Biblische Abschiede: Eine Szenenfolge

Auszüge aus dem Vortrag zur Abschiedsakademie für Dr. Hans Hermann Henrix als Direktor der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen.

Biblische Abschiede: Eine Szenenfolge

Jürgen Ebach

Bei den folgenden Ausführungen handelt es sich um Auszüge aus dem Vortrag zur Abschiedsakademie für Dr. Hans Hermann Henrix als Direktor der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen, der nach 36jähriger Tätigkeit am 4. Dezember 2005 aus dem aktiven Dienst ausschied. Im christlich-jüdischen Dialog spielt Dr. Henrix nach wie vor eine führende Rolle sowohl in Deutschland als auch international.

Biblische Abschiedsszenen gehören einer Welt an, deren soziale und gesellschaftliche Verhältnisse von den unseren sehr unterschieden sind. Eine biblische Geschichte, die sich unmittelbar und ungebrochen auf den heutigen Anlaß beziehen ließe, kenne ich nicht. dass ein Mensch nach vielen Jahren einer verantwortlichen, erfolgreichen, erfüllten und erfüllenden Arbeit eine wichtige Aufgabe in jüngere Hände gibt und selbst auf einen neuen Lebensabschnitt im sogenannten Ruhestand zugeht, das kommt so in der Welt der Bibel nicht vor. Dass es aber zuweilen eines Abschieds und auch einer Trennung bedarf, damit es auf neue Weise weitergehen kann, das allerdings kommt in der Bibel vor. Damit sind wir bei der ersten biblischen Abschiedsszene.

I. Abraham und Lot trennen sich

Aber auch Lot, der mit Abram zog, hatte Kleinvieh und Rinder und Zelte. So ertrug sie das Land nicht mehr, solange sie zusammen wohnten. Weil ihr Besitz groß war, konnten sie nicht mehr zusammen wohnen. Es entstand Streit zwischen den Leuten, die Abrams Vieh, und denen, die Lots Vieh hüteten — dabei wohnte doch das Volk der Kanaanäer und der Perisiter im Land. Abram sprach zu Lot: „Es sollte doch keinen Streit geben zwischen mir und dir, oder zwischen denen, die mein oder die dein Vieh hüten, wo wir doch Männer und Brüder sind. Liegt nicht das ganze Land vor dir? So trenne dich von mir! Nach l inks? Dann geh ich nach rechts. Nach rechts? Dann ich nach links."

„Da hob Lot seine Augen auf und erblickte den gesamten Umkreis des Jordanflusses, dass das alles bewässert wurde. Denn bevor Adonaj Sodom und Gomorra zerstörte, war es da wie im Garten Adonajs, wie in Ägypten — bis hinüber nach Zoar. Da wählte sich Lot den ganzen Umkreis des Jordan. Er brach nach Osten auf und so trennten sie sich, ein Mann von seinem Bruder" (Gen 13,5-11; Übersetzung aus dem Projekt Bibel in gerechter Sprache).

In dieser Szene kommt es zu Abschied und Trennung, weil die Ressourcen nicht reichen, dass beide, Abraham (der hier noch Abram heißt) und Lot, mit ihren Leuten am selben Ort bleiben. Es kommt zum Streit zwischen den Hirten und Abraham fürchtet, der Konflikt könne zum Bruderkrieg werden. Die Trennung erfolgt um des Friedens willen. Getrennt können sie Brüder bleiben. Der Vorschlag zur Trennung geht von Abraham aus. Er läßt Lot wählen, welchen Teil des Landes er für sich und die Seinen haben wolle. Abraham begnügt sich mit dem anderenTeil. So ermöglicht er den friedvollen Abschied, denn er verzichtet aus Stärke auf sein Recht. Einen Kampf hätte er wohl bestehen können, doch aus einem solchen Kampf wären letztlich alle als Verlierer heraus gegangen.

