...und ich habe sie geprüft und gefunden, daß sie lernen kann und versteht.'

Die Rabbinerin Regina Jonas und die Rekonstruktion jüdischer Frauengeschichte. Zwei Anhänge: Überblick über das jüdische Schrifttum und Schaubild zu den zwei jüdischen Lebenswelten.

Rachel Monika Herweg

„...und ich habe sie geprüft und gefunden,

daß sie lernen kann und versteht.“

Die Rabbinerin Regina Jonas und die

Rekonstruktion jüdischer Frauengeschichte

Vorbemerkungen

Geschichte kann ganz unterschiedlich rekonstruiert werden. Die jeweilige Blickweise hängt ab von der Tradition, in der der Betrachter oder die Konstrukteurin stehen und mit der sie sich verbunden fühlen, - das heißt, in der sie wirken (möchten) und für die sie sich engagieren. Das individuelle Engagement, die aktuell gelebte Tradition, steht in einem inneren Überlieferungszusammenhang: Wir praktizieren in der Weise, wie es unsere Mütter und Väter taten. Zugleich aber reibt sich die Tradition an dem, was sie außen vorfindet, an den realen Lebensbedingungen und -verhältnissen im Gegensatz zu einem angestrebten Ideal.

Indem ich heute im Rahmen einer Rekonstruktion jüdischer Frauengeschichte über Regina Jonas spreche, betreibe ich gleichzeitig eine Selbstverortung, eine das eigene Selbstverständnis reflektierende Spurensuche. Ich möchte (mich) an die weltweit erste Rabbinerin erinnern, ihren Werdegang verstehend nachzeichnen, eine Brücke zu ihr bauen und Anknüpfungspunkte finden. (Mich) Sich zu erinnern, ist die Voraussetzung dafür, Tradition zu hüten, zu bewahren und schließlich auch dafür, sie verantwortlich weiterzugestalten.

Mein Vortrag besteht aus drei Teilen: In einem kurzen ersten Teil werde ich einen pointierten Rückblick auf die besondere jüdische Geschichte werfen und dabei der Frage nachgehen, wie jüdisches Überleben in der Diaspora eigentlich funktionieren konnte und welchen Anteil und Verdienst Frauen daran hatten. - Hierzu möchte ich voranstellen, daß ich in der historischen Betrachtung und Konstruktion jüdischer Frauengeschichte "dem" weiblichen Geschlecht grundsätzlich Klugheit, Stärke und Verstand unterstelle, steht doch bereits im Talmud (Jeb 63a): "Sie [die Frau] erleuchtet die Augen des Mannes und stellt ihn auf seine Füße." - Ich gehe davon aus, daß Frauen bis heute aktiv jüdische Tradition gestaltet und jüdisches Überleben gesichert haben und keine passiven Dulderinnen in einer Art von Opferrolle waren. Es ist also meine Strategie, jeweils den Strang in der Geschichte hervorzuheben, der die kreativen Fähigkeiten von Frauen betont und sie bis heute stark macht (ausführlich dazu Herweg 1994).

Im zweiten Teil werde ich zunächst die Frage aufwerfen, welche Auswirkungen die Haskala (die jüdische Aufklärung) auf das Rollenverständnis und Verhältnis von Frauen und Männern hatte und daran anschließend zu Regina Jonas kommen: Warum wollte sie Rabbinerin werden? Wie hat sie sich selbst verstanden? Wie war ihr beruflicher Werdegang? Wie hat sie gewirkt und nachgewirkt?

Ihre Wirkungsgeschichte führt uns schließlich zum dritten Teil und in die Gegenwart: Was sagt uns - und was bedeutet mir persönlich - Regina Jonas heute? Was erinnern wir? Wo stehen wir selbst? - Wie haben Jüdinnen in Deutschland nach der Schoa an ihre Tradition angeknüpft? Und zugespitzt: Ist das weibliche Rabbinat Indiz für einen Bruch mit der Überlieferung oder kennzeichnet es vielmehr eine weitere Ausgestaltung von Tradition?

Über jüdisches (Über-)Leben in der Diaspora und das Verdienst der Frauen

Bis vor 200 Jahren war das orthodoxe (traditionelle) Judentum die einzige Form, innerhalb der die jüdische Religion praktiziert worden ist. Bis heute bildet es die normative Basis, an der sich alle Entwicklungen innerhalb des Judentums messen. Auch die modernen jüdischen Frauen, seien sie religiös oder säkular, sind von dem über Jahrhunderte tradierten Bild der Frau und ihrer Rolle im orthodoxen Judentum geprägt und müssen sich mit diesem auseinandersetzen.

Nach rabbinischer Überzeugung dauert jüdisches Überleben bis heute nur wegen der Verdienste unserer Vorfahren an. Indem wir uns in jeder Generation an das Wirken unserer Mütter und Väter erinnern, daran bewahrend anknüpfen und weitergestalten, sichern wir die Tradition in die Zukunft. Erinnern und Überliefern im jüdischen (= rabbinischen) Sinn heißt nicht und hieß nie, historische Begebenheiten chronologisch wiederzugeben und sie für alle Zeiten zu konservieren, sondern bedeutet vielmehr, das Vergangene erläuternd nachzuerzählen, es auszulegen, auszuschmücken, zu pointieren und in die Interpretation neu zu verknüpfen, kurz: in jeder Generation das Gewesene um die eigenen Erfahrungen zu bereichern, ihm etwas hinzuzufügen, neu erfahrbar und lebbar zu machen (vgl. im Anhang 1 den Überblick über das jüdische Schrifttum).

Bei dieser Aufgabe sollten sich - und mußten, führt man sich die jüdische Verfolgungsgeschichte vor Augen (Stichwort: "Tragbare Tora") - Männer und Frauen ergänzen. Die bereits aus den Schöpfungsberichten abgeleitete Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter sollte ihren Ausdruck nicht in gleichen Ausdrucksformen finden, sondern in praktizierter Andersartigkeit. So entstanden mit dem rabbinischen Judentum zwei Lebenswelten, die sich zunehmend ausgestalteten und festigten: Lehrhaus und jüdisches Haus (siehe Anhang 2).

In der rabbinischen Literatur wurde die mutig-kreative, unnachgiebig hart fordernde und zugleich doch fürsorgliche Frau - die Beschützerin und Bewahrerin - zum Vorbild. Beispielhaft ist, daß die Tradition die Stammütter als starke und geistvolle Frauen sieht, als realistische Lenkerinnen der Geschicke Israels. - Bis heute hat dieses Bild prägenden Einfluß auf das Selbstverständnis jüdischer Frauen und bietet positive Anknüpfungspunkte für jene, die nach (neuen) Formen religiösen Ausdrucks suchen.

Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die Konzentration der jüdischen Frau auf das "Innen des Hauses" - ihr praktisches Wirken im Gegensatz zum Theoretisieren des Mannes im Lehrhaus - war eine wichtige Voraussetzung für das Überleben des jüdischen Volkes. Das jüdische Haus war ein Refugium gegen das feindliche Außen, und die Frau wurde als die Hüterin jüdischen Geistes und innerlicher Atmosphäre im Haus von Männern und Söhnen verehrt (vgl. das Frauenlob Spr 31,10-31 und dazu die Ausführungen in Navé Levinson 1989, S. 29ff).

