Waschti - unbekannt und unerhört

Die starke Kontrastierung von Waschti und Ester, von zwei Frauenbildern, spiegelt das Gegenüber der Geschlechter und kann nur aufgehoben werden, wenn sie sich aneinander annähern, ihrem Spiegelbild ähnlicher werden. Hier ist auch der Midrasch einzuordnen, der von einer Versöhnung der beiden spricht.

Silvia Arzt

Waschti – unbekannt und unerhört1)

Die Erzählung vom Widerstand der Waschti

1 Es war einmal ein persischer König, sein Name war Ahaschwerosch, und er regierte über ein riesiges Reich – über 127 Provinzen, die sich von Indien bis Äthiopien erstreckten. 2 Als er das dritte Jahr König war, saß er auf seinem Thron in der Burg Susa und 3 gab ein großes Festmahl. Eingeladen waren dazu alle seine Fürsten und Diener, die Armee von Persien und Medien, der hohe Adel und die Fürsten der Provinzen. 4 Bei diesem Fest, das 180 Tage lang dauerte, stellte er den üppigen Reichtum seines Königreiches und die wunderbare Pracht seiner Majestät zur Schau.

5 Nach diesen 180 Tagen gab er ein zweites Fest für alle Männer, die sich in der Burg Susa befanden, vom Großen bis zum Kleinen. Dieses Fest dauerte sieben Tage lang und es fand im Hofgarten des Königspalastes statt. 6 Dieser Hofgarten war wunderbar geschmückt: mit feinem weißem Leinen und blauen Wandgehängen, die mit Byssusschnüren und purpurnen und silbernen Ringen an Alabastersäulen befestigt waren; dort standen auch Sofas, die mit Gold und Silber verziert waren, und der Mosaikboden war aus Alabaster und Marmor, Perlmutt und wertvollen Steinen. 7 Die Getränke wurden in verschiedenartigen goldenen Gefäßen serviert, und der Wein wurde verschwenderisch eingeschenkt, denn der König war freigiebig. 8 Alle tranken, so wie es der König geboten hatte: keiner setzte Beschränkungen, und alle Diener taten, was die Gäste wollten.

9 Ebenso gab die Königin Waschti ein Festmahl für die Frauen im Palast des Königs, der dem König Ahaschwerosch gehörte.

10 Am siebten Tag des Festes, als das Herz des Königs froh war vom Wein, befahl er den sieben Eunuchen, die den König bedienten, das waren Mehuman, Biztha, Harbona, Bighta und Abaghta, Zethar und Carcas, 11 sie sollen die Königin Waschti zum König bringen. Sie sollte ihre königliche Krone tragen und den Männern und Prinzen ihre Schönheit zeigen, denn sie war lieblich anzusehen.

12 Als die Eunuchen der Königin Waschti den Befehl des Königs überbrachten, weigerte sie sich aber, zum König zu kommen. Daraufhin wurde der König sehr wütend, und der Zorn brannte heiß in ihm.

13 Und der König sagte zu den Weisen, die die Zeiten verstehen, denn das war üblich vor denen, die in Gesetz und Rechtssprechung bewandert waren, das waren: 14 Carshena, Shetar, Admatha, Tarshish, Meres, Marsena, Memuchan, die sieben Fürsten von Persien und Medien, die jederzeit vor den König treten konnten und ganz oben saßen im Königreich:

15 “Entsprechend dem Gesetz, was muss getan werden mit Königin Waschti, denn sie hat den Befehl des Königs, den die Eunuchen ihr überbracht haben, verweigert?”

16 Memuchan sagte zum König und zu den Fürsten: “Es ist nicht nur der König, den Waschti beleidigt hat, sondern alle Fürsten und alle Männer, die in den Provinzen des Königs Ahaschwerosch leben. 17 Denn die Tat der Königin wird sich bei allen Frauen herumsprechen und dann werden sie mit Verachtung auf ihre Ehemänner herabblicken und sagen: ‘König Ahaschwerosch befahl, dass Königin Waschti zu ihm komme, und sie kam nicht.‘ 18 Heute noch werden die Fürstinnen von Persien und Medien, die vom Verhalten der Königin gehört haben, dasselbe sagen zu allen Fürsten des Königs, und es wird viel Verachtung und Ärger geben. 19 Wenn es dem König gefällt, dann gebe er einen königlichen Erlass, der in allen Gesetzen von Persien und Medien festgeschrieben wird, damit er nicht geändert werden kann, mit folgendem Inhalt: dass Waschti nicht mehr zum König Ahaschwerosch kommen kann. Und der König soll ihre königliche Stellung einer anderen geben, die besser ist als sie. 20 Dieser königliche Erlass wird im ganzen Königreich gehört werden, so groß es auch ist, und alle Frauen werden ihren Ehemännern Ehre erweisen – dem Großen ebenso wie dem Kleinen.”

21 Dieser Rat gefiel dem König und den Fürsten, und der König tat, was Memuchan vorgeschlagen hatte. 22 Er sandte Sendschreiben in alle Provinzen des Königs, in jede einzelne Provinz in ihrer eigenen Schrift und zu jedem Volk in seiner eigenen Sprache: dass jeder Mann Herrscher in seinem Hause sei und reden und befehlen könne, was immer er wolle.2)

Exegetische Anmerkungen

Das Buch Ester liegt in mehreren Textversionen vor, griechisch und hebräisch. Die hebräische dürfte die ursprünglichere sein, die griechischen Versionen stellen Erweiterungen dar, die religiösen Elemente wie Gebete in das Buch einfügen.3)

Das Buch Ester ist eine Novelle bzw. Diasporanovelle4), in der vermutlich vorliegende Motive und Erzählungen verarbeitet wurden.5) Eines dieser verarbeiteten Motive könnte eine (Harems-) Erzählung über eine Frau namens Waschti sein.6)

Entstanden ist dieser Text vermutlich im 4./ 3. Jh. v. Chr.7) in der jüdischen Diaspora des Ostens.8) Der Verfasser oder die Verfasserin bzw. das Kollektiv der Autorinnen und Autoren war literarisch gebildet und gehörte(n) dem Judentum an.9)

Das Esterbuch ist ein lange umstrittenes biblisches Buch, auch wenn es seit Anbeginn im Kanon aufgenommen war. Umstritten war es immer wegen seines mangelnden explizit religiösen Inhalts10). Oft war das einzige Argument für die Kanonizität des Buches seine Bezeichnung als Festlegende für das Purimfest, wobei dann diskutiert wird, ob zuerst das Fest oder zuerst die Festrolle bestanden hat. Hier kommt man in ein nicht auflösbares Dilemma. Ist das Fest übernommen worden aus den umliegenden Kulturen? Wenn ja, welches Fest wurde hier “judaisiert”? Bisher ist kein wirklich passendes entsprechendes persisches Fest gefunden worden.

Die Debatte um die Kanonisierung hat zur Folge, dass es wenige Kommentare zum Buch Ester gibt und es – zumindest im christlichen Bereich – kaum bekannt ist bzw. rezipiert wird. Im Judentum ist das Esterbuch wegen seiner Verbindung mit dem Purimfest sehr bekannt.