Die kleine Geschichte steht für einen kraftvollen Verzicht und für einen Abschied nicht nur in Frieden, sondern auch zum Frieden. Im vorausgehenden Kapitel hatte Abraham eine große Verheißung erhalten, die auch eine große Landverheißung war. Es hätte nahe gelegen, dass Abraham seinen Besitzanspruch gegenüber Lot mit dieser Verheißung erhärtet hätte. Es ist ja nicht mein Anspruch, hätte er sagen können, es geht um das, was Gott für mich bestimmt hat. Wo die eigenen Interessen zur höchsten religiösen Wahrheit erhoben werden, ist kein Raum für Diskurse und kein Raum für Frieden. Abraham verzichtet auf jede Überhöhung. Es ist nicht genug Raum für beide da, darum ist er bereit zu gehen und läßt Lot die Richtung bestimmen. Ein solcher Abschied läßt allen Raum; es geht um ein friedliches Zusammenleben unter den gegebenen Umständen. Glücklicherweise geht es hier nicht um die Wahrheit und vor allem nicht ums Recht-behalten-Wollen.

II. Noomi und Rut

Das biblische Buch Rut beginnt mit vielfachem Abschied. Die Betlehemiterin Noomi war mit ihrem Mann und ihren Söhnen in einer Hungersnot aus ihrer Heimat ins fremde Land Moab gezogen, um zu überleben; die Söhne hatten moabitische Frauen geheiratet. Doch der Mann und die Söhne Noomis waren bald gestorben. Gemeinsam mit ihren beiden Schwiegertöchtern zog sie weg von dem Ort, an dem sie gelebt hatte. Sie machten sich auf den Weg, um in das Land Juda zurückzukehren.

Da sagte Noomi zu ihren beiden Schwiegertöchtern: „Geht, kehrt zurück, jede in das Haus ihrer Mutter. Möge Gott euch Wohltaten erweisen, wie ihr sie den Toten und mir erwiesen habt. Gott lasse euch Ruhe finden, jede im Haus ihres Mannes." Und sie küßte sie. Sie aber erhoben ihre Stimmen und weinten. Sie sprachen zu ihr:

„Nein, wir wollen mit dir zu deinem Volk zurückkehren." „Kehrt doch um, meine Töchter", entgegnete Noomi. „Warum wollt ihr mit mir gehen? [...] Da erhoben sie ihre Stimmen und weinten nochmals; dann küßte Orpa ihre Schwiegermutter zum Abschied, doch Rut hängte sich an sie. „Sieh doch, deine Schwägerin kehrt um zu ihrem Volk und Gott. Folge deiner Schwägerin", sprach Noomi.

Darauf sagte Rut: „Bedränge mich doch nicht, dich zu verlassen, mich von dir abzuwenden. Denn wo auch immer du hingehst, da gehe ich hin, und wo auch immer du übernachtest, da übernachte auch ich, dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott, wo du stirbst, da sterbe ich, dort will ich begraben werden. Gott tue mir alles Mögliche an, aber nur der Tod wird dich und mich trennen!" Als Noomi sah, dass Rut fest darauf beharrte, mit ihr zu gehen, hörte sie auf, sie zu bedrängen (Rut 1,7-18; gekürzt).

Noomi rät ihren Schwiegertöchtern, nicht mit ihr zu ziehen, und Orpa folgt diesem Rat: „Da erhoben sie ihre Stimmen und weinten nochmals; dann küßte Orpa ihre Schwiegermutter zum Abschied."

Mit keinem Wort wird Orpas Haltung kritisiert. Sie verabschiedet sich von Noomi und bleibt in ihrer Heimat. Sie verabschiedet sich, um zu bleiben. Rut bleibt bei Noomi und muß sich darum von ihrer Heimat verabschieden.

Es geht nicht um Abschied oder Nichtabschied, sondern um die Wahl zwischen zwei Abschieden, in beiden Fällen um ein Gehen und ein Bleiben. Rut geht von ihrem Ort weg, um bei diesem einen Menschen zu bleiben; Orpa geht von diesem einen Menschen weg, um an ihrem Ort zu bleiben. Zuweilen muß ein Abschied sein und es bleibt nur die Wahl, welchen Abschied eine und einer wählt. Und manchmal kann nur bleiben, wer geht. Rut findet ihre menuchu, ihre Heimat in dem Land, in das sie geht. Sie geht, weil sie bei Noomi bleibt.

