9. November wird Gedenktag in Württemberg
TÜBINGEN Der 9. November wird in der Evangelischen Landeskirche Württemberg als Gedenktag an die Reichspogromnacht 1938 eingeführt. Das hat die Landessynode soeben beschlossen. Sie folgte damit einer Tübinger Initiative.
Der 9. November soll von 2008 an offizieller kirchlicher Gedenktag der “Erinnerung und Umkehr“ werden. Kein neuer Feiertag sei beabsichtigt, sagte der Synodale Winfried Dalferth, sondern ein “Gedenktag gegen das Vergessen der historischen Ereignisse“. Dazu gehöre “eine nach vorne gerichtete zukunftsfähige Gestaltung des christlich-jüdischen Verhältnisses“. Dalferth regte zudem an, den 9. November in den liturgischen Kalender der Landeskirche aufzunehmen. In der so genannten Kristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzten Nationalsozialisten in ganz Deutschland Synagogen in Brand und verwüsteten die Geschäfte jüdischer Inhaber. Zahlreiche Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt und ermordet.
Die Tübinger Bezirkssynode sprach sich bereits im November 2006 für einen Gedenktag aus: Die Kirchen hätten diese Verbrechen “in mutlosem Schweigen“ geschehen lassen. Die Bezirkssynode unterstützte damit eine Initiative der Bonhoeffer-Gemeinde: “Erinnerung und Umkehr sind die vordringliche und andauernde Aufgabe aller Christen.“
Pfarrer Michael Volkmann, mit seinem Kollegen Dankwart-Paul Zeller einer der Haupt-Initiatoren, freut sich nun über die mehr als 90Prozent Zustimmung in der Landessynode. “So kühn waren meine Erwartungen nicht.“ In der Begegnung mit der jüdischen Gemeinde Petrosawodsk sei der Bonhoeffer-Gemeinde immer dringlicher geworden: “Der 9. November müsste verbindlicher begangen werden – überall in der Kirche.“ Dabei geht es nicht allein um die Erinnerung an die Opfer und die Benennung der unmittelbaren Täter. “Die Geschichte des christlichen Antijudaismus müsste gründlicher diskutiert werden“, sagte Volkmann. “Das eigene Versagen, das eigene Schweigen zu den Verbrechen, aus welchen Motiven auch immer.“
Die drei Kirchenbezirke Leonberg, Münsingen und Blaufelden (Hohenlohe) sowie 15 Mitglieder der Landessynode (aus allen innerkirchlichen Gruppierungen) setzten sich ebenfalls für den Gedenktag ein. Die Tübinger Dekanin Marie-Luise Kling-de Lazzer trug das Thema in die Landessynode.
Der erste Gedenktag soll im November 2008 zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht in ganz Württemberg begangen werden. Die Landeskirche will sich zudem dafür einsetzen, dass die gesamte Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und die anderen evangelischen Landeskirchen den Gedenktag ebenfalls einführen. Die einzelnen Kirchengemeinden sollen den Tag wenn möglich ökumenisch und gemeinsam mit den Kommunen gestalten.