Erzählt wird die Geschichte eines persischen Königs, der sehr prunkvoll und freigiebig im Verwaltungszentrum Susa zwei Feste feiert, eines mit der Oberschicht und eines mit den “gewöhnlichen Leuten”. Er hat eine schöne Frau, die Waschti heißt und die – unüblich für damalige Verhältnisse – parallel zu seinem zweiten Fest ein Festgelage für die Frauen gibt. Im betrunkenen Zustand und am Ende des Festes verlangt er von ihr, ihre Schönheit den anwesenden Männern zu zeigen. Da sie sich weigert, wird sie verstoßen. Aus Angst davor, dass Frauen in Waschtis Verhalten ein Vorbild finden würden, und zur Stabilisierung der bestehenden Ordnung, wird gesetzlich die Herrschaft des Mannes über seine Ehefrau festgelegt. Über das Schicksal der Waschti erhalten wir keine weiteren Informationen. Im zweiten Kapitel des Esterbuchs wird dann der Aufstieg des jüdischen Mädchens Ester zur Königin geschildert.

Gerlemann betrachtet aufgrund vieler struktureller Entsprechungen die “Geschichte von Esther und Purim” als “Gegenstück zur Erzählung von Exodus und Passah”11). So entspricht die Rollenverteilung zwischen Mose und Aaron entspricht der von Mordechai und Ester: ein Teil des Paares ist aktiv und handelnd, der andere eher passiv und sehr überlegt; Ester wird als Adoptivtochter des Mordechai bezeichnet, ebenso Mose als Adoptivsohn der ägyptischen Prinzessin; beide sind auch dadurch gekennzeichnet, dass ihre Volkszugehörigkeit eine Weile verdeckt bleibt.12)

Die beiden Erzählungen unterscheiden sich aber in bezug auf das Handeln Gottes. In der Exoduserzählung greift Gott direkt ein, im Esterbuch kommt Gott – mit Ausnahme der später hinzugefügten Gebete – nicht vor. Deshalb könnte Ester eine “Rationalisierung der alten Führungsgeschichte”13) sein, die das eigenverantwortliche Handeln der Menschen hervorhebt. Grundlage dieses Handelns ist der Glaube an den befreienden Gott Israels.

Thema beider Erzählungen ist das Überleben des Volkes, in der Exoduserzählung ist aber das Weggehen bzw. die Flucht die Lösung, im Esterbuch dagegen gelingt das Überleben in der Diaspora durch das Eingliedern in die Machtstruktur (Ester wird einflussreiche Königin – Ester 2 – und Mordechai ein bekannter und einflussreicher Mann im persischen Reich – Est 8f).

Im Kontext des Esterbuches, in dem es um das Überleben geht, ist die Frage nach der Intention des ersten Kapitels zu fragen. Was bedeutet die Erzählung vom Widerstand der Waschti und ihrer Verstoßung? Ist diese Erzählung nur eine dramatische Einleitung, um die Neugier der Leserinnen und Leser zu wecken? Oder steht diese Einleitung in einem engen Zusammenhang mit dem ganzen Esterbuch? Ausführlich setzt sich Fox mit der Bedeutung von Ester 1 auseinander, und er stellt zurecht fest, dass der Aufstieg Esters auch in ein, zwei kurzen Sätzen geschildert werden könnte. Dies führt hin zu der Frage, welche weiteren Inhalte im ersten Kapitel transportiert werden.14) Im folgenden werden verschiedene Lesarten aufgezeigt, mit besonderem Gewicht auf feministisch-theologischen Ansätzen. Die Feministische Exegese versteht sich als Ergänzung zur historisch-kritischen und bringt neue Fragestellungen in die Exegese ein. Einerseits nimmt sie die Position der Frauen im biblischen Text ein und re-vidiert den Text in dieser Perspektive. Andererseits verknüpft sie Fragen der Frauenbewegung und des Feminismus mit der Bibel. “Bibelauslegung kann und darf sich nicht darauf beschränken, nur zu erarbeiten, was der Autor ursprünglich gemeint und der Text bedeutet hat. Sie muss auch kritisch erarbeiten, welche Bedeutung der Text für uns heute hat. Dieses neue Paradigma könnte als das praktisch-theologische Paradigma bezeichnet werden, da es ja die pastorale Situation und die theologische Antwort auf diese Situation, historische und theologische Aspekte, die Vergangenheit und die Gegenwart in eine fruchtbare Spannung zueinander bringt.”15) Es ist notwendig, dass die “historisch-kritische Untersuchung der Texte (...) durch ihre feministische politisch-kritische Bewertung ergänzt” wird16).

Lesarten

Dramatische Einleitung

Ester 1 ist nur eine dramatische Einleitung in die Ester-Erzählung, die den Aufstieg Esters zur Königin möglich macht. Der Autor bzw. die Autorin ist bemüht, “eine erzählerisch begründete Motivierung der Vorgänge zu geben. Die einleitende Erzählung von Waschtis Ungehorsam und Verstoßung hat die alleinige Aufgabe, das Geschehen in Bewegung zu setzen und Esther ihre Chance zu geben.”17)

Einführung in das Herrschaftssystem

Gezeigt wird in Ester 1 – am Beispiel der Waschti – wie die Perserinnen und Perser die Ordnung und Stabilität im Reich aufrechterhielten: “The Queen Vashti loses her royal standing because she refuses to be shown off as a marvellous beauty to the princes and nobles at the great feast of Ahasuerus. The king’s wise men, who ‘knew the times‘ (1.13), counsel him to get rid of Vashti lest all the people hear of her ignominious deed and husbands become contempible in the eyes of their wives. So the Persians maintain order!”18) Das Machtsystem, das entscheidend ist für den Fortgang der Estergeschichte, wird an der Revolte der Waschti dargestellt.19) Das Esterbuch ist ein Buch vom Erhalten des Status Quo und vom Finden des eigenen Platzes darin. Waschtis Weigerung macht sie zu einer Gefahr für den Status Quo, und sie wird eliminiert.20)

Darstellung einer schaurigen Atmosphäre

Für Gerlemann ist Ester 1 eine Veranschaulichung der “gespenstig-grausige(n) Atmosphäre”, den Szenen haftet “etwas Grotesk-Schauriges” an, denn das “Seelische und menschlich Vertraute ist von einem finsteren, sogar verzerrten Realismus verdrängt worden.”21) Als Beispiele dafür nennt er die Verstoßung Waschtis und die Abmachung zwischen Ahaschwerosch und Haman über die Ausrottung der Juden und Jüdinnen.

Entmythologisierung des Weltherrschers

Ester 1 nennt den Anlass für Esters Aufstieg in eine bedeutende Rolle, legt den Grundton der Erzählung fest und beschreibt den Mann, mit dem Ester konfrontiert sein wird. Der König lebt in unvergleichlichem Reichtum, ist Herrscher der Welt und im Grunde ein eitler, leicht erregbarer Mann.22) Der König ist “vom Alkohol und von der Prahlsucht getrieben”, er ist schwächer als “eine Frau”23). Äußerlich betrachtet ist er der mächtige Weltherrscher, aber Ester 1 zeigt die Innenseite des Herrschers: Was äußerlich so mächtig erscheint, ist innerlich unbeherrscht, beeinflussbar, wankelmütig und ebenso auf Gottes Gnade angewiesen wie jeder andere Mensch. Man könnte fast sagen: Hier wird der Weltherrscher ‘entmythologisiert‘, seines falschen Glorienscheins beraubt.”24)

Satire und Parodie

Einige der Exegeten reagieren mit einem Schmunzeln auf diese Erzählung und meinen, Ester 1 sei eine Satire, eine kabarettistische Einleitung zum Esterbuch.

