Eine Wegleitung zum Tag des Judentums in der Schweiz

Der Tag des Judentums wird in der römisch-katholischen Kirche der Schweiz seit 2011 jährlich am 2. Fastensonntag begangen. Die Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum hat diese Einrichtung empfohlen, der die Schweizer Bischofskonferenz mit ihrem Entschluss gefolgt ist.

Die Jüdisch/Römisch-katholische Gesprächskommission (JRGK), die seit 1990 aus jüdischen und katholischen Mitgliedern besteht und sich für die Anliegen der jüdisch-christlichen Verständigung in der Schweiz einsetzt, möchte diese Initiative durch die vorliegende Wegleitung fördern und Denkanstösse wie Anregungen zur Gestaltung des Dies Iudaicus bieten. Auf diese Weise soll die tiefe Verbundenheit von Judentum und Christentum zum Ausdruck gebracht werden. An diesem besonderen Tag wollen wir ins Bewusstsein rufen, was das Judentum in Vergangenheit und Gegenwart für den christlichen Glauben bedeutet. Christen und Christinnen sind darin verwurzelt (vgl. Römer 9–11). Die Juden sind die älteren Geschwister im Glauben. Gott hat das Volk Israel in Liebe erwählt und mit ihm seinen Bund geschlossen, und dieser bleibt für immer bestehen. So steht das Judentum in einem besonderen Verhältnis zum Christentum. Juden und Christen begegnen sich im Glauben an den Einen Gott, der sich zuerst dem Volk Israel offenbart hat. Jesus und seine Mutter Maria, die Apostel und die ersten gläubigen Christen waren jüdisch. Früh kamen dann auch Heiden, das heisst also Nicht-Juden, zum Glauben an Christus und bildeten zusammen mit jenen Juden, die an Jesus als Sohn Gottes glaubten, die eine gemeinsame Kirche aus Juden und Heiden.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies in der Epoche machenden Erklärung Nostra aetate (1965) festgehalten. Es war eine geistliche Revolution, als das Zweite Vatikanische Konzil 1965 die israelitisch-jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens in Erinnerung rief und zeigte, wie verehrungswürdig sie für Christen sind. Seitdem haben zahlreiche Dokumente von katholischer, evangelischer und jüdischer Seite die geistliche Verbundenheit der Kinder Abrahams betont und das geschwisterliche Gespräch gefordert. Die Kirche will die gegenseitige Kenntnis und Achtung der Religionen fördern. Es hat in der Geschichte zu viel Ablehnung, Verachtung und Hass gegenüber den Juden gegeben. Das widerspricht dem christlichen Glauben und muss im Kampf gegen alle Manifestationen von Antijudaismus und Antisemitismus endgültig überwunden werden.

Zum Jubiläumsjahr von Nostra aetate 2015 veröffentlicht die Jüdisch/Römisch- katholische Gesprächskommission, die vor 25 Jahren auf Initiative der Schweizerischen Bischofskonferenz und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds gegründet wurde, eine Wegleitung zum Tag des Judentums:

Der erste Teil enthält exegetische Kommentare zu den alttestamentlichen und neutestamentlichen Lesungen und den Evangelien der drei Lesejahre, die auf das jüdisch-christliche Verhältnis hin ausgelegt werden. Im Mittelpunkt steht vor allem die Geschichte Abrahams: Von Gott berufen wird ihm ein Volk, ein Land und eine grosse Zukunft verheissen, mit ihm schliesst Gott einen ewigen Bund, und in seiner Opferbereitschaft auf dem Berg Morija beweist der Patriarch seinen Glauben und sein Gottvertrauen.

Der zweite Teil bietet liturgische Anregungen zur Gestaltung des Gottesdienstes: für Bussakt, Psalmen, Fürbitten und Hochgebet. Die besondere Bedeutung der Psalmen wird aus der Sicht der jüdischen Tradition beleuchtet. Auch die Frage, ob jüdische und christliche Gläubige gemeinsam beten können, wird kontrovers diskutiert.

Der dritte Teil bietet eine historische Skizze des jüdisch-christlichen Dialogs im 20./21. Jahrhundert und eine Auswahl wichtiger Quellen von katholischer, evangelischer und jüdischer Seite zum Verhältnis Judentum und Christentum. Es liegt uns am Herzen, dass diese Basisdokumente die kirchliche und gesellschaftliche Öffentlichkeit erreichen und zur geschwisterlichen Verständigung der Religionen beitragen. Hier schliesst auch die Frage an, wie man Christen und Christinnen das notwendige Wissen über das Judentum vermitteln kann, um den Prozess des respektvollen Kennenlernens fortzusetzen.

Das Ziel dieser Wegleitung ist der Wunsch, dass sich der Tag des Judentums zu einem Tag des gelebten Dialogs mit dem Judentum entfalten möge.

Unser Dank geht an die Schweizerische Bischofskonferenz und den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, vor allem an die Autoren der Beiträge, die Übersetzer der Texte, ferner an alle Mitglieder der JRGK für den anregenden Gedankenaustausch, an Stefan Heinzmann und Denis Maier, Assistierende am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung der Universität Luzern, für die abschliessende Redaktion und das Layout der Wegleitung zum Tag des Judentums.

Prof. Dr. theol. Verena Lenzen

Katholische Co-Präsidentin der JRGK


Rabbiner Dr. phil. David Bollag

Jüdischer Co-Präsident der JRGK


Eine Wegleitung zum Tag des Judentums in der Schweiz

Herausgegeben von der Jüdisch/Römisch-Katholischen Gesprächskommission der Schweiz

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Editorische Anmerkungen

Quelle: Schweizerische Bischofskonferenz.