Die Kirche im Horizont Israels. Neutestamentliche Exegese und der jüdisch-christliche Dialog

Die Autorin des nachfolgenden Beitrags, Maria Neubrand MC, eine große Förderin und engagierte Mitstreiterin im christlich-jüdischen Dialog, ist am 19. März 2020 nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben (siehe den Nachruf hier). Ihr zu Ehren und zum Gedenken sei an dieser Stelle ihr nachfolgender Beitrag aus dem Jahre 2018 wiedergegeben.
(JCR)

1. Einleitung

Das Liborifest in Paderborn 2017 stand unter dem Leitwort „Freundschaft ist heilig – L’amitié est sacrée“. Mit diesem Leitwort sollte an die Städtepartnerschaft zwischen Le Mans und Paderborn erinnert werden, die ihren Ursprung hat im „Liebesbund ewiger Bruderschaft“, der seit dem Jahr 836 trotz aller „Erbfeindschaften“ zwischen Deutschland und Frankreich die beiden Ortskirchen von Le Mans und Paderborn miteinander verbindet. Bei der Eröffnung des Liborifestes am 22. Juli 2017 nahm der hier zu Ehrende, Erzbischof Hans- Josef Becker, darauf Bezug und sagte:

„Unser Liebesbund ist keine rein innerweltliche Beziehung zwischen zwei Partnern. Dauerhaftigkeit ist ihm beschieden, weil ein Dritter mit im Bund ist: Gott selbst, Ziel und Quelle aller menschlichen Beziehung. Wir sind dankbar für diese Erfahrung, die ja gleichzeitig eine Mahnung ist in einer Zeit, in der in Europa und der Welt Egoismus und Nationalismus wieder stärker zu werden scheinen.“[1]

Große Dankbarkeit mit Blick auf das seit dem II. Vatikanischen Konzil geänderte Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum[2] bringen von beiden Seiten auch neuere Dokumente zum Ausdruck, auf die im Folgenden Bezug genommen wird. Diese Dokumente erinnern unter anderem daran, dass mit dieser Dankbarkeit die Verpflichtung für Juden und Christen gegeben ist, gemeinsam gegen jede Form von Ausgrenzung einzutreten und sich für eine friedliche Welt einzusetzen.

Im vorliegenden Beitrag will ich beispielhaft aufzeigen, welche biblisch fundierten Einsichten der „neuen“ Israeltheologie der Kirche zugrunde liegen. Anhand (neuerer) kirchenoffizieller und jüdischer Dokumente soll im Folgenden zugleich darauf reflektiert werden, welche Bedeutung Ergebnisse im jüdisch-christlichen Dialog für das Selbstverständnis und für die Aufgaben der neutestamentlichen Exegese in Forschung und Lehre haben.

2. Hermeneutische Grundlagen: Das II. Vatikanische Konzil und die "Neue Israeltheologie" der Kirche im Anschluss an Nostra Aetate Art. 4

Die „Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ (Nostra Aetate), die das II. Vatikanische Konzil im Oktober 1965 verabschiedet hat[3], ist zwar das kürzeste Dokument des Konzils, aber: „Wirkungsgeschichtlich gehört es zu den bedeutendsten Dokumenten.“[4] In dessen Art. 4 geht das Konzil auf die Haltung (habitudo) der Kirche zum (gegenwärtigen) Judentum ein.[5] Mit diesem Text begann innerhalb der katholischen Kirche ein Prozess des Umdenkens in Bezug auf das Judentum, der keineswegs abgeschlossen ist.[6] NA Art. 4 erteilt jedem Antijudaismus und allen Formen von Antisemitismus eine Absage und fordert zur Überwindung der fast zweitausend Jahre vorherrschenden Substitutionstheorie auf, der zufolge die Kirche als das „neue“ Volk Gottes das erstberufene Volk Israel „abgelöst“ und an dessen Stelle getreten sei. NA Art. 4 ist derjenige Konzilstext, der nach einer langen Abwertungsgeschichte Israels, welche dem nicht-Jesus Christus-gläubigen Volk Israel keine theologische Qualität mehr zugemessen hat, einen Wendepunkt in der Haltung der katholischen Kirche zur jüdischen Religion und zum gegenwärtigen Volk Israel nicht nur darstellen, sondern auch bewirken will. In diesem Sinne will NA Art. 4 aufgrund der biblischen Grundlagen auch normative Weisung sein für Katechese und Predigt. Das Konzil ruft dazu auf, antijüdische Stereotype, die bei Gläubigen vorfindbar sind, aufzudecken und zu überwinden. Das Konzil stellt klar, dass

„die Juden weder als von Gott verworfen noch als verflucht dargestellt werden [sollen], als folge dies aus der Heiligen Schrift. Deshalb sollen alle dafür sorgen, weder in der Katechese noch, wenn sie die Predigt des Wortes Gottes halten, irgendetwas zu lehren, was mit der evangelischen Wahrheit und dem Geist Christi nicht übereinstimmt“ (NA Art. 4 Abs. 6).

Diese Aussage, die auf eine Veränderung gängiger Praxis in Unterricht und Predigt drängt, setzt natürlich das Wissen der Konzilsväter voraus, dass die „theologische“ Abwertung des Judentums in der Praxis der Kirche jahrhundertelang verbreitet wurde und der antijüdische Topos der angeblichen „Selbstverfluchung“ des jüdischen Volkes im so genannten „Blutspruch“ in Mt 27,25 wie selbstverständlich von Gläubigen angenommen wurde. Dem setzt NA Art. 4 Abs. 6 die Absage an jegliche Kollektivschuld von Juden am Tod Jesu entgegen:

„Auch wenn die Autoritäten der Juden mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben, kann dennoch das, was bei seinem Leiden begangen worden ist, weder unterschiedslos allen damals lebenden Juden noch den heutigen Juden angelastet werden.“[7]

NA Art. 4 beginnt mit den Worten:

 

„Indem sie das Mysterium der Kirche untersucht, gedenkt die Heilige Synode des Bandes, durch das das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist.“

 

(„Mysterium Ecclesiae perscrutans, Sacra haec Synodus meminit vinculi, quo populus Novi Testamenti cum stirpe Abrahae spritiualiter coniunctus est.“)

 

Wenn sich die Kirche also auf sich selbst besinnt und ihre eigene Identität bedenkt, muss sie sich auf der biblischen Grundlage und im Sinne des II. Vatikanischen Konzils ihrer bleibenden Verbindung mit dem erstberufenen Volk Israel bewusst sein:

„Die Kirche trifft auf Israel nicht in einer äußeren Begegnung, sondern dadurch, dass sie das Geheimnis ihrer eigenen Herkunft genau erforscht. Auch wenn die Differenz von Israel und Kirche in der Geschichte nicht aufgehoben werden kann, markiert das Verhältnis zu Israel ‚um Christi willen‘ nicht eine Außenbestimmung. In dieser Erforschung nämlich wird die Kirche eines geistlichen Bandes und eines großen geistlichen Erbes gewahr. Sie hat die Offenbarung von der Treue des Volkes Israel empfangen und anerkennt deshalb ihre eigenen Anfänge in der Erwählung anderer. Die Kirche hat sich zu einer verdankten Identität zu bekennen. Wenn sie ‚Ich‘ sagen will, muss sie immer zuerst ‚Du‘ sagen.“[8]