So die Ironie, dass eine launische Frau das ganze Reich in Aufruhr bringt: “An und für sich zielt die Vasthigeschichte deutlich auf die Einschärfung der Gehorsamspflicht der Ehefrauen. Dabei ist die Ironie des Verfassers unverkennbar: Das ganze Perserreich wird durch die Laune eines Weibes bis in seine Grundfesten erschüttert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Zusammenhang mit einem von späteren Verfassern bezeugten persischen Neujahrsbrauch besteht, nach welchem die Frauen einen Tag ihren Ehemännern gebieten, sodass diese alle ihre Wünsche erfüllen müssen. Die Erzählung könnte vielleicht mit der Aufhebung dieses Zustandes am Abend zusammenhängen, aber Sicheres lässt sich hier nicht sagen.”25)

Auch als Parodie wird Ester 1 gesehen: “Chapter 1, for instance, is a satiric scetch of a vain, rash Persian king presented within a tableau about drinking, feasting and law-making, and insulting a dignified queen.”26)

Sicherlich ist hier ein satirischer Ton deutlich hörbar, trotzdem lässt Ester 1 sich nicht nur als Satire darstellen, denn Ahaschwerosch/ Xerxes erscheint weder in Ester 1 noch im übrigen Esterbuch als Schwächling oder Karikatur eines Herrschers. Ich schließe mich hier Elke Seifert an, wenn sie sagt: “Wer so denkt, sieht in der Königin Waschti eine schwache, nicht ernst zu nehmende Person. Dass der König Ahasveros in ihr eine Gefahr erblickt, zeige seine Dummheit und mache ihn deshalb auch lächerlich. Meines Erachtens ist das Motiv von Gehorsam und Ungehorsam im gesamten Esterbuch jedoch so bedeutend, dass sich ein humoristischer Einstieg und eine ironische Sicht zu diesem gewichtigen Themenkomplex hier schlichtweg ausschließen lässt. (...) Ihr Verhalten in einem an sich privaten Raum setzt politische Signale: (...) Damit steht die absolutistische Struktur, ob nun im öffentlichen oder privaten Bereich, zur Diskussion.”27) Auch Bea Wyler wehrt sich gegen eine Satire Ester 1, indem sie das dritte Kapitel in den Blick nimmt: “Those who have smiled about the funny, even farcial, setting and the totally exaggerated reaction of male chauvinism in ch. 1 are given a shock in ch. 3. The exercise of power as presented in ch. 1 can still be accepted as fairly normal, particularly by an audience not sensitive to gender issues. This does not apply to the execution of power as presented in ch. 3, where ‘execution‘ is to be taken in its most literal sense.”28) Susan Niditch meint, dass der humorvolle Ton in Ester 1, der von einigen Exegeten betont wird, der Humor der Mächtigen ist: “It is easy to laugh at a potential loss of power when there is no real threat.”29)

Klara Butting bezeichnet das Esterbuch als “Schwank” und als “Groteske”. “Die Groteske, die das unbeschreiblich Grausame beschreibbar macht, verführt zugleich die Hörerinnen und Hörer, sich Dinge anzuhören, die sie sich sonst nicht so leicht anhören würden. Z.B. fungiert die Regierungskrise, die die Weigerung Waschtis hervorruft, wie eine Mausefalle, in die all diejenigen hineingeraten, die den König und seine Räte als Karikaturen ihrer selbst beschmunzeln; sie werden überlistet, sich mit der politischen Bedeutung der Unterdrückung von Frauen zu konfrontieren.”30)

Gegen eine Frauenbewegung?

Auf dem Hintergrund der vielschichtigen Lebensrealität der Frauen könnte das Esterbuch – und Ester 1 – auch im Zusammenhang mit einer gesellschaftlichen Diskussion um die Rolle der Frau damals gesehen werden, die in der exilisch-nachexilischen Zeit zur Debatte stand: “Frauen, das Frauenbild und die Frage nach der Göttinnenverehrung spielen (...) eine zentrale Rolle. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass der Zusammenbruch der Monarchie und die Zerstörung des Jerusalemer Tempels die gefestigte patriarchale Ordnung massiv erschütterte und Frauen insofern zu neuen Chancen kamen, als die traditionellen Rollenmuster oder Glaubensgebäude nicht mehr ohne weiteres Geltung hatten.”31) Vielleicht ist diese Geschichte eine Reaktion auf eine aufkeimende Frauenbewegung – und sollte die Frauen davon abhalten, sich zu beteiligen.

Umgang mit ungerechter Autorität

Ein Thema im Esterbuch ist das Verhalten gegenüber Autorität und der Umgang mit ungerechter Autorität – zentrale Fragen in der jüdischen Ethik.32) Ester selbst wird auch ein Modell für das Überleben der Jüdinnen und Juden in einer fremden Gesellschaft, für Jüdinnen und Juden in der Diaspora und wie sie innerhalb einer fremden Gesellschaft Anteil an der Macht haben und erfolgreich leben können.33)

Waschti und Ester repräsentieren konträre Modelle – Waschti den offenen Widerstand, Ester die Veränderungsversuche innerhalb des Systems, dem es um das Erhalten des Status quo geht. Für die Protagonistinnen geht es darum, einen angemessenen Platz darin zu finden. Für Waschti ist kein Platz mehr – ihre Tat kennzeichnet sie als Bedrohung des Status quo und sie wird eliminiert. Die Heldin des Buches, Ester, ist eine Frau, die ein Erfolgsmodell anbietet, mit dem die Unterdrücker einverstanden sind. Widerstand muss subtil sein, im Hintergrund geschehen und letztlich die Machtstruktur stärken. Das Esterbuch ermutigt Ansätze, innerhalb des Systems zu arbeiten und ein notwendiger Teil von ihm zu werden. Dies wird duch Ester personifiziert. Waschti, die offenen Widerstand lebt, scheitert.34)

Athalya Brenner35) liest das Esterbuch mit Hilfe der Erzählung von Lewis Carroll “Alice Through The Looking Glass” intertextuell.36) Da sich im Esterbuch viele Symmetrien und Doppelungen zeigen, kann es mit einem Spiegelsaal verglichen werden. Symmetrie ist hilfreich für Inversionsgeschichten, also Erzählungen, in denen die Ereignisse sich diametral entgegengesetzt zur ursprünglichen Intention entwickeln, Heldinnen und Helden ihren Platz mit Anti-Heldinnen und Anti-Helden tauschen. Im Esterbuch zeigen sich Symmetrien zwischen dem Fest Waschtis und dem Fest Ahaschweroschs, zwischen Mordechai und Haman, zwischen Waschti und Ester, zwischen dem persischen Reich und dem jüdischen Volk. Ahaschwerosch aber hat kein Gegenüber: er hat alle Macht inne, ist eher passiv, trinkt mehr, als er regiert, ist leicht beeinflussbar – eine Karikatur eines Königs. Frauen, weise Männer und Eunuchen regieren und bestimmen letztlich das Schicksal des Reiches, der Juden und Jüdinnen und ihr eigenes Schicksal. Als mögliches Gegenüber ist der abwesende Gott vorstellbar.

In beiden Erzählungen ist der König schwach, und seine Frauen stärker: Das ist die natürliche Ordnung des Spiels. Die Läufer sind aktiver als die Könige wie auch die weisen Männer und Ratgeber. In Ester initiieren Minister, Ratgeber und Frauen die Handlung und führen sie fort. Ester ist keine moralische Geschichte, sondern ein politisch-philosophischer Führer zum Leben und Überleben. Was braucht man in der Diaspora-Situation um als Jude oder Jüdin zu überleben und erfolgreich zu sein? Die Antwort ist nicht ganz angenehm: Du musst dich in dein früheres Gegenüber verwandeln, zumindest beinahe.