Zu den Auswirkungen der Haskala auf das traditionelle Rollenverständnis

Mit zunehmender Aufklärung und zunehmenden Kontakten zur nichtjüdischen Welt entdifferenzierten sich die unterschiedlichen Rollen von Männern und Frauen. - jüdisches Praktizieren wurde in weiten Kreisen immer weiter eingeschränkt und/oder modifiziert (ein eindrucksvolles Bild dieser Entwicklung hat Pauline Wengeroff [1833 Weißrußland -1916 Deutschland] insbesondere in Band I ihrer Memoiren gezeichnet).

Unterschiedliche jüdische Strömungen entstanden (siehe dazu Navé-Levinson 1991, S. 20-28). - So wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland die jüdische Reformbewegung begründet. Sie betonte die universalistisch-ethischen Doktrinen des Judentums. Die Halacha (das jüdische Ritualgesetz) wurde nicht mehr als gottgegeben, sondern als historisch entstandene Tradition und damit als Orientierungshilfe verstanden, die zwecks Anpassung an den Zeitgeist zu reformieren wäre. Nur was vom Verstand akzeptiert werden konnte, galt als verpflichtend, wobei die Befolgung der Mizwot (der Ge- und Verbote) abhängig vom Gewissen jedes einzelnen und damit freigestellt war. In diesem Sinn hat die jüdische Reformbewegung im Laufe der Zeit das Religionsgesetz drastisch verändert und sich für die Gleichheit, oder besser die Gleichartigkeit der Frau in der Religionsausübung ausgesprochen.

Eine der wichtigsten Neuerungen war die Aufhebung der Geschlechtertrennung in der Synagoge. In Reformsynagogen beten Frauen und Männer gemeinsam, können beide am Chor teilnehmen und müssen dieselben Gebote und Verbote beachten. Und doch hat es auch in dieser Richtung des Judentums noch lange gedauert, bis substantielle Veränderungen vorgenommen wurden und Frauen Rabbinerinnen werden konnten. - Gewachsene Traditionen und Bräuche, vertraute Bilder (z.B."der" Rabbiner oder der traditionell von Männern zelebrierte Gottesdienst in der Synagoge), an der Gefühle hängen, die eng mit der eigenen Identität verwoben sind, können eben nur schrittweise ersetzt werden; jede Veränderung, auch wenn sie rational noch so gut begründet ist, verwirrt zunächst auf der emotionalen Ebene und wird intuitiv abgewehrt. Illustrierend steht eine Kindheitserinnerung meiner 1921 in Berlin geborenen Lehrerin Pnina Navé Levinson an einen Synagogengottesdienst in der Oranienburger Straße:

"Ich saß mit meiner Mutter auf der Empore und lernte im Laufe der Zeit mit ihrer Hilfe, der langen hebräischen Liturgie zu folgen. Wollte ich etwas genau verstehen, befand sich die deutsche Übersetzung daneben. Da ich von klein auf hebräisch lernte, ging das recht gut. Vor allem aber war es eine emotionale Erfahrung [!], ein Eingehülltsein in die Schönheit der Gesänge und Worte, das Gefühl, ganz inmitten einer Gemeinde zu stehen, die meine eigene Identität mitprägt. Mein Vater und Bruder waren unten bei allen Männern. - Wohl keine der Frauen die dort [auf der Empore] andächtig beteten, fühlte sich 'diskriminiert'. Das hätte nicht in das selbstbewußte Bild und die entgegengebrachte Achtung und Zärtlichkeit der Männer gegenüber den Frauen gepaßt. Es gab bestimmte Rollen für Frauen und Männer. Die ganze Familie fühlte sich zur Toralesung gerufen, wenn ein Vater oder Bruder hervortrat, um die Segenssprüche zu singen" (Navé Levinson 1992, S. 149).

Pnina Navé Levinson ist Mitbegründerin der ersten liberalen Synagoge in Israel und wirkt heute längst auch bei der Liturgie und Predigt mit. In Deutschland hat sie jüdischen Frauen durch ihr (vielen Männern oft unbequem gewordenes) Vorbild wichtige Anregungen im Hinblick auf eine gleichberechtigte Partizipation in der Synagoge gegeben. Sie hat uns dazu ermutigt, unsere inneren Stimmen - unser vielerorts wachsendes Unbehagen - ernst zu nehmen und nach eigenen, jeweils zu uns passenden religiösen Ausdrucksformen zu suchen. - Unabhängig von dem, wo Pnina Navé Levinson heute, nach einem langen persönlichen Entwicklungsprozeß steht, leugnet sie jedoch nicht, daß für sie damals, zur Zeit ihrer Kindheit, ein nur von Männern aktiv gestalteter Gottesdienst "gestimmt" hat; - er paßte zu ihren damaligen Gefühlen, und sie konnte sich, wie übrigens auch heute noch viele praktizierende Jüdinnen - darin wiederfinden.

Nun aber noch einmal zurück in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts:

Über die weltweit erste Rabbinerin, Regina Jonas

1922, Pnina Navé Levinson war damals ein Jahr alt, erklärte der liberale jüdische Theologe Jacob Zalel Lauterbach, daß Frauen nicht als Rabbiner ordiniert werden sollten, da dieses mit ihrer Rolle als Frau und Mutter nicht in Einklang stünde.

Unbeirrt von der ablehnenden Haltung selbst aus liberalen Kreisen nahm die Berliner Kaufmannsstochter (und spätere Lehrerin von Pnina) Regina Jonas 1924 ihr Studium an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums (eröffnet am 6. Mai 1872, geschlossen am 19. Juli 1942) auf. Ihr besonderes historisches Verdienst ist, daß sie weltweit die erste Rabbinerin wurde: Nach zähem Ringen um Anerkennung erhielt sie am 27. Dezember 1935 - erst fünfeinhalb Jahre nach Abschluß ihres zwölfsemestrigen rabbinischen Studiums und dreieinhalb Monate nach Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze durch den Reichstag - vom Offenbacher liberalen Rabbiner Dr. Max Dienemann die Ordinationsurkunde.

Trotz der großen Widerstände und Vorbehalte seitens des zeitgenössischen deutschen Judentums und der damit verbundenen Auseinandersetzungen und Korrespondenzen bleibt Regina Jonas als eine biographische Persönlichkeit kaum mehr faßbar. Ihr Vermächtnis ist kein umfangreiches literarisches oder philosophisches Erbe; sie hinterließ kein Tagebuch, und es existieren auch keine persönlichen Briefe oder Berichte von Zeitzeugen, die erschöpfend Aufschluß über die inneren Beweggründe für ihr Handeln geben könnten. - Auf Spuren ihres Lebens stoßen wir in ihrem bescheidenen Nachlaß, der heute im Archiv der Stiftung "Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum" (Oranienburger Straße, s.o.) lagert, und der für die Forschung erst im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zugänglich gemacht wurde. Vor dem 11. September 1991, dem dokumentierten Datum der zuerst erfolgten Akteneinsicht (die übrigens Daniela Thau beantragt hatte) war die in Auschwitz ermordete Rabbinerin Regina Jonas weitgehend in Vergessenheit geraten. (Daniela Thau wurde als erste deutsche Jüdin nach der Schoa in England zur Rabbinerin ordiniert, allerdings in Deutschland Ende der 70er Jahre nicht angestellt.) Nicht einmal die 16 Bände umfassende Encyclopaedia Judaica erwähnt sie. - So erstaunt es nicht, daß in einschlägigen Publikationen immer wieder die 1972 am Hebrew Union College in Cincinatti ordinierte Sally Priesans als die erste Frau im Rabbinat zitiert wird (heute amtieren weltweit mehr als 300 Rabbinerinnen; seit den 80er Jahren ordinieren auch die Konservativen Frauen).