Die Konzilserklärung NA Art. 4 spricht ferner vom „Christen und Juden gemeinsamen geistlichen Erbe“ („patrimonium spirituale Christianis et Iudaeis commune“). Eben deswegen „will diese Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Wertschätzung beider, die insbesondere durch biblische und theologische Studien sowie durch brüderliche Gespräche erlangt wird, fördern und empfehlen“ (NA Art. 4 Abs. 5). Dass dies bleibende Aufgabe für die katholische Kirche ist, betont die römische „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ und fordert dementsprechend in ihrer jüngsten Verlautbarung dazu auf:

„Dieses gegenseitige Erwerben von Erkenntnis darf sich nicht auf Spezialisten beschränken. Daher ist es wichtig, dass katholische Ausbildungsstätten, insbesondere in der Priesterausbildung, Nostra aetate und die nachfolgenden Dokumente des Heiligen Stuhls zur Verwirklichung der Konzilserklärung in ihre Lehrpläne integrieren. […] Die grundlegenden Veränderungen in den Beziehungen zwischen Christen und Juden, die vor allem durch Nostra aetate (Nr. 4) in Gang gesetzt wurden, müssen auch den zukünftigen Generationen bekannt gemacht und von ihnen rezipiert und verbreitet werden.“[9]

Die 1974 von Papst Paul VI. eingesetzte „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ unterstreicht in zwei Dokumenten diese „neue“ Haltung der katholischen Kirche zum Judentum, wie sie in NA Art. 4 grundgelegt ist und schreibt sie fort. 1974 erschien das Dokument mit dem Titel „Richtlinien und Hinweise für die Durchführung der Konzilserklärung Nostra aetate, Artikel 4“, und 1985 wurde das Dokument „Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche“ veröffentlicht.{10} Die in diesen Dokumenten kirchenoffiziell formulierte neue Israeltheologie der Kirche, wonach das nicht-Jesus Christus-gläubige Volk Israel nicht „verworfen“ oder „verflucht“ ist, spiegelt sich auch im Dokument der Päpstlichen Bibelkommission von 2001 „Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel“ wider.{11} Dieses Dokument ist nach eigenem Bekunden im Geiste von NA Art. 4 verfasst und betont vor allem das Verbindende zwischen Kirche und Israel:

„Vor allem beim Studium der großen Themen des Alten Testamentes und ihrer Weiterführung im Neuen wird einem die eindrucksvolle Symbiose bewusst, die die beiden Teile der christlichen Bibel verbindet, und zugleich die überraschende Kraft der geistlichen Bande, die die Kirche Christi mit dem jüdischen Volk verknüpfen.“{12}

Alle diese kirchenoffiziellen Dokumente betonen also aufgrund der biblischen Grundlagen einerseits die bleibende Verwiesenheit der Kirche auf Israel und das Judentum und heben andererseits die bleibende Berufung Israels als Volk Gottes hervor. Diese Aussagen sind zweifellos Frucht exegetischer Bemühungen.{13} Zugleich aber stacheln sie wiederum die Bibelwissenschaften an den Theologischen Fakultäten und Instituten in Lehre und Forschung an, die biblischen Grundlagen für die jüdisch-christlichen Beziehungen herauszuarbeiten sowie dafür einzutreten, dass antijüdische Ressentiments und Stereotype in der Textauslegung überwunden werden. Denn leider trifft zu – so meine Beobachtung seit vielen Jahren in zahlreichen Lehrveranstaltung an theologischen Ausbildungsstätten –, was die Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum bereits 1985 beklagt hat: „Insbesondere ist eine peinliche Unkenntnis der Geschichte und der Traditionen des Judentums festzustellen, deren negative und oft verzerrte Aspekte allein zum allgemeinen Rüstzeug vieler Christen zu gehören scheinen.“{14} Anders ausgedrückt: Zur Aufgabe der neutestamentlichen Wissenschaft in Lehre und Forschung gehört, bei der Auslegung neutestamentlicher Texte eine Kenntnis des Judentums und seiner Traditionen zu vermitteln, für traditionelle antijüdische Auslegungsmuster zu sensibilisieren und auf biblischer Grundlage Wege zu deren Überwindung aufzuzeigen.

3. Neuere jüdische und vatikanische Stellungnahmen zur veränderten Haltung der katholischen Kirche zum jüdischen Volk

Im September 2000 veröffentlichten in den USA vier jüdische Theologen – Tikva Frymer-Kensky, David Novak, Peter Ochs und Michael Signer († 2009) – das Dokument „Dabru emet“ („Redet Wahrheit“).{15} Mit dieser Erklärung nehmen sie als Juden aus konservativen und liberalen Kreisen positiv Stellung zur veränderten Haltung der christlichen Kirchen zum jüdischen Volk und zu den nach der Schoah festzustellenden „christlichen Bemühungen um eine Würdigung des Judentums“{16}. Dieser weltweit, vor allem auch in Deutschland vielfach beachtete programmatische Text{17} wurde von mehr als 170 jüdischen Professoren und Rabbinern, Männern und Frauen aus allen Hauptrichtungen des Judentums mitunterzeichnet; fast 300 Juden und Jüdinnen hatten sich bis November 2002 dieser Erklärung angeschlossen.{18} In acht Thesen formuliert das Dokument, worin sich aus jüdischer Sicht seit 1945 ein grundlegender Wandel in den christlich-jüdischen Beziehungen vollzogen hat, vor allen Dingen in der theologischen Verhältnisbestimmung von „Israel“ und „Kirche“. Insofern ist diese Erklärung eine jüdische Reaktion auf die zahlreichen christlichen, kirchenoffiziellen Dokumente und Stellungnahmen der letzten sechs Jahrzehnte{19}, die aus theologischen Gründen fordern, „den unverändert gültigen Bund Gottes mit dem jüdischen Volk anzuerkennen und den Beitrag des Judentums zur Weltkultur und zum christlichen Glauben selbst zu würdigen.“{20} Die jüdischen Autoren und die Mitunterzeichner von „Dabru emet“ anerkennen damit, dass die meisten christlichen Kirchen{21} aus theologischen Gründen heute eine veränderte Einstellung zum erstberufenen Volk Israel haben. Diese drückt sich mit den paulinischen Aussagen in Röm 9-11 in der Einsicht aus, dass Gott den Bund mit seinem erstberufenen Volk Israel nie aufgekündigt hat und dass die Kirche nicht an die Stelle des Volkes Israel getreten ist.