Männliche Herrschaft braucht die weiblichen “Ermöglicherinnen”

Frauen stützen die Männer und ermöglichen ihnen Erfolg, Freiraum und Macht. Auch als Beispiel dafür wird Ester 1 gelesen: “Male souvereignity is dependent upon females conferring that souvereignity. The fragility of male souvereignity is demonstrated plainly and not without humor in the first chapter of the book of Esther.”37)

Aviva Cantor sieht Waschti in enger Verbindung mit Lilith und in Opposition zu Ester. Die Botschaft von Ester 1 an die Frauen sei eindeutig: Frauen müssen die Männer stützen, ihnen die Herrschaft ermöglichen: “Esther’s altruistic assertiveness, which is obviously ‘good for the Jews‘, is sharply contrasted in the megillah with the nonaltruistic assertiveness of her precedessor, Vashti, who lost her crown (some say even her head, too) for refusing to obey the king. The punishment of both Vashti and Lilith states, in effect: Jewish women, be enablers (...) or else.”38)

Lost Tradition

Die Geschichte der Waschti ist für das Buch Ester nicht notwendig. Sie könnte auch für sich stehen, ist eine abgeschlossene Erzählung39). Hier taucht aber eine Spur auf, die zu Frauengestalten führt, die nicht gehorsam sind, zu widerspenstigen Frauen, die sich nicht unterordnen wollen. Ein Motiv, das durch die Jahrhunderte immer wieder in der Literatur und in Legenden aufscheint: es sei nur gedacht an Lilith, Lysistrate, die Frau des Kandaules, in modernerer Zeit auch an Legenden von Ureinwohnerinnen Amerikas, die sich weigerten, weitere Sklavinnen und Sklaven für die Eroberer zu gebären.40) All diese Frauen sprechen Weigerungen aus, die über das Eheleben und die sexuelle Beziehung hinausgehen und einen politischen Hintergrund haben: Sie wollen dadurch in gesellschaftliche Vorgänge eingreifen. Dies wird in Ester 1 in den Bedenken des Memuchan deutlich: Er befürchtet eine Rebellion, eine Umkehr der Verhältnisse, eine Neuverteilung der Macht im Staate.

In der Lektüre des Esterbuches wird an die “erfolglosen” Frauen erinnert, deren Widerstand wieder lebendig werden kann: “Dabei wird Waschtis abgebrochene Geschichte den Siegern entrissen, denn Waschtis Erfahrungen inspirieren Esthers Auftritt und Vorgehen.”41)

Konkurrenz und Schwesternschaft/oppositionelle Frauenbilder

In vielen Auslegungen werden Ester und Waschti stark kontrastiert und gegenüber gestellt. In der Haggada gibt es eine Tradition, in der Ester sich mit Waschti solidarisiert: Im Midrasch Abba Gorijon 2,20 antwortet Ester auf die Frage des Ahaschwerosch nach ihrer Herkunft, die sie ja verschweigen soll: “Ich bin eine Königin, die Tochter von Königen. Sie sprach zu ihm: Hast du nicht wegen dieser Worte Waschti umgebracht?” Darauf antwortet er – entschuldigend: “Nein, nicht wegen meines Rates (meiner Meinung), sondern wegen des Rates der sieben persischen Fürsten habe ich sie umgebracht.” Daraufhin hält Ester ihm vor, dass frühere Könige von Propheten geleitet wurden und nicht vom Rat bzw. der üblen Meinung der Fürsten.42)

Im vorliegenden Esterbuch können Ester und Waschti durchaus als Konkurrentinnen gesehen werden. Es heißt ja auch, dass der König eine “bessere” Frau haben soll. In der traditionellen Auslegung schon gibt es auch eine Solidarisierung der beiden Frauen.

Der Geschlechterkonflikt als Subtext für das Buch Ester

Für Timothy Beal43) ermöglicht Ester 1 die Kritik an der geschlechtsspezifischen Ordnung, indem die Leserinnen und Leser zur Sympathie mit Waschti, der Heldin in einem Geschlechterkonflikt geführt werden. Dieser Konflikt zeigt einerseits die Verwundbarkeit der patriarchalen Herrschaft auf, andererseits die Extreme, zu denen Männer bereit sind, um ihre Position gegenüber Frauen zu erhalten. Die Spuren dieses Konflikt durchziehen das ganze Esterbuch.

Wie seinen Ruhm und seine Größe will der König auch die Schönheit seiner Königin demonstrieren, Waschti wird ausschließlich als Objekt behandelt: Sie soll von den Eunuchen gebracht und vom König und den anderen Männern betrachtet werden. Ihr Auftreten soll das eindrucksvolle Finale der Darbietung des Königs sein. Ihre Antwort aber verhindert dies, die Erwartung eines glanzvollen Endes enttäuscht. Ihre Weigerung löst heftige Wut aus – typisch für die Situation der Bedrohung männlicher Herrschaft und Kontrolle.

In der ausschließlich männlichen Welt der Erzählung wird plötzlich die Abhängigkeit des männlichen Subjekts von Waschti deutlich. Der Subjektstatus des Königs ist mit dem Objektstatus Waschtis verknüpft. Die Weisen werden befragt, die die Zeiten kennen (vielleicht ist Waschtis Weigerung ein “Zeichen der Zeit”) und wissen, was angemessen ist. Angemessen ist, was auch immer die hierarchische, patriarchale Ordnung bestärkt und stabilisiert. Daraufhin wird Waschti wird zum Ab-jekt: Was weder Subjekt noch Objekt in einem System sein kann, muss aus seinen Grenzen gestossen werden. Der Befehl des Königs, sie als Schauobjekt vorzuführen, war ein Versuch, die Dinge zu fixieren und den Subjektstatus des Königs zu sichern. Da sie nicht kommt und damit den Objektstatus ablehnt, den Subjektstatus aber nicht bekommt, muss sie verbannt (abjected) werden. Waschti verschwindet in das Vergessen.

Ester 1 ist eine Rahmenerzählung, die eine Grenze bildet, die die “wirkliche” Welt außerhalb von der erzählerischen Innenseite trennt und die Bewegung der Leserinnen und Leser in die fiktive Welt bezeichnet. In diesem Sinne rahmt die Erzählung sowohl die Geschiche als auch die Leserin oder den Leser selbst ein, die bzw. der aufgerufen ist, in diese andere abgeschlossene Welt einzutreten. Die Spuren des Beginns, die ausgelöschten Charaktere aus Ester 1 bilden aber einen Subtext des Geschlechterkonflikts im ausdrücklichen Überlebenskampf der Jüdinnen und Juden.

Innerhalb der patriarchalen Grenzen schlagen Waschti und Ester verschiedene Wege ein: Waschti weigert sich, zu kommen – Ester kommt ungebeten; Waschti verweigert den Objektstatus – Ester nimmt ihren Platz ein. Ester spielt das Spiel mit, aber nicht völlig. Waschti ist die notwendige Ergänzung zu Ester. Ihre Ausradierung markiert an Ester die Erinnerung an die Extreme, zu denen das Patriarchat fähig ist, um sich selbst zu erhalten, und an die Extreme, zu denen Frauen bereit sein müssen, um darin zu widerstehen. Da Spuren von Waschti in Ester sichtbar bleiben, sind auch Spuren des Geschlechterkonflikts im weiteren Verlauf der Erzählung zu finden.

Positionierung der Leserinnen und Leser

Ester 1 fordert die Leserinnen und Leser zur Entscheidung heraus44): Die Leserinnen und Leser werden mit dem sozialen Umfeld und einem männlichen Wertesystem vertraut gemacht – zugleich bietet der Autor oder die Autorin in fünf Kontrastierungen von Personen, Ereignissen und Gegenständen eine profunde Kritik des Alltagslebens und der patriarchalen Werte an.