III. Rebekka verläßt ihre Heimat

Man solle aufhören, wenn es am schönsten ist, rät der Volksmund. Auch dieser gute Rat ist schwer zu beherzigen. Denn woher weiß ich, dass es jetzt am schönsten ist? Dafür aber, dass man aufbrechen solle, wenn etwas gelungen ist, gibt es einen biblische Abschiedssatz, der — wie manch andere biblische Szenen und Worte — über seinen unmittelbaren Kontext hinausreicht.

Abrahams Knecht, so erzählt Gen 24, soll im fernen Mesopotamien für Isaak eine Frau suchen. Er trifft an einem Brunnen auf Rebekka, die sich als die Gesuchte erweist. Rebekkas Familie ist einverstanden Sie selbst wird ebenfalls gefragt, denn, so heißt es im Text ausdrücklich, „sie hat einen eigenen Mund".

Alle sind sich einig, doch die Familie will Rebekka und den Gast wenigstens noch ein paar Tage bei sich behalten. Da sagt Abrahams Knecht: „Haltet mich nicht auf, hat doch Adonaj meinen Weg glücken lassen." Im unmittelbaren Kontext bringt der Satz zum Ausdruck, dass der Knecht rasch zu Abraham zurückkehren will, um seine so erfolgreiche Mission zu Ende zu führen. Doch der Satz läßt, für sich genommen, anderes und weiteres mitklingen. „Haltet mich nicht auf, hat doch Adonaj meinen Weg glücken lassen."

Ein solcher Abschied wird möglich, wenn und weil etwas im Leben gelungen ist, weil Gott etwas hat gelingen lassen. Es heißt gerade nicht: Haltet mich nicht auf, soll doch Adonaj meinen Weg noch glücken lassen. Der Knecht nimmt Abschied, weil etwas gelungen ist. In seinen Worten kommt nicht die Rast- und Ruhelosigkeit dessen zum Ausdruck, den man nicht aufhalten darf, weil er immer noch so viel zu bewältigen hat, weil jeder Erfolg nach immer neuen, größeren schreit, weil nur der übervolle Terminkalender einen und eine als gefragt und als in erweist. „Stillstand ist Rückschritt", heißt eine Parole solcher Ruhelosigkeit, und „wer rastet, der rostet". Die inflationäre Rede vom „Unruhestand" läßt auch jene Rast- und Ruhelosigkeit mitklingen, in der die Muße und — biblisch gesprochen — die menucha auf der Strecke bleibt.

In den biblischen Geboten des Schabbats und sowie des Schabbat- und des Jobeljahres kommt diese menucha zum Ausdruck und zur Wirklichkeit. Das Wort schabbat heißt aufhören. Um die Unterbrechung des fortzeugenden Tuns und Machens geht es, darum aufhören zu können, Unterbrechungen zu leben, nicht das Letzte herauszuholen — nicht aus der Erde und ihren Ressourcen, nicht aus der Arbeitskraft der Anderen und auch nicht aus der eigenen. Es muß, es soll nicht immer so weitergehen. Damit es weitergehen kann — und damit sind wir wieder bei der Dialektik von Gehen und Bleiben —, darf es nicht immer so weiter gehen. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", heißt es bei Hermann Hesse. Aber damit es Anfänge geben kann, bedarf es auch der Abschiede.

IV. David und Barsillai

Auch Karrieren müssen nicht immer so weitergehen. In der Bibel gebe es keine Szene, die sich auf die Verabschiedung eines Menschen in den Ruhestand beziehen läßt. Aber es gibt eine biblische Abschiedsszene, die von der Weisheit eines Menschen handelt, der auf seine alten Tage nicht noch hoch hinaus will: der Gileaditer Barsillai, der König David in schwieriger Lage versorgt hatte. Als David nach Jerusalem zieht, um nach dem Scheitern des Aufstands Absaloms in die Hauptstadt zurückzukehren und wieder die volle Herrschaft anzutreten, kommen mehrere Menschen zur Jordanfurt, um David zu begegnen und zu begleiten.