Ein weiteres wichtiges Dokument von jüdischer Seite ist die „Erklärung orthodoxer Rabbiner zum Christentum“ vom 3. Dezember 2015 „Den Willen unseres Vaters im Himmel tun: Hin zu einer Partnerschaft zwischen Juden und Christen.“{22} Diese Erklärung erschien fast zeitgleich mit der neuesten Verlautbarung des Apostolischen Stuhls durch die „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ vom 10. Dezember 2015 „‚Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt‘ (Röm 11,29).“{23} Beide Dokumente, einmal von jüdischer Seite, einmal von katholischer Seite, erschienen aus Anlass der 50 Jahre zuvor proklamierten Konzilserklärung NA Art. 4 und sind sowohl Rückblick auf die sich seither veränderten jüdisch-katholischen Beziehungen seitens der katholischen Kirche als auch Ausblick auf weitere gemeinsame Zusammenarbeit in der „praktischen“ Ökumene. In diesem Sinne betont die jüdische Erklärung „Den Willen unseres Vaters“ im 2. Absatz:

„Wir würdigen, dass sich die offiziellen Lehren der katholischen Kirche über das Judentum seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil grundlegend und unwiderruflich geändert haben. Mit der Promulgation von Nostra Aetate begann vor 50 Jahren der Aussöhnungsprozess zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum. Nostra Aetate und die darauf folgenden offiziellen Dokumente der Kirche lehnen unmissverständlich jede Form von Antisemitismus ab, bestätigen den ewigen Bund zwischen G-tt und dem jüdischen Volk, weisen die Lehre des G-ttesmordes{24} zurück und betonen die einzigartige Beziehung zwischen Christen und Juden, welche von Papst Johannes Paul II. ‚unsere älteren Brüder‘ und von Papst Benedikt XVI. ‚unsere Väter im Glauben‘ genannt wurden. Darauf basierend begannen Katholiken und andere christliche Amtsträger einen aufrichtigen Dialog mit dem Judentum, der sich während der letzten fünf Jahrzehnte stetig verstärkt hat. Wir schätzen die Bestätigung der einzigartigen Stellung Israels in der Heilsgeschichte und bei der letztendlichen Erlösung der Welt seitens der Kirche. Juden haben heute im Rahmen zahlreicher Dialog-Initiativen, Treffen und Konferenzen weltweit ernst gemeinte Liebe und Respekt von zahlreichen Christinnen und Christen erfahren.“{25}

Und in Absatz Nr. 5 heißt es:

„Wir Juden und Christen haben viel mehr gemeinsam, als was uns trennt: den ethischen Monotheismus Abrahams; die Beziehung zum Einen Schöpfer des Himmels und der Erde, der uns alle liebt und umsorgt; die jüdische Heilige Schrift; den Glauben an eine verbindliche Tradition; die Werte des Lebens, der Familie, mitfühlender Rechtschaffenheit, der Gerechtigkeit, unveräußerlicher Freiheit, universeller Liebe und des letztendlichen Weltfriedens.“{26}

Die Verlautbarung des Apostolischen Stuhls von 2015 „Denn unwiderruflich sind“ hält ihrerseits unmissverständlich fest: „Dass Juden Anteil an Gottes Heil haben, steht theologisch außer Frage“{27}, und fügt mit Blick auf das christliche Bekenntnis zur universalen Bedeutung Christi bei der Rettung der Welt im Anschluss an Paulus (Röm 11,33) hinzu: „[D]och wie dies ohne explizites Christusbekenntnis möglich sein kann, ist und bleibt ein abgrundtiefes Geheimnis Gottes.“{28} Mit NA Art. 4 und den sich daran anschließenden folgenden Bemühungen im jüdisch-christlichen Dialog unterstreicht auch dieses jüngste römische Dokument der „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ die „neue“ Israeltheologie der Kirche. Aus theologischen Gründen sei an Gottes ungekündigtem Bund mit Israel festzuhalten. Offene Fragen im jüdisch-christlichen Dialog werden nicht ausgeklammert, weitere theologische Reflexion wird vielmehr gefordert.{29}

Alle hier angeführten Dokumente{30} richten sich jeweils mit gutem Recht ad intra, haben aber zugleich erheblichen Impact ad extra. Diese Dokumente sind Ausdruck einer Anerkennung des jeweils Anderen als Anderen „auf Augenhöhe“ und so eben Ausdruck des Willens zur „Partnerschaft“. Die Dokumente betonen darüber hinaus die gemeinsame Aufgabe und das gemeinsame Ziel, „sich gemeinsam für Gerechtigkeit, Frieden, die Bewahrung der Schöpfung und Versöhnung in der Welt einzusetzen“{31} bzw. „die Welt unter der Herrschaft des Allmächtigen zu verbessern, so dass die gesamte Menschheit Seinen Namen anruft und Laster von der Erde verbannt werden.“{32}

Die Erklärung orthodoxer Rabbiner zum Christentum „Den Willen unseres Vaters“ schließt mit den Worten:

„Indem sie G-tt nachfolgen, müssen Juden und Christen Vorbilder geben in Dienst, bedingungsloser Liebe und Heiligkeit. Wir sind alle im heiligen Ebenbild G-ttes geschaffen und Juden wie Christen werden diesem Bund treu bleiben, indem sie gemeinsam eine aktive Rolle bei der Erlösung der Welt übernehmen.“{33}

Der Erklärung erinnert somit auch an die „gemeinsame Aufgabe in der Verheißung des Bundes“ (common covenantal mission) bei der Verbesserung der Welt, bei tikkun ha-olam.

4. Neutestamentliche Exegese vor der Herausforderung durch NA Art. 4 und weiterer römischer Verlautbarungen

So wie es durch NA Art. 4 und die sich anschließenden Bemühungen im jüdisch-christlichen Dialog in der katholischen Kirche zu einem „Wendepunkt“ in ihrer Haltung zum jüdischen Volk gekommen ist, so zwingend ist im Anschluss daran und aufgrund der biblischen Grundlagen ein solcher „Wendepunkt“ auch in den einzelnen theologischen Disziplinen im wissenschaftlichen Lehrbetrieb gefordert – wenn denn gilt, dass

„das Bekenntnis zur bleibenden Erwählung Israels zum Kernbestand der christlichen Glaubensüberzeugung und das Versprechen, für Religionsfreiheit und gegen jegliche Form von Antijudaismus und Menschenverachtung einzutreten, zur Handlungsidentität der Kirche und aller Glaubenden“ gehört.{34}

In diesem Sinne stellen die Aussagen zur theologischen Würdigung des jüdischen Volkes in NA Art. 4 und in den anschließenden Dokumenten und Verlautbarungen „einen Kompass des kirchlich-glaubenden Handelns im 21. Jahrhundert“{35} dar und rufen zu einem Umdenken in den verschiedenen theologischen Disziplinen auf.{36}

Was dies bedeutet, möchte ich im Folgenden für mein Fach der neutestamentlichen Wissenschaft, das ich an der Theologischen Fakultät Paderborn in Forschung und Lehre vertrete, anhand einzelner Hinweise aufzeigen. Als textlichen Ausgangspunkt werde ich immer wieder auch die neueste Verlautbarung des Apostolischen Stuhls „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ heranziehen, um von hier aus Herausforderungen und Aufgaben sowie bleibende Desiderate für die neutestamentliche Wissenschaft in Lehre und Forschung zu benennen.