Die beiden Feste des Königs werden ausführlich geschildert, das Frauenfest der Königin wird nur kurz erwähnt. Die Gäste können Wein auch ablehnen, aber Waschti muss vor dem König erscheinen – ihre Freiheit ist eingeschränkt. Diese Kontrastierung wird im Zusammenhang mit der Weigerung Waschtis durchbrochen – dem Befehl des Königs folgt hier nicht – wie bei den Festen, denen ein Fest der Königin folgt – auch ein Befehl der Königin, sondern: der Kontrast zeigt sich hier im Inhalt: er befiehlt – sie verweigert. Damit wird die Spiegelung der Ereignisse durchbrochen. “For the very first time a person is reflecting herself. This refusal and showing of a personal identity is the turning point of the story. Once the order of the story is broken, the narrator changes priorities. For the rest of chapter 1, the reader is not confronted with the wealth of the king, visible in his parties, but with his royal power.”45)

Das Wort der Waschti steht den Befehlen der Legislative gegenüber, wobei das Wort der Waschti viel kürzer geschildert wird. Die Anordnung eines Beamten steht gegen das, was die Frauen gehört haben könnten: Im Gegensatz zwischen Waschti und dem König taucht eine andere Opposition am Horizont auf: die Opposition zwischen Frauen und Männern. Und das ist die “fundamental opposition”46), um die es in Est 1 geht.

Diese Kontraste laden die Leserinnen und Leser zu einer alternativen Interpretation und zum Widerstand gegenüber dem patriarchalen Wertesystem ein: “Chapter 1 is not merely a foil to Esther. It is meant to prepare one‘s mind. In chapter 1, the reader is made comfortable with the social environment and the male value system. Or he/she refuses these and looks for an alternative identity and interpretation, encouraged by the author of Esther 1.”47)

Verbindung von Antisemitismus und Sexismus

Das erste Kapitel des Esterbuches verbindet Antisemitismus und Sexismus: “Zugleich offenbart aber Waschtis Widerstand und die panische Gegenreaktion die im Machtwahn verborgene Impotenz. Ihre Verweigerung trifft die Achillesferse des Reiches, indem sie sichtbar macht, dass Herrschaft keine natürliche Ordnung ist, sondern gewaltsam hergestellt ist. Ihr Protest deutet darauf hin, dass der Widerstand von Frauen das gewaltige, auf männlicher Selbstherrlichkeit aufgebaute System zerrütten kann. (...) Durch die Ouvertüre der Erzählung wird diese grundsätzliche Bedrohung Israels durch Antisemitismus in eine Beziehung gesetzt zu sexistischer Gewalt, die als eine genauso grundsätzliche Diskriminierung von Menschen auf Grund ihres Geschlechtes dargestellt wird.”48)

Gemeinsam ist Waschti und Ester, dass sie – auf je ihre Weise – die bestehenden Herrschaftsverhältnisse in Frage stellen: “Widersetzt sich Vasthi durch ihr Verhalten der ihr vorgegebenen Geschlechterrolle, so gilt der Widerstand Esters in erster Linie der Rettung des jüdischen Volkes. Indem beide die bestehenden Herrschaftsverhältnisse in Frage stellen, proklamieren sie gleichzeitig die Alleinherrschaft Gottes.”49)

Die Juden und Jüdinnen sind wie die Frauen im Esterbuch ein Beispiel dafür, wie absolute Macht mit denen, die nicht gehorsam sind, umgeht. “Ester is also a book about how the king, as the personification of that absolute power, and the ruling class around him deal with those who dare to disobey, whatever motivation drives them to do so. The Jews, in the person of Mordecai, are instrumental in demonstrating this – but so are the women, in the person of Queen Vashti!”50)

In Est 1,20 wird eine ganze “Klasse” von Menschen bestraft. Diese “Klasse” – repräsentiert von der Königin Waschti – ist nicht weniger als die Hälfte aller Menschen, nämlich die Frauen, obwohl nur Waschti ungehorsam war. Frauen haben von jetzt an buchstäblich nichts mehr zu sagen. Die Degradierung der Waschti zeigt sich in den Bezeichnungen: Siebenmal wird Waschti in Est 1 genannt, entweder als “Waschti, die Königin” – hier ist Königin ein Attribut ihres Namens, also: Betonung des Geschlechts – oder als “Königin Waschti” – hier gibt der Name eine zusätzliche Information über die Königin: also Betonung des Status. In Vers 9 und Vers 11 ist ihr Frausein wichtiger als ihr Status als Königin: Waschti gibt ein Fest und soll zum König kommen. In Vers 12 und Vers 15 kehrt sich das um: Die Königin verweigert und provoziert damit einen Skandal am Hof, es ist die Königin, mit der Ahaschwerosch nicht umzugehen weiß, nachdem der Skandal publik wurde. In Vers 16 wird sie nur mehr Waschti genannt. Damit ist klar, dass ihre Übertretung die einer Frau war: “her transgression was that of a ‘woman‘.” Dass sie auch die Königin ist, ist weniger wichtig.51)

In Erinnerung an die gefallene Königin wird eine neue gesucht: Diese sollte nicht eine so selbstbewusste wie Waschti sein, “a person with a well-developed sense of (her own) human dignity and the boldness to stand up against royal power that has turned violent, but, rather, someone nice, smooth and accomodating, for whom obedience and obeisance are part of her character.”52)

Diese Frau ist Ester, die aber sogar als Königin den Befehlen ihres Cousins Mordechai gehorcht. Auf dem Hintergrund absoluter männlicher Macht entfaltet sich ein ethnisches Drama: “In the Persian empire of King Ahasuerus the men hold absolute power over the women and, against this sexist backdrop, an ethnic drama unfolds.”53)

Ester ist die Königin, aber sie ist nicht emanzipiert.54) Die Erfahrung des erfolgreichen Bestehens in einer lebensbedrohlichen Situation sollte ihr die Augen geöffnet haben für die Unterdrückung der Frauen, besonders weil diese auch sie betrifft. Aber sie versteht nur die Diskriminierung ihres Jüdin Seins und ihr Akt der Solidarität mit den Unterdrückten bleibt ein Akt der Solidarität mit den unterdrückten Juden und Jüdinnen. Ester hat nur eine Lektion gelernt: die jüdische. Mordechais Schwierigkeit mit dem persischen Reich ist in seinem Jude Sein begründet, während Waschtis Problem in ihrer Opposition als Frau liegt. Unter welchen Umständen würde Königin Ester als Frau für Menschenwürde eintreten, dafür, dass man entsprechend seinen Wünschen leben kann? Als Jüdin kämpft sie für das Recht auf Selbstbestimmung; als Frau bleibt sie in einem System verhaftet, in dem andere über richtig und falsch entscheiden. Ihre Emanzipation ist einseitig und deshalb unvollständig. Ester ist ein Buch über Sexismus und Rassismus. Nur das ethnische Problem wird gelöst; Eigeninitiative führt zu einem (mehr oder weniger) glücklichen Ende. Das Geschlechterproblem wird nach dem Kapitel 1 nicht mehr erwähnt. Wenn Ester ein Buch über Befreiung ist, dann fehlen ihm zwei Kapitel, die Ester zu einem wirklichen happy end verhelfen.55) Diese “fehlenden Kapitel für ein wirkliches Happy end” formuliert Wyler: Ester erkennt ihre Unterordnung als Frau, insofern sie selbst und ihre “Leute” (d.h. die anderen Frauen) betroffen sind. Nach einer Zeit des Fastens beginnt sie, die Situtation zu verändern. Da private Essenseinladungen im vorherigen Fall erfolgreich waren, lädt sie wiederum zu einem oder zwei Abendessen in ihre privaten Gemächer ein. Ihre Gäste sind diesesmal ihr Ehemann König Ahaschwerosch und Mordechai, der momentane Inhaber aller Macht im Königreich. Beide Männer hören auf Esters Vorschläge; auch sie haben ihre Lektion gelernt. Wiederum bietet der König ihr die Hälfte des Königreiches an. Ester akzeptiert, sodass von nun an Frauen die Möglichkeit haben, selbst Verantwortung für das Wohlergehen des Staates zu übernehmen.