Mit dem Tod von Regina Jonas war, wie es wieder einmal Pnina Navé Levinson in ihrem Zeitungsbeitrag "Und Debora strahlte im Lichte der göttlichen Offenbarung" (in: Die Welt vom 2.8.1995) so treffend formuliert hat, "ein gerade beginnendes Kapitel grausam abgebrochen": Das differenzierte und kreative Nebeneinander der unterschiedlichen modernen religiösen Strömungen, die einst in Deutschland als Reflex auf jüdische Assimilationsbestrebungen entstanden und im Wachsen begriffen waren, versteinerte nach den Schrecken der Vernichtung über Jahrzehnte hinweg. Ein Erwachen aus der insularen Starre und Isolation, ein Anknüpfen an die einst reiche Tradition und religiöse Pluralität läßt sich an der zum 1. August 1995 erfolgten Berufung der Rabbinerin Bea Wyler an die Jüdische Gemeinde Oldenburg festmachen. Gleichsam in die Vorwehen dieser Berufung fiel die Wiederentdeckung von Regina Jonas. Das Interesse an ihr als Pionierin und Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frau hält seither unvermindert an, vermag doch die Kenntnis um ihren Lebensweg und beruflichen Aufstieg einen Beitrag zur (Wieder-)Verortung heutigen jüdischen Lebens und seiner Gestaltung zu leisten. - Wie bereits gesagt, lauten die zentralen Fragen hierbei: Welche Ziele verfolgte Regina Jonas, was waren ihre Anliegen, und worum geht es (uns) heute?

Geboren am 3. August 1901 in Berlin als Tochter des bereits 1913 verstorbenen Kaufmanns Wolf Jonas und seiner Frau Sara, geb. Hess, wuchs Regina Jonas mit ihrem Bruder Abraham in eher bescheidenen Verhältnissen auf. Ihr Elternhaus soll "streng religiös" gewesen sein. Nach erfolgreichem Besuch des Öffentlichen Oberlyzeums zu Berlin-Weißensee erwarb sie dort im März 1924 die Lehrbefähigung für Lyzeen und immatrikulierte sich dann mit dem Ziel der Ordination zur Rabbinerin an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Ihr Studium finanzierte sie durch Unterricht an höheren Mädchenschulen. Am 22. Juli 1930 bestand sie ihre "mündliche Schluß[!]prüfung" bei dem damals führenden rabbinischen Repräsentanten des deutschen Judentums, Dr. Leo Baeck (Religionsgeschichte und Pädagogik), und den Professoren Julius Guttmann (Religionsphilosophie), Ismer Elbogen (Jüdische Geschichte und Literatur) und Eduard Baneth (Talmudische Wissenschaft). Bei letzterem, der selbst auch Rabbiner war, hatte sie zuvor eine umfangreiche schriftliche Prüfungsarbeit mit dem wohl provozierenden Titel: "Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden?" eingereicht. In ihr gelangte sie auf der letzten Seite, Blatt 95, zu der auf der Auslegung jüdischen Schrifttums begründeten Schlußfolgerung, daß dem Bekleiden des rabbinischen Amtes seitens der Frau "außer Vorurteil und Ungewohntsein" in religionsgesetzlicher Hinsicht "fast [!] nichts" entgegensteht. Ihr Lehrer scheint derselben Ansicht gewesen zu sein. Er bewertete die Arbeit mit "Gut" und muß wohl auch - und das keineswegs im Einvernehmen mit den übrigen Mitgliedern des Lehrkörpers - beabsichtigt haben, seiner ehrgeizigen und temperamentvollen Schülerin die Ordination zu erteilen. Sein plötzlicher Tod am 7. August 1930 mag schließlich vereitelt haben, daß Regina Jonas ihr Studium mit dem Rabbinatsdiplom abschließen konnte; ihr Zeugnis weist sie "nur" als akademisch geprüfte Religionslehrerin aus. - Am Tag der Zeugnisausstellung, dem 12. Dezember 1930, hatte sie sich (trotz der bereits durchgeführten Schlußprüfung, s.o.) noch einer weiteren mündlichen Prüfung in Hebräischer Sprach- und Bibelwissenschaft bei Dr. Harry Torczyner (Tur Sinai, Naphtali Herz) unterzogen (oder wohl besser unterziehen müssen), die ganz offensichtlich anstelle einer geplanten mündlichen Prüfung im Rahmen der Ordination bei Eduard Baneth einberaumt worden war. - Fünf Monate später bescheinigte ihr dann noch Leo Baeck, sich in einer Reihe von Übungspredigten "als denkende und gewandte Predigerin" erwiesen zu haben, was nahelegt, daß Regina Jonas unbeirrt an ihrem Berufswunsch festgehalten hat und ihre Qualifikation durch zusätzliche Belege zu beweisen suchte.

"Hoffentlich bringt Ihnen ... Ihr Wirken die Befriedigung, die sie sich durch den langen Kampf verdient haben", wünschte ihr der inzwischen nach Palästina emigrierte Harry Torczyner in einem Gratulationsschreiben, nachdem sie am 27. Dezember 1935 endlich zur Rabbinerin ordiniert worden war (das meinem Vortrag vorangestellte Zitat "... und ich habe sie geprüft und gefunden, daß sie lernen kann und versteht" ist übrigens ihrer Ordinationsurkunde entnommen). - Die Anerkennung von institutioneller Seite brachte es ihr jedenfalls nur sukzessive: Hatte Regina Jonas bereits seit Beginn der 30er Jahre in mehreren Schulen Religionsunterricht erteilt und im Rahmen verschiedener jüdischer Einrichtungen und Organisationen Vorträge zu religiösen, biblischen und historischen Themen sowie zu Fragen zur Stellung der Frau im Judentum gehalten, wurde sie auch nach ihrer Ordination von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin seit dem 1. August 1937 lediglich als Religionslehrerin beschäftigt, dieses allerdings mit dem Zusatz, die "rabbinisch-seelsorgerische Betreuung" in den Altersheimen, im Krankenhaus und in städtischen Einrichtungen übernehmen zu dürfen (eine vergleichbare Abqualifizierung ihrer Ausbildung sollte rund 40 Jahre später auch die bereits erwähnte Rabbinerin Daniela Thau von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin erfahren). Zwei mit Vehemenz formulierte und im Auftrag vieler Beter im Vorfeld eingereichte Gesuche, Regina Jonas doch endlich von der Kanzel der Neuen Synagoge predigen zu lassen, waren ungehört geblieben und sollten ungehört bleiben: Zwar hielt die begnadete Predigerin in der Neuen Synagoge (wie auch in anderen Synagogen), und durchaus in Talar und Barett, Ansprachen und gestaltete religiöse Feste und Feiern für Jugendliche und Erwachsene, dieses jedoch nur in dem der eigentlichen Synagoge vorgelagerten Trausaal.

