Ein Buchpaket aus Jerusalem

„Keine leichten Pakete“ – dies war der vielversprechende Name eines Projektes, auf das ich durch Gerda Eckhardt, meine ehemalige Kollegin und Kuratoriumsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Main-Taunus-Kreis, hingewiesen wurde.

Das Projekt wird angeboten vom Goethe-Institut Jerusalem. Dort steht man vor dem praktischen Problem, dass viele jüdische Emigranten aus dem nationalsozialistischen Deutschland, die in den letzten Jahren in Israel verstarben, ihre einst aus Deutschland mitgebrachten Bücher, mit denen sie so viele gute wie schmerzliche Erinnerungen verbanden, dem Institut vermachten. Die große Anzahl der Bücher findet aber innerhalb der räumlichen Begrenzungen des Goethe-Institutes keinen Platz, so dass man mit deutschen Schulen in Verbindung trat und anbot, einige dieser Bücher an deutsche Schulen zu versenden, damit sich Schüler/innen vorwiegend der Oberstufenklassen damit beschäftigen sollten und so jüngere deutsche Geschichte hautnah und „mit Hand und Herz“ im wahrsten Wortsinne „be-greifen“ können sollten.

Ein Problem an unserem Gymnasium stellte dabei allerdings das landesweit geltende Zentralabitur Hessen mit seinem scheinbar unendlich großen Wissenskanon auch im Fach Religion dar, da man es sich kaum erlauben kann, für ein Projekt außerhalb des Lehrplans zwei oder mehr Wochen aufzuwenden. Die notwendige Zeit jedoch wollte ich mir unter allen Umständen nehmen, und so beschloss ich, gemeinsam mit meiner letztjährigen 8. Klasse an das Goethe-Institut zu schreiben und zu erbitten, man möge auch 14- und 15-jährige Schüler in den Genuss eines Paketes kommen lassen. Im schuleigenen Lehrplan ließ sich die Thematik unter dem Titel „Scheitern - Schuld – Vergebung“ gut unterbringen.

So öffneten wir nach wenigen Tagen erwartungsfroh das Paket aus Israel, das schon durch seine teilweise unbekannten Schriftzeichen und den auffälligen Schriftzug „X-Ray!“ auf den ersten Blick auffiel.

In Gruppen widmeten sich jeweils vier bis fünf Schüler verschiedenen Facetten jüdischen Lebens in unterschiedlichen Zeitepochen. So berichtete eine Gruppe den Mitschülern von den großen jüdischen Festtagen. Eine andere Gruppe stellte das Zusammenleben von Christen und Juden im Mittelalter vor, und eine dritte Gruppe forschte konkret über jüdisches Leben und die jüdische Gemeinde in Bad Soden.

Drei Gruppen schließlich schauten sich intensiv drei Bücher aus dem Nachlass von Leopold und Avraham Frank an, Bücher also, die uns nach der Paketsendung vorlagen.

Dies waren die Werke „Das Leben des Rabbi Mosche ben Maimon“ von Ismar Elbogen, Romain Rollands Gandhi-Biographie  sowie „Der kleine Prophet“ von Edmond Fleg. Über die Forschung an letzgenanntem Buch berichten zwei Schülerinnen im unten stehenden Artikel.

Insgesamt waren meine Erfahrungen mit diesem Projekt abseits des „normalen Unterrichtens“ überaus zufriedenstellend, sodass ich sogleich beschloss, auch im laufenden Schuljahr um die Zusendung eines weiteren Bücherpaketes aus Jerusalem zu bitten. Ich kann meine Lehrerkolleg/innen überall in Deutschland nur dazu ermuntern, sich ebenfalls an diesem Projekt zu beteiligen – es lohnt sich in jedem Fall!


Eine Buchreise  - von Antonia Thielecke und Marja-Lena Jacobi (9. Klasse AES Schwalbach)

Im Frühling letzten Jahres erhielt unser Religionskurs Bücher vom Goetheinstitut in Jerusalem. Diese gehörten einmal Juden, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland flüchten mussten. Diese Buchpakete dienen dem Zweck, dass sich Schüler mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen.

Unsere Büchersammlung stammt aus dem Nachlass von Leopold und Avraham Frank und setzt sich aus einigen Sachschriften sowie zwei Romanen zusammen. Einer davon war "Der kleine Prophet" von Edmond Fleg. Das Buch behandelt die Geschichte eines kleinen Jungen, der sich mit dem Judentum auseinandersetzt.

Wir setzten uns mit dem Werdegang dieses Buches auseinander und versuchten die Reise, die das Buch zurückgelegt hatte, anhand der Signaturen und Etiketten im Buch zurück zu verfolgen.

Begonnen hat die Reise im R. Piper & Co. Verlag in München, von wo aus es über Rudolstadt in den Großraum Kassel gelangte und daraufhin in das Hebräische Antiquariat Grünebaum. Mit Avraham Frank gelangte das Buch nach Stuttgart und es begleitete ihn auf seiner Flucht nach Israel, wo es mit ihm von Migdal nach Holon gelangte. Bei seinem Einzug ins Altenheim musste Avraham Frank einen Teil seiner Bibliothek zurück lassen und vermachte sie dem Goetheinstitut Jerusalem, welches diese in Bücherkisten verpackte, von denen eine den Weg zu uns nach Schwalbach am Taunus fand.

 

Editorische Anmerkungen

Jochen Kilb ist Religionslehrer am Gymnasium Albert-Einstein-Schule in Schwalbach/Ts.