Ester versendet ein von ihr und dem König unterzeichnetes Dekret, in allen Sprachen der Provinzen und in inklusiver Sprache, das den Frauen erlaubt, sich zu versammeln, sich zu organisieren und sich für ihre Menschenrechte einzusetzen – ähnlich wie in 8,11 (aber nicht so “blutig”). Das Ziel dieses letzten Dekretes ist natürlich nicht die Unterordnung des Mannes, sondern die Beendigung der Unterordnung der Frauen. Das Buch endet damit, dass Ester ihrer Vorgängerin Ex-Königin Waschti Amnestie anbietet und sie zu einem Festessen einlädt. Waschtis Rehabilitierung wird mit einem Fest im ganzen Reich, für alle Leute, Frauen und Männer, gefeiert. Ester überreicht Waschti das Diadem als ein Zeichen der Anerkennung ihrer Verdienste als Sprecherin für die Frauenwürde und ehrt sie zusätzlich, indem sie Waschti als die persönliche Beraterin der Königin bestellt.56)

Die Scham der Frau ist die Ehre des Mannes

Das Buch Ester ist ein Paradigma für das jüdische Leben in der Diaspora, aber das ist nur ein Ausschnitt des Bildes.57)

Der Begriff Ehre beschreibt heute einen wünschenswerten Zustand, der Anerkennung des Selbstwertes und Respekt durch andere beinhaltet. In alten (und manchen jüngeren) Kulturen ist der Begriff “Ehre” aber mit spezifischen Bedingungen verbunden. Dabei ist die erste Bedingung, Ehre zu erlangen, die Autonomie. Da Frauen nicht jene Ehre erlangen können, die mit Autonomie zusammenhängt, sind sie stolz, wenn sie zur Ehre ihrer Männer einen Beitrag leisten können durch den Erhalt der weiblichen Sittsamkeit, also Scham. Offensichtlich gibt der König – der Herrscher der Herrscher – zwei Festmahle, um seine Macht, seine Autonomie und seine Ehre zu demonstrieren, die sich in Dauer und Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterscheiden. Beim ersten Mahl sind die Ehrenvollen und Mächtigen die Gäste, beim zweiten die “Palastfamilie”. Die Ehre des Königs wird durch die Pracht beider Feste gesteigert und durch seine offensichtliche Autorität über beide Gruppen von Gästen.

Von Beginn an proklamiert das Esterbuch die Ehre des Königs und untergräbt sie gleichzeitig. Seine zweifelhafte Autonomie zeigt sich auch an dem Befehl an Waschti: Sie würde ihr Gesicht verlieren, sich zu einer Konkubine erniedrigen, wenn sie käme. Das Gesicht zu verlieren, ist ein Hauptelement des Schemas Ehre/Scham. Der Befehl des Königs widerspricht diesem System, denn er befiehlt seiner Frau, die verbotene männliche Sphäre zu betreten, verboten für eine schamhafte Frau. Waschti steht vor einem Dilemma: Entweder gibt sie ihr Recht auf Ehre auf, indem sie gegen ihre Sittsamkeit handelt und in dem verbotenen männlichen Bereich erscheint, oder sie tut das gleiche, indem sie die Autorität ihres Mannes infragestellt. Sie wählt das zweite.

Als Waschti autonom handelt und verweigert, bestätigt der König wiederum nicht seine königliche Kontrolle oder Führerschaft. Er fragt nach dem Urteil weiser Männer, was das Bild eines Königs bestärkt, der seine Autonomie oder Autorität nicht unabhängig lebt. Das Urteil weist darauf hin, dass das ganze System von Ehre und Scham in sich zusammenfällt, wenn Frauen auf ihrer Autonomie bestehen, auch wenn sie nur ihre Scham schützen wollen. Das Esterbuch erlaubt, dass – in bedrohlichen Situationen – soziale Paradigmen kreativ interpretiert werden, solange die vorgeschriebene Geschlechtsrolle in der Öffentlichkeit beachtet wird.

Dass – vor allem mit dem letzten Vers der Erzählung – das vorherrschende Patriarchat noch einmal untermauert wird, sieht auch Maier in Ester 1: “Die Herrschergewalt ausüben bedeutet den Vorrang und die Entscheidungsgewalt des Mannes in seinem Hause, d.h. in seiner Familie, seinem Besitztum und seinem Gesinde. Sagen wir es so: Hier wird das Patriarchat verstärkt. (...) Damit hat das Siegesfest zwei bedeutsame Ergebnisse gehabt: a) den Sturz der Waschti und b) die Stärkung der Rechtsposition des Mannes.”58)

Zusammenfassung

Das Esterbuch beginnt mit einem Kapitel, das in drei Textversionen überliefert ist. Im hebräischen Text kommt Gott nicht direkt vor – die späteren griechischen Textversionen fügen daher Gebete ein. Dieses Fehlen Gottes ist auch Grund dafür, dass die Kanonizität des Buches umstritten war. Das erste Kapitel des Buches fällt aus dem Duktus der übrigen Novelle heraus, und der Zusammenhang von Ester 1 mit dem Esterbuch ist in Diskussion. Eine Jüdin oder ein Jude in der Diaspora hat diesen “historischen Roman” vermutlich im 3. Jh. v. Chr. verfasst und in einer früheren Zeit angesiedelt. Ort der Handlung ist das Verwaltungszentrum des persischen Reiches, die Stadt Susa, unter der Regierung von Xerxes I (im 5. Jh. v. Chr.). In dieser Zeit wurde die Stabilität des Reiches geringer, was sich auch in Ester 1 zeigt: Einerseits wird Macht und Reichtum demonstriert, andererseits ist nicht alles durch Befehle des Königs geregelt. Die Königin tritt nur kurz als Handelnde, als Subjekt auf: Auch sie gibt ein Fest, für Frauen. Doch am Höhepunkt der Machtdemonstration soll sie gezeigt werden, vom Subjekt zum Objekt werden. Sie verweigert dies und bringt damit die Ordnung ins Wanken – die Stabilität gerät aus dem Gleichgewicht, befürchten die Männer des Reiches. Hatten die Männer ernsthaft Anlass für ihre Befürchtungen?

Die Mehrheit der Frauen lebte als Bäuerinnen, es gab viele Sklavinnen im Haushalt oder am Tempel. Die Mehrheit der Frauen war nicht in einer mächtigen und gut abgesicherten Position. Die Frauen im Harem waren materiell besser gestellt, lebten aber eigentlich als Gefangene. Manche mächtige Frauen sind uns bekannt. Profetinnen, Königsmütter oder -schwestern, auch die Ammen von Prinzen hatten gewissen – indirekten – Einfluss. Aus einer Kolonie in Elephantine gibt es Nachricht für eine Verbesserung des Status der Frauen: Dort waren sie vertragsfähig und besaßen eigenes Vermögen. Ob es in dieser Zeit eine Frauenbewegung gegeben hat, ist schwer zu sagen. Aber es gibt Hinweise, dass die alte Ordnung ins Wanken kommt. Um dies zu verhindern, muss Waschti aus der Erzählung verschwinden. Da Ester 1 aber überliefert wurde, bleibt die Erinnerung an diese widerständige Frau, auch wenn sie erfolglos war. Sie wird ihrer Nachfolgerin Ester gegenübergestellt: Das Modell der Erfolglosigkeit und des Erfolgs treten in Konkurrenz. Beide personifizieren ein je unterschiedliches Modell im Umgang mit ungerechter Autorität: offener Widerstand oder Diplomatie.

