Gesprächsthemen Nr.7: Tikkun Olam - Die Welt verbessern

Sowohl Juden und Jüdinnen als auch Christen und Christinnen sind gerufen, „in der Sorge und Erlösung all dessen, was Gott geschaffen hat“, tätig zu sein und können in solchen Bemühungen zusammenarbeiten.

Evangelical Lutheran Church in America

Gesprächsthemen zum christlich-jüdischen Verhältnis — Nr. 7

Tikkun Olam – die Welt verbessern

Sowohl Juden und Jüdinnen als auch Christen und Christinnen sind gerufen, „in der Sorge und Erlösung all dessen, was Gott geschaffen hat“, tätig zu sein und können in solchen Bemühungen zusammenarbeiten.


Suchet der Stadt Bestes,

dahin ich euch habe wegführen lassen,

und betet für sie zum HERRN;

denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl.

Jeremiah 29:7

Die Welt und die menschliche Gesellschaft sind nicht, was sie sein könnten. Sowohl Juden als auch Christen finden in der Bibel einen Zeugen für die Wirklichkeit, dass etwas mit Gottes guter Schöpfung falsch gelaufen ist, und dass Gott sie wieder in Ordnung zu bringen sucht. Sowohl Juden als auch Christen fühlen sich berufen, an dieser Arbeit teilzunehmen. Christen widmen sich der Betreuung und Erlösung all dessen, was Gott geschaffen hat und Juden widmen sich dem tikkun olam – der Besserung (oder Reparatur oder Heilung) der Welt.

Als Christen gibt uns die Gabe des Heiligen Geistes Kraft und Weisheit, recht zu leben und der Welt ein Segen zu sein. Für Juden ist es der angeborene „gute Impuls“ des Menschen, der einen gegnerischen „bösen Impuls“, der uns sündigen lässt, aufwiegt; durch das Befolgen des guten Impulses wird ein Jude, eine Jüdin ein aufrichtigeres Leben führen und damit zur Verbesserung der Welt beitragen. „Ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation“ zu sein (2. Mose 19,6; 1. Petr. 2,9) bedeutet sowohl für Christen und Christinnen, als auch für Juden und Jüdinnen Verantwortung dafür zu tragen, dass Gottes Gaben zum Besten der Welt gebraucht werden.

Martin Luther sprach über Gottes Arbeit unter uns in zweifacher Weise – in einem geistlichen Reich, das von Christus und dem Gesetz der Liebe beherrscht wird, und einem weltlichen Reich, das von menschlichen Mächten und Rechtsordnungen beherrscht wird. Einige Lutheraner haben diese „Zwei-Reiche-Lehre“ in dem Sinn missverstanden, dass Christen und Christinnen im weltlichen Reich (der menschlichen Gesellschaft) keine besondere Rolle zu spielen hätten solange sie gute Bürger sind und das Evangelium zum individuellen Heil verkündigen. Im schlimmsten Fall hat dies Missverständnis Lutheranern erlaubt, an den repressivsten Regimen und Programmen teilzunehmen.

Im letzten Jahrhundert fügten sich viele Lutheraner und andere Christen und Christinnen dem Willen der Nazis, das jüdische Volk auszurotten (Holocaust oder Schoa) und arbeiteten mit ihnen zusammen. Ohne Frage war diese Katastrophe eine tiefe Wunde in Gottes Schöpfung, für die immer noch Heilung gefunden werden muss. In ähnlicher Weise sind das beharrliche Problem der Rassenverhältnisse in den Vereinigten Staaten und die weltweite ökologische Krise lebenswichtige Gebiete, auf denen Christinnen/Christen und Jüdinnen/Juden zusammenarbeiten können.

In dieser Sache können wir viel von jüdischer Lehre und Tradition lernen. Häufig und an vielen Orten sind prominente Beispiele von Juden und Jüdinnen zu finden, die ihr Leben der Verbesserung der Gesellschaft widmeten, in der sie lebten. In einer der Strömungen des jüdischen messianischen Gedankenguts besteht die Vorstellung, dass der Messias erst kommt, wenn Israel seine Rolle als Zeuge des Willens Gottes erfüllt hat. Dieser Glaube bindet die Aufgabe, die Welt zu heilen (tikkun olam), kräftig und eng an die Hoffnung auf vollständige Erlösung.

Lutheraner und Juden können als Partner zusammenarbeiten an den Aufgaben sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Erneuerung, persönlicher und familiärer Verhältnisse, interreligiöser Versöhnung und aller anderen Herausforderungen, zu heilen was in unserer Welt zerbrochen ist.

Es ströme aber das Recht wie Wasser

und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Amos 5,24

 

Fragen zur Diskussion
  1. Was scheint Ihnen in der Welt am meisten zerbrochen und der Heilung bedürftig?
  2. Wer sind Ihre Vorbilder, nach denen Sie zum Guten in der Welt beitragen können?
  3. Welche Rolle spielt der Glaube in der Motivierung von Menschen, für eine gerechte Gesellschaft und gesunde Beziehungen einzutreten?
  4. Wie können Juden/Jüdinnen und Christen/Christinnen auf tikkun olam hin zusammen arbeiten?
 


 

Anleitung

  1. Einführung: Judentum einst und jetzt

  2. Alter und Neuer Bund

  3. Gesetz und Evangelium

  4. Verheissung und Erfüllung

  5. Schwierige Texte

  6. Jüdische Sorge um den Staat Israel

  7. Tikkun Olam - die Welt verbessern

  8. Christen und Juden im Kontext der Weltreligionen