Nach 1938 sollte Regina Jonas dann immer häufiger Gemeinderabbiner vertreten, die ausgewandert oder verhaftet und deportiert worden waren. Dem zum Trotz bat die Personalverwaltung der Jüdischen Kultusvereinigung zu Berlin sie aber erst am 26. Januar 1942 um die Übersendung der Zeugnisse ihrer rabbinischen Ausbildung; wahrscheinlich benötigte sie zu diesem Zweck auch eine Abschrift ihres Rabbinatsdiploms, die nunmehr Leo Baeck [!] kraft Stempel der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums und seiner eigenen Unterschrift beglaubigt hatte. - Bis zu ihrer eigenen Deportation nach Theresienstadt am 6. November 1942 wirkte sie weiter als Rabbinerin, und auch im Konzentrationslager setzte sie ihre Arbeit fort: Innerhalb des von Victor Frankl geleiteten Referats "Psychische Hygiene" betreute sie Neuankömmlinge, verfaßte und hielt Vorträge und Predigten. Am 12. Oktober 1944 wurde Regina Jonas nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Daß sie durch ihre Predigten die Herzen der Menschen erreichthatte, belegen zahlreiche schriftliche Äußerungen und persönliche Danksagungen, die in ihrem Nachlaß erhalten geblieben sind. Genau darum scheint es ihr auch zentral gegangen zu sein: Sie wollte berühren und wachrütteln, aufrichten, Trost spenden, belehren und jüdischen Lebenssinn (zurück)geben. In einer Zeit, in der vielen deutschen Juden ihre gescheiterte Emanzipation und gleichzeitige Entfremdung von den eigenen religiösen Wurzeln und kulturellen Werten schmerzhaft bewußt wurde und ein Prozeß der geistigen Neubesinnung oder Rückorientierung einsetzte (Namen wie Ernst Simon oder Franz Rosenzweig stehen für diesen Prozeß), strebte sie danach, die Suchenden und Enttäuschten wieder in den jüdischen Überlieferungszusammenhang einzubinden.

Durch Vorleben und konkrete Unterweisung in Fragen jüdischen Brauchtums und Empfindens wollte sie von einem jüdisch-traditionellen, ihrer eigenen Sozialisation entsprechenden Standpunkt aus eine Brücke schlagen in das Innere, in das pulsierende jüdische Leben, wollte dazu animieren, jüdische Tradition erinnernd fortzuführen und damit in die Zukunft hinein zu sichern. Beispielhaft steht ihre folgende Äußerung, die sie in einem Zeitungsbeitrag "Über die Seelenfeier" formuliert hat: "All dies tiefernst religiöse Empfinden kann nur ausgelöst werden, wenn die ganze Gemeinde Israel im Gotteshause weilt, wie einst ganz Israel, Männer, Frauen und Kinder, am Sinai die Tora empfingen... [Und] so reiße die Kette nicht ab und gebe uns diese geschichtliche Verantwortung Kraft zu edlen Leistungen..." (in: Jüdisches Nachrichtenblatt vom 24. Mai 1939).

Zutiefst von ihrer göttlichen Berufung überzeugt, sah sie ihren Platz an der Seite ihrer männlichen Amtskollegen und begründete ihre Forderung nach der Ordination von Frauen mit den stattgehabten gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der Haskala und dem damit einhergegangenen Funktionswandel des Rabbiners: "[Im jüdischen Schrifttum findet sich der Rabbinerinberuf nicht, weil] die gesellschaftlich-wirtschaftliche Stellung der Frau vollkommen anders war als heute, so daß die Notwendigkeit, einen ihrem Ich zusagenden Beruf zu bekleiden, für sie wegfiel... [Es] sei [auch] noch bemerkt, daß sich der Rabbinerberuf als solcher, im heutigen Sinne, als Beamter seiner Gemeinde, auch nicht deutlich im biblisch-talmudischen und nachtalmudischen Schrifttum findet ... der Aufgabenkreis des modernen Rabbiners [hat sich] bedeutend vergrößert" (Blatt 2-3). Von beiden, Rabbinern wie Rabbinerinnen, forderte Regina Jonas einen Lebenswandel, der von jüdischer Geistigkeit durchdrungen ist. Dabei setzte sie sich vehement für das Fortbestehen unterschiedlicher Aufgabenbereiche für Frauen und Männer ein: "Gar manche Dinge, die der Mann auf der Kanzel und sonst bei der Jugend nicht sagen kann, kann sie [die Rabbinerin sagen]. Ihre Erfahrungen und psychologischen Beobachtungen sind wesentlich andere als die des Mannes, daher auch die Art eine andere, in der sie wirkt… Wenn man jüdische Kultur pflegen will, muß gerade für diese Art von Pflege die Frau mitarbeiten... Die Welt besteht nun einmal durch Gott aus zwei Geschlechtern und kann nicht auf die Dauer nur von einem Geschlecht gefördert werden" (Blatt 69). - Den Beruf der Rabbinerin sollten jedoch, ganz im Sinne einer professionellen Mütterlichkeit, nur unverheiratete Frauen ausüben: "Der Aufgabenkreis einer Frau und Mutter ist heute bedeutend vergrößert. Abgesehen von der unverheirateten Frau, die einen selbständigen Beruf bekleiden muß und sich auch den der jüdischen Theologie aussuchen will, hat eine Mutter viel Schwereres zu bewältigen als früher. Man denke daran, daß heute kritische Kinderstimmen an das Ohr der Mutter dringen, Zweifleraugen, durch die außerjüdische Umwelt und Kultur an unsere heiligen Werte die Sonde des Zweifels und der Kritik anlegen. Da kann die Mutter gerade, die in Kinderjahren vieles vom Judentum gelernt hat... mit Klugheit und Sanftmut... das Kind mit Wissen und jüdischem Selbstbewußtsein ausrüsten" (Blatt 14).

Nicht Gleichartigkeit von Frau und Mann, sondern Gleichwertigkeit in unterschiedlicher Funktionalität war die Devise von Regina Jonas. In diesem Sinne beharrte sie auch weiter auf der Trennung derGeschlechter beim öffentlichen Gottesdienst und hob das jüdische Prinzip der Keuschheit als erzieherisches Ideal hervor, das sie besonders durch das Wirken der Frauen wieder stärker praktiziert sehen wollte (damit steht sie übrigens im Gegensatz zu den Forderungen vieler moderner jüdisch-feministischer Streiterinnen, die sich voreilig mit ihr identifizieren oder sie unreflektiert für sich und ihre Ziele vereinnahmen). - Davon, daß sich die Gleichberechtigung jüdischer Frauen nicht nur in gleichen, sprich: männlichen Ausdrucksformen manifestiert, zeugen heute neue und wiederentdeckte spezifisch weibliche Rituale der Fest- und Lebenszeiten (s.u.), wodurch auch ein fruchtbarer Anknüpfungspunkt an die traditionelle Haltung und das Wirken der ersten Rabbinerin gegeben ist.