Auch der Gileaditer Barsillai war von Roglim herabgekommen und mit dem König bis an den Jordan gegangen, um ihn am Jordan zu verabschieden. Barsillai war nämlich sehr alt, ein Mann von achtzig Jahren. Er hatte den König bei seinem Aufenthalt in Mahanajim versorgt, denn er war ein sehr wohlhabender Mann. Und der König sagte zu Barsillai: „Geh auch du mit mir hinüber! Ich will dich bei mir in Jerusalem versorgen." Doch Barsillai sagte zum König: „Wie lange habe ich denn noch zu leben, dass ich mit dem König nach Jerusalem hinaufgehen sollte? Ein Mann von achtzig Jahren bin ich jetzt. Kenne ich denn noch den Unterschied zwischen gut und schlecht? Schmeckt dein Getreuer denn noch, was er ißt und was er trinkt? Kann ich noch die Stimme der Sänger und Sängerinnen hören? Wozu soll dein Getreuer meinem Herrn und König noch zur Last fallen? Nur ein wenig ist ja dein Getreuer mit dem König bis an den Jordan gegangen. Warum will mir dann der König diese Wohltat erweisen? Laß deinen Getreuen zurückkehren, damit ich in meiner Stadt sterben kann, beim Grab meines Vaters und meiner Mutter. Doch schau, dein Getreuer Kimham, der mag mit meinem Herrn, dem König, hinübergehen. An dem handle, wie es dir gefällt!" (aus 2 Sam 19).

V. Elija und Elischa

Mit einem Abschied verbindet sich oft eine schwierige Nachfolge. Nachfolgerinnen und Nachfolger können es schwer haben, wenn sich der Schatten derer, die sich verabschiedet haben, auf ihr Tun legt und es verdunkelt. Nicht selten sind die Schuhe zunächst zu groß, in welche die Nachfolgenden schlüpfen sollen. Das weiß Elischa, als er von Elija Abschied nimmt und sich bange fragt, ob er als Nachfolger das nötige Format hat. In der folgendenPassage der Übersetzung von 2 Kön 2 ist der Eigenname Gottes in einer weiblichen Form wiedergegeben (die Ewige). Das klingt für manche Ohren noch ganz ungewöhnlich, aber es macht darauf aufmerksam, dass Gott kein Mann ist und dass das auch in einer deutschen Bibelübersetzung deutlich werden kann. Elija und Elischa kommen an den Jordan; beide wissen, dass Elijas Zeit dem Ende zugeht: Dann sagte Elija zu ihm: „Bleib doch hier, denn die Ewige hat nur mich zum Jordan gesandt!" Er aber sagte: „Bei der Ewigen und deinem Leben, ich werde dich nicht verlassen!" Und so gingen die beiden. Fünfzig von den Schülerinnen und Schülern der Prophetie waren aber gleichzeitig auch gegangen und standen ihnen nun von ferne gegenüber, die beiden aber standen am Jordan. Da nahm Elija seinen Mantel, wickelte ihn zusammen und schlug auf das Wasser. Es teilte sich nach da und dort, und die beiden zogen über das Trockene (aus: Bibel in gerechter Sprache).

Elija ist der große und machtvolle Wundertäter. Er vermag mit seinem Mantel die Wasser zu teilen, so wie sich in Israels Geschichte zuvor die Wasser geteilt hatten, damit die Geretteten trockenen Fußes hindurchziehen konnten — am Schilfmeer und beim Übergang über den Jordan. Am Ende des Lebens und Wirkens Elijas noch einmal ein solches Wunder. Dem Nachfolger wird so noch einmal sinnfällig vor Augen geführt, was der Vorgänger vermochte. Als sie gerade hinüberzogen, sagte Elija zu Elischa: „Erbitte von mir, was ich für dich tun soll, bevor ich von dir genommen werde!" Da sprach Elischa: „Hätte ich doch zwei Teile von deiner Geistkraft!"