4.1. Neutestamentliche Exegese und die bleibende Berufung Israels

Grundlegend für eine neutestamentliche Exegese, die an einer katholischen Fakultät vertreten wird, ist, ihren hermeneutischen Ausgangspunkt bei NA Art. 4 zu wählen. Dies bedeutet, dass sie nicht nur jedem Antisemitismus, sondern auch jedem „theologisch“ motiviertem Antijudaismus eine Absage erteilen muss. Eine neutestamentliche Exegese, die mit NA Art. 4 an die paulinischen Aussagen in Röm 9-11 anknüpft, steht also vor der Herausforderung, eine nicht-antijüdische Auslegung des Neuen Testaments zu betreiben. Konkret bedeutet dies, die neutestamentlichen Texte nicht im Kontrast zum Judentum, sondern in ihrem biblisch-jüdischen Kontext auszulegen.{37} Dies erfordert zugleich eine hermeneutische Reflexion dergestalt: Mit welcher Brille lese ich als nichtjüdische Exegetin bzw. als nichtjüdischer Exeget die (alt- und) neutestamentlichen Texte? Dies betrifft bereits die Frage, ob das Neue Testament nicht selbst „antijudaistische“ bzw. „antijüdische“ Aussagen oder Tendenzen enthält. Dies wird bis heute immer wieder in der neutestamentlichen Forschung vertreten und von anderen theologischen Disziplinen leider so auch übernommen.{39} In diesem Zusammenhang ist z.B. auch darauf einzugehen, wie die Rede von „den Juden“ im Neuen Testament, insbesondere im Johannesevangelium, sachgerecht auszulegen ist.{39}

Die veränderte Haltung der Kirche zum jüdischen Volk und zu dessen bleibender Berufung schlägt sich – und muss das tun – bereits nieder in Übersetzungsfragen. Die neue revidierte Einheitsübersetzung von 2016 ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich eine veränderte Israeltheologie der Kirche auch auswirkt auf Fragen der Übersetzung des griechischen Textes in die deutsche Sprache, so beispielsweise bei der Übersetzung von Röm 9-11. Hier wurden unter dem Einfluss neuerer exegetischer Einsichten und aufgrund der Impulse durch die Erneuerung christlicher Israeltheologie von den 90 Versen der drei Israel-Kapitel bei der Revision 62 Verse „leicht bis tiefgreifend verändert“{40}. So wird nun die bisherige Übersetzung von Röm 11,12 „Wenn aber schon durch ihr [der Israeliten] Versagen die Welt und durch ihr Verschulden die Heiden reich werden, dann wird das erst recht geschehen, wenn ganz Israel zum Glauben kommt“ in der revidierten Einheitsübersetzung dem griechischen Text eher entsprechend übersetzt: „Wenn aber ihr Fehltritt Reichtum für die Welt bedeutet und ihre geringe Zahl Reichtum für die Heiden, um wie viel mehr ihre Vollzahl!“ Und in Röm 11,15 ist nicht mehr wie in der alten Einheitsübersetzung von „ihrer Verwerfung“ die Rede, sondern es wird von ihrer „Zurückweisung“ gesprochen. Ebenso wird in Röm 11,28 die alte Einheitsübersetzung, die gegen den griechischen Wortlaut eine Konjektur vornahm und davon sprach, dass nicht-Jesus Christus-gläubige Juden „Feinde Gottes“ sind, korrigiert und nun wahrheits- und textgerecht übersetzt mit: „Vom Evangelium her gesehen sind sie Feinde um euretwillen; von ihrer Erwählung her gesehen aber sind sie Geliebte, und das um der Väter willen.“

Die neue Israeltheologie der Kirche(n), nach der die Erwählung Israels als erstberufenes Volk Gottes nicht aufgekündigt ist und die Kirche nicht an die Stelle Israels getreten ist, betrifft in der neutestamentlichen Exegese auch die Auslegung der paulinischen Briefe. Denn eine veränderte Sicht des Judentums eröffnet auch eine neue Perspektive auf die paulinischen Aussagen. Der Anstoß zu einer gegenüber der klassischen lutherischen Sicht von Paulus und seiner Theologie{41} „neuen Paulusperspektive“ kam zunächst von reformatorischer Seite selbst.{42} Im Kontext von NA Art. 4 und der anschließenden Dokumente ist aber auch die katholische Exegese zu einer neuen Sicht auf die paulinische Theologie herausgefordert. Zu bedenken sind in diesem Zusammenhang etwa die klassisch-lutherische Gegenüberstellung von „Gesetz“ und „Evangelium“ sowie die lutherische Engführung der so genannten „Rechtfertigungslehre“ durch das sola fide. Hier behält die neutestamentliche Exegese auch ihre bleibende Aufgabe bei den interkonfessionellen ökumenischen Bemühungen.

4.2. Kenntnis und Verstehen des Judentums

Die Verlautbarung des Apostolischen Stuhls „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ weist darauf hin – und zitiert dabei ihr früheres Dokument von 1974 „Richtlinien und Hinweise für die Durchführung der Konzilserklärung Nostra Aetate Nr. 4“ –, dass es Anliegen der Kirche sein muss, in Lehre, Erziehung und Ausbildung mit dem Judentum vertraut zu machen und die christliche Hochschätzung des Judentums zum Ausdruck zu bringen.{43} Deshalb ruft die „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ in ihrem Dokument ausdrücklich dazu auf, „dass katholische Ausbildungsstätten, insbesondere in der Priesterausbildung, Nostra aetate und die nachfolgenden Dokumente des Heiligen Stuhls zur Verwirklichung der Konzilserklärung in ihre Lehrpläne integrieren.“{44} Für die Lehre der neutestamentlichen Wissenschaft im modularisierten Studiengang Magister theologiae bietet sich hierfür ein breites Feld: In jedem Modul zum Neuen Testament, sei es in der Einleitung in die neutestamentlichen Schriften, sei es in der Exegese ausgewählter Texte des Neuen Testaments oder in den verpflichtenden Themenmodulen, ist deutlich zu machen, was Papst Johannes Paul II. in seiner Ansprache am 13. April 1986 in der Großen Synagoge in Rom folgendermaßen ausdrückte: „Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas ‚Äußerliches‘, sondern gehört in gewisser Weise zum ‚Inneren‘ unserer Religion.“{45} Es ist deshalb auch sehr erfreulich, dass der Lehrplan für den modularisierten Studiengang Magister theologiae der Theologischen Fakultät Paderborn ein eigenes Modul aufweist, in dem das Fach Neues Testament mit der Vorlesung „Israel, die Kirche Jesu Christi und die Völker“ für die Studierenden folgende Lernziele vorsieht: „Die jüdischen Wurzeln des Christentums erkennen und in ihrer Bedeutung reflektieren können“, sowie einen: „Sachgemäßen Umgang mit neutestamentlichen Texten zur Verhältnisbestimmung Judentum-Christentum erlernen.“{46}