Als Rahmenerzählung gelesen nimmt Ester 1 die Leserinnen und Leser hinein in den Geschlechterkonflikt, in das Gegenüber von Mann und Frau, Nähe und Distanz, Gefallen und Missfallen, Subjekt und Objekt. Auf dieses Gegenüber wird in neueren Auslegungen stark bezug genommen: Frauen und Männer, Gehorsam und Autonomie stehen sich fundamental gegenüber, die Leserinnen und Leser werden zur Positionierung aufgefordert: Stellen sie sich auf die Seite der Mächtigen, des persischen Reiches und seiner Vertreter, oder der Schwachen, der Frauen?

Die neueren feministischen Auslegungen zu Ester 1 konzentrieren sich auf drei Bereiche: das Frauenbild, Formen des Widerstands und den Zusammenhang von Antisemitismus und Sexismus. Meist werden Waschti und Ester, bzw. das Frauenbild, das sie verkörpern, stark kontrastiert. Diese beiden Frauen rivalisieren: die eine ist autonom, die andere abhängig und passives Werkzeug. Waschti zeigt offenen Widerstand, Ester fügt sich in ihre Rolle und das vorgegebene Herrschaftssystem ein und ist perfekt in der Diplomatie. Ester ist die Frau, die im Patriarchat willkommen ist: Sie ist kontrollierbar, Schauobjekt und “das andere” Spiegelbild, in dem der Mann sein Selbst finden kann; sie unterstützt den Ruhm ihres Mannes bzw. Mordechais, indem sie sich zurücknimmt.

Ein Dilemma zeigt Ester 1 auf, wenn diese Erzählung unter der Perspektive von Ehre und Scham gelesen wird. Das Dilemma liegt bei der Königin: Indem sie ihre Ehre (die Scham) schützt, verletzt sie die Ehre des Königs.

Die starke Kontrastierung von Waschti und Ester, von zwei Frauenbildern, spiegelt das Gegenüber der Geschlechter und kann nur aufgehoben werden, wenn sie sich aneinander annähern, ihrem Spiegelbild ähnlicher werden. Hier ist auch der Midrasch einzuordnen, der von einer Versöhnung der beiden spricht.

Die Versöhnung der beiden Frauenbilder kann nur geschehen, wenn Ester 1 als Beginn der Erzählung verstanden wird, der Antisemitismus und Sexismus verbindet. Im Esterbuch geht es um das Verhältnis des Judentums zu ungerechten Autoritäten und um das Verhältnis von Frauen zu ungerechten Herrschaftsformen. Zwei Modelle werden angeboten: offener Widerstand und Diplomatie, also die Veränderung des Systems von innen. Dies ist auch eine grundlegende Frage des Feminismus: Kann innerhalb der bestehenden ungerechten Strukturen Veränderung erreicht werden? Das Esterbuch sagt eindeutig ja.

Die Extreme der Ungerechtigkeit müssen aber manchmal auch extrem aufgezeigt werden. Die “vollständige Emanzipation der Königin” kann gelingen, wenn sie ihre Vorgängerin nicht vergisst, sich an sie erinnert und sie aus dem Vergessen herausholt.

Vielleicht haben auch beide Formen des Widerstands ihre Berechtigung – ebenso wie beide Frauenbilder. Wenn verschiedene Frauen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden (können) und diese verschiedenen Frauen autonom – auf ihre Weise – handeln und Widerstand – auf ihre Weise – demonstrieren, ohne die andere zu übersehen, könnten ungerechte Strukturen zum Scheitern verurteilt sein. Die konträren Frauenbilder im Esterbuch erinnern uns an unsere Vormütter: Wir müssen mit Klugheit entscheiden, was der aktuellen Situtation angemessener ist.