Zusammenfassend können wir festhalten, daß es als gleichsam logische Folge des Säkularisierungs- und Modernisierungsprozesses zum weiblichen Rabbinat gekommen war und daß seine Entstehung kein Indiz für einen Überlieferungsbruch darstellt, sondern vielmehr Zeugnis ablegt von einer weiteren Ausgestaltung der Tradition im Sinne des Prinzips der fortlaufenden Offenbarung, die die Anpassung religiöser Praxis an die jeweiligen Verhältnisse ermöglicht.

Anknüpfungspunkte in Deutschland nach der Schoa

Seit dem 1. August 1995 gibt es in Deutschland (wieder) eine amtierende Rabbinerin. Diese Tatsache kann als späte - aber doch geglückte - Anknüpfung an die Entwicklung innerhalb des deutschen Vorkriegsjudentums gewertet werden - als eine, mit Franz Rosenzweig gesprochen, "[Wieder-]Einreihung in die Kette jüdischer Tradition".

Selbstverständlich war diese Einreihung nicht - und von vielen weder geplant noch gewollt! - Alle Juden müßten Deutschland verlassen, wurde 1945 wiederholt von verschiedenen jüdischen Kreisen gefordert. Die gängige Devise, Deutschland sei für die überlebenden Juden nur Durchgangsstation zum endgültigen Ziel Israel, sollte noch Jahrzehnte das Bewußtsein prägen und einer Übernahme deutsch-jüdischen Erbes im Wege stehen. (So beantworteten 1964 nur 8% von 274 befragten jüdischen Jugendlichen zwischen 9 und 18 Jahren die Frage, wo sie "am liebsten wohnen" möchten mit "Deutschland" [73% antworteten "Israel" und 18% "USA"] - siehe die Dissertation des damaligen Leiters des Frankfurter Jüdischen Jugendzentrums, Walter W. Jacob Oppenheimer. 1977 kam Doris Kuschner in ihrer Dissertation zu noch dramatischeren Ergebnissen: 84% der von ihr befragten 255 in Deutschland lebenden Juden erklärten, kein Heimatgefühl gegenüber Deutschland zu haben. Erst 1990 ergab sich in einer Meinungsumfrage unter 377 Juden in Westdeutschland ein verändertes Bild: 64% sahen sich trotz ihrer Einbindung in die jüdische Kultur "zunächst einmal als Deutsche" [zitiert nach Brenner 1995, S.204f].)

Noch 1986 kam die bereits vielfach erwähnte Pnina Navé Levinson in ihrer Studie über "Religiöse Richtungen und Entwicklungen in den Gemeinden" zu dem Ergebnis, "daß die hiesige Judenheit auf einer Insel lebt, abgeschnitten von den Entwicklungen in anderen Ländern, auch in Nachbarländern wie Holland. Von orthodoxer Seite wird bedauert, daß es keine Neugründung der einstigen Seminare für Religionslehrer gibt. Der Kölner Gemeindeaktive und Schulpsychologe Yizhak Ahren betont das Fehlen eines Gymnasiums mit angeschlossenem Talmudstudium...: "Aus einer religiösen Perspektive gesehen ist Deutschland seit 1945 eine Wüste, geprägt von den Leiden der Naziopfer... Die meisten Juden haben Kindergartenniveau, was ihre jüdische Bildung anbetrifft", (In: Brumlik u.a. [Hg.] 1986, S. 141).

Im Nachkriegsdeutschland hatte die Weitergabe jüdischen Wissens und jüdischer Tradition zunächst eine untergeordnete Rolle gespielt. Insbesondere die direkten Nachkommen der Überlebenden der Schoa beklagten (und beklagen bis heute) die Unterbrechung jüdischen Lernens und Lehrens; sie fühlen sich entwurzelt. Es erfolgte auch kein Anknüpfen an die in Deutschland während des 19. Jahrhunderts entstandenen drei religiösen Hauptströmungen.

Vielmehr orientierte sich die große Mehrzahl der jüdischen Gemeinden nach 1945 am orthodoxen Ritus, während vor dem Krieg die liberale Richtung mit Orgelgottesdienst und deutscher Predigt vorgeherrscht hatte. Besonders ausgeprägt war der orthodoxe Charakter der bayerischen D(isplaced) P(ersons)-Gemeinden. Hier entstanden Synagogen mit Trennwänden zwischen Männer- und Frauenbereich, wie sie in Deutschland selbst in manchen orthodoxen Synagogen bereits im 19. Jahrhundert aus der Mode gekommen waren (ein Phänomen, das Frauen und Männer betraf und beide in ihrem jeweiligen Selbstbild verwirren konnte).

Der orthodoxe Ritus setzte sich in den meisten Gemeinden deshalb durch, weil die Menschen, die sich um religiöse Angelegenheiten kümmerten, vielfach aus Osteuropa stammten, wo es nur wenig liberale Gemeinden gegeben hatte. Trotz der Dominanz des orthodoxen Ritus, der zusätzlich noch durch die politisch begründete Form der Einheitsgemeinde befördert wurde (die Vernetzung und starke Zusammenarbeit der Gemeinden unter dem Dach einer Einheitsgemeinde war grundlegende Voraussetzung für den Auf- und Ausbau der sozialen und kulturellen Institutionen), stand die überwiegende Mehrheit ihrer Mitglieder einer persönlichen religiösen Observanz fern. - Die durch die Kultusgemeinden und Synagogen nach außen transportierte Praxis entsprach demnach nur selten den inneren Bedürfnissen ihrer Mitglieder und Beter. Die Diskrepanz zwischen äußerer Form und innerer Einstellung stellte psychologisch ein Dilemma dar und führte u.a. zu Schuldgefühlen und Selbstzweifeln bezüglich der eigenen jüdischen Identität ("die orthodox praktizierenden Juden sind die 'richtigen', die 'besseren' Juden; ich bin ein schlechter Jude / eine schlechte Jüdin; wie kann ich meiner Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Volk [meinen (Groß-)Eltern], das [die] so sehr gelitten hat [haben] überhaupt nachkommen?").

Lediglich in Berlin und Saarbrücken wurden liberale Synagogen mit Orgel errichtet. Doch selbst dort wurde die Entwicklung auf dem Stand der 20er Jahre eingefroren. Bis 1992 hatte sich in keiner deutschen Synagoge die gemischte Sitzordnung von Frauen und Männern durchgesetzt, die Anstellung von Rabbinerinnen oder Kantorinnen wurde bis in dieses Jahrzehnt hinein niemals ernsthaft in Erwägung gezogen. - Zwar gab es mancherorts liberale Rabbiner und Einzelinitiativen zu Reformansätzen, doch kann keineswegs von liberalen Gemeinden im modernen Sinn gesprochen werden. - Übrigens auch nicht in Oldenburg: Zwar sitzen seit Gründung der rund 100 Mitglieder starken Gemeinde im Jahre 1992 Männer und Frauen nicht getrennt, zählen Frauen bei der für einen Gottesdienst erforderlichen Mindestzahl von Betenden mit und lesen aus der Tora, - die dort seit dem 1. August 1995 amtierende Rabbinerin Bea Wyler aber vertritt religiös persönlich eine konservative Richtung.