Zwei Punkte möchte ich hier aus meiner Lehrerfahrung heraus anmerken: Die Studierenden sind im Allgemeinen sehr daran interessiert, die jüdische Religion näher kennenzulernen. Auf ihre Identität als Christen und auf die jüdischen Wurzeln des eigenen christlichen Glaubens hin befragt, erlebe ich allerdings häufig eine große Hilflosigkeit. Dass es ein Christentum ohne Judentum nicht gibt und theologisch auch nicht geben kann, ist den meisten Studierenden (zumindest am Anfang ihres Studiums) etwas vollkommen Neues. Festzustellen ist auch, dass es häufig an grundlegendem Basiswissen fehlt. Wie oft stelle ich den Studierenden die Frage: „Was heißt ‚Christus‘?“ Und: „Was bedeutet das?“, und blicke dann in ratlose Gesichter, die darauf keine Antwort haben. Und noch erschreckender ist, dass den Studierenden häufig gar nicht klar ist, dass das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus Gottes ein zunächst genuin jüdisches Bekenntnis ist. Hier gilt es in der neutestamentlichen Exegese an einer Theologischen Fakultät wirklich Grundlagenwissen zu vermitteln und auch Jesus von Nazareth historisch korrekt als gläubigen Juden vor Augen zu führen und ihn und seine Botschaft in den Kontexten des vielgestaltigen Judentums seiner Zeit verstehen zu lernen.{47} Denn die Kenntnis des Judentums und seiner Heiligen Schriften ist unerlässlich für die Auslegung und das rechte Verständnis der neutestamentlichen Schriften. Hier gilt es zu lehren und zu lernen: „Ohne das Alte Testament wäre das Neue Testament ein Buch, das nicht entschlüsselt werden kann, wie eine Pflanze, die zum Austrocknen verurteilt ist.“{48} Und ebenso unerlässlich ist es, über Irrtümer oder antijüdische Stereotype aufzuklären und diese richtig zu stellen, die nach wie vor bei nichtjüdischen Christusgläubigen, eben auch bei Studierenden der katholischen Theologie anzutreffen sind.{49}

4.3. Altes und Neues Testament – Verhältnisbestimmung von Israel und Kirche

Weiter ruft die „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ in ihrem neuesten Dokument mit Bezug auf Evangelii Gaudium{50} (Nr. 249) dazu auf, jüdische und christliche Leseweise und Auslegung der Heiligen Schrift Israels in ihrer „Komplementarität“ wahrzunehmen.{51} Die Kommission stellt heraus:

„Das Judentum und der christliche Glaube, wie er im Neuen Testament belegt ist, sind zwei Wege, wie die Gemeinschaft des Gottesvolkes sich die Heiligen Schriften Israels zu eigen machen kann. […] Eine der jeweiligen Tradition entsprechende Antwort auf das heilsgeschichtliche Wort Gottes kann also den Zugang zu Gott erschließen, wenngleich es seinem Heilsratschluss vorbehalten ist, auf welche Weise er jeweils die Menschen retten will.“{52}

Um aus der „Komplementarität“ jüdischer und christlicher Schriftauslegung geistlichen Gewinn zu ziehen, sind Christen eingeladen, sich mit der jüdischrabbinischen Tradition auseinanderzusetzen, die bis heute Grundlage des Judentums ist. Insbesondere mit der rabbinischen Überlieferung, die nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels als „mündliche Tora“ in Mischna und Talmud verschriftlicht wurde – zeitgleich und in Auseinandersetzung mit den sich herausbildenden christlich-theologischen Traditionen. Für die neutestamentliche Wissenschaft in Lehre und Forschung bedeutet dies, den Studierenden auch Grundkenntnisse in der rabbinischen Schriftauslegung zu vermitteln und christliche Theologie dabei als „dialogisch“ zu begreifen.

Gegen Vorurteile, die der Position des Markion Anfang des zweiten Jahrhunderts mit seiner Abwertung des Alten Testaments entsprechen, betont die Verlautbarung „Denn unwiderruflich sind“ mit vollem Recht, dass die Kirche von Anfang an „an der Einheit der beiden Testamente, an der ‚concordia testamentorum‘, festgehalten“ hat.{53} Markion vertrat die These, dass das Alte Testament für die christliche Kirche überholt und der Gott des Alten Testaments ein anderer als der des Neuen Testaments sei; deshalb sollte für Christen nur ein vom Alten Testament „gereinigtes“ Neues Testament als „Heilige Schrift“ gelten. Diese Thesen Markions wurden von der römischen Kirche als häretisch verworfen. Denn für die Kirche ist das Alte Testament grundlegender Bestandteil ihrer Heiligen Schrift in zwei Teilen. Altes und Neues Testament sind „gleichwertige“ Offenbarung des Wortes Gottes (vgl. DenzH Nr. 1501-1505). Leider aber ist der „Markionismus“ in seinen unterschiedlichen Spielarten bis heute anzutreffen, sowohl bei Studierenden, in Predigten als auch in theologischer Fachliteratur.{54} Deshalb ist es für die neutestamentliche Exegese in Forschung und Lehre eine bleibende Aufgabe, dieser Tendenz der Abwertung des Alten Testamentes argumentativ entgegenzuwirken und den engen theologischen Zusammenhang von Altem und Neuem Testament aufzuzeigen. Dabei sind z.B. die intertextuellen Bezugnahmen des Neuen Testaments auf das Alte Testament, sei es durch Zitate, Anspielungen, Motive oder durch gemeinsame Themen, herauszuarbeiten. Es gilt deutlich zu machen: „Im Lichte des Alten Testaments versteht das Neue Testament das Leben, den Tod und die Verherrlichung Jesu (vgl. 1 Kor 15,3-4).“{55} Umgekehrt wird durch die neutestamentliche Überlieferung das „prophetische Wort“, an das es sich zu halten gilt, noch verlässlicher (vgl. 2 Petr 1,19). Deshalb ist es auch unerlässlich, dass Bibelwissenschaften an Theologischen Fakultäten die concordia testamentorum in ihrer Bedeutung für den christlichen Kanon und damit für den christlichen Glauben insgesamt herausstellen.{56}

Und schließlich stellt sich für eine neutestamentliche Exegese, die sich von NA Art. 4 her versteht, die Aufgabe, Modelle zur Verhältnisbestimmung von „Israel“ und „Kirche“ bereitzustellen, die weder die besondere Berufung Israels als Volk Gottes (vor und nach Jesus Christus) in Frage stellen noch den „alten“ und den „neuen“ Bund gegeneinander ausspielen.{57} Die Verlautbarung des Apostolischen Stuhls „Denn unwiderruflich sind“ spricht mit Blick auf Abraham, der „nicht nur der Vater des Volkes Israel, sondern auch der Vater des Glaubens der Christen ist“, von einer „Bündnisgemeinschaft“ zwischen Juden und Christen und hebt den Rückbezug auf „den“ Abrahamsbund als „konstitutiv“ für den christlichen Glauben hervor. Im Rückbezug auf Abraham seien „Israel und Kirche bundesgemäß miteinander verbunden und aufeinander angewiesen.“{58}