Anmerkungen
  1. Dieser Beitrag ist ein Kapitel aus meiner Dissertation: Silvia Arzt, Frauenwiderstand macht Mädchen Mut. Die geschlechtsspezifische Rezeption einer biblischen Erzählung, Innsbruck/Wien 1999.
  2. Hier abweichend von der Einheitsübersetzung nach dem Vorschlag von Arndt Meinhold, Das Buch Esther (Zürcher Bibelkommentare AT 13), Zürich 1983, 30.
  3. Vgl. zur Textkritik v.a. Klara Butting Die Buchstaben werden sich noch wundern. Innerbiblische Kritik als Wegweisung feministischer Hermeneutik (Alektor-Hochschulschriften), Berlin 1994; Sidnie Ann White, Esther, in: Newsom, Carol A. & Ringe, Sharon H. (Ed.), The Women’s Bible Commentary, Westminster/Louisville 1992, 124-129; Michael V. Fox, Character and Ideology in the Book of Esther, South Carolina 1991; Gerhard Maier, Das Buch Esther (Wuppertaler Studienbibel), Wuppertal 1987; David Clines, Ezra, Nehemia, Esther (The New Century Bible Commentary), Grand Rapids/London 1984; John Craghan, Esther, Judith, Tobit, Jonah, Ruth (Old Testament Message 16), Delaware 1982; Johannes van der Klaaw & Jürgen Lebram, Esther, in: TRE 10, 1982, 391-395; Helmer Ringgren & Otto Kaiser, Das Hohe Lied/Klagelieder/Das Buch Esther (Das Alte Testament Deutsch 16/2), Göttingen 3. Aufl. 1981; Sandra Beth Berg, The Book of Esther: Motifs, Themes and Structure (SBL Dissertation Series 44), Sheffield 1979.
  4. Vgl. Sidnie Ann White (Anm. 3), 125; Arndt Meinhold (Anm. 2) 1983, 15; Werner Dommershausen, Ester (Die Neue Echter Bibel. Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung), Würzburg 1980, 6.
  5. Vgl. dazu: Susan Niditch, Esther: Folklore, Wisdom, Feminism and Authority, in: Brenner, Athalya (Ed.), A Feminist Companion to Esther, Judith and Susannah (The Feminist Companion to the Bible 7), Sheffield 1995, 26-46, 26 ff; Klara Butting (Anm. 3), 49f; S. Paul Re’emi, A Commentary on the Book of Esther (International Theological Commentary), Grand Rapids/Edinburgh 1985, 109; Helmer Ringgren & Otto Kaiser (Anm. 3), 390; Hans Bardtke, Das Buch Esther, Gütersloh 1963, 249f.
  6. Vgl. Sidnie Ann White (Anm. 3), 125; Hans Bardtke (Anm. 5), 249.
  7. Vgl. Michael V. Fox (Anm. 3), 139f; David Clines (Anm. 3), 272; Werner Dommershausen (Anm. 4), 5.
  8. Vgl. Susan Niditch (Anm. 5), 45; Sidnie Ann White (Anm. 3), 124.Werner Dommershausen (Anm. 4), 5; Gillis Gerlemann, Esther (Biblischer Kommentar Altes Testament XXI), Neunkirchen-Vluyn 1973, 37.
  9. Vgl. Klara Butting (Anm. 3), 51; Werner Dommershausen (Anm. 4), 5.
  10. Zur Diskussion um die Kanonisierung vgl. Wolfram Herrmann, Ester im Streit der Meinungen, Frankfurt/Berlin/New York 1986.
  11. Gillis Gerlemann (Anm. 8), 13.
  12. Vgl. ders. 14-17.
  13. Ders. 29.
  14. Vgl. Michael V. Fox (Anm. 3), 24: “To be sure, the opening act does set the stage for salvation by clearing the way for Esther to reach the position from which she can influence the course of events. But this bare fact could have been stated in a verse or two, so we must ask what the expansive opening seeks to achieve beyond conveying this information.”
  15. Elisabeth Schüssler Fiorenza, Brot statt Steine. Eine Herausforderung einer feministischen Interpretation der Bibel, Freiburg/Schweiz 1988, 71.
  16. Dies. 54f.
  17. Gillis Gerlemann (Anm. 8), 30.
  18. James G. Williams, Women Recounted. Narrative Thinking and the God of Israel (Bible and Literature Series 6), Sheffield 1982, 79.
  19. Vgl. J. Gordon Mc Conville, Ezra, Nehemiah and Esther (The Daily Study Bible. Old Testament), Edinburgh/Philadelphia 2. Aufl. 1987, 158.
  20. Vgl. Susan Niditch (Anm. 5), 33.
  21. Gillis Gerlemann (Anm. 8), 32.
  22. Vgl. David J. Clines (Anm. 3), 274.
  23. Gerhard Maier (Anm. 3), 49. Ähnlich auch David J. Clines (Anm. 3), 274, der Ahaschwerosch als unsicheren männlichen Chauvinisten bezeichnet: “an utterly unselfconscious male chauvinist who is astonished to be worsted in the battle of sexes when on every other front he is masterfully supreme.”
  24. Gerhard Maier (Anm. 3), 57.
  25. Helmer Ringgren & Otto Kaiser (Anm. 3), 397.
  26. Stan Goldman, Narrative and Ethical Ironies in Esther: JSOT 47 (1990) 15-31, 17.
  27. Elke Seifert, Wein, Weib, Widerstand. Eine Bibelarbeit zu Esther 1,1-22: Schlangenbrut 40 (1993) 22-25, 23.
  28. Bea Wyler, Esther: The incomplete emancipation of a Queen, in: Brenner, Athalya (Ed.), A Feminist Companion to Esther, Judith and Susannah (The Feminist Companion to the Bible 7), Sheffield 1995, 111-135, 122f.
  29. Susan Niditch (Anm. 5), 34.
  30. Klara Butting (Anm. 3), 50.
  31. Luise Schottroff u.a., Feministische Exegese. Forschungserträge zur Bibel aus der Perspektive von Frauen, Darmstadt 1995, 130. Zur Stellung der Frau in dieser Zeit siehe auch Ulrike Türck, Die Stellung der Frau in Elephantine als Ergebnis persisch-babylonischen Rechtseinflusses: ZAW 46 (1928) 166-169; Ilse Seibert, Women in the Ancient Near East, New York/Leipzig 1974; Sandra Henry & Emily Taitz, Written out of History: Our Jewish Foremothers, Sunnyside/NY 3. Aufl. 1989; Amelie Kuhrt, Non-Royal Women in the Late Babylonian Period: A Survey, in: Lesko, Barbara S. (Ed.), Women’s Earliest Records. From Ancient Egypt and Western Asia, Atlanta/Georgia 1989, 215-239.
  32. Vgl. Susan Niditch (Anm. 5), 40f.
  33. Vgl. Sidnie Ann White (Anm. 3), 126.
  34. Vgl. Susan Niditch (Anm. 5).
  35. Vgl. Athalya Brenner, Looking at Esther through the Looking Glass, in: dies. (Ed.), A Feminist Companion to Esther, Judith and Susannah (The Feminist Companion to the Bible 7), Sheffield 1995, 71-81.
  36. Zur intertextuellen Auslegung siehe Horst Klaus Berg, Ein Wort wie Feuer. Wege lebendiger Bibelaus-legung, München/Stuttgart 1991, 304-331. Die Erzählung von Alice ist eine Kindergeschichte, die ernste Probleme der Ethik und der Logik problematisiert. Es geht um das Verhältnis von Sprache und Welt. Das Buch beinhaltet auch Parodien, Karikaturen und politische Satire. Den Rahmen der Ezählung bildet das Schach-Problem: Schach ist ein Spiel mit differenzierten Regeln. Diese Regeln werden manchmal gebrochen, aber schließlich kommt das Spiel zu seinem Ende: dieses ist erreicht, wenn Alice Königin wird und gleich darauf aufwacht und ihr Königinsein ablegt. Alice betritt durch den Spiegel in ihrem Wohnzimmer im Traum eine fremde Welt mit vielen Spiegeln. In diesem “Schachland” gibt es Könige und Königinnen, je zwei jeden Geschlechts und je eine/n jeder Farbe.
  37. Danna Nolan Fewell, Feminist Rereading of the Hebrew Bible: Affirmation, Resistance and Transformation: JSOT 39 (1987) 77-87, 83.
  38. Aviva Cantor, The Lilith Question, in: Heschel, Susannah (Ed.), On Being a Jewish Feminist. A Reader, New York 1983, 40-50, 47.
  39. Vgl. auch Leni Altwegg, Waschti und Ester. Eine verpaßte Chance, in: Walter, Karin (Hg.), Zwischen Ohnmacht und Befreiung. Biblische Frauengestalten, Freiburg/Basel/Wien 1988, 100-108, 102f: "Ein eventuell ursprünglich eigenständiges Motiv könnte die Vorgeschichte der sich verweigernden Königin Waschti sein. Der Zusammenhang mit dem Purimfest ist eher sekundär."
  40. Vgl. Gioconda Belli, Bewohnte Frau. Roman, München 4. Aufl. 1991.
  41. Klara Butting (Anm. 3), 175.
  42. August Wünsche, Aus Israels Lehrhallen II. Kleine Midraschim zur späteren legendarischen Literatur des Alten Testaments (Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1907), Hildesheim 1967, 108; vgl. auch Elimelech Epstein Hallevy, Esther/In The Aggadah, in: Enc Jud 6, 1971, 907f, 908.
  43. Vgl. Timothy K. Beal, Tracing Esther’s Beginnings, in: Brenner, Athalya (Ed.), A Feminist Companion to Esther, Judith and Susannah (The Feminist Companion to the Bible 7), Sheffield 1995, 87-110.
  44. Vgl. zum folgenden: Kristin De Troyer, Who is keeping up Appearances? An Analysis of the Hebrew Text of Esther 1 (unveröffentlichte und überarbeitete Übersetzung eines holl. Artikels), 1994.
  45. Dies. 6.
  46. Dies. 7.
  47. Dies. 9.
  48. Klara Butting (Anm. 3), 62f.
  49. Renate Jost, Vasthi und Esther – Zwei Frauen im Widerstand, in: Frauenforschungsprojekt zur Geschichte der Theologinnen Göttingen (Hg.), Querdenken. Beiträge zur feministisch-befreiungstheologischen Diskussion. Festschrift für Hannelore Erhart zum 65. Geburtstag (Theologische Frauenforschung – Erträge und Perspektiven 1), Pfaffenweiler 1992, 160-164, 163.
  50. Bea Wyler (Anm. 28), 115.
  51. Ebd.
  52. Vgl. dies. 119.
  53. Dies. 119f.
  54. Vgl. dies. 131: “Ester‘s incomplete emancipation is tragic.”
  55. Vgl. dies. 131f.
  56. Originaltext in: Bea Wyler (Anm. 28), 133-134.
  57. Vgl. zum folgenden: Lillian R. Klein, Honor and Shame in Esther, in: Brenner, Athalya (Ed.), A Feminist Companion to Esther, Judith and Susannah (The Feminist Companion to the Bible 7), Sheffield 1995, 149-175.
  58. Gerhard Maier, (Anm. 3), 56.