Immerhin begann sich mit der zunehmenden Dominanz einer bereits in Deutschland geborenen und aufgewachsenen "zweiten" Generation ein Bewußtseinswandel innerhalb der Gemeinden durchzusetzen. Gekennzeichnet war er durch eine stärkere Bejahung des Lebens in Deutschland. Wer nach drei oder vier Jahrzehnten immer noch hier lebte, konnte nicht mehr "auf gepackten Koffern" sitzen. - Die (zunehmend auch öffentlich geführte) Auseinandersetzung mit dem deutsch-jüdischen Erbe setzte ein.

Ein Meilenstein hierbei war die Gründung der Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien im Jahre 1979 (nachdem der liberale Landesrabbiner Nathan Peter Levinson bereits 1971 anläßlich der Einweihung der Karlsruher Synagoge die Errichtung einer Jüdischen Hochschule gefordert hatte). In den 80er Jahren wurden dann die ersten polemisch-kritischen, an eine intellektuelle Leserschaft gerichteten Zeitschriften Babylon und Semit gegründet (die allerdings beide wegen mangelnder Abnahme wieder eingestellt werden mußten), und in verschiedenen Bundesländern entstand die Möglichkeit, Jüdische Religionslehre als Prüfungsfach im Abitur zu belegen. Seit 1983 existiert eine jüdische Buchhandlung (zunächst in München, später auch in Berlin), die auch regelmäßig offene Foren zu jüdischen Themen anbietet. Nach München und Frankfurt wurden in Berlin und Düsseldorf jüdische Grundschulen eröffnet - in Berlin gibt es seit 1993 ein jüdisches Gymnasium. - Eine wesentliche Veränderung zeichnete sich 1995 ab: Zum ersten Mal geben wieder jüdische, gelernte Redakteurinnen (drei Frauen, unter ihnen die Chefredakteurin, und ein Mann), die alle nach 1945 in Deutschland aufgewachsen sind, die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung (die einzige überregionale jüdische Zeitung Deutschlands) heraus und fordern die Hinwendung zu - und Diskussion - innerjüdischer Thematik.

In Opposition zu den etablierten, auf Erhaltung des Status quo bedachten Gemeinden waren während der 70er und vor allem auch 80er Jahre unabhängige "Jüdische Gruppen" entstanden - eine Entwicklung, die sich bis heutefortsetzt. Zu ihnen zählen Gruppierungen spezifisch Betroffener: lesbische und schwule Juden, Nachkommen jüdischer Väter (die nach der Halacha nicht als Juden gelten, sich selbst aber oft als Juden verstehen), Nachkommen ehemals getaufter Juden (siehe dazu Oberlaender 1996). - Das allen gemeinsame Anliegen - und so auch das jüdischer Frauengruppen - ist die Suche nach der eigenen jüdischen Identität und im Rahmen dieser nach eigenen (selbstauthentischen) Ausdrucksformen.

Beispielhaft steht für mich in diesem Zusammenhang eine - wiederum an Franz Rosenzweig anklingende - Aussage Bea Wylers, die ihren eigenen Werdegang von der dem Judentum weitgehend entfremdeten, gelernten Agronomin über Journalistin und engagierten Feministin zur Rabbinerin reflektiert: "Bevor man's [das Judentum] wegwirft, will man wissen, was man wegwirft" ([Berliner] Tagesspiegel vom 26. Juli 1996). - Das diffuse Gefühl von (passiver) Zugehörigkeit, die inhaltlich wegen des Mangels an jüdischer Bildung und jüdischem Wissen kaum mehr (positiv) begründet werden kann und sich oft nur noch (negativ) über eine von den Eltern ererbte Verfolgungsgeschichte füllen läßt, ist der Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der jüdischen Tradition, Kultur und Religion. Zunehmend wird der Druck verspürt, sich mit dem Judentum (dem eigenen Vermächtnis) auseinanderzusetzen, hebräisch zu lernen, sich selbst (wieder) zu verorten, sich einzureihen - und dann, in gleichsam letzter Konsequenz - (aktiv) jüdisches Leben und Tradition mit- und fortzugestalten.

Auch hierzu paßt ein Zitat von Bea Wyler: "Ein ganz wesentliches Element der Tradition ist, daß sie sich verändert [ent-wickelt]" (ebd.; auch in: Die Welt vom 27. November 1995). Es kommuniziert mit einer zeitlich nahezu synchron getroffenen Aussage des orthodoxen (damals noch Berliner) Rabbiners Moshe Dick: "Judentum ist kein Faktum, sondern ein Prozeß" (FAZ vom 14.12.95). - Nämlich der Prozeß der seit dem Sinai fortlaufenden Offenbarung.

Die Pressereaktionen auf die Einstellung von Bea Wyler zeigen, was in Gang gekommen war und markieren einen empfundenen Umbruch. Inhaltlich und auch in der Art ihrer Ausführung erinnern sie ganz an die Reaktionen und Kontroversen, die ihrerzeit die Ordination von Regina Jonas hervorgerufen hatte: "Nach der Erstarrung der letzten Jahrzehnte" breche nun alles auf; "ist dies der Neubeginn eines anderen jüdischen Lebens?" (Tagesspiegel vom 26. Juli 1995). "Frauen brechen alles auf& Jes; - "Einige Männer reagieren sehr verwirrt auf die weibliche Zukunft" (FAZ vom 28. Juli 1995). "Gemeinden in Oldenburg und Braunschweig brechen mit Orthodoxie"; sie "haben mit der Wahl einer Rabbinerin eine Kontroverse entfacht" (FAZ vom 28. Juli 1995). Es ist die Rede vom "Aufbruch aus der Erstarrung" (Süddeutsche Zeitung vom 29. Juli 1995), der ausgelöst wurde vom "Frust auf der Galerie" (so der Titel eines Spiegel-Artikels vom 7. August 1995).

Bea Wyler selbst wirkte in dem Trubel, der um sie und ihre Amtseinführung veranstaltet wurde, gelassen und selbstbewußt: Auf die Frage etwa, wie sie denn darnit umgehe, daß der Zentralratsvorsitzende Bubis öffentlich bekundet, niemals einen ihrer Gottesdienste besuchen zu wollen, reagierte sie klar, gelassen und sehr jüdisch - nämlich Pluralität und Auseinandersetzung zulassend: "Listen carefully: ob ich bei Hertie oder bei Horten einkaufe, ist meine Privatsache. Genauso ist das mit der Frage, in welche Synagoge Herr Bubis geht." (ebd.) - Es scheint mir, als regeneriere sich das Judentum in Deutschland langsam nach dem vernichtenden Schlag durch die Nationalsozialisten: Unterschiedliche Positionen werden bezogen und nach außen vertreten, dort wo Traditionen (z.B. die Art und Weise der Gestaltung des Gottesdienstes) nichtmehr mit den inneren Bedürfnissen, Gefühlen und Bildern übereinstimmen, werden Veränderungen angestrebt und sukzessive durchgesetzt. Bei allem Optimismus (der auch nötig ist, wenn sich Juden bewußt für ein Leben und eine Zukunft in Deutschland entscheiden) darf jedoch nicht vergessen werden, daß hier vor 1933 über eine halbe Million Juden gelebt haben; 170.000 allein in Berlin. [Heute nur rund 65.000 in ganz Deutschland, d. Red.]