„Hätte ich doch zwei Teile von deiner Geistkraft (von deiner ruach)", wünscht sich Elischa. Die Formulierung zitiert eine Bestimmung aus den Mosebüchern, in der es um das Erbrecht geht. Der älteste Sohn erbt nicht alles, aber er erbt gegenüber den jüngeren Söhnen einen doppelten Anteil. Elischa möchte wie ein ältester Sohn Elijas erachtet werden und er möchte die Geistkraft des Propheten wie einen Besitz ererben. Man kann die Maßangabe auch als Bitte um zwei Drittel der Geistkraft verstehen.

Die Nachfolge ist hier auch ein Schritt zur Teilung der Aufgaben. Aber die schwierige Frage bleibt: Kann man ein Charisma erben? Das ist, wie die biblische Szenenfolge zeigt, auch für Elija eine schwierige Frage. Offenbar kann man sich die Geistkraft weder erzwingen noch kann man sie einfach weitergeben. Vielleicht geht es auch darum nun um das Sehen: Da sagte er: „Diese Bitte ist schwer zu erfüllen. Wenn du mich siehst, wie ich von dir genommen werde, dann soll dir so geschehen! Wenn aber nicht, dann geschehe es nicht!" Als sie nun miteinander weitergingen und redeten — siehe da, plötzlich: ein Wagen aus Feuer und Pferde aus Feuer! Diese trennten die beiden voneinander, und Elija wurde im Sturm in den Himmel hinaufgezogen. Als Elischa das sah, schrie er auf: „Mein Vater, mein Vater, Israels Wagen und sein Gespann!" Dann aber sah er ihn nicht mehr.

Die Szene ist dramatisch und sie ist in einer Hinsicht präzise unscharf. Elischa sieht etwas, vielleicht das Entscheidende, aber dann sieht er wieder nichts. Wenn er es sieht, hatte Elija ihm gesagt, ist sein Wunsch nach dem Erbe der Geistkraft erfüllt, wenn nicht, dann nicht. Hat Elischa genug gesehen, um die Bitte um Elijas Charisma als gewährt ansehen zu dürfen? Diese Frage kann nicht theoretisch beantwortet werden, sie bedarf der praktischen Überprüfung. Der Wunsch zu prüfen, ob der erwünschte große Anteil der Geistkraft Elijas auf ihn übergegangen ist, ist für Elischa so groß, dass er den Trauerritus des Zerreißens der Kleider unmittelbar in einen entsprechenden Versuch übergehen läßt: Da ergriff er seine Kleider, zerriß sie in zwei Teile, hob den Mantel Elijas auf, der von ihm heruntergefallen war, kehrte um und stand am Ufer des Jordan. Dann nahm er den Mantel Elijas, der von ihm heruntergefallen war, schlug auf das Wasser und sprach: „Wo ist die Ewige, die Gottheit Elijas?" Und er schlug auf das Wasser. Da teilte es sich nach da und dort, und Elischa zog hindurch. Als aber die Schülerinnen und Schüler der Prophetie aus Jericho ihn von gegenüber sahen, da sagten sie: „Die Geistkraft Elijas ruht auf Elischa!"

Elischa also kann es; er kann es allein und er kann es mit Hilfe des Mantels des Vorgängers. Kontinuität und Neubeginn kommen so ganz eng zusammen. Im Übergang steckt ein neuer Beginn. Doch nicht alles muß neu sein. Manchmal tut es ein alter Mantel auch noch — manchmal hilft nur das alte Gewand und das, was an Geist in ihm steckt. Mit Elijas Mantel kann Elischa Elijas Schatten entkommen. Wieder ein kleines biblisches Lehrstück aus der dialektischen Schule des Gehens und des Bleibens. Etwas von Elijas Geisteskraft bleibt, weil Elischa selbst zu gehen lernt; und weil etwas bleibt, geht es.

 

Editorische Anmerkungen

Dr. Jürgen Ebach ist Professor für Exegese und Theologie des Alten Testaments und biblische Hermeneutik an der Ruhr-Universität Bochum.

Quelle: Freiburger Rundbrief 3/2006