobel.

Die New Yorker Begegnung - die im Museum of Jewish Heritage beim Battery Park stattfand - war auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil erstmals die Initiative zu einem jüdisch-christlichen Treffen von streng orthodoxer Seite ausgegangen ist. Orthodoxe Rabbiner waren insbesondere von der Geste Johannes Pauls II. beeindruckt, als der Papst bei seinem Jerusalem-Besuch im Jahr 2000 wie ein frommer Jude einen Zettel mit einer Gebetsbitte - die Vergebungsbitte für alle Untaten von Christen gegen Juden - in eine Ritze der Klagemauer steckte.

Der Kanzler der Yeshiva University, Rabbi Lamm, sagte zur "New York Times", es gebe sowohl Kritik als auch Lob für seine Entscheidung, beim Gespräch mit den Kardinälen mitzutun. An der Yeshiva University hatte jahrzehntelang Rabbi Joseph B. Soloveitchik gelehrt, der ein entschiedener Gegner des theologischen Dialogs mit Andersgläubigen war. Bei dem New Yorker Treffen wurde daher auch eine Gratwanderung versucht, um sowohl den eigentlichen theologischen Dialog als auch das tagespolitische Gespräch zu vermeiden. "Es ging darum, einander freundschaftlich zu begegnen", so Rabbi Adin Steinsaltz aus Israel.   Der Pariser Erzbischof, Kardinal Jean-Marie Lustiger, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan, ursprünglich sei nur eine "kleine informelle Begegnung" geplant gewesen. Aber dann wurde daraus eine der größten christlich-jüdischen Begegnungen überhaupt mit insgesamt rund 60 Teilnehmern. Es sei eine "ungewöhnliche Geste" der sonst eher dialogscheuen orthodoxen Rabbiner gewesen, so Kardinal Lustiger, der selbst als junger Mann vom Judentum zum Christentum konvertiert ist. Lustiger hatte die Kontakte für das Treffen vermittelt.

Der französische Priester Patrick Desbois, der an der Organisation des Treffens beteiligt war, betonte im Gespräch mit der "New York Times", das Ziel der New Yorker Begegnung sei es gewesen, "Beziehungen aufzubauen", nicht politische oder doktrinäre Fragen zu lösen. "Wir hatten nichts mit Diplomatie zu tun", so Desbois wörtlich.

Editorische Anmerkungen

kathpress, 22.01.2004