Jüdische Frauen in Deutschland knüpfen heute vermehrt an ihre Tradition an, und Anknüpfen bedeutet: Sie stellen ihre eigenen Fragen an die vorgefundene religiöse und kulturelle Überlieferung, reflektieren, finden alte Antworten und entdecken auch Neues - sie fügen hinzu! - Sie bereichern die Tradition durch und um die Erfahrung ihres eigenen Lebens.

Genau das geschieht im Midrasch: Midraschim bringen die Bibel bis heute zum Sprechen. Sie erweitern den Überlieferungsstoff um neue Sichtweisen und Blickwinkel und sind so der Ausgangspunkt für die Entstehung und Entwicklung neuer Rituale. - Jüdische Frauen und Feministinnen, häufig inspiriert durch die Entwicklungen in Amerika und England seit den 70er Jahren, kreieren Midraschim. Sie tun das von ganz unterschiedlichen Standorten aus (orthodox bis reformiert) und mit unterschiedlichen Zielrichtungen (schrittweise Veränderung einzelner Gebote bis Neugestaltung der gesamten Halacha) (dazu z.B. Plaskow 1992). Allen gemeinsam ist das Bedürfnis, die weiblichen Anteile an und in der jüdischen Geschichte aufzuspüren, herauszustellen und zu betonen - eine (Verstehens-) Brücke zu unseren Vormüttern zu bauen. Den Prozeß unserer Selbstsuche, der nur über die Kenntnis des Vergangenen vollzogen werden kann, spiegelt eindrücklich das folgende, 1977 von Elaine Starkman verfaßte Gedicht (in Navé Levinson 1993, S. 15).

wir sind


wir sind nicht vergilbte fotos der

urgroßmütter

die männern dienten und söhne gebaren

um ihnen im himmel zu füßen zu sitzen


wir sind nicht porträts der

großmütter

vor pogromen geflohen, mythen schaffend

in amerikanischen elendsfabriken


wir sind nicht schnappschüsse der

mütter

liebevoll verzweifelt uns zwingend

in rosa ballkleider und den titel verh.(eiratet)


wir sind eine generation

die traditionen sucht

symbole verwandelt

jüdische frauen

noch nicht wir selbst

Frauen betonen ihren Anteil an der fortdauernden Schöpfung durch das Praktizieren alter und neuer Rituale, durch das Erzählen alter und neuer Geschichten, die das Wirken von Frauen in den Mittelpunkt stellen und durch das Schreiben neuer Liturgie ([Frauen]Gebete) und religiös/kulturell konnotierter Prosa.

Neben vielen Gemeinden entstanden und entstehen Frauengruppen - Treffpunkte religiösen und kulturellen Austauschs, wo gemeinsam nach passenden Ausdrucksformen jüdischen Lebens gesucht wird. Neue Rituale der Festzeiten (wie Rosch-Chodesch-Feiern oder Frauensedarim) und der Lebenszeiten (z.B. das Feiern der Geburt eines Mädchens, der Bat-Mizwa, der Menstruation oder der Umgang mit Abschieden wie der Weggang vom Elternhaus, Entwöhnung, Kinderlosigkeit, das Einsetzen der Wechseljahre, Altern, Sterben) werden kreiert, ausprobiert, wieder verworfen, modifiziert und etabliert (ausführlich dazu Navé Levinson 1992, Kap. 10). - Es ist eine Frage der Zeit, wann diese zunächst "von außen" kommenden Impulse in die Gemeinde integriert werden.

So gibt es beispielsweise in Berlin inzwischen zwei egalitäre Gottesdienste, die von 10 bis 30 Frauen und Männern besucht werden und neben den Synagogengottesdiensten bestehen (Weiss 1997). Im Frühjahr 1994 gründete sich in Frankfurt am Main die Kehilah Chadaschah, eine Gemeinschaft, die "neue Wege des jüdischen Gottesdienstes sucht" (Keval), und im März 1995 schließlich konstituierte sich in München die Liberale Jüdische Gemeinde Beth Shalom.

Schlußbemerkung

Wie zur Zeit von Regina Jonas suchen Juden in Deutschland und/oder deutsche Juden auch heute zunehmend bewußt ihren Weg im Spannungsfeld zwischen Bewahrung und fort- oder neugestaltender Bewährung von Tradition. Aber während die wachsende Akzeptanz von Regina Jonas als Rabbinerin im Angesicht der zunehmenden Entrechtung und Vernichtung des deutschen Judentums erfolgt war, steht die Berufung von Rabbinerin Bea Wyler für mich gleichsam als Neuanfang eines künftig freien und selbstbewußten pluralen Nebeneinanders von Traditionalisten und religiös Progressiven. - Darin besteht das eigentliche Vermächtnis von Rabbinerin Regina Jonas.

Literatur

Brenner, Michael 1995: Nach dem Holocaust: Juden in Deutschland 1945-1950 München: Beck.(zurück)

Brumlik, Micha u.a (Hg.) 1986: Jüdisches Leben in Deutschland seit 1945. Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag bei Athenäum.(zurück)

Herweg, Rachel Monika 1994: Die jüdische Mutter. Das verborgene Matriarchat. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. (zurück)

Herweg, Rachel Monika 1996: "Mein Name ist Frau Regina Jonas. Ich bin nicht die Frau eines Rabbiners. Ich bin Rabbinerin. Was kann ich für Sie tun?" Die Rabbinerin Regina Jonas (Berlin 1902 - Auschwitz 1944). In: Elke Kleinau (Hg.): Frauen in pädagogischen Berufen. Bd. 1: Auf dem Weg zur Professionalisierung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 155-171.

Heuberger, Rachel 1994: Die Stellung der Frau im Judentum. In: Leonie Wagner u.a. (Hg.): Aus dem Leben jüdischer Frauen. "Welche Welt ist meine Welt?". = Schriftenreihe des Archivs der deutschen Frauenbewegung Bd. 9. Kassel, S. 7-22.

Keval Susanna 1994: Kehilah Chadaschah. Eine neue Gemeinschaft in Frankfurt. In: Frankfurter Jüdische Nachrichten, Rosch Haschana-Ausgabe, S. 21f. (zurück)

Keval, Susanna 1995: Ein Jahr Kehilah Chadaschah. Ein Rückblick. In: Frankfurter Jüdische Nachrichten Rosch Haschana-Ausgabe, S. 17.

