Christoph Münz
Der Welt ein Gedächtnis geben
Geschichtstheologisches Denken im Judentum nach Auschwitz.
Gütersloh: Christian Kaiser/Gütersloher Verlagshaus, 1996.
584 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag. DM 58,-.
Münz"s attempt to place Holocaust thinking and remembering into the framework of history is worth noting, even though one may think of it more as an original entry in the field of Holocaust theology. Christoph Münz"s book was produced around the same time as my own Das Ende der Nacht: Jüdische und christliche Denker nach dem Holocaust; and it appeared with the same publisher. I am happy to say that the two books parallel one another, and are not in conflict. Christoph"s book is an excellent effort which begins with the attempt to place the Shoah in a historical framework where it becomes a univeral problem. It deals with the concept of "memory" as a category of Jewish thought and then, carefully, the author works his way through all the major Jewish thinkers who have written on this theme. In the end, he expresses his dissappointment that the impact on German-Christian thought has been insignificant. I think that he judges his compatriots somewhat harshly here, but it is certainly true that the bitter heritage of the past — and not only of this century — has not yet been fully understood, particularly by the Church which failed in its task. It is reassuring to find a young scholar who has made a serious effort to redress the past with its distorted theology; and I hope and believe that we will be working together in the future in this and other areas of research and of healing. Clio, in the end, must be a teacher and healer.
Albert H. Friedlander,in: European Judaism, Vol. 29, No.1, Spring 1996, p. 159f.
Christoph Münz beschreibt in diesem Buch die bedrückende Tatsache, daß der Holocaust im Land, in dem er ersonnen wurde, in seiner religiös-geschichtlichen Einzigartigkeit weit weniger ernst genommen wird, als in Nordamerika und natürlich besonders im Judentum.
Ich selbst wuchs in der Nazizeit auf (Jahrgang 1930). Als ich nach dem Krieg über den Holocaust erfuhr und meine pietistischen Eltern nach ihren Erfahrungen befragte, bestätigten sie mir, daß sie zwar nichts über die Lager wußten, aber seit der sogenannten "Reichskristallnacht" sehr wohl das Leiden der Juden beobachtet, aber aus Furcht, uns sechs Kinder zu gefährden, geschwiegen hätten. Die typische Rechtfertigung des Schweigens war die in diesem Buch beschriebene Auffassung, die Probst Grüber, der wegen seiner Bemühungen um die Rettung von Juden selbst inhaftiert worden war, noch nach dem Krieg dem Juden Richard Rubenstein gegenüber vertrat: Hitler sei das Instrument Gottes zur Bestrafung der Juden gewesen.
Das Schweigen unserer Eltern zum Tod von über einer Million jüdischer Kinder hat uns, den Kindern des Hitlerreichs, das Leben gerettet. Sollten wir uns dann nicht in der Schuld dieser jüdischen Kinder finden? Die Sensibilität für diese Tatsache scheint mir dieses Buch zu durchdringen. Der Autor hat es seinen Kindern gewidmet. Gewiß, auch in Deutschland ist die Geschichte des Holocaust bis in seine feinsten Details hinein unter der Lupe der Geschichtswissenschaften. Auch hier versuchen einige namhafte Theologen eine christliche Theologie nach dem Holocaust zu entwerfen. Seltener aber findet man hier die Erschütterung, das Zerbrechen an allem, was wir als Christen 2000 Jahre lang gepredigt bekamen, was vor allem auch den Juden gepredigt wurde. Wo sind Christen in unserem Land bereit, einmal den Mund zu halten und auf das zu hören, was Juden in ihrem Zerbrechen an Gott und unserer "christlichen" Welt zu sagen haben?
Diese Frage scheint mir der Autor ernstzunehmen. Er bringt meine Erschütterung als Deutscher und als Christ zur Sprache und läßt mich auf jüdische Stimmen hören. In diesem Buch lerne ich nicht neue geschichtliche Fakten über Einzelheiten des Holocaust, die sich durch die Öffnung ehemals sowjetischer Archive ständig mehren und in das geschichtliche Gesamtbild eingebaut werden können. Daran fehlt es ja auch in Deutschland nicht. Es bringt uns vielmehr das jüdische Ringen, eine Antwort auf Auschwitz zu finden, vor Augen und fordert uns damit heraus, aus unserer Erschütterungsfestigkeit, aus unserer besserwisserischen Beredsamkeit, akademischen Arroganz und christlichen Sicherheit herauszutreten. Als christlicher Laie erwarte ich von der Universität geistige und theologische Führung, die auch die außerdeutschen Erkenntnisse und Anmahnungen ernst nimmt. Immerhin sind es gerade die in Deutschland gebildeten und von hier stark beeinflußten jüdischen und christlichen Theologen, die in England und Amerika entscheidend zur Aufarbeitung des Holocaust beigetragen haben. In diesem Buch kommt uns der Autor entgegen und schlägt eine Brücke über Landes-, Religions- und Sprachgrenzen hinweg.
Die Tatsache, daß es im heutigen Deutschland nur noch 70.000 Juden gibt, macht es sehr schwer, mit Juden in ein ernsthaftes Gespräch zu kommen. Hier schafft das Buch auch für Laien Abhilfe. Dem Verlag ist für die Herausgabe und Wiederauflage des Buches sehr zu danken. Ich wünschte mir, daß es vielen Menschen im deutschsprachigen Raum hilft, jüdische Stimmen über den Holocaust zu hören und für das Christentum und für Deutschland, Österreich und die Schweiz — und für unser Nachdenken über den Sinn und das Ziel unseres Menschseins und der Geschichte — die äußerst dringlichen Konsequenzen zu ziehen.
Fritz B. Voll
Christoph Münz, a young scholar in Germany who has recently taken his qualifying exams at the University of Siegen has published one of the most important books on the religious siginificance of the Holocaust since publications on the event began to appear: Der Welt ein Gedächtnis geben (Christian Kaiser/Gütersloher Verlagshaus, 1995). The study by the young Christian scholar, nearly 600 pages in length, disusses in depth every philosophical and theological problem currently being debated in articles and books on the Holocaust. The unique feature of the work is the fact that for the first time a Christian student reads extensively in the Jewish responsa. That is, he not only attempts to present fairly such Jewish writers on the Holocaust as Emil Fackenheim, Irving Greenberg, Ignaz Maybaum, Richard Rubenstein, Eliezer Berkovits, Arthur Cohen and Mark Ellis: he engages them and their solutions in a genuine dialogue. Thus he moves beyond the older general of Christian scholars that was attempting, usually without reading the actual texts, to acknowledge in collegiality - but from a distance - that there were Jewish thinkers also struggling to unlock the mystery of the event.
Franklin Littel, in: Notebook. An occasional bulletin of the Philadelphia Center on the Holocaust, Genocide, and Human Rights, Nov. 24th 1996