Offen aber ist in der Forschung, ob eine theologisch sachgerechte Verhältnisbestimmung von „Israel“ und „Kirche“ über die Kategorie „Bund“ vorgenommen kann, wenn damit auf den Bund Gottes mit Israel Bezug genommen wird.{59} Die neue Sensibilität auf christlicher Seite für die bleibende Unterschiedenheit von „Israel“ und nichtjüdischer „Kirche“ in ihrem jeweiligen „Bundesstatus“ erfordert meines Erachtens in dieser Frage weitere theologische Reflexionen. Nach wie vor aber scheint es mir in diesem Zusammenhang weiterführend zu sein, auf der gut „rabbinischen“ Argumentation des Paulus in Röm 4 aufzubauen, dass es aufgrund des Vertrauens auf den einen Gott neben der jüdischen Nachkommenschaft Abrahams auch eine nichtjüdische Nachkommenschaft Abrahams gibt – Abraham also „Vater aller“ ist. Ebenso bedeutsam für weitere theologische Reflexionen scheint es mir nahe zu liegen, die Entscheidung der jüdischen Christusanhängerschaft auf der Jerusalemer Versammlung (Apg 15; vgl. Gal 2) positiv aufzugreifen. Hier wurde von jüdischer Seite entschieden, dass es aus theologischen und christologischen Gründen neben Israel eine nichtjüdische Erwählung aus den Völkern („ein Volk aus Nichtjuden“) geben soll (Apg 15,14) und dass diese nichtjüdische Christusanhängerschaft anzuerkennen ist im Rahmen des von der Tora vorgegebenen Bundes Gottes mit allen Völkern (Noach-Bund).{60} Ganz in diesem Sinne erinnert die Erklärung der orthodoxen Rabbiner „Den Willen unseres Vaters“ an diesen Noach-Bund, wenn sie formuliert:

„Unsere Partnerschaft [zwischen Judentum und Christentum] bagatellisiert in keiner Weise die weiterhin bestehenden Differenzen zwischen beiden Gemeinschaften und Religionen. Wir glauben, dass G-tt viele Boten nutzt, um Seine Wahrheit zu offenbaren, während wir die fundamentalen ethischen Verpflichtungen aller Menschen vor G-tt bestätigen, die das Judentum stets durch den universellen Bund Noahs gelehrt hat.“{61}

Mit dieser Aussage wird „eine inklusivistische Einordnung des Christentums in die jüdische Weltdeutung“ vorgenommen und das Christentum positiv „in das klassische rabbinische Weltbild eingebettet, das vorsieht, die Völker zu den noachidischen Geboten zu führen und sie darauf zu verpflichten.“{62}

5. Schlussbermerkungen

Neutestamentliche Exegese an einer Theologischen Fakultät ist in ihrem Selbstverständnis sowohl von kirchenoffiziellen Dokumenten und Verlautbarungen, die seit dem II. Vatikanischen Konzil zur Haltung der katholischen Kirche zum jüdischen Volk erschienen sind{63}, als auch von jüdischen Gesprächspartnern und Dokumenten herausgefordert. Aus der grundlegenden Verwurzelung des christlichen Glaubens im Judentum ergibt sich die Verpflichtung zum jüdisch-christlichen Dialog. Damit verbunden ist für die neutestamentliche Exegese die Aufgabe, antijüdische Stereotype in der Auslegung des Neuen Testaments aufzudecken und eine nicht-antijüdische Auslegung biblischer Texte zu betreiben. Im jüdisch-christlichen Dialog müssen und dürfen die bleibenden Unterschiede von „Judentum“ und „Christentum“ keineswegs eingeebnet werden. Dass wir heute aber dazu gekommen sind, dass Juden und Christen in Offenheit voneinander lernen, ist nicht nur menschlich, sondern auch theologisch wunderbar. Immer wieder aber muss sich die nichtjüdische Christusanhängerschaft, die heute die Mehrheit der christlichen Kirche( n) bildet, von Paulus daran erinnern lassen, dass sie selbst von der jüdischen Wurzel getragen ist und sie sich deshalb nicht über nicht-Jesus Christusgläubige Juden erheben soll (Röm 11,18). Vielmehr soll die nichtjüdische Jesus Christus-Anhängerschaft dankbar sein für die eigene Berufung in Christus an der Seite (nicht: an der Stelle!) Israels und gemeinsam mit Israel den einen Gott loben (Röm 15,9-12).

Schließen möchte ich mit zwei Worten aus der jüdischen und aus der christlichen Tradition. Beiden liegt die Anerkennung des jeweils Anderen als Anderen im Wissen um die eigene Identität zugrunde. Von Rabbi Akiba, einem der großen Rabbinen des sich neu herausbildenden rabbinischen Judentums nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n.Chr., ist das Wort überliefert:

„Geliebt ist der Mensch, denn er ist zum Bild (Gottes) erschaffen worden; aus noch größerer Liebe ist ihm kundgetan, dass er zum Bild (Gottes) erschaffen worden ist, denn es heißt: zum Bild Gottes machte er den Menschen (Gen 9,6). Geliebt sind die Israeliten, denn sie heißen Kinder Gottes; aus noch größerer Liebe ist ihnen kundgetan worden, dass sie Kinder Gottes heißen, denn es heißt: Ihr seid Kinder des Herrn, eures Gottes (Dtn 14,1)“ (Pirqe Avot 3,14).

Und der Apostel Paulus ruft die nichtjüdischen Adressaten seines Briefes nach Rom angesichts deren Überheblichkeit über die jüdische Christusanhängerschaft auf: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat, zur Verherrlichung Gottes“ (Röm 15,7).

[1]www.erzbistum-paderborn.de/1629-Domnews/21699,Erzbischof-Becker-eroeffnet-Libori-Fest-mit-Erhebung-der-Reliquien-und-Pontifikalvesper.html (Zugriff: 7. August 2017).

[2] Zum Weg dorthin vgl. CONNELLY, John: Juden – Vom Feind zum Bruder. Wie die katholische Kirche zu einer neuen Einstellung zu den Juden gelangte. Aus dem Amerikanischen übersetzt von John Connelly und Ian E. Morgan, Paderborn 2016. Der Titel der Originalausgabe von 2012 lautete: From Enemy to Brother. The Revolution in Catholic Teaching on the Jews, 1933-1965.

[3] Lateinischer Text und deutsche Übersetzung in: HÜNERMANN, Peter (Hg.), Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Konstitutionen, Dekrete, Erklärungen. Lateinischdeutsche Studienausgabe, Freiburg i.Br. 2012, 355-362. Im Folgenden werden die Zitate aus NA Art. 4 und deren Absatzzählung dieser Studienausgabe entnommen.

[4] SIEBENROCK, Roman: Theologischer Kommentar zur Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra Aetate, in: HILBERATH, Bernd Jochen; HÜNERMANN, Peter (Hg.): Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil Bd. 3, Freiburg i.Br. 2005, 591-693, hier: 661.

[5] Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung von NA Art. 4 vgl. HENRIX, Hans Hermann: Nostra Aetate – Eine Genese voller Spannungen und eine Besiegelung kirchlicher Neubesinnung, in: SCHREIBER, Stefan; SCHUMACHER, Thomas (Hg.): Antijudaismen in der Exegese? Eine Diskussion 50 Jahre nach „Nostra Aetate“, Freiburg i.Br. 2015, 11-40; NEUBRAND, Maria: Die Kirche und ihr Verhältnis zum jüdischen Volk. Nostra aetate 4: Anstoß zu einer neuen Israeltheologie der Kirche, in: ERNESTI, Jörg u.a. (Hg.): Selbstbestimmung und Öffnung für die Moderne. 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil, Paderborn 2013, 75-93.