Keval, Susanna 1996. Neue Wege zur Religiosität. Bat Mitzwa - Ritual im Reformjudentum. In: Frankfurter Jüdische Nachrichten, Rosch Haschana-Ausgabe.

Navé Levinson, Pnina 1989: Was wurde aus Saras Töchtern? Frauen im Judentum. Gütersloh: Mohn.(zurück)

Navé Levinson, Pnina 1991: Einblicke in das Judentum. Paderborn: Bonifatius.(zurück)

Navé Levinson, Pnina 1992: Eva und ihre Schwestern. Perspektiven einer jüdisch-feministischen Theologie. Gütersloh: Mohn. (zurück)

Navé Levinson, Pnina 1993: Esther erhebt ihre Stimme. Jüdische Frauen beten. Gütersloh: Mohn.(zurück)

Oberlaender, Franklin A. 1996: "Wir aber sind nicht Fisch und nicht Fleisch" - Christliche "Nichtarier" und ihre Kinder in Deutschland. Opladen: Leske + Budrich.

Plaskow, Judith 1992: Und wieder stehen wir am Sinai. Eine jüdisch-feministische Theologie. Luzern: Edition Exodus.(zurück)

Weiss, Iris 1997: Ein Minjan für alle. Bei den "egalitären Gottesdiensten" lesen auch Frauen aus der Tora vor. In: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung vom 3. April 1997 (Nr. 7/97), S. 12.(zurück)

Wengeroff, Pauline 1908/1910: Memoiren einer Großmutter. Bilder aus der Kulturgeschichte der Juden Rußlands im 19. Jahrhundert, 2 Bde. Berlin. Nachdr. Berlin: Poppelauer 1913 (mehrere Auflagen).(zurück)


Anhang 1: Überblick über das jüdische Schrifttum

Tora - die in sich abgeschlossene "schriftliche Lehre"

Die sog. "Fünf Bücher Mose" (Gen, Ex, Lev, Num, Dtn), die für das orthodoxe Judenturn authentisches Gotteswort darstellen.

Hebräische Bibel

Umfaßt 24 Bücher in 3 Abteilungen: 1 ) Tora, 2) Propheten [die Geschichtsbücher von Josua bis Könige und die Prophetenschriften von Jesaja bis Maleachi, 3) Schriften  [von den Psalrnen bis zur Chronik]. (2) und (3) gelten als inspirierte Ausführungen zur Tora.

Mischna - die erste schriftliche Fixierung der "mündlichen Lehre"

Die Mischna wurde um das Jahr 200 n.Z. von Rabbi Jehuda ha-Nassi kompiliert. Sie enthält alles, was in Erganzung der schriftlichen Lehre mündlich gelehrt worden ist: Erklärung und Auslegung zur Tora (Midrasch) sowie die Satzungen und Rechtslehren (Halacha), die nicht ausdrücklich in der Tora enthalten sind.

Die Mischna ist in sechs Ordnungen gegliedert und handelt in insgesamt 63 Traktaten von der Landwirtschaft, den Festzeiten und dem Schabbat, über Ehe und Ehescheidung, Zivil- und Strafrecht, über das Opfer und den Tempelkult sowie über kultische Reinheit und Unreinheit. Sie ist die Grundlage des Talmuds, hat autoritativen Charakter, auf ihr basieren alle späteren religions- und zivilgesetzlichen Entscheidungen.

Talmud

Die Sammlung der Ausführungen, Diskussionen und Kommentare der Amoräer [= die Gelehrten, die nach Abschluß der Mischna bis zum Ende der talmudischen Epoche lebten] über die Mischna.

Der Talmud ist Sammelbegriff für Mischna und Gemara, wobei die sehr umfangreiche Gemara die Mischna kommentiert. Es gibt zwei Talmudim, weil es zwei Gemarot gibt: eine kürzere, älter in Palästina redigierte (daher: palästinischer oder Jerusalemer Talmud) und eine umfassende, jüngere aus Babylonien (daher: babylonischer Talmud). Die Endredaktion des babylonischen Talmuds, auf den heute in der Regel Bezug genommcn wird, erfolgte Ende des 6. Anfang des 7. Jahrhunderts durch die Saboräer.

Später bedurfte auch der Talmud der Erläuterung, was in Form von Kommentaren und Kodifikationen geschah und weiterhin geschieht (= rabbinisches Schrifttum).

Das Verhältnis von schriftlicher und mündlicher Lehre:

Nach traditioneller Überlieferung gehören beide Lehren (Torot) untrennbar zusammen und wurden als solche Mose am Sinai geoffenbart. Die mündliche Lehre paßt die Gebore der schriftlichen Lehre der jeweiligen Zeit an; sie erklärt sie, deutet sie aus und macht sie so erst leb- bzw. praktizierbar.(zurück)

Anhang 2: Schaubild zu den zwei jüdischen Lebenswelten

Nach der jüdischen Niederlage im Jahre 70 erwirkte Jochanan ben Sakkai die Erlaubnis, eine Akademie in Jawne zu gründen. Er rekonstruierte dort das Sanhedrin, den jüdischen Gerichtshof. So trat das Lehrhaus an die Stelle des Staates und wurde Mittelpunkt des rabbinischen Judentums.

Zur Stabilisierung der Gesamtgesellschaft nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit verstärkten die Rabbinen durch ihre Gesetzgebung die Polarisierung von Männer- und Frauenwelt und ihre verschiedenen Aufgabenbereiche:

Lehrhaus (traditioneller Wirkungsort der Männergemeinschaft) und das jüdische Haus und die Familie in ihm (traditioneller Wirkungsort der Frauen) stehen in Wechselbeziehung zueinander. Beide sind Träger der Halacha, Lernorte, aber mit unterschiedlicher Konnotation:

Bewahrung: Das Lehrhaus beschreibt den überlieferten Traditionsstoff in jeder Generation neu und sichert ihn so von außen, in der Theorie.

Bewährung: Das jüdische Haus / die Familie lebt die tradierte Lehre von innen heraus und setzt sie in praktische  Handlungskompetenzen um.

Als Priesterinnen des Hauses müssen Frauen über umfangreiche halachische Kenntnis verfügen: Zentrale Vorschriften, die den Tempeldienst betrafen, wurden in den Bereich des Hauses und der Familie übertragen:

1. Untersuchung der Genußfähigeit geschlachteter Tiere. Kaschrut: rituelle Speisegesetze.

2. Darbringung der Brandopfer - Symbolische Brotteigopfer.

3. Kultische Reinheit durch priesterliche Ritualhandlungen - Familienreinheit; insbesondere Tauchbad.

4. Anzünden der Weihlampe - Schabbat- und Festtagslichter.

So wurde das jüdische Haus zum kollektiven Erinnerungsort der göttlichen Offenbarung. Hier werden im Ritual die für die Volks-Werdung und das religiöse Bewußtsein entscheidenden Augenblicke Israels ständig neu vollzogen und bleiben so ewig gegenwärtig.

 

Editorische Anmerkungen

Prof. Rachel Monika Herweg hielt diesen Eröffnungsvortrag beim Symposium "Israels Töchter" des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, das im April/Mai 1997 in St. Virgil, Österreich, stattfand.

© Copyright 1997 Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit