Begegnung mit Jerusalemer Dormitio-Abt Schnabel

11.09.2023 - Abt Nikodemus auf Österreich-Besuch - Situation für die Christinnen und Christen im Heiligen Land hat sich laut dem Abt seit dem Amtsantritt der aktuellen israelischen Regierung sichtlich verschlechtert

Dieser Tage war der neue Abt der Jerusalemer Dormitio-Abtei, P. Nikodemus Schnabel, bei der Stiftung PRO ORIENTE in Wien zu Gast. Der Ordensmann, der seit rund 20 Jahren im Heiligen Land lebt und wirkt, ist mit PRO ORIENTE eng verbunden, u.a. als Konsultor der Stiftung. Abt Nikodemus berichtete über die aktuelle Situation für die Christinnen und Christen im Heiligen Land, die sich seit dem Amtsantritt der aktuellen israelischen Regierung sichtlich verschlechtert habe, wie er erläuterte.

Hinsichtlich der ökumenischen Zusammenarbeit der verschiedenen Kirchen in Jerusalem und im Heiligen Land diagnostizierte der Abt hingegen eine stetige Verbesserung in den letzten Jahren. Als Beispiel nannte er die Absprachen zwischen den einzelnen Konfessionen in der Grabeskirche. Freilich gebe es insgesamt noch „Luft nach oben“.

Als ausbaufähig bezeichnete Schnabel insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den autochthonen, hauptsächlich arabischsprachigen Christinnen und Christen, und denjenigen, die als Asylsuchende oder Arbeitsmigrantinnen und -migranten ins Land gekommen sind und vor allem aus verschiedenen afrikanischen und ostasiatischen Ländern stammen. Diese Gruppe, für die er vor seiner Wahl zum Abt als Patriarchalvikar des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem zuständig war, sei inzwischen zahlenmäßig sehr groß, zugleich aber in einer Situation, die in sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht vielfach prekär sei.

Erfreut zeigte sich der Abt über den erfolgreichen Abschluss der ersten Phase der Restaurierung der Dormitio-Abtei, die mit Unterstützung des deutschen Auswärtigen Amts und der Erzdiözese Köln sowie des in Köln ansässigen Deutschen Vereins vom Heiligen Lande erfolgt sei, zu dessen Einrichtungen die Gebäude von Kirche und Abtei gehören.

Abt Nikodemus würdigte im Gespräch mit den Verantwortlichen von PRO ORIENTE auch das ökumenische Nahost-Jugendprojekt der Stiftung, das diese in Zusammenarbeit mit der „We choose abundant Life“-Gruppe seit 2022 durchführt. In den kommenden Monaten sind dazu weitere Aktivitäten im Nahen Osten geplant. Laut Abt Schnabel braucht es solche konkreten Initiativen, bei denen sich Christinnen und Christen auch über die konfessionellen, sprachlichen und kulturellen Grenzen hinweg begegnen, kennenlernen und austauschen können.

Nikodemus Schnabel trat 2003 in die Dormitio-Abtei der Benediktiner auf dem Berg Zion in Jerusalem ein, wo er 2009 die feierliche Profess ablegte und 2013 zum Priester geweiht wurde. Im selben Jahr promovierte er an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Am 3. Februar 2023 wählte ihn der Konvent der Dormitio-Abtei zum Abt, die Abtbenediktion fand zu Pfingsten 2023 statt.

Einsatz für die Ökumene

PRO ORIENTE-Vizepräsident Prof. Rudolf Prokschi wünschte Abt Nikodemus im Namen der Stiftung viel Kraft und Segen für sein neues Amt. Er dankte ihm insbesondere auch für sein ökumenisches Engagement und die bleibende Verbundenheit mit PRO ORIENTE, sowie für die Vermittlung seiner ostkirchlichen Kenntnisse und Erfahrungen auch im Rahmen des von der Dormitio-Abtei seit nunmehr fast 50 Jahren angebotenen ökumenischen „Theologischen Studienjahrs Jerusalem“ für deutschsprachige Theologiestudierende aller Kirchen und Konfessionen. Prokschi hatte auch selbst während seiner aktiven Zeit als Professor für Ostkirchenkunde an der Wiener Universität mehrfach in Jerusalem unterrichtet.

Abt Nikodemus bietet, wie schon in den Vorjahren, aktuell in Kooperation mit dem orthodoxen Theologen Prof. Stefanos Athanasiou, der vor kurzem zum Professor für Systematische Theologie an der Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie der Universität München berufen wurde, und ebenfalls als Konsultor mit der Stiftung PRO ORIENTE verbunden ist, eine gemeinsame Lehrveranstaltung über die Theologie der Ostkirche im „Theologischen Studienjahr Jerusalem“ an.

PRO ORIENTE-Generalsekretär Bernd Mussinghoff, der als Theologiestudent an dem Studienjahr in Jerusalem teilgenommen hatte, bekräftigte, dass es ein schönes Zeichen gewachsenen ökumenischen Vertrauens sei, wenn nun ein katholischer und ein orthodoxer Theologe, die einander bei PRO ORIENTE begegnet waren, gemeinsam die nächste Generation von ökumenisch ausgerichteten Theologinnen und Theologen unterrichten.

Editorische Anmerkungen

Quelle: Pro Oriente.