[6] Zur bleibenden Bedeutung von NA Art. 4 vgl. auch das neueste Dokument (10. Dezember 2015) der römischen KOMMISSION FÜR DIE RELIGIÖSEN BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ (Röm 11,29). Reflexionen zu theologischen Fragestellungen in den katholisch-jüdischen Beziehungen aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums von Nostra aetate (Nr. 4) (dt.: VApSt 203).

[7] Zur Einordnung des „Blutspruchs“ bzw. zur Überwindung von dessen fataler antijüdischen Wirkungsgeschichte siehe den Artikel „Blut“, in: PETZEL, Paul; RECK, Norbert (Hg.), im Auftrag des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken: Von Abba bis Zorn Gottes. Irrtümer aufklären – das Judentum verstehen, Ostfildern 2017, 34-37.

[8] SIEBENROCK, Roman: Nie mehr als verworfen ansehen … Nostra Aetate 4 als hermeneutischer Angelpunkt jeder Konzilsinterpretation, in: SCHREIBER/SCHUMACHER: Antijudaismen (Anm. 5) 115-131.

[9] KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind“ (Anm. 6) Nr. 45.

[10] Die deutsche Fassung beider Dokumente in: RENDTORFF, Rolf; HENRIX, Hans Hermann (Hg.): Die Kirchen und das Judentum, Bd. 1 Dokumente von 1945-1985, Paderborn 21989, 48-53 und 93-103.

[11] PÄPSTLICHE BIBELKOMMISSION: Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel, vom 24. Mai 2001 (dt.: VApSt 152).

[12] Ebd. Nr. 85.

[13] Für NA Art. 4 dürfte nicht zufällig sein, dass der maßgeblich am Zustandekommen von NA Art. 4 Zuständige und Präsident des von Papst Johannes XXIII. neu geschaffenen „Sekretariats für die Förderung der Einheit der Christen“, Augustin Kardinal Bea, selbst Bibelwissenschaftler war.

[14] KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: Hinweise für die richtige Darstellung (Anm. 10) 103.

[15] Übersetzung in: KAMPLING, Rainer; WEINRICH, Michael (Hg.): Dabru emet – redet Wahrheit. Eine jüdische Herausforderung zum Dialog mit den Christen, Gütersloh 2003, 9-12.

[16] Ebd. 9.

[17] Vgl. HEINZ, Hanspeter: Das geht uns an – um Himmels willen! Eine christliche Antwort auf „Dabru emet“, in: Bibel und Liturgie 76 (2003) 64-68; BOHLEN, Reinhold: „Dabru emet“. Ein Meilenstein auf dem Weg des christlich-jüdischen Dialogs, in: Trierer Theologische Zeitschrift 112 (2004) 34-46; DIRSCHERL, Erwin; TRUTWIN, Werner (Hg.): Redet Wahrheit – Dabru Emet. Jüdisch-christliches Gespräch über Gott, Messias und Dekalog, Forum Christen und Juden, Bd. 4, Münster 2004; FRANKEMÖLLE, Hubert (Hg.): Juden und Christen im Gespräch über „Dabru emet – Redet Wahrheit“, Paderborn 2005; KOHLSCHEIN, Franz: Wo steht der christlich-jüdische Dialog? Die Stellungnahme „Dabru Emet“ und die Position von Kardinal Jean-Marie Lustiger, in: Stimmen der Zeit 130 (2005) 401-410.

[18] Vgl. BOHLEN: Dabru emet (Anm. 17) 34-37.

[19] Die Dokumente aus dem Zeitraum von 1945-1985 sind gesammelt in: RENDTORFF/HENRIX: Die Kirchen, Bd. 1 (Anm. 10); spätere Dokumente finden sich in HENRIX, Hans Hermann; KRAUS, Wolfgang (Hg.): Die Kirchen und das Judentum, Bd. 2 Dokumente von 1986-2000, Paderborn 2001. Seither erschienene Dokumente sind veröffentlicht als online-Publikationen unter: www.nostra-aetate.uni-bonn.de/kirchliche-dokumente/online-publikation-diekirchen- und-das-judentum (Zugriff: 7. August 2017).

[20] KAMPLING/WEINRICH: Dabru emet (Anm. 15) 9.

[21] Hier bezogen im Wesentlichen auf römisch-katholische und reformatorische Positionen. Bei den Ostkirchen stehen neue Positionsbestimmungen im Verhältnis zum Judentum noch weitgehend aus.

[22] Deutsche Fassung in: AHRENS, Jehoschua u.a. (Hg.): Hin zu einer Partnerschaft zwischen Juden und Christen. Die Erklärung orthodoxer Rabbiner zum Christentum, Berlin 2017, 253- 256.

[23] KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind“ (Anm. 6).

[24] Dieses Dokument der orthodoxen Rabbiner verwendet die

[25] ERKLÄRUNG ORTHODOXER RABBINER: Den Willen unseres Vaters (Anm. 22) 253-254.

[26] Ebd. 255.

[27] KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind“ (Anm. 6) Nr. 36.

[28] Ebd.

[29] Vgl. dazu KOCH, Kurt Kardinal: Judentum und Katholische Kirche. Zu einem fruchtbaren Dialog seit „Nostra aetate“, in: JEGGLE-MERZ, Birgit; DURST, Michael (Hg.): Juden und Christen im Dialog (Theologische Berichte 36), Fribourg 2016, 53-83, hier: 74-78.

[30] Zu einer vergleichenden Würdigung der hier erwähnten Dokumente vgl. RUTISHAUSER, Christian M.: Eine jüdische Theologie des Christentums, in: AHRENS: Partnerschaft (Anm. 22) 170-183.

[31] KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind“ (Anm. 6) Nr. 46. Zu den (praktischen) Zielen des Dialogs mit dem Judentum vgl. ebd. Nrn. 44-49.

[32] ERKLÄRUNG ORTHODOXER RABBINER: Den Willen unseres Vaters (Anm. 22) 255.

[33] Ebd. 256.

[34]]] SIEBENROCK: Nie mehr als verworfen ansehen (Anm. 8) 131.

[35] DERS.: Theologischer Kommentar (Anm. 4) 677.

[36] Vgl. dazu die Beiträge in BOSCHKI, Reinhold; WOHLMUTH, Josef (Hg.) unter Mitarbeit von RICKEN, Lukas: Nostra Aetate 4. Wendepunkt im Verhältnis von Kirche und Judentum – bleibende Herausforderung für die Theologie (Studien zu Judentum und Christentum 30), Paderborn 2015.

[37] Vgl. hierzu WENGST, Klaus: Nicht im Kontrast zum Judentum, sondern in seinem Kontext: zum Verstehen des Neuen Testaments, in: PETSCHNIGG, Edith; FISCHER, Irmtraud (Hg.): Der „jüdisch-christliche“ Dialog veränderte die Theologie. Ein Paradigmenwechsel aus ExpertInnensicht, Wien u.a. 2016, 112-123.

[38] Zu Belegen und zur Kritik an solchen Ansätzen sowie zu Möglichkeiten ihrer Überwindung vgl. NEUBRAND, Maria; SEIDEL, Johannes: Ist das Neue Testament antijüdisch? Nostra Aetate 4 als bleibende Herausforderung für die neutestamentliche Exegese, in: SCHREIBER/ SCHUMACHER: Antijudaismen (Anm. 5) 278-314.

[39] Vgl. NEUBRAND, Maria: Das Johannesevangelium und „die Juden“. Antijudaismus im vierten Evangelium?, in: Theologie und Glaube 99 (2009) 205-217.

[40] Vgl. dazu THEOBALD, Michael: Kirche und Israel (Röm 9-11) im Spiegel der Alten und Neuen Einheitsübersetzung, in: Bibel und Kirche 72 (2017) 132-141.

[41] Zum Problem antijüdischer Paulusauslegung in protestantischer Theologie vgl. WENGST, Klaus: „Freut euch, ihr Völker, mit Gottes Volk!“ Israel und die Völker als Thema des Paulus – ein Gang durch den Römerbrief, Stuttgart 2008, 13-67.

[42] Vgl. dazu NEUBRAND, Maria: Paulus als jüdischer Theologe.

[43] Vgl. KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind“ (Anm. 6) Nr. 4.

[44] Ebd. Nr. 45 (Hervorhebung im Original).

[45] Text der Ansprache in: RENDTORFF/HENRIX: Kirchen und das Judentum (Anm. 10) 106- 111; Zitat ebd. 109.

[46] So THEOLOGISCHE FAKULTÄT PADERBORN: Modulhandbuch vom 1. Februar 2016, zu Modul 14: www.thf-paderborn.de/wp-content//

[47] Vgl. hierzu z.B. FRANKEMÖLLE, Hubert: Das jüdische Neue Testament und der christliche Glaube. Grundlagenwissen für den jüdisch-christlichen Dialog, Stuttgart 2009.

[48] PÄPSTLICHE BIBELKOMMISSION: Das jüdische Volk (Anm. 11) Nr. 84.

[49] Siehe dazu PETZEL/RECK: Von Abba bis Zorn Gottes (Anm. 7).

[50] Papst FRANZISKUS: Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium vom 24. November 2013, in: AAS 105 (2013) 1019-1137 (dt.: VApSt 194).

[51] KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind“ (Anm. 6) Nr. 31.

[52] Ebd. Nr. 25.

[53] Ebd. Nr. 28.

[54] Vgl. NEUBRAND/SEIDEL: Neues Testament (Anm. 38) 284-297.

[55] PÄPSTLICHE BIBELKOMMISSION: Das jüdische Volk (Anm. 11) Nr. 19.

[56] Anders aber das Postulat von Notger SLENCZKA (Die Kirche und das Alte Testament, in: GRÄB-SCHMIDT, Elisabeth; PREUL, Reiner [Hg.], Marburger Jahrbuch Theologie XXV: Das Alte Testament in der Theologie [Marburger Theologische Studien 119], Leipzig 2013, 83- 119), der eine christologische Bestimmung des Kanons vornimmt, wonach deshalb das Alte Testament keine kanonische Geltung im Kanon der christlichen Kirche haben sollte. Zur kritischen Auseinandersetzung damit vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Ludger: Die Rückkehr Markions, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 44 (2015) 286-302; DERS.: Christentum ohne Altes Testament?, in: Herder-Korrespondenz 8/2016, 26-30.

[57] Zu abzulehnenden Modellen, die in exegetischer Fachliteratur anzutreffen sind, vgl. NEUBRAND/ SEIDEL: Neues Testament (Anm. 38) 290-297.

[58] KOMMISSION BEZIEHUNGEN ZUM JUDENTUM: „Denn unwiderruflich sind“ (Anm. 6) Nr. 33. Dass der „Beschneidungsbund“ mit Abraham (Gen 17), der für das Judentum (weiterhin!) konstitutiv und identitätsbildend ist, nicht für Nichtjuden bzw. „die Völker“ gilt und nach Paulus und der so genannten „Jerusalemer Versammlung“ (vgl. Gal 2; Apg 15) auch nicht gelten soll, erwähnt die Verlautbarung leider nicht. Damit wird der Eindruck erweckt, dass es nur einen „Abrahamsbund“ gibt. Deshalb ist auch die Aussage der Kommission in Nr. 34, dass „es nur eine einzige Bundesgeschichte Gottes mit seiner Menschheit geben kann“, kritisch zu hinterfragen. Das Alte Testament kennt viele verschiedene „Bünde“, auch mit Abraham! Nach dem Alten Testament ist für alle Völker der universelle Noach-Bund entscheidend. In ihm sind Juden wie Nichtjuden eingeschlossen. Darauf verweist die ERKLÄRUNG DER ORTHODOXEN RABBINER: Den Willen unseres Vaters (Anm. 22) 256.

[59] Zu einer kurzen Diskussion der Forschungslage vgl. NEUBRAND, Maria: „Verbunden mit den geistlichen Gütern Israels“ (Röm 15,27). „Kirche“ und „Israel“ im jüdisch-christlichen Dialog, in: Brixner Theologisches Forum 120 (2/2009) 38-52, hier: 47-49.

[60] Vgl. dazu NEUBRAND, Maria: „Ein Volk aus Nichtjuden“ (Apg 15,14). Die bleibende Erwählung Israels und die Erwählung aus den Völkern im lukanischen Doppelwerk, in: FRANKEMÖLLE, Hubert; WOHLMUTH, Josef (Hg.): Das Heil der Anderen. Problemfeld „Judenmission“ (Quaestiones Disputatae 238), Freiburg i.Br. 2010, 289-310.

[61] ERKLÄRUNG ORTHODOXER RABBINER: Den Willen unseres Vaters (Anm. 22) 256.

[62] RUTISHAUSER: Eine jüdische Theologie (Anm. 30) 176.

[63] Dazu gehören natürlich auch die zahlreichen Ansprachen der Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus, auf die hier nicht weiter eingegangen werden konnte; die Texte sind im Internet aber leicht auffindbar. Sie sind allesamt, trotz mancher Irritationen hinsichtlich der Neuformulierung der Karfreitagsbitte für die Juden im außerordentlichen Ritus der römischen Liturgie, klar und deutlich darin, dass sie einerseits jeder Form von „Enterbungstheorie“ eine Absage erteilen und andererseits die enge Verbindung der Kirche mit dem erstberufenen Volk Israel hervorheben.

Editorische Anmerkungen

Zu Maria Neubrand MC siehe hier.
Quelle: IN VERBO AUTEM TUO, DOMINE –

AUF DEIN WORT HIN, HERR. Festschrift für Erzbischof Hans-Josef Becker

zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, herausgegeben von Rüdiger Althaus im Auftrag der Theologischen Fakultät Paderborn, Paderborn 2018. Hier wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin.