Auf dem Weg zu einer pluralistischen Religionspädagogik

Jüdische, christliche und islamische Theologen und Religionspädagogen für neue Denkrichtung im Religionsunterricht – „Religionsvielfalt an Schulen theologisch einbeziehen – Keine exklusivistischen Haltungen“

9. Februar 2020 - Angesichts der religiösen Vielfalt an Schulen plädieren jüdische, christliche und islamische Theologen und Religionspädagogen für einen Religionsunterricht nach pluralistischer Religionspädagogik. „Jede Religionsgemeinschaft will und soll ihren Glauben an die nächste Generation weitergeben. Doch heute kann und darf dabei nicht mehr die Auffassung vermittelt werden, nur die eigene Religion besitze die Wahrheit und sei anderen überlegen“, so der Religionswissenschaftler und evangelische Theologe Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel und der islamische Religionspädagoge Prof. Dr. Mouhanad Khorchide vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Es gehöre zum Bildungsauftrag von Schulen, junge Menschen zu einem respektvollen und konstruktiven Umgang mit weltanschaulicher Pluralität zu befähigen. „Die Praxis zeigt, wie Religionen gerade aus exklusivistischer Haltung zu Machtinstrumenten gemacht werden und Gesellschaften spalten.“ Die Wissenschaftler haben mit insgesamt 14 deutschen Theologinnen und Theologen, überwiegend aus dem Fach Religionspädagogik, aus Forschung und Praxis ein Diskussionspapier „Dialog und Transformation“ erarbeitet, das sie am 19. März auf einem Studientag in Bonn erstmals öffentlich zur Diskussion stellen.

Ein Religionsunterricht, der der gewachsenen Religionsvielfalt Rechnung trage, müsse zum interreligiösen Lernen und zum Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften beitragen, heißt es in dem Papier. Sinnvoll könne eine Religionsgemeinschaft diese Bildungsverantwortung „nur gemeinsam mit anderen Religionsgemeinschaften im System Schule wahrnehmen“. Den Autorinnen und Autoren geht es um den theologisch-pädagogischen Hintergrund von Religionsunterricht. In Judentum, Christentum und Islam seien die theologischen Grundlagen dafür gegeben. Sie könnten die Verabsolutierung der eigenen Sichtweisen vermeiden und sich als Teil „einer interreligiösen Lerngemeinschaft“ begreifen. Das Dokument leitet daraus nicht die Festlegung auf ein spezifisches Modell zur Organisation des Religionsunterrichts ab. Man wolle aber, so Schmidt-Leukel und Khorchide, „Diskussionen über schulische Möglichkeiten und Organisationsformen einer dialogorientierten, interreligiösen Bildung anregen“.

Verschiedene Organisationsmodelle

Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in Deutschland ist entsprechend dem Grundgesetz als Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften geregelt: Der Staat ist Veranstalter der Schule, die Unterrichtsinhalte werden von den Religionsgemeinschaften verantwortet, er wird somit als konfessioneller Unterricht durchgeführt. In mehreren Bundesländern werden inzwischen konfessionell-kooperative Modelle durchgeführt, in denen die beiden christlichen Großkirchen den Unterricht gemeinsam ausrichten; ferner existiert in Hamburg das Modell eines „Religionsunterrichts für alle“.

„Daneben lassen sich“, so Schmidt-Leukel, „auch religions-kooperative Modelle diskutieren, bis hin zu einem von unterschiedlichen Religionsgemeinschaften gemeinsam verantworteten Religionsunterricht wie in Hamburg.“ In jedem Fall sei es höchste Zeit zu diskutieren, „wie wir mit den Wahrheitsansprüchen anderer Religionen im Klassenraum umgehen, mit welcher Haltung wir wachsender Vielfalt begegnen.“ Schülerinnen und Schüler sollten den Reichtum an Einsichten in das Leben aus verschiedenen Religionen im Religionsunterricht erleben können.

Das Diskussionspapier trägt den Titel „Dialog und Transformation. Auf dem Weg zu einer pluralistischen Religionspädagogik“ und ist online abrufbar, ebenfalls das Programm zum Studientag am 19. März in Bonn. Die Arbeitsgruppe ist auf Initiative des „Bonner evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik“ (bibor) der Universität Bonn und des „Pädagogisch Theologischen Instituts der Evangelischen Kirche im Rheinland“ (PTI) zusammengekommen. Das Diskussionspapier soll Grundlagen und Möglichkeiten einer pluralistischen Religionspädagogik skizzieren. Darin heißt es, die theologische Ausrichtung des religiösen Pluralismus überwinde „eine auf Abgrenzung bezogene Deutung von Unterschieden und zielt auf die Entwicklung einer Gemeinschaft, in der Unterschiede ihre trennende Wirkung verlieren“.

Editorische Anmerkungen

Quelle: Exzellenzcluster „Religion & Politik“